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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 15 Ta 578/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5
KSchG § 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessisches Landesarbeitsgericht - Kammer 15 - BESCHLUSS

Az.: 15 Ta 578/04

In dem Verfahren gemäß § 5 Kündigungsschutzgesetz

hat das Hessische Landesarbeitsgericht - Kammer 15 -

durch

als Vorsitzenden

ohne mündliche Verhandlung am 17. Februar 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 06. Juli 2004 - 5 Ca 808/04 - aufgehoben.

Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 21. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

I.

Im Hauptverfahren streiten die Verfahrensbeteiligten um die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 14. November 2003 (Kopie Blatt 5 d.A.).

Die Klage gegen die Kündigung ist am 26. Januar 2004 beim Arbeitsgericht eingegangen, der Beklagten ist sie am 29 Januar 2004 zugestellt worden.

Zugleich hat die Klägerin die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt.

Die Klägerin hat behauptet, das Kündigungsschreiben habe sich auch am 15. November 2003 noch nicht im Briefkasten befunden, sie habe das Schreiben erst am 19. Januar 2004 nach der Rückkehr aus Pakistan, wohin sie am 16. November 2003 zusammen mit ihrem Ehemann abgereist sei, vorgefunden. Während der Abwesenheit sei der Briefkasten der Wohnung nicht kontrolliert worden. Die Klägerin ist daher der Ansicht, die Klage sie nachträglich zuzulassen. Für die Antragsbegründung im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 21. Januar 2004 mit Anlagen (Blatt 1 bis 7 d.A.) Bezug genommen. Für den Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin vom 21. Januar 2004 wird auf Blatt 4 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte ist dem Antrag entgegen getreten. Es sei ihr zwar bekannt gewesen, dass sich die Klägerin vom 16. November 2003 bis zum 18. Januar 2004 in Pakistan aufgehalten habe. Die Beklagte hat jedoch behauptet, das Kündigungsschreiben sei am 14. November 2003 von den Zeugen S. und B. in den Briefkasten der Klägerin geworfen worden, der Klägerin also noch vor der Abreise zugegangen. Gestützt darauf hat die Beklagte gemeint, die Klägerin hätte für eine rechtzeitige Klageerhebung sorgen müssen, sei es noch vor der Abreise oder von Pakistan aus.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen Z., des Ehemanns der Klägerin, und der Zeugen S. und B. mit Kammerbeschluss vom 06. Juli 2004 die Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die urlaubsbedingte Abwesenheit nachträglich zugelassen, wobei für die Gründe im Detail auf Blatt 41 bis 48 d.A. Bezug genommen wird. Es ist dabei davon auf der Basis der Beweisaufnahme (Blatt 37 bis 39 d.A. - hierauf wird Bezug genommen) ausgegangen, dass das Kündigungsschreiben noch nicht am 14. oder 15. November 2003 zugegangen ist, sondern im November während der Urlaubsabwesenheit der Klägerin.

Der Beschluss ist der Beklagten am 13. Oktober 2004 zugestellt worden.

Am 22. Juli 2004 war beim Arbeitsgericht die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten (Blatt 53 d.A.) eingegangen, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15. Oktober 2004 (Blatt 57 d.A.). nicht abgeholfen hat.

Für den Inhalt der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 27. Oktober 2004 (Blatt 61 bis 63 d.A.) Bezug genommen, dazu auf den Schriftsatz vom 13. Dezember 2004 (Blatt 69/70 d.A.).

II.

Die Entscheidung über die statthafte (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung (§ 78 Satz 1 ArbGG, §§ 572 Abs. 4, 128 Abs. 4 ZPO) ergehen und wird vom Vorsitzenden allein getroffen (§ 78 Satz 3 ArbGG).

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Klage gegen die streitgegenständliche Kündigung kann nicht gemäß § 5 Abs. 1 KSchG nachträglich zugelassen werden, da die Klägerin nicht trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage binnen drei Wochen nach Kündigungszugang zu erheben.

Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Frage des wirksamen Zugangs der Kündigung und des entsprechenden Zugangszeitpunktes nicht in dem vorliegenden Verfahren gem. § 5 KSchG überprüft wird (vgl. dazu die Kammerbeschlüsse vom 26. Februar 2003 - 15 Ta 598/02 -, 14. Januar 2004 - 15 Ta 517/03 - und 24. August 2004 - 15 Ta 153/04 -). Diese Fragen hat das Arbeitsgericht im Hauptsacheverfahren zu prüfen, und es hat in diesem Verfahren - gegebenenfalls aufgrund einer Beweisaufnahme wie vorliegend - die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Hier im Verfahren gem. § 5 KSchG geht es nur um die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags nach § 5 KSchG und die Frage, ob die vom Arbeitsgericht als versäumt angesehene Klagefrist auf der Grundlage der Feststellungen des Arbeitsgericht zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unverschuldet im Sinne des § 5 Abs. 1 KSchG versäumt worden ist.

Ein Verschulden der Klägerin im umschriebenen Sinne ist schon deswegen zu bejahen, weil sie während ihrer mehrwöchigen Abwesenheit von ihrer Wohnung keine Vorkehrungen dafür getroffen hat, dass sie Nachrichten und/oder rechtsgeschäftliche Erklärungen der Arbeitgeberin erreichen konnten bzw. sie von derartigen Nachrichten oder Erklärungen in Kenntnis gesetzt werden konnte, um darauf gegebenenfalls rechtzeitig reagieren zu können. Dass derartige Vorkehrungen unmöglich oder unzumutbar gewesen wären, ist nicht ersichtlich, und von der Klägerin ist dazu auch nichts vorgetragen, obwohl die Beklagte im Schriftsatz vom 13. Dezember 2004 die Frage der Verpflichtungen der Arbeitnehmer bei längeren Abwesenheiten ausdrücklich angesprochen hat.

Grundsätzlich braucht die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer zwar während des Urlaubs keine besonderen Vorkehrungen insoweit zu treffen (vgl. etwa ErfK/Ascheid, 5. Aufl., § 5 KSchG Rz. 14 mit weit. Nachw.). Dies trifft aber nur für den normalen Urlaub von maximal etwa sechs Wochen zu, nicht aber für länger währende Abwesenheiten (vgl. BVerfG Beschluss vom 11. Februar 1976 - 2 BvR 849/75 - NJW 1976, 1537; ebenso bereits Kammerbeschluss vom 18. November 2003 - 15 Ta 203/03 -), wie sie hier vorlag. Mit dem Bundesverfassungsgericht ist davon auszugehen, dass es nur während einer vorübergehenden und relativ kurzfristigen Abwesenheit von der Wohnung unzumutbar ist, im Hinblick auf mögliche, aber zeitlich eben ungewisse Zustellungen oder rechtsgeschäftliche Erklärungen "besondere" Vorkehrungen zu treffen. Anders liegt es bei Abwesenheiten von mehr als sechs Wochen, dann ist der Aufwand hinsichtlich der besonderen Vorkehrungen sinnvoll und vertretbar und im Hinblick auf die Interessen der Arbeitgeberseite auch zu fordern. Dass die Beklagte von der Abwesenheit der Klägerin und deren Dauer informiert war, vermag diese Grundsätze nicht in Frage zu stellen. Es ist im Übrigen nicht zu sehen, dass die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen konnte, die Beklagte habe (stillschweigend) auf besondere Vorkehrungen im dargestellten Sinne verzichtet.

Die Klägerin hat als die unterlegene Verfahrensbeteiligte die Kosten des Verfahrens gem. § 5 KSchG zu tragen (§§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO), das als eigenständiges Verfahren ausgestaltet ist (a.A. Wenzel, in: Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz. 187).

Die Möglichkeit einer Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht (BAG Beschluss vom 20. August 2002 - 2 AZB 16/02 - EzA § 5 KSchG Nr. 34).

Für den Fall eines Antrags auf Wertfestsetzung zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung wird mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, den Wert entsprechend der ständigen Kammerrechtsprechung auf den Betrag eines Bruttomonatsverdienstes (dieser möge dann mitgeteilt werden) festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.



Ende der Entscheidung

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