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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 07.07.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 1890/02
Rechtsgebiete: TVG, VTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 1 Tarifverträge: Bau
VTV/Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13
VTV/Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37
Werden von einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend von Drittunternehmen hergestellte Deckenteile zum Zwecke des Schallschutzes in Gebäuden eingebaut, so handelt es sich bei derartigen Tätigkeiten nicht um Fertigbauarbeiten iSv § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV/Bau, sondern um Trocken- und Montagebauarbeiten iSv § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV/Bau. Aus diesem Grunde kommt auch die Einschränkungsklausel der Allgemeinverbindlicherklärung der Bautarifverträge für Fertigbauarbeiten (BAnz Nr. 20 v. 29.01.2000) für einen derartigen Betrieb nicht zum Tragen.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Urteil

Aktenzeichen: 16 Sa 1890/02

Verkündet laut Protokoll am 07. Juli 2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht Kammer 16 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 07. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Maltesen als Vorsitzenden und den ehrenamtlicher Richter Seng und den ehrenamtlicher Richter Leydecker als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 21. August 2002 - 3 Ca 1715/01 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die für allgemeinverbindlich erklärten Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für die Klägerin gelten.

Der Beklagte ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Klägerin unterhält einen Betrieb, von dem arbeitszeitlich weit überwiegend von Drittunternehmen hergestellte Deckenteile in Gebäude u.a. zum Zwecke des Schallschutzes eingebaut und im übrigen Reparaturarbeiten an derartigen Decken ausgeführt werden. Tätig ist bei der Klägerin neben dem Geschäftsführer seit Oktober 2000 ein weiterer Mitarbeiter. Seit 1. Oktober 2000 ist die Klägerin Mitglied des Verbandes der Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg e.V., der mit der Gewerkschaft Holz- und Kunststoff und der IG Metall einen für Baden-Württemberg geltenden Manteltarifvertrag (MTV/Holz und Kunststoff) abgeschlossen hat. Nachdem die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Ansicht vertreten hatte, sie sei jedenfalls seit der Mitgliedschaft in dem vorbezeichneten Verband nicht mehr zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren des Baugewerbes verpflichtet und der Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2001 (Bl. 13/14 d.A.) mitgeteilt hatte, er gehe nach wie vor davon aus, dass die Klägerin von den Bautarifverträgen erfasst werde, begehrt die Klägerin nunmehr im Klagewege die Feststellung, dass sie nicht unter den Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes fällt.

Die Klägerin hat vorgetragen, aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Verband der Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg seien die Sozialkassentarifverträge nicht mehr anzuwenden. Zudem gelte dies auch deshalb, weil es sich bei den von ihr ausgeführten Arbeiten um Fertigbauarbeiten handele, die nicht von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge erfasst würden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass sie ab dem 1. Oktober 2000 nicht mehr unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe fällt und zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren nicht berechtigt und verpflichtet ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei weiter an die Bautarifverträge gebunden. Die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband spiele keine Rolle. Da die Klägerin am 1. Juli 1999 noch nicht Mitglied des Verbandes gewesen sei und keine Fertigbauarbeiten ausführe, falle sie nicht unter die Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge. Ebenso wenig unterfalle sie dem fachlichen Geltungsbereich des MTV/Holz und Kunststoff.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2002 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 102-110 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 7. Juli 2003 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, wonach die Bautarifverträge für sie nicht gelten. Insbesondere sei das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie vom fachlichen Geltungsbereich des MTV/Holz und Kunststoff deshalb nicht erfasst werde, weil sie keinen Industriebetrieb unterhalte. Richtigerweise gehörten zum Geltungsbereich des MTV auch Handwerksbetriebe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass die Klägerin seit dem 1. Oktober 2000 nicht mehr unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe fällt und zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren nicht berechtigt und verpflichtet ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 7. Juli 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken.

Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes auf € 20.000,00 festgesetzt. Da nichts dafür spricht, dass diese Wertfestsetzung unrichtig ist, ist sie für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes maßgebend. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamtzulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Bereits aus dem Klageantrag ergibt sich, dass die Klägerin nicht nur die Feststellung begehrt, dass ihr Betrieb nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) fällt, sondern weitergehend festgestellt haben möchte, dass sie, die Klägerin, keinerlei Verpflichtungen aus diesem Tarifvertrag gegenüber dem Beklagten treffen können. Damit macht die Klägerin nicht nur geltend, sie unterhalte keinen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereiche des VTV fällt, sondern weitergehend auch, die Geltung dieses Tarifvertrages sei (auch) deshalb ausgeschlossen, weil sie von dessen Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) nicht erfasst werde bzw. weil sie Mitglied des Verbandes der Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg e.V. (VHK) sei. Damit betrifft der Klageantrag nicht nur die objektiven Voraussetzungen für die Geltung des VTV für den Betrieb der Beklagten, sondern auch die subjektiven Voraussetzungen für die Geltung dieses Tarifvertrages, nämlich die Frage, ob sie tatsächlich an diesen Tarifvertrag aufgrund dessen AVE gebunden ist bzw. ob der VTV durch einen konkurrierenden Tarifvertrag verdrängt wird.

An dieser Feststellung hat die Klägerin nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, weil der Beklagte davon ausgeht und dies auch gegenüber der Klägerin vorgebracht hat, dass die Klägerin Verpflichtungen aus dem VTV ihm gegenüber treffen (vgl. BAG 25.07.2001 AP Nr. 12 zu § 1 AEntG). Insoweit handelt es sich auch um die Frage des Bestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses, weil die Klägerin einen Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin treffen bei Beschäftigung eines Arbeitnehmers Verpflichtungen aus dem VTV, weil dieser Tarifvertrag für sie (auch) seit 1. Oktober 2001 gilt.

Die Klägerin unterhält einen Betrieb, der unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

Nach § 1 Abs. 2 VTV fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages diejenigen Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschn. V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber Leistungen iSd allgemeinen Bestimmungen der Abschnitte I - III durchgeführt werden (st. Rspr. seit BAG 18.01.1984 AP Nr. 60 zu § 1 TVG/TVe: Bau). Ob überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige baugewerbliche Tätigkeiten entfällt (st. Rspr., vgl. zB BAG 24.08.1994 AP Nr. 181 zu § 1 TVG/TVe: Bau). Nicht maßgeblich sind hingegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und handels- oder gewerberechtliche Kriterien. Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nichtbauliche Leistungen entfällt, ist anhand der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen, soweit sich die Tätigkeit des Betriebes, wie im vorliegenden Fall, über ein Kalenderjahr erstreckt (vgl. BAG 22.04.1987 und 12.12.1988 AP Nr. 82 und 106 zu § 1 TVG/TVe: Bau). Schließlich ist Bedacht darauf zu nehmen, ob der Betrieb unter die Geltungsbereichseinschränkungen des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV fällt.

Nach diesen Maßstäben war und ist der Betrieb der Klägerin seit 1. Oktober 2000 ein baugewerblicher im tariflichen Sinne. Denn die arbeitszeitlich überwiegend durchgeführte Tätigkeit des Betriebes, nämlich der Einbau von Zwischendecken aus Holz u.a. zu Zwecken des Schallschutzes, zählt zu den baulichen Leistungen iSv § 1 Abs. 2 VTV.

Der Einbau von Wänden und Decken aus Holz gehört zu den von den Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV ausdrücklich genannten Trockenbauarbeiten. Hierzu zählt nämlich die Montage (der Einbau) von industriell hergestellten Bauteilen aus verschiedenen Materialien zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden und zur Errichtung von Leichtbautrennwänden (vgl. zB BAG 07.07.1999 AP Nr. 221 zu § 1 TVG/TVe: Bau). Denn mangels eigener Begriffsbestimmung ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit der tarifvertraglichen Vorschrift des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV die berufsspezifischen Merkmale des Trockenbaumonteurs zugrunde legen. Dieser montiert industriell hergestellte Fertigbauteile, die er nicht mehr wesentlich verändert (vgl. BAG 24.04.1989 AP Nr. 110 zu § 1 TVG/TVe: Bau). Dazu gehört insbesondere auch die Montage plattenförmiger Bauteile aus verschiedenen Materialien zur Errichtung unter anderem von Zwischendecken, da zum Aufgabenbereich des Trockenbaumonteurs der Einbau von Deckenkonstruktionen unter anderem als Schutz gegen Wärme und Schall gerechnet wird (vgl. BAG 26.04.1989 aaO.; BAG 22.09.1993 AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG 20.09.1995 - 10 AZR 1018/94; BAG 23.10.2002 AP Nr. 255 zu § 1 TVG/TVe: Bau).

Bestätigt wird dieses Verständnis der Tarifnorm durch den Klammerzusatz in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV. Denn dort sind ausdrücklich als Beispielstätigkeiten für Trockenbauarbeiten Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen genannt. Wenn die Tarifvertragsparteien allgemein gefasste Tätigkeitsbeschreibungen durch ein Tätigkeitsbeispiel erläutern, bringen sie damit zum Ausdruck, dass die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele das vorangegangene Tätigkeitsmerkmal erfüllen (vgl. BAG 27.08.1986 AP Nr. 70 zu § 1 TVG/TVe: Bau).

Der Klägerin kommt auch nicht Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV zugute, wonach Betriebe des Schreinerhandwerks unter bestimmten Voraussetzungen vom Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen sind. Denn diese Vorschrift enthält eine Rückausnahme. Von der Ausnahmeregelung werden nämlich unter anderem nicht erfasst Betriebe des Schreinerhandwerks, soweit Trocken- und Montagebauarbeiten ausgeführt werden. Das kann angesichts des eindeutigen Tarifwortlauts nur so verstanden werden, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes Betriebe des Schreinerhandwerks, die arbeitszeitlich überwiegend Trocken- und Montagebauarbeiten ausführen, nach der Rückausnahme wiederum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen (vgl. BAG 27.08.1986 und 22.09.1993 aaO.).

Die Geltung des VTV für den Betrieb der Klägerin wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin nicht Mitglied einer der tarifvertragschließenden Verbände dieses Tarifvertrages ist. Denn der VTV war und ist schon immer für allgemeinverbindlich erklärt, so dass seine Rechtsnormen auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten (§§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 2 GVG).

Der Betrieb der Beklagten wird auch nicht von einer Einschränkung seiner AVE erfasst.

Seit der Bekanntmachung vom 17. Januar 2000 (BAnz Nr. 20 vom 29.01.2000, zuletzt BAnz Nr. 218 vom 22.11.2002) enthält die AVE des VTV unter I 1 die Einschränkung, dass die AVE sich nicht erstreckt auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland oder Ausland, die unter einen der im Anhang abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Juli 1999 (Stichtag) geltenden Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, der Sägeindustrie und übrige Holzbearbeitung, der Steine- und Erdenindustrie, der Mörtelindustrie, der Transportbetonindustrie, der Chemischen oder kunststoffverarbeitenden Industrie oder der Metall- und Elektroindustrie fallen.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Betrieb der Klägerin nicht. Der Betrieb fällt nämlich nicht unter den fachlichen Geltungsbereich der im Anhang abgedruckten Geltungsbereiche der Tarife der Holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Unter deren Geltungsbereich fallen nämlich nur Betriebe, die die in einzelnen Ziffern aufgezählten Produkte auch herstellen (vgl. BAG 25.07.2001 AP Nr. 242 zu § 1 TVG). Dazu gehört der Betrieb der Klägerin nicht, da diese Deckenteile lediglich montiert, nicht aber produziert.

Der Betrieb der Klägerin fällt auch nicht unter I 2 a der AVE-Einschränkung. Danach gilt für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland Ziffer I nur dann, wenn sie bereits am Stichtag unmittelbar oder mittelbar ordentliches Mitglied u.a. des Hauptverbandes Holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V. waren. In diesem Fall wir unwiderlegbar vermutet, dass die Voraussetzungen der Ziffer I erfüllt sind.

Diese Merkmale treffen auf den Betrieb der Klägerin nicht zu. Denn die Klägerin war am Stichtag, dem 1. Juli 1999, nicht unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Hauptverbandes der Holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige. Das ist sie erst durch ihre Mitgliedschaft am 1. Oktober 2000 geworden. Damit kann für sie auch nicht die Vermutungsregel des Satzes 2 der Einschränkung I 2 a greifen.

Der Betrieb der Klägerin fällt auch nicht unter die Einschränkung der AVE zu II. Danach gilt für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland, die bereits seit einem Jahr Fertigbauarbeiten ausführen, die Ausnahme gemäß I 1, wenn sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied eines der in Abschn. I 2 a genannten Verbände geworden sind.

Zwar führt die Klägerin seit einem Jahr vor Inkrafttreten der AVE-Einschränkung (01.04.1999) Tätigkeiten aus und ist aufgrund ihrer Mitgliedschaft im VHK auch mittelbar Mitglied des Verbandes der Holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und verwandten Industriezweige. Bei den von ihr ausgeführten Tätigkeiten handelt es sich jedoch nicht um Fertigbauarbeiten iSd AVE-Einschränkung.

Der in der Einschränkungsklausel der AVE zu II verwendete Begriff »Fertigbauarbeiten« verweist auf den von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV verwendeten Begriff und legt dessen Merkmale zugrunde (vgl. BAG 24.01.1990 AP Nr. 125 zu § 1 TVG/TVe: Bau). Zweck der Einschränkungsklausel ist es nämlich, Tarifkonkurrenzen zu den in I 2 a genannten Tarifverträgen zu vermeiden, derartige Tarifkonkurrenzen können nur auftreten, wenn Fertigbauarbeiten durchführende Betriebe überhaupt vom VTV erfasst werden, das werden sie nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 1 As. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV gegeben sind.

Die Merkmale des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV erfüllt der Betrieb der Klägerin nicht.

Unter diese Bestimmung fallen Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechtsform - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden.

Bei den von der Klägerin montierten Deckenteilen handelt es sich nicht um Fertigbauteile iSd Bestimmung. Hierunter verstehen die Tarifvertragsparteien nämlich nicht jedes nicht am Verwendungsort, der Baustelle, hergestellte Bauteil, das vorgefertigt eingebaut wird. Vielmehr ist unter Fertigbauteil iSv § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV nur ein solches fertig an die Baustelle angeliefertes Bauteil zu verstehen, dessen Einbau die herkömmliche Arbeitsweise am Bau ersetzt. Das ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist danach zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit diese Gesichtspunkte in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübungen und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel soll nach der Rechtsprechung die Tarifauslegung zu wählen sein, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (sf. Rspr., vgl. zB BAG 19.03.2003 - 10 AZR 175/02).

Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff des Fertigbauteils nicht eigenständig definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man hierunter Bauteile, die in der Fabrik hergestellt und auf dem Bauplatz zusammengefügt werden (vgl. Brockhaus/Warig, Deutsches Wörterbuch Band 2 1981, S. 719 Stichwort »Fertigbauweise«). Dem entspricht weitgehend die Fachsprache des Bauwesens. Danach sind Fertigbauteile serienmäßig hergestellte, typisierte Bauteile. Ihre werksmäßige Fertigung umfasst eine Reihe von Leistungen, die sonst am Bau durch verschiedene Handwerker nacheinander ausgeführt werden, jedes Fertigbauteil muss am Bau als Einheit einsetzbar sein und ggf. Vorrichtungen aufweisen, die den Anschluss oder die Montage anderer, ergänzender Bauteile ermöglichen (vgl. Meyer's Lexikon der Technik und exakten Naturwissenschaften 1970, Band 2, S. 943). Typische Fertigbauteile sind geschoßhohe und raumbreite Bauteile aus Beton, Holz und anderem, die auf der Baustelle kraftschlüssig zusammengesetzt werden (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. Band 7, S. 227 »Fertigbauweise, Fertigbauteil«; Meyer's Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., Band 8, S. 702 »Fertigteilbau«; Knaurs Lexikon der Technik, 1986, Band 1 S. 328 »Fertigbauweise«).

Ob danach der von der Klägerin vorgenommene Einbau vorgefertigter Elemente für Zwischendecken aus Holz, unter anderem zum Zwecke des Schallschutzes (Akkustikbau) begrifflich die Merkmale eines Einbaus von Fertigbauteilen erfüllt, ist bereits zweifelhaft. Denn in der Praxis der Bautechnik müssen Zwischendecken aus Holz, auch wenn sie vorgefertigt an den Montagebetrieb geliefert werden, im Einzelfall noch nach den konkreten Bedürfnisses des einzelnen Einbauobjekts zugeschnitten werden. Damit werden zwar »Fertigteile« eingebaut. Vom Einbau serienmäßig vorgefertigter, als Einheit nur noch einzusetzender Bauteile (»Fertigbauteile«) kann dagegen nur schwerlich die Rede sein.

Letztendlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes legen nämlich, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Geltungsbereichsbestimmungen des Abschnittes V des § 1 Abs. 2 VTV erschließt, einen Begriff der Fertigbauteile zugrunde, zu dessen Merkmalen es auch gehört, dass durch deren Einbau herkömmliche Bauweise durch Verwendung von Fertigteilen ersetzt wird. Das zeigen die Geltungsbereichsbestimmung des § 1 Abs. 2 Abschn. V und die Ausnahmeregelung des Abschn. VII des § 1 Abs. 2.

Würde man mit den Einbau sämtlicher nicht vor Ort, nämlich an der Baustelle, sondern vorgefertigt hergestellter, als »Fertigteile« zu bezeichnenden Bauteile als Einbau von »Fertigbauteilen« qualifizieren, wäre ein Großteil der Tätigkeitsbeschreibungen des Abschnittes V überflüssig und sinnleer. Vorgefertigte Bauteile werden nämlich unter anderem sowohl bei Dämm- (Isolierarbeiten) der Nr. 9, Fassadenbauarbeiten der Nr. 12, Feuerungs- und Ofenbauarbeiten der Nr. 14, Rohrleitungsbauarbeiten der Nr. 25, Schachtbau- und Tunnelbauarbeiten der Nr. 26, Schornsteinbauarbeiten der Nr. 28, Trocken- und Montagebauarbeiten der Nr. 37, sowie Zimmerarbeiten und Holzbauarbeiten der Nr. 42 seit jeher verwendet. Auch Teile der Ausnahmebestimmung des Abschnittes VII des § 1 Abs. 2 wären perplex. Denn zum Beispiel die Ausnahmeregelung für das Herd- und Ofenbauerhandwerk (Abschn. VII Nr. 5) und das Klempnerhandwerk, das Gas- und Wasserinstallationsgewerbe, das Elektroinstaliationsgewerbe, das Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbe, sowie den Klimaanlagenbau (Abschn. VII Nr. 12) würde in der Regel niemals eingreifen. Denn in diesen Gewerbezweigen wird schon immer regelmäßig mit Fertigteilen gearbeitet, in der Regel würden daher Arbeiten iSd Abschnittes V durchgeführt. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes derartige, letztlich unsinnige Vorschriften geschaffen haben, spricht nichts.

Demgegenüber fügt sich § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV dann sachgerecht in den Gesamtzusammenhang der Geltungsbereichsbestimmungen des Abschnittes V ein, wenn man mit dem dort genannten Einbau und Zusammenfügen von Fertigbauteilen nur Tätigkeiten erfasst, durch die die herkömmliche Arbeitsweise am Bau durch das Einbauen und Zusammenfügen bzw. Einbauen vorgefertigter Bauteile ersetzt wird (vgl. BAG 17.03.1976 AP Nr. 28 zu § 1 TVG/TVe: Bau; Kammerurteil vom 18.03.1991 - 16 Sa 1481/90). Ein Bei einem solchen Begriffsverständnis fallen nämlich solche Tätigkeiten aus den Fertigbauarbeiten heraus, bei denen schon immer nach Herkommen und Üblichkeit in der Baubranche unter anderem von Dritten vorgefertigte Bauteile wie Fenster, Türen, Tore, Heizungsanlagen etc. »fertig« eingebaut werden. Ob derartige Tätigkeiten dann baulich sind, bestimmt sich nach den übrigen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 VTV, nicht aber nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV.

In diesem Sinne nicht zum Einbau von Fertigteilen zählt auch der Einbau von Zwischendecken aus Holz unter anderem zum Zwecke des Schallschutzes, wie er von der Klägerin durchgeführt wird. Denn derartige Zwischendecken werden schon immer aus »fertig« hergestellten Bauteilen, montiert, dies ist insofern seit jeher die herkömmliche Art des Einbaus derartiger Teile. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV bestätigt diese Sichtweise. Wenn die Tarifvertragsparteien dort als Beispieltätigkeiten für Trocken- und Montagebauarbeiten den Wand- und Deckeneinbau nennen, so geben sie damit zu erkennen, dass derartige Tätigkeiten denjenigen des Trocken- und Montagebaus zuzuordnen sein sollen. Gleichzeitig stellen die Tarifvertragsparteien damit auch klar, dass es sich bei solchen Tätigkeiten eben nicht um den Einbau von Fertigbauteilen handelt. Denn sonst wäre die ausdrückliche Erwähnung dieser Tätigkeiten in Nr. 37 des § 1 Abs. 2 Abschn. V überflüssig und sinnleer, weil solche Arbeiten ohnehin, nämlich von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13, erfasst würden.

Diesem Verständnis von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV steht auch nicht entgegen, dass das BAG in seiner Entscheidung vom 04.05.1994 (10 AZR 153/93) auch die Montage von Wänden und Dachkonstruktionen, wie auch das Einsetzen von vorgefertigten Fenstern und Türen, die Anbringung von Wand- und Deckenverkleidungen sowie von Holzfußböden und -treppen aus vorgefertigten Elementen zu den Fertigbauarbeiten iSv § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV gezählt hat. In jenem Fall handelte es sich nämlich um ein Unternehmen, das Holzfertigbauten durch die Montage von Holzfertigbauteilen inklusive des sog. Innenausbaus errichtete. In einem solchen Fall dienen alle Arbeiten, auch das Einbauen von Wänden und Decken, der Errichtung eines Fertighauses und sind daher von der Zweckrichtung her gesehen, Fertigbauarbeiten auch dann, wenn es sich um Innenausbauarbeiten handelt (vgl. bereits: BAG 22.08.1973 - 4 AZR 562/72). Jedes andere Verständnis würde eine von der Zweckrichtung der Arbeiten als einheitlich zu bewertende Tätigkeit künstlich und damit sachwidrig aufspalten. Im vorliegenden Fall ist es dagegen anders, weil sich die Tätigkeit der Klägerin auf den Einbau von Zwischendecken beschränkt ohne dass vorgetragen worden oder sonstwie erkennbar wäre, dass dieser Einbau im Rahmen der Errichtung eines Bauwerks aus Fertigteilen erfolgt. Ob schließlich daran festzuhalten ist, wie die erkennende Berufungskammer gemeint hat (vgl. Kammerurteil vom 30.08.1999 - 16 Sa 2977/98 -NZA-RR 2000, 597), dass die Montage vorgefertigten Strukturglases an Fassaden zu den Fertigbauarbeiten zu zählen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Der danach aufgrund seines betrieblichen Geltungsbereichs für den Betrieb der Klägerin einschlägige und kraft AVE für den Kläger geltende VTV wird auch nicht durch den MTV/Holz und Kunststoff verdrängt. Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität scheiden nämlich von vornherein schon deshalb aus, weil der Betrieb der Klägerin vom fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages nicht erfasst wird. Fachlich gilt der MTV/Holz und Kunststoff

a) für Betriebe, Hilfs- und Nebenbetriebe, für selbständige Betriebsabteilungen sowie Montagestellen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie einschließlich Sperrholz-, Faser- und Spanplattenindustrie, Herstellung von Fertighäusern, Hallen, Wohnwagen und Reisemobilen

b) für Betriebe verwandter Industriezweige, sowie Kunststoff herstellende Betriebe;

c) für Betriebe, die anstelle oder in Verbindung mit Holz andere Werkstoffe oder Kunststoffe verarbeiten.

Diese Merkmale erfüllt der Betrieb der Klägerin schon deshalb nicht, weil nicht erkennbar ist, dass es sich bei ihrem Betrieb um einen Industriebetrieb handelt.

Wenn die Tarifvertragsparteien des MTV in ihrem fachlichen Geltungsbereich Betriebe der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie sowie Betriebe verwandter Industriezweige einbeziehen, geben sie damit, mangels abweichender Anhaltspunkte, zu verstehen, dass sie den Begriff »Industrie« in seiner allgemeinen Bedeutung als Komplementärbegriff zum Handwerk verstanden wissen wollen (vgl. BAG 22.07.1998 AP Nr. 213 zu § 1 TVG/TVe: Bau). Allgemein wird der Begriff Industrie gegenüber dem des Handwerks durch den Unterschied bei der Betriebsgröße, der Anzahl der Beschäftigten, sowie dem größeren Kapitalbedarf infolge der Anlagenintensität abgrenzend bestimmt. Die Industrie ist durch Produktionsanlagen und Stufen- sowie Absatzstrukturen gekennzeichnet, während beim Handwerksbetrieb die Arbeiten überwiegend mit der Hand nach Methoden des einschlägigen Handwerks ausgeführt werden, diese Arbeiten für einen bestimmten Kundenkreis (Einzelfertigung) und nicht auf Vorrat getätigt werden und es sich um einen kleineren, weniger technisierten Betrieb handelt (vgl. BAG 21.01.1981, 18.01.1984 und 22.07.1998 AP Nr. 33, 59 und 213 zu § 1 TVG/TVe: Bau).

Anhand dieser Kriterien ist nicht erkennbar, dass es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen solchen der Industrie handelt. Vielmehr ist der Betrieb der Klägerin mit nur einem gewerblichen Arbeitnehmer ein kleiner, wenig technisierter Betrieb, in dem Arbeiten jeweils für bestimmte Kunden mit der Hand lediglich unterstützt von den insoweit notwendigen Arbeitsmitteln durchgeführt werden. Das sind alles Merkmale eines Handwerks- und nicht eines Industriebetriebes.

Soweit die Klägerin demgegenüber meint, der Beklagte sei bei einem Konkurrenzunternehmen davon ausgegangen, dieses habe aufgrund Mitgliedschaft in einem anderen Verband nicht am Sozialkassenverfahren teilnehmen müssen, übersieht sie, dass es in jenem Fall, ausweislich des von der Klägerin zugrunde gelegten Schreibens vom 26. November 1999 (Bl. 9/10 d.A.) um ein Unternehmen ging, das an die Tarifverträge für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk gebunden war. An solche Tarifverträge ist die Klägerin jedoch nicht kraft Mitgliedschaft gebunden.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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