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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.03.2006
Aktenzeichen: 16/10 Sa 1756/05
Rechtsgebiete: TVG, BRTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 1
BRTV/Bau § 8 Nr. 8
§ 8 Nr. 8 BRTV/Bau schließt einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers wegen verfallenen Urlaubs gegen die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft aus, wenn der Urlaubsanspruch nicht durch von Arbeitgeberseite zu leistende Beiträge gedeckt ist.

Bei der Zahlung von Sozialkassenbeiträgen kann der baugewerbliche Arbeitgeber nicht bestimmen, dass mit der Zahlung nur Beitragsforderungen für bestimmte tarifliche Leistungen und nur für bestimmte Arbeitnehmer getilgt sein sollen.

Fehlende Deckung des Urlaubsanspruchs kann der ehemalige Arbeitgeber des Arbeitnehmers daher nicht dadurch beseitigen, dass er einen Betrag in Höhe des Urlaubsentschädigungsanspruch als Beiträge für einen namentlich bezeichneten Arbeitnehmer an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse zahlt.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 23. Juni 2005 - 4 Ca 1133/04 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung eines verfallenen Urlaubsabgeltungs- bzw. Urlaubsanspruchs..

Der Kläger war im Jahre 2002 bei einem baugewerblich tätigen Unternehmen, der Xxxxxxxxx + Xxxxxx GmbH (künftig X+X GmbH), als Fliesenleger beschäftigt. Für dieses Jahr erwarb er einen Urlaubsvergütungsanspruch in Höhe von € 2.709,49. Eine Urlaubsgewährung durch seinen Arbeitgeber erfolgte nicht.

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvorschriften des Baugewerbes u.a. die Aufgabe, die Auszahlung der Urlaubsvergütung an die Arbeitnehmer zu sichern. Die Mittel dafür werden durch Beiträge in Höhe eines Prozentsatzes der Bruttolöhne der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer von allen Arbeitgebern des Baugewerbes aufgebracht. Nach den Vorschriften des ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren (VTV) ist dieser Beitrag Teil des sog. Sozialkassenbeitrages, der sich aus dem Urlaubskassenbeitrag und Beiträgen für andere tarifvertraglich normierte Leistungen zusammensetzt, und von den tarifunterworfenen Arbeitgebern monatlich an die als Einzugstelle fungierende Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes, eine weiter gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die das gemeinsame Beitragskonto aller baugewerblichen Arbeitgeber führt, abzuführen ist. Die X+X GmbH zahlte für das Kalenderjahr 2002 die von ihr monatlich geschuldeten Sozialkassenbeiträge nicht in vollem Umfang an die Einzugsstelle.

Im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV/Bau) ist u.a. bestimmt:

§ 8

7. Verfall der Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche

Die Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche gemäß Nr.6 verfallen mit Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Jahr der Entstehung der Urlaubsansprüche folgt...

8. Entschädigung

Nach Verfall der Urlaubsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche hat der Arbeitnehmer innerhalb eines weiteren Kalenderjahres Anspruch auf Entschädigung gegenüber der Kasse in Höhe der Urlaubsvergütung, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Jahres bereits geleistet worden sind. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn bis zum Ablauf von vier Kalenderjahren nach dem Verfall Beiträge nachentrichtet werden und nicht für die Erstattung von Urlaubsvergütungen bzw. die Zahlung von Urlaubsabgeltungen verwendet worden oder zum Ausgleich für geleistete Erstattungen zu verwenden sind. §§366,367 BGB finden keine Anwendung.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2004, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 11 d.A. Bezug genommen wird, übersandte die X+X GmbH dem Beklagten einen Verrechnungsscheck (Bl. 12 d.A.) über € 2.709,49. Als Verwendungszweck war ihre Betriebskontonummer angegeben sowie "Beiträge für (Kläger) gemäß anliegendem Schreiben". Diesen Betrag verrechnete der Beklagte mit der zu diesem Zeitpunkt ausstehenden Beitragsschuld der Y+Y GmbH. Weitere Zahlungen der Y+Y GmbH erfolgten im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus einem von der Einzugstelle erwirkten Versäumnisurteil. Am 06. Juli 2004 wurde über das Vermögen der Y+Y GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Zwischen den Parteien ist im Berufungsrechtszug unstreitig geworden, dass Urlaubsentschädigungsansprüche des Klägers für das Kalenderjahr 2002 nur in Höhe von € 911,78 durch Beitragszahlungen der Y+Y GmbH beitragsgedeckt waren. Dieser Betrag wurde dem Kläger vom Beklagten auf dessen Antrag hin als Entschädigungsanspruch gezahlt.

Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte sei zur Zahlung eines weiteren Entschädigungsbetrages von € 1.797,71 verpflichtet. Aufgrund der mit der Übersendung des Verrechnungsschecks durch die X+X GmbH getroffenen Tilgungsbestimmung sei sein Urlaubsanspruch für das Jahr 2002 in vollem Umfang beitragsgedeckt. An die Tilgungsbestimmung sei der Beklagte gebunden gewesen. Insoweit sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass er keine Möglichkeit habe, seinen Arbeitgeber zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen zu verpflichten, um sich Entschädigungsansprüche zu erhalten.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 1.787,71 brutto nebst 5 Prozentpunkte Zins über dem Basiszinssatz ab dem 19. Februar 2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe alles erhalten, was ihm angesichts des Umfangs der Beitragsdeckung von Urlaubsansprüchen für 2002 zustände. An die mit der Übersendung des Verrechnungsschecks getroffene Tilgungsbestimmung der Y+Y GmbH sei er nicht gebunden gewesen. Das folge aus den tarifvertraglichen Vorschriften.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2005 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 72 bis 82 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 27. März 2006 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er verfolgt sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter und trägt vor, entgegen dem Arbeitsgericht sei der Beklagte im vorliegenden Fall an die Tilgungsbestimmung seines Arbeitgebers hinsichtlich des gezahlten Betrages von € 2.707,49 gebunden gewesen. Dem ständen tarifvertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Habe nämlich ein Arbeitnehmer, wie er, von seinem Arbeitgeber ausdrücklich die Zahlung der Lohnanteile für die Urlaubskasse an diese gefordert, so müsse auch der Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, diese Ansprüche dadurch zu erfüllen, dass er die Zahlungen unter entsprechender Zweckbestimmung leiste. Jedes andere Ergebnis würde dazu führen, dass er nicht imstande sei, seine Ansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen. Auf Schadensersatzansprüche gegen seinen Arbeitgeber müsse er sich schon deshalb nicht verweisen lasen, weil diese in aller Regel wegen der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen sein würden.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung, verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft seine Auffassung, wonach er an Tilgungsbestimmungen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers nicht gebunden sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 24. Januar 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthaft und konnte angesichts der ausdrücklich erfolgten Zulassung der Berufung durch das Arbeitsgericht unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes eingelegt werden (§ 64 Abs. 2 a ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann vom Beklagten nicht die Zahlung von € 1.707,49 verlangen, weil für dieses Klagebegehren eine Rechtsgrundlage fehlt.

Aus § 8 Nr.8 BRTV/Bau kann der Kläger keinen Anspruch herleiten. Denn der in dieser tariflichen Vorschrift statuierte Entschädigungsanspruch besteht nur, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Urlaubsjahres geleistet worden sind. Das bedeutet nach dem insoweit eindeutigen tariflichen Wortlaut nichts anderes, als dass der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Beklagten in seinem Umfang davon abhängt, dass er durch von Arbeitgeberseite zu leistende Beiträge für das jeweilige Urlaubsjahr gedeckt ist.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Entschädigungsanspruch des Klägers nur in Höhe von € 911,78 durch die monatlich von Arbeitgeberseite zu leistenden Beiträge gedeckt ist. Streitig ist allein, die Zahlung der Y+Y GmbH über € 2.709,49 zur vollständigen Beitragsdeckung zugunsten des Klägers geführt hat. Das ist nicht der Fall.

Durch die Zahlung eines Betrages von € 2.709,49 konnte die Y+Y GmbH keine vollständige Deckung des Entschädigungsanspruchs zugunsten des Klägers herbeiführen.

Geht man davon aus, die Y+Y GmbH habe mit der Zahlung des vorgenannten Betrages ihre damals unstreitig bestehende tarifliche Verpflichtung zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen teilweise erfüllen und lediglich ergänzend bestimmen wollen, dass die Zahlung nur zur Tilgung von Beiträgen für das Urlaubskassenverfahren bezüglich des Klägers verwendet werden sollte, hinderte das den Beklagten nicht, den Betrag von € 2.709,49 entgegen der Bestimmung der Y+Y GmbH zur Tilgung anderer Beitragsschulden der Y+Y GmbH zu verwenden. Denn eine solche für den Beklagten bindende ergänzende Verwendungsbestimmung zu treffen, war der Y+Y GmbH nicht möglich.

Nach den tarifvertraglichen Bestimmungen ist ein baugewerblicher Arbeitgeber nicht berechtigt, bei der Zahlung von Sozialkassenbeiträgen bindend zu bestimmen, dass die Zahlung nur für bestimmte Beiträge oder für bestimmte Arbeitnehmer verwendet werden soll.

Der Arbeitgeber kann bei der Zahlung von Sozialkassenbeiträgen nicht bestimmen, dass damit nur Beiträge für bestimmte tarifliche Leistungen getilgt werden sollen. Das folgt aus § 22 Abs.1 VTV (vgl. Kammerurteil v.21. März 2005 - 16/10 Sa 1283/03).

§ 22 Abs.1 VTV lautet:

Der Sozialkassenbeitrag für gewerbliche Arbeitnehmer und der Beitrag für die Zusatzversorgung der Angestellten sind für jeden Abrechnungszeitraum spätestens bis zum 15. des folgenden Monats bei der Einzugsstelle einzuzahlen. §§ 366,367 BGB finden keine Anwendung.

Der tarifvertraglich normierte Aus-schluss der §§ 366, 367 BGB berechtigt die Sozialkassen zwar, entgegen dem Arbeitsgericht, nicht, Zahlungen des baugewerblichen Arbeitgebers auf Beitragsforderungen für bestimmte Zeiträume auf andere, nicht ausgeglichene Monate oder auf Zinsforderungen anzurechnen, weil insoweit eine tariflich statuierte Befugnis fehlt (vgl. Kammerurteil v. 21. März 2005 - 16/10 Sa 1283/03). Durch den Ausschluss der §§ 366,367 BGB ist es jedoch einem baugewerblichen Arbeitgeber verwehrt, Beitragszahlungen den einzelnen Beitragsforderungen, aus denen sich der Sozialkassenbeitrag zusammensetzt zuzuordnen. Das ergibt eine Auslegung der tariflichen Norm.

Einer solchen Deutung von § 22 Abs.1 S.2 VTV ebnet bereits der Wortlaut der Norm selbst den Weg. Der Ausschluss der §§ 366, 387 BGB bezieht sich auf die Zahlung des in S. 1 der Bestimmung genannten "Sozialkassenbeitrags". Hierunter verstehen die Tarifvertragsparteien, wie § 18 VTV zeigt, den für die Aufbringung verschiedene tariflicher Leistungen zu zahlenden Gesamtbeitrag. Dieser ist nichts anderes als die rechnerische Zusammenfassung mehrerer Forderungen, nämlich der Forderungen auf Beitragszahlungen zum Urlaubskassen-, zum Lohnausgleichskassen-, zum Berufsbildungs- und zum Zusatzversorgungskassenverfahren, die dem Grunde nach in verschiedenen Tarifverträgen geregelt sind (§ 8.15.1 BRTV/Bau, § 12 TV Lohnausgleich; § 32 BBTV [Tarifvertrag über die Berufs-bildung]; § 13 TVR [Tarifvertrag über Rentenbeihilfen im Baugewerbe]).

Weil der Sozialkassenbeitrag nichts anderes ist als die Zusammenfassung mehrerer, in verschiedenen Tarifverträgen dem Grunde nach normierter Bei-tragsverpflichtungen eines tarifunterworfenen Arbeitgebers muss sich auch die Ermittlung der Bedeutung des Ausschlusses der §§ 366, 367 BGB hieran orientieren. Denn nur dann ist der notwendige Sinnzusammenhang zwischen Tatbestand und Rechtsfolge gewahrt. Rechtsfolge des Ausschlusses der §§ 366.367 BGB ist es, dass dann, wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Rechtsverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, weder durch den Schuldner noch durch die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs.2 BGB bestimmt wird, welche Schuld getilgt wird. Bezogen auf den Sozialkassenbeitrag kann das nur bedeuten, dass keine Zuordnung einer erfolgten teilweisen Beitragszahlung auf die unterschiedlichen Beitragsforderungen für die verschiedenen Verfahren nach §§ 366,367 BGB erfolgen kann. Folge davon ist, dass bei teilweiser Beitragszahlung von niemandem festgelegt werden kann, inwieweit die auf die einzelnen Leistungsverfahren entfallenden Beitragsschulden erfüllt worden sind. Vielmehr bestimmt sich die Verteilung auf die einzelnen Beitragsforderungen nach dem Verhältnis, das sich aus den tariflichen Regelungen über die Aufteilung des Sozialkassenbeitrages ergibt.

Ein solches Verständnis von § 22 Abs.1 VTV entspricht auch dem erkennbaren Regelungsziel der Norm. Diese will die Funktionalität des Sozialkassenverfahrens gewährleisten. Bei einem Bestimmungsrecht des baugewerblichen Arbeitgebers dahin, welche Beiträge für welche Leistungen er zahlen will, wäre diese bedroht. Denn es bestände die Gefahr, dass einzelne Leistungsverfahren finanziell ausbluten könnten, etwa dann, wenn vom Arbeitgeber bestimmt würde, dass seine Zahlungen nur zur Tilgung der monatlichen Zahlungsverpflichtungen für bestimmte tarifliche Leistungen verwendet werden sollen. Durch den Ausschluss der §§ 366, 367 BGB ist dagegen sichergestellt, dass dann, wenn Beitragszahlungen in einer Höhe unterhalb des tatsächlichen monatlichen Sozialkassenbeitrags erfolgen, diese Zahlungen auf sämtliche tariflich vorgesehenen Verfahren entsprechend dem Anteil am Gesamtbeitrag verteilt werden können, also weder die Bestimmung durch den baugewerblichen Arbeitgeber, noch die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs.2 BGB noch die des § 367 BGB maßgeblich ist.

Der zur Zahlung des Sozialkassenbeitrages verpflichtete Arbeitgeber kann bei der Zahlung von Sozialkassenbeiträgen auch nicht bindend für die Sozialkassen festlegen, dass die Zahlungen nur für individuell bezeichnete Arbeitnehmer bestimmt sein sollen. Auch das ergibt sich aus den tariflichen Bestimmungen.

§ 18 Abs.1 verpflichtet den Arbeitgeber, einen bestimmten Prozentsatz der Bruttolöhne aller vom Tarifvertrag erfassten gewerblichen Arbeitnehmer des Betriebes an die Einzugstelle abzuführen. Damit haben die Tarifvertragsparteien sich für ein Verfahren zur Aufbringung der tariflichen Leistungen entschieden, das nicht auf die individuellen Ansprüche einzelner Arbeitnehmer (auf Urlaub, Lohnausgleich oder Zusatzversorgung) abhebt, sondern den Arbeitgeber unabhängig davon verpflichtet, einen bestimmten Anteil der Löhne seiner Belegschaft an die Einzugstelle abzuführen. Der Arbeitgeber soll nicht einen Anteil vom Bruttolohn des einzelnen Beschäftigten, sondern einen Prozentsatz der Bruttolohnsumme insgesamt abführen. Der Beitrag wird nicht vom Lohn des einzelnen Arbeitnehmers, sondern von der Summe aller Löhne der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer erhoben (vgl. BAG 08. Oktober 1981 AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler). Der Lohn des einzelnen Arbeitnehmers ist nicht mehr als ein Berechnungsfaktor. Das schließt eine Befugnis des Arbeitgebers aus, zu bestimmen, dass Beitragszahlungen nur für bestimmte Arbeitnehmer als gezahlt gelten sollen.

Der Sinn der tariflichen Urlaubskassenregelungen bestätigt diese Sicht.

Sinn der tariflichen Regelungen über die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Urlaubsansprüche und die Einschaltung des Klägers ist die Sicherung der Auszahlung der sich aus den tariflichen Bestimmungen ergebenden Urlaubsvergütung (§ 8 Ziff.15.1 BRTV/Bau). Gesichert wird die Auszahlung bezüglich Urlaubsvergütung für gewährten Urlaub indirekt, nämlich dadurch, dass es für den Arbeitgeber unattraktiv ist, sich seiner Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer zu entziehen. Denn mit dem Kläger steht eine Institution zur Verfügung, die die Beiträge einzutreiben hat und dies, wie die Erfahrung lehrt, auch unnachsichtig tut. Wirtschaftlich ist es daher ein Gebot der Vernunft für den Arbeitgeber, die Urlaubsvergütungen zu zahlen, um damit seinerseits geldwerte Erstattungsansprüche gegen den Kläger zu erwerben, die sogar, allerdings nur, soweit der Arbeitgeber am sog. Spitzenausgleichsverfahren teilzunehmen berechtigt ist, mit Beitragsansprüchen saldiert werden (§ 23 VTV).

Zweck des Urlaubskassenverfahrens ist es weiter, den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers dadurch "transportabel" zu machen, dass seine Realisierung nicht an das einzelne Arbeitsverhältnis, sondern an die die Tätigkeit in der Baubranche anknüpft. Nur so kann nämlich sichergestellt werden, dass in einer Branche mit häufigem Arbeitsplatzwechsel und unterjähriger Beschäftigung von Arbeitnehmern Ansprüche auf Freizeitgewährung nicht verloren gehen. Wenn die Tarifvertragsparteien insoweit den Weg gewählt haben, dies dadurch umzusetzen, dass sie die Lasten der Freizeitgewährung und Bezahlung im Umfang der Beschäftigung von Arbeitnehmern und dem an diese zu zahlenden Lohn gleichmäßig auf die Schultern aller Arbeitgeber der Baubranche verteilen, ist das nicht nur rechtlich nicht zu beanstanden. Es zeigt zugleich, dass die Zahlung der Beiträge nicht für einzelne Arbeitnehmer sondern insgesamt für die Arbeitnehmer der Branche bestimmt ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers muss nichts anderes gelten, wenn die Unterdeckung eines Entschädigungsanspruchs nach § 8.8 BRTV/Bau, wie hier, in Rede steht.

Der in § 8.Nr.8 BRTV/Bau geregelte Entschädigungsanspruch ist ein rechtlich eigenständiger Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Beklagten, der an die Stelle des verfallenen Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruchs tritt. und den Arbeitnehmer für den Fall sichert, dass der Arbeitgeber nicht innerhalb des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres seine urlaubsrechtlichen Verpflichtungen erfüllt bzw. der Arbeitnehmer seinen gegen den Beklagten gerichteten Abgeltungsanspruch nicht fristgerecht geltend gemacht hat. Ein Schuldnerwechsel ist mit § 8.Nr.8 BRTV/Bau nicht verbunden (vgl. BAG 20. August 1996 AP Nr. 1 zu § 11 BUrlG Urlaubskasse). Die Voraussetzungen festzulegen, die erfüllt sein müssen, damit ein Arbeitnehmer diesen Entschädigungsanspruch ganz oder teilweise realisieren kann, ist Sache der Tarifvertragsparteien, die ihn geschaffen haben. Eine Beseitigung einer vorhandenen Unterdeckung in Bezug auf einen konkreten Arbeitnehmer durch Zahlung eines Betrages in Höhe des Entschädigungsbetrages durch den letzten Arbeitgeber haben die Tarifvertragsparteien nicht vorgesehen.

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, ein Arbeitnehmer wie der Kläger habe keine rechtlichen Möglichkeiten, seinen Arbeitgeber zur vollständigen Zahlung von Sozialkassenbeiträgen zu verpflichten und damit die Voraussetzungen für einen vollen Entschädigungsanspruch herbeizuführen. Das mag so sein. Denn ein Arbeitnehmer ist gleichwohl nicht schutzlos. Zu Recht hat das Arbeitsgericht nämlich auf einen möglichen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die X+X GmbH wegen Nichtabführung von Beiträgen und einen daraus resultierendem teilweisen Verlust eines Entschädigungsanspruchs nach § 8 Nr.Nr.8 BRTV/Bau aufmerksam gemacht. Ein solcher Anspruch wäre im Sinne der tariflichen Ausschlussfrist des § 15 BRTV/Bau jedenfalls nicht vor dem Zeitpunkt fällig geworden, ab dem der Kläger Kenntnis von der Unterdeckung seines Entschädigungsanspruchs hatte. Dass ein solcher Schadensersatzanspruch jetzt wegen der Insolvenz der X+X GmbH nicht mehr realisierbar sein mag, ändert nichts. Dass Risiko der Insolvenz seines Schuldners hat jeder Gläubiger zu tragen.

Der Kläger kann die Zahlung des begehrten Betrages auch nicht aufgrund entsprechender vertraglicher Verpflichtungen des Beklagten gegenüber der Y+Y GmbH verlangen.

Geht man davon aus, die Y+Y GmbH habe mit ihrer Zahlung von € 2.707,49 nicht tarifliche Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten erfüllen, sondern diesen veranlassen wollen, den betreffenden Betrag an den Kläger auszuzahlen, fehlt es an einer entsprechenden Verpflichtung des Beklagten. Denn ein Auftragsverhältnis ist zwischen dem Beklagten und der Y+Y GmbH mangels übereinstimmender, auf den Abschluss eines solchen Rechtsverhältnisses gerichteter ausdrücklicher oder schlüssiger Erklärungen nicht begründet worden. Es fehlt nämlich jeglicher Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Beklagte ein in der Übersendung des Verrechnungsschecks liegenden Antrag, sich zu verpflichten, den entsprechenden Betrag an den Kläger weiterzuleiten, auch nur stillschweigend angenommen hat. Ausdrücklich ist vom Beklagten nichts erklärt worden. Ein konkludenter Vertragsschluss scheidet aus, weil sich der Beklagte gerade nicht entsprechend dem Wunsch der Y+Y GmbH verhalten hat.

Der Kläger kann den geforderten Betrag auch nicht nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 Abs.1 BGB) vom Beklagten fordern. Durch Leistung des Klägers hat der Beklagte nichts erlangt. Den Betrag von € 2.707,49 hat der Beklagte nämlich durch Zahlung der X+X GmbH erhalten. Eine Nichtleistungskondition scheidet aus, weil diese regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn, wie hier, die Vermögensverschiebung, also die Zahlung von € 2.707,49, auf einer zweckgerichteten Zuwendung, hier der Zahlung an den Beklagten durch die X+X GmbH beruht.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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