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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.07.2002
Aktenzeichen: 16 Sa 1816/01
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, TVG, GKG


Vorschriften:

ArbGG § 61 Abs. 2
ZPO § 3
TVG § 1
GKG § 25
Verlangt die ZVK-Bau von Beklagten Auskünfte entsprechend den tarifvertraglichen Vorschriften des Baugewerbes und für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftspflicht binnen bestimmter Frist Zahlung eines Entschädigungsbetrages in Höhe von 80 % der mutmaßlichen Sozialkassenbeiträge nach § 61 Abs. 2 ArbGG, so entspricht der Gebührenstreitwert regelmäßig dem Wert des Entschädigungsbetrages.
Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss

Aktenzeichen: 16 Sa 1816/01

19. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

Tenor:

wird der Gebührenstreitwert (§§ 25 Abs. 2 GKG, 9 Abs. 1 BRAGO) für das Berufungsverfahren auf € 11.636,26 festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Berufungsverfahren streiten die Parteien um Auskunftsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes und die vom Kläger (ZVK-Bau) für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftspflicht binnen bestimmter Zeit begehrte Entschädigungszahlung.

II.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Danach ist es angemessen, ausreichend, aber auch erforderlich, den Gebührenstreitwert auf die Höhe der vom Kläger bedingt geforderten Entschädigungssumme (§ 61 Abs. 2 ArbGG festzusetzen. Das ergibt sich aus folgendem:

Die Geschichte der Gebührenstreitwertfestsetzung bei Auskunftsklagen des Klägers (ZVK/Bau), die mit einem Antrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG verbunden sind, ist eine wechselvolle.

Ursprünglich wurde der Streitwert in derartigen Rechtsstreitigkeiten sowohl vom ArbG Wiesbaden, wie vom LAG Frankfurt/M. im Urteil auf den Wert der Entschädigungssumme festgesetzt (kritisch BAG 10.09.1977 AP Nr. 24 zu § 1 TVG TVe: Bau). Mit Beschluss v. 09.03.1976 - 3 Ta 88/75 - gab die weiland zuständige Beschwerdekammer des LAG diese bisherige Rechtsprechung auf und kam zu der Erkenntnis, regelmäßig sei die Hälfte des Entschädigungsbetrages der für die Gebührenfestsetzung maßgebliche. Dieser Rspr. folgte das ArbG Wiesbaden nur teilweise, insbes. wurde von einigen Kammern weiter der im Urteil festzusetzende Streitwert (§ 61 Abs. 1 ArbGG) mit dem vollen Entschädigungsbetrag, teilweise mit 75% des Entschädigungsbetrages bemessen (vgl. z.B. ArbG Wiesbaden 07.04.1977 - 4 Ca 2411/76). Beginnend mit ihrem Beschluss v. 20.07.1984 - 6 Ta 176/84 betrat die damals für Wertfestsetzungsbeschwerden zuständig gewordene Kammer 6 des LAG neue Wege. Nunmehr wurde der Gebührenstreitwert auf die Beschwerde des Gegners der ZVK/Bau auf die Höhe der Beitragsforderung festgesetzt, soweit diese nachträglich bekannt wurde und niedriger lag als die Entschädigungssumme. Nach Wechsel des Vorsitzes der 6. Kammer geriet diese Rspr. augenscheinlich in Vergessenheit, die Rspr. der 3. Kammer war ohnehin nur noch Historie. Erneut sollte der Gebührenstreitwert der Höhe der Entschädigungssumme entsprechen. Mit Beschluss v. 17.05.1999 - 15/6 Ta 383/98 - kam die nunmehr für Beschwerden bei Gegenstandswertfestsetzungen gem. §§ 9,10 BRAGO zuständige Kammer 15 mit allerdings abweichender Begründung zu dem Ergebnis, welches die Kammer 3 bereits 1976 gefunden hatte: der Entschädigungsbetrag sei mit 50 % des Nennbetrages zu bewerten und als gegenüber dem Auskunftsstreitwert höherer Betrag der für die Streitwertfestsetzung maßgebende.

Die Ansichten, nach denen der (Gebühren)streitwert niedriger sein soll als die verlangte bedingte Entschädigungssumme überzeugen nicht. Ausgangspunkt müssen zwei, aufeinander aufbauende Überlegungen sein:

Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Entschädigungsbetrag gem. § 61 Abs. 2 ArbGG den Gesamtstreitwert nicht erhöht (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG 3. Aufl.; abweichend HessLAG 17.05.1999 aaO.). Denn der Entschädigungsbetrag kommt nur zum Tragen, wenn die begehrte Auskunft nicht binnen der gesetzten Frist vorgenommen wird, ob dies der Fall sein wird, hängt von Umständen ab, die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wertfestsetzung nicht sicher festzustellen sind. Das kann nur folgende Konsequenz haben: Der Wert des Entschädigungsbetrages ist unmaßgeblich, entscheidend kommt es auf den wirtschaftlichen Wert der vom Kläger begehrten Auskunft an.

Dieser Wert, nämlich der Wert der vom Kläger begehrten Auskunft, entspricht wirtschaftlich dem des Entschädigungsbetrages. Das ergibt sich aus dem tarifvertraglichen Sozialkassensystem.

Solange das Beitragskonto des baugewerblichen Arbeitgebers nicht ausgeglichen und er seinen Auskunftsansprüchen nicht nachgekommen ist, kann der baugewerbliche Arbeitgeber über ihm zustehende Erstattungsansprüche, die er gegen die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft geltend machen kann, nicht verfügen (§ 24 Abs. 3 VTV, ab 01.01.2000: § 18 Abs. 5 VTV). Vielmehr können diese Erstattungsbeträge von der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse zum Ausgleich der der Höhe nach bekannten Beitragsforderungen verwendet oder aber - soweit Auskünfte fehlen - »zurückgestellt« werden (vgl. Kammerurteil v. 07.05.2001 - 16 Sa 1703/00). Das bedeutet nichts anderes, als dass der Kläger und die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse, für die der Kläger die Beiträge mit einzieht, bereits aufgrund der erteilten Auskunft weitgehend zur wirtschaftlichen Realisierung der Beitragsansprüche in der Lage sind. Denn nach Auskunftserteilung kann die nun der Höhe nach feststehende Beitragsforderung ganz oder teilweise mit Erstattungsansprüchen verrechnet werden, so dass ganz oder teilweise - ohne Beitragszahlung - Erfüllung eintritt.

Für den Wert des Auskunftsanspruchs bedeutet dies, dass sich dessen Ermittlung nicht nur daran orientieren darf, inwieweit seine Erfüllung eine Weiterverfolgung des Beitragsanspruchs ermöglicht bzw. seine Nichterfüllung dies verhindert. Vielmehr muss auch ins Kalkül einbezogen werden, dass in einer Vielzahl von Fällen bereits die erteilte Auskunft zu einer teilweisen wirtschaftlichen Befriedigung der Sozialkassen führen wird, weil damit Erstattungsansprüche verrechnet werden können; umgekehrt hat die Nichterfüllung der Auskunftspflicht in eben diesen Fällen zur Folge, dass eine Verrechnung von Urlaubskassenerstattungen mit Beitragsforderungen mangels deren Kenntnis ausscheidet und ggf. nur mit den Entschädigungsbeträgen möglich ist. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise heißt das nichts anderes, als dass der wirtschaftliche Wert der Auskunft dem Wert des Beitragsanspruchs weitgehend angenähert ist. Insofern einen Prozentsatz von 80 % der mutmaßlichen Beiträge anzusetzen erscheint angemessen und sachgerecht. Genau diesen Prozentsatz legt die ZVK/Bau regelmäßig - und auch im vorliegenden Rechtsstreit - bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung zugrunde, seitdem das BAG eine Höhe des Entschädigungsbetrages von 80 % der mutmaßlichen Beiträge als angemessen ansieht (vgl. BAG 05.06.1985 und 27.08.1986 AP Nr. 67 und 70 zu § 1 TVG TVe: Bau). Dann entspricht der Wert des Entschädigungsbetrages dem der Auskunft und ist der für die Gebührenfestsetzung entscheidende.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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