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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.07.2002
Aktenzeichen: 16 Sa 253/02
Rechtsgebiete: BGB, HGB, VTV/Bau


Vorschriften:

BGB § 736
HGB § 160
VGV/Bau § 24 Abs. 1
Der aus einer BGB-Gesellschaft ausscheidende Gesellschafter haftet jedenfalls dann nicht für Sozialkassenbeiträge nach den Bautarifverträgen für Zeiten nach seinem Ausscheiden, wenn der vor seinem Ausscheiden von der BGB-Gesellschaft unterhaltene Betrieb kein baugewerblicher war.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 16 Sa 253/02

Verkündet am 15. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 16 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom ... 15. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter am LAG ... Hattesen als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... Huy ... und Trumpfheller als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 2002 - 1 Ca 1826/00 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Juli 1997 bis Juni 1998 und September 1998.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Beklagte ist Maurer- und Schreinermeister. Ab Oktober 1987 unterhielt er mit Herrn W... Z... eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), von deren Betrieb bauliche Leistungen durchgeführt wurden. Ob diese GbR auch nach dem 01.07.1997 noch bauliche Leistungen durchführte und Arbeitnehmer beschäftigte, ist zwischen den Parteien im Streit. Unter dem 01.08.1997 schloss der Beklagte den aus Bl. 16/17 d.A. ersichtlichen Arbeitsvertrag als Betriebsleiter mit der 1996 gegründeten und am 26.02.1997 ins Handelsregister eingetragenen N & Z... V... GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte und Herr Z... waren. Als Geschäftsgegenstand ist im Handelsregister für die GmbH die Beteiligung an Gewerbebetrieben aller Art eingetragen. Dieser Arbeitsvertrag wurde am 24.09.1998 zum 31.10.1999 aus betrieblichen Gründen gekündigt (Bl. 18 d.A.).

Anlässlich einer Prüfung am 19. und 26.11.1998 kam das Arbeitsamt Mannheim zu dem Ergebnis, die vom Beklagten und Herrn Z... gegründete GbR sei am 24.09.1998 in die am 24.09.1998 ins Handelsregister eingetragene Innenausbau N... & Z... GmbH & Co. KG übergegangen. Ab Juni 1997 sei eine Hochbauabteilung gegründet worden, von der in wechselnder Personalstärke Rohbauarbeiten durchgeführt worden seien. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Prüfberichts wird auf Bl. 29-34 d.A. Bezug genommen.

Der Kläger hat vorgetragen, im Zeitraum von Juli 1997 bis September 1998 habe die GbR Geschäftstätigkeiten entfaltet, Arbeitnehmer beschäftigt und bauliche Leistungen erbracht. Entsprechend sei der Beklagte als Mitgesellschafter zur Zahlung der Sozialkassenbeiträge für gewerbliche Arbeitnehmer nach den Bautarifverträgen verpflichtet, deren Höhe sich aus den vom Arbeitsamt festgestellten Bruttolohnsummen und dem tariflichen Beitragssatz errechne.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 6.642,96 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, im Klagezeitraum habe die GbR keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt gehabt. Ab 01.07.1997 sei nur noch Herr Z... und zwar allein baugewerblich tätig gewesen, nicht mehr die GbR.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.01.2002 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 55 - 61 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 15.07.2002 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er verfolgt sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren in vollem Umfang weiter und trägt vor, im Klagezeitraum seien 4 Arbeitnehmer von der GbR beschäftigt worden, erst ab 24.09.1998 seien die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer aufgrund Betriebsübergangs auf die Innenausbau N... und Z... GmbH & Co. KG übergegangen. Vor diesem Zeitpunkt hätte die GmbH & Co. KG mangels Gründung gar keine Arbeitnehmer beschäftigen können, die Verwaltungs GmbH habe keine baulichen Tätigkeiten durchgeführt.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung, verteidigt das erstinstanzliche Urteil, wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, die Tätigkeiten der GbR seien zum 01.07.1998 beendet worden. Mitte 1997 habe er sich entschieden, die eigene baugewerbliche Tätigkeit aufzugeben und mit Herrn Z... vereinbart, die GbR zum 01.07.1998 zu beenden und jede weitere Tätigkeit dieser Gesellschaft einzustellen. So sei denn auch zum 30.06.1997 eine Abschlussbilanz der GbR erstellt worden. Bei Einstellung des Geschäftsbetriebs habe Herr Z..., der den Betrieb dann weitergeführt habe, noch eine entsprechende Rede gehalten. Der Arbeitsvertrag mit der Verwaltungs GmbH sei geschlossen worden, damit Herr Z... bauliche Tätigkeiten habe durchführen können, 1998 habe er, der Beklagte, seine Anteile an der GmbH auf Herrn Z... übertragen, der dann die GmbH & Co. KG gegründet habe. Im Übrigen werde die Höhe der Bruttolohnsummen bestritten.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Maurers L... S... und des Tischlers O... K... als Zeugen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 15.07.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von dem Beklagten nicht die Zahlung von € 6.642,96 verlangen, weil für dieses Begehren eine Rechtsgrundlage fehlt.

Als allein mögliche Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen kommt § 24 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12.11.1986 in den für die Kalenderjahre 1997 und 1998 gültigen Fassungen nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift schuldet ein baugewerblicher Arbeitgeber dem Kläger Beitragszahlungen für gewerbliche Arbeitnehmer. Baugewerblicher Arbeitgeber war der Beklagte nicht.

Arbeitgeber im Sinne des VTV ist der Rechtsträger des Beschäftigungsbetriebes, der zugleich Gläubiger des Anspruchs auf Arbeitsleistung und Schuldner des Arbeitsentgelts gegenüber den Arbeitnehmern nach § 611 BGB ist (vgl. BAG 16.10.1974, AP Nr. 1 zu § 705 BGB). Der Beklagte war im Klagezeitraum nicht Arbeitgeber im Sinne des VTV.

Dass der Beklagte als Einzelperson die Merkmale eines Arbeitgebers im Klagezeitraum erfüllte, behauptet der Kläger selbst nicht. Den Beklagten trifft eine Zahlungsverpflichtung auch nicht als Mitgesellschafter einer GbR, die im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb unterhielt und Arbeitnehmer beschäftigte. Zwar haften die Gesellschafter einer GbR im Außenverhältnis nach den allgemeinen Regeln als Gesamtschuldner, so dass der Kläger, soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, bis zur Erlangung der gesamten Schuld grundsätzlich jeden der Gesellschafter auf Leistung in Anspruch nehmen kann (§421 BGB, vgl. BAG 02.02.1994, AP Nr. 8 zu § 705 BGB). Hier war der Beklagte jedoch nicht Mitgesellschafter einer GbR, die im Klagezeitraum einen Baubetrieb unterhielt und Arbeitnehmer beschäftigte. Seine diesbezüglichen Behauptungen, die im Widerspruch zu denen des Beklagten stehen, hat der Kläger nicht zu beweisen vermocht.

Der Prüfbericht des Arbeitsamts gibt, worauf das Arbeitsgericht bereits zu Recht hingewiesen hat, nichts her. Denn in dem Prüfbericht ist als Arbeitgeber die Innenausbau N... und Z... GmbH & Co. KG genannt, dass die GbR in diese Gesellschaft übergegangen ist, ist zwar im Prüfbericht vermerkt, auf welche Tatsachen sich dieser Vermerk stützt bleibt jedoch im Dunkeln.

Auch die zweitinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme hat den Vortrag des Klägers nicht bestätigt. Denn sowohl der Zeuge S... wie der Zeuge K... haben ausgesagt, dass zwar früher eine Gesellschaft existiert habe, dass aber 1997, und zwar etwa ab Juli 1997, nur noch Herr Z... der Arbeitgeber gewesen sei. Aus diesen Zeugenaussagen lässt sich nicht entnehmen, dass in der Tat die GbR entgegen dem Vorbringen des Beklagten auch nach dem 30.06.1997 noch mit Arbeitnehmern bauliche Leistungen erbrachte. Vielmehr kann es genauso gut sein, dass diese Gesellschaft zum 01.07.1997 beendet wurde und Herr Z... allein den Baubetrieb fortführte. Soweit der Kläger zwei weitere Arbeitnehmer als Zeugen benannt hat, war dem nicht nachzugehen. Denn der Beweisantritt des Klägers ist nicht hinreichend. Der Kläger hat es nämlich unterlassen, trotz entsprechenden Hinweises, ladungsfähige Anschriften anzugeben.

Auch die vorgetragenen Gesamtumstände geben nichts zugunsten des Klägers her. Zuzugeben ist dem Kläger, dass die Verhältnisse im Klagezeitraum undurchsichtig sind. Der Sinn des Arbeitsvertrages des Beklagten mit der Verwaltungs GmbH bleibt nämlich im Unklaren, weil diese GmbH nach dem Vortrag des Beklagten selbst gar nicht betrieblich tätig geworden ist. Hieraus andererseits zu schließen, die GbR müsse über den 01.07.1997 hinaus baugewerblich tätig gewesen sein, wäre jedoch reine Spekulation. Genauso gut kann es sein, dass Herr Z... bis zur Gründung der GmbH & Co. KG als Einzelperson einen baulichen Betrieb unterhielt und der Arbeitsvertrag zwischen der GmbH und dem Beklagten lediglich das Ziel verfolgte, auf untaugliche Weise einen Verstoß gegen handwerksrechtliche Bestimmungen zu verschleiern.

Kann danach von einer Verpflichtung des Beklagten zur begehrten Beitragszahlung nicht deshalb ausgegangen werden, weil der Beklagte im Klagezeitraum Mitgesellschafter einer einen baugewerblichen Betrieb mit Arbeitnehmern führenden GbR war, so kommt auch eine Haftung des Beklagten als ehemaliger Gesellschafter der GbR für die gegenüber Herrn Z... ab 01.07.1997 entstandenen Beitragsforderungen des Klägers nicht in Betracht.

Allerdings endet die Haftung eines Gesellschafters einer GbR nicht mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft. Vielmehr haftet der ausscheidende Gesellschafter für die Verpflichtungen, deren Rechtsgrund noch vor dem Ausscheiden gelegt ist, auch wenn weitere Voraussetzungen ihres Entstehens erst später erfüllt werden, weiter (vgl. BGHZ 55, 269). Begrenzt wird diese Haftung allein durch die 5-Jahresfrist des über § 736 Abs. 2 BGB anzuwendenden § 160 Abs. 1 HGB. So haftet beispielsweise der ausgeschiedene Gesellschafter bei Dauerschuldverhältnissen, die vor dem Ausscheiden begründet worden sind, auch für die erst nach dem Ausscheiden fällig werdenden Verpflichtungen innerhalb der 5-Jahresfrist. Das gilt auch bei einer zweigliedrigen GbR, deren Betrieb von einem Gesellschafter durch Übernahme der Gesellschaftsanteile des anderen Gesellschafters als Alleingesellschafter fortgeführt wird (vgl. BGH 27.09.1999, NJW 2000, 208 [209 f.]).

Ob eine solche Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters auch für Beitragsverpflichtungen nach dem VTV für Zeiten nach seinem Ausscheiden in Betracht kommt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn hier scheidet eine derartige Nachhaftung in jedem Fall aus. Voraussetzung für das Entstehen einer Beitragszahlungsverpflichtung nach dem VTV ist nämlich, dass der baugewerbliche Arbeitgeber baugewerbliche Arbeiten durch Arbeitnehmer verrichtet und an diese dafür Arbeitsentgelt zahlt (vgl. BAG 22.01.1997, AP Nr. 9 zu § 11 GmbHG). Damit käme eine Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Beitragsverpflichtungen nach dem VTV für Zeiten nach seinem Ausscheiden aus dem Gesellschaftsverhältnis überhaupt nur dann in Betracht, wenn von dem Betrieb der GbR vor seinem Ausscheiden bauliche Leistungen durchgeführt worden sind. Derartiges hat der Kläger hier selbst nicht behauptet. Nach dem vom Kläger in Bezug genommenen Prüfberichts des Arbeitsamts wurden überhaupt erst ab Juli 1997 Arbeiten im Hochbau durchgeführt. Auch in der Berufungsbegründung hat der Kläger ausdrücklich darauf abgehoben, er mache Beitragsforderungen geltend, weil ab Juli 1997 Rohbauarbeiten durchgeführt worden sind. Bei dieser Sachlage kann von vornherein nicht davon ausgegangen werden, der Rechtsgrund für Beitragsforderungen sei bereits vor Ausscheiden des Beklagten aus der GbR gelegt worden.

Darüber hinaus kann im vorliegenden Fall auch nicht angenommen werden, dass die vom Kläger geltend gemachten Beitragsforderungen auf Arbeitsverhältnisse bezogen sind, die vor dem 01.07.1997, also dem Ausscheiden des Beklagten aus der GbR begründet worden sind. Denn nach der vom Kläger ebenfalls in Bezug genommenen Aufstellung des Arbeitsamts über die Bruttolohnsummen (Bl. 3 d.A.) variierte die Beschäftigtenzahl in den Monaten des Klagezeitraums zwischen fünf und einem Arbeitnehmer. Beide Zeugen konnten im Übrigen nicht einmal mit Sicherheit angeben, ob sie bereits vor Juli 1997 beschäftigt waren. Zum Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses sind ihre Angaben nämlich durchweg vage und unbestimmt. So hat der Zeuge S... den Arbeitsbeginn mit Sommer, ca. Juli 1997 angegeben, der Zeuge K... hat ausgesagt, er sei immer wieder mit Unterbrechungen beschäftigt worden.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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