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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 02.08.2005
Aktenzeichen: 13 Ta 208/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO §§ 103 ff
ArbGG § 12 a
Ein rein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch abweichend von § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann im Kostenfestsetzungsverfahren nicht verfolgt werden.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hanau vom 07. März 2005 - 1 Ca 215/03 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Am 12. März 2004 schlossen die Parteien im zweiten Rechtszug vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht einen prozessbeendenden Vergleich, in dem es u. a. heißt:

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/4, der Beklagte 3/4. Die Kostenregelung schließt nach dem ausdrücklichen Willen der Parteien auch die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ein.

Sodann beantragte die Klägerin Kostenausgleichung gem. § 106 ZPO unter Einschluss auch der außergerichtlichen Kosten erster Instanz Anwaltsgebühren und -auslagen). Auch der Beklagte setzte seine Kosten ein und rügte dabei bereits die Einsetzung der außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz im Antrag der Klägerin. Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07. März 2005 setzte der Rechtspfleger die Kosten auf 958,43 EUR fest, die der Klägerin von dem Beklagten zu erstatten seien. Dabei ließ er (u. a.) die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus dem ersten Rechtszug (230,00 EUR) unter Hinweis auf § 12 a ArbGG unberücksichtigt. Der Klägerin wurde dieser Beschluss am 01. April 2005 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. April 2005, eingegangen am 15. April 2005 legte die Klägerin hiergegen wegen der unbeachtet gebliebenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz sofortige Beschwerde ein, der der Rechtspfleger am 19. April 2005 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Die Parteien streiten nach wie vor im Wesentlichen darum, ob der oben angeführte Vergleich tatsächlich auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszugs umfassen sollte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflegerG; 78 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hatte der Rechtspfleger die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus dem ersten Rechtszug abgelehnt und bei der Kostenausgleichung im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07. März 2005 unberücksichtigt gelassen. Die Festsetzung dieser Kosten ist unzulässig.

§ 12 a ArbGG schließt die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten für die Zuziehung als Prozessbevollmächtigter im erstinstanzlichen Verfahren vor den Arbeitsgerichten aus. Es bestehen zwar keine Bedenken, im Wege der Parteivereinbarung, z. B. wie hier durch einen gerichtlichen Vergleich, eine Regelung zu treffen, nach der die Rechtsanwaltskosten der Gegenseite doch übernommen werden. § 12 a ArbGG verbietet eine solche Abrede nicht.

Dieser so begründete materiell-rechtliche Erstattungsanspruch ist jedoch in einem Kostenfestsetzungsverfahren gemäß den §§ 103 ff. ZPO nicht durchsetzbar. Vielmehr ist hierzu auf den Klageweg zu verweisen. Das Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO steht in engem Zusammenhang mit der grundsätzlichen Kostenregelung des § 91 ZPO. Es betrifft nur die Prozesskosten im eigentlichen Sinne, d. h. diejenigen Kosten, die nach den §§ 91 ff. ZPO mit den Abweichungen des § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG zu den erstattungsfähigen Kosten gehören. Das Kostenrecht der gerichtlichen Verfahrensordnungen ist öffentliches Recht. Als solches kann es nicht durch Parteivereinbarung erweitert werden. Es besteht daher grundsätzlich nicht die Möglichkeit, im Kostenfestsetzungsverfahren Beiträge einzuziehen, auf die man sich "nur" materiell-rechtlich geeinigt hat. Die Kammer schließt sich in Fortführung der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 04. August 1999 - 9 Ta 570/99 -, LAGE § 12 a ArbGG Nr. 20, der nach wie vor herrschenden Meinung an (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 25. Juni 1991, NZA 92, 141; LAG Düsseldorf vom 01. April 1986, LAGE § 12 a ArbGG Nr. 9; LAG Hamm vom 24. Februar 1972, MDR 72, 546; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 a, Randziff. 118 a m. w. N.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 5. Aufl. 2004, § 12 a, Randziff. 27 m. w. N.; a. A. LAG München vom 04. Dezember 1978, Anwaltsblatt 79, 67 und noch LAG Frankfurt vom 09. Juli 1958, NJW 58, 1415, bereits aufgegeben vom Hessischen LAG vom 04. August 1999, a.a.O.; Weimar, NZA 2003, 540).

Die Richtigkeit dieser Auffassung zeigt sich gerade im vorliegenden Fall. Der für die Kostenfestsetzung zuständige Rechtspfleger soll im Rahmen der §§ 103 ff. ZPO nur kostenrechtliche Gesichtspunkte beachten müssen, materiell-rechtliche nur dann, wenn sie unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (Hessisches LAG vom 01. März 1999 - 9 Ta 81/99 - und statt vieler Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 104, Randziff. 13). Damit soll verhindert werden, dass der Rechtspfleger und nicht der Richter materielles Recht anwendet, insbesondere Vertragsauslegung vornimmt. Solche wäre aber hier erforderlich, weil festgestellt werden müsste, ob die Parteien durch die zitierte Vergleichsvereinbarung tatsächlich eine von § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG abweichende materiell-rechtliche Regelung treffen wollten. Hierüber herrscht zwischen ihnen Streit.

Im Hinblick auf diese Erwägungen müssen die reinen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte der Vertreter der Gegenansicht zurücktreten (vgl. ebenso schon Hessisches LAG vom 04. August 1999, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. Nr. 8613 der Anlage 1 zu § 34 GKG.

Ende der Entscheidung

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