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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 04.12.2006
Aktenzeichen: 16 Sa 273/06
Rechtsgebiete: ZPO, AEntG


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 520
AEntG § 1
Zur Frage, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist, wenn die Übersendung der Berufungsbegründung per Fax an das Berufungsgericht am letzten Tag der Frist nicht gelingt.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 21. Dezember 2005 - 3 Ca 1510/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 510.563,38 (in Worten: Fünfhundertzehntausendfünfhundertdreiundsechzig und 38/100 Euro) zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte die des Berufungsrechtszuges sowie17/20 der Kosten 1. Instanz, der Kläger 3/20 der Kosten 1. Instanz zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihr in Deutschland im Zeitraum von Januar 2000 bis Januar 2003 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung für gewerbliche Arbeitnehmer zu sichern. Zu diesem Zweck haben die dem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitgeber Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes zu zahlen.

Die Beklagte ist eine juristische Person portugiesischen Rechts mit Sitz in Xxxxxx (Portugal), die in der Zeit von Januar 2000 bis Januar 2003 mit Hilfe aus Portugal entsandter portugiesischer Arbeitnehmer auf der Grundlage von Werkverträgen als Subunternehmerin in der Bundesrepublik Deutschland arbeitszeitlich überwiegend Maurerarbeiten durchführte. Gleichartige Tätigkeiten wurden von der Beklagten in Portugal ausgeführt. Mit Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. März 2005 (16/10 Sa 126/00) wurde eine Klage der Beklagten auf Feststellung, dass diese nicht zur Teilnahme am Urlaubskassenverfahren des Baugewerbes verpflichtet ist, für Zeiten ab 01.Januar 1999 rechtskräftig abgewiesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, für ihre im Klagezeitraum in die Bundes€republik Deutschland entsandten Arbeitnehmer Urlaubskassenbeiträge zu zahlen. Die Höhe der Kla€geforderung errechne sich mangels Auskunftserteilungen der Beklagten über deren Höhe aus den Meldungen des Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern bzw. aus den Prüfberichten der Dienststellen der Zoll- und Arbeitsverwaltung, denen die jeweilige Entsendedauer der in die Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer zu entnehmen sei, ferner aus der tarifvertraglichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, dem tarifvertraglichen Mindestlohn sowie dem tariflichen Beitragssatz für Urlaubskassenbeiträge. Daraus ergebe sich ein geschuldeter Beitrag in Höhe von € 190.927,43 für das Kalenderjahr 2000, von dem unter Berücksichtigung von Zahlungen der Beklagten in Höhe von € 15.260,49 noch € 175.666,94 offenständen, ein solcher von € 95.023,65 für das Kalenderjahr 2001, ein solcher von € 329.880,08 für das Kalenderjahr 2002 und ein solcher von € 935,39 für das Kalenderjahr 2003. Hinsichtlich der Berechnung des Klägers im einzelnen wird auf die Aufstellung des Klägers im Schriftsatz vom 14. März 2003 (Bl. 160 bis 162 d.A.) und auf die Aufstellung der Anlage K3 zum Schriftsatz des Klägers vom 06. Oktober 2005 (bl. 256 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 601.506,06 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht verpflichtet, am bautarifvertraglichen Sozialkassenverfahren teilzunehmen und Urlaubskassenbeiträge an den Kläger zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2005 stattgegeben Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 261 bis 268 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 16. Januar zugestellte Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 09. Mai 2005 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und trägt dazu vor, am letzten Tag der bis 18. April 2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist sei ab 17.00 vergeblich versucht worden, die gefertigte und unterzeichnete Berufungsbegründung an das LAG zu faxen und zwar sowohl an die Faxnummer des LAG wie die des Arbeitsgerichts Frankfurt. Die Gegenstelle habe jeweils nicht geantwortet, der Fehlerbericht des eigenen Fax habe "besetzt/keine Antwort" gemeldet. Nachdem der letzte Versuch um 18.51 gescheitert sei, habe die mit der Übermittlung beauftragte Angestellte ihres Prozessbevollmächtigten die Versuche eingestellt, eine Möglichkeit für diese, die Berufungsbegründung persönlich nach Frankfurt zu bringen habe nicht bestanden. In der Sache sei die Entscheidung des Arbeitsgerichts unrichtig, weil die Beitragsberechnung des Klägers unzutreffend sei. Tatsächlich ergebe sich für für das Kalenderjahr 2000 eine der Beitragsberechnung zugrunde zulegende Bruttolohnsumme von DM 1.200.769,07, so dass ein Urlaubskassenbeitrag für dieses Jahr von DM 165.706,26 zu entrichten gewesen sei. Die zutreffenden Bruttolöhne ergäben sich aus der entsprechenden Aufstellung über die an sämtliche Arbeitnehmer im Jahre 2000 gezahlten Vergütungen (Bl. 285 bis 320 d.A.). Die Vergütung für eingesetzte Bauleiter müsse, weil es sich bei diesen nicht um gewerbliche Arbeitnehmer gehandelt habe, wie bei dieser Berechnung geschehen, herausgerechnet werden. Von diesem Betrag könne sie die im Kalenderjahr 2000 von ihr gezahlten Urlaubsvergütungen in Höhe von DM 128.407,34 abziehe, so dass für das Kalenderjahr 2000 eine Beitragsschuld von DM 37.298,92 verbleibe. In gleich Weise verhalte es sich mit den Beiträgen für den übrigen Klagezeitraum. Deshalb sei das Urteil des Arbeitsgerichts in der Höhe zu korrigieren.

Die Beklagte beantragt,

ihr wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Er meint, die Berufung sei bereits unzulässig, verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, das Vorbringen der Beklagten zur Forderungshöhe sei unzureichend. Zum einen werde bestritten, dass es sich bei den von der Beklagten angeführten Personen um Bauleiter gehandelt habe, zum anderen sei der erhebliche Beweiswert der Meldungen der Beklagten über die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer durch die bloße Vorlage von Auflistungen der beschäftigten Arbeitnehmer und ihrer Vergütungen nicht erschüttert.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 04. Dezember 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung, die hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken begegnet, ist nur teilweise zulässig, nämlich lediglich, soweit sie sich gegen eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für das Kalenderjahr 2000 wendet.

Im Einzelnen gilt insoweit:

Die Zulässigkeit der Berufung scheitert nicht daran, dass die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten Hat. Das ist zwar der Fall, weil die Berufungsbegründungsfrist nach Verlängerung derselben auf rechtzeitigen Antrag der Beklagten am 18. April 2006 24.00 Uhr abgelaufen war und die Berufungsbegründung erst am 20. April 2006 beim Berufungsgericht eingegangen ist. Der Beklagten ist jedoch auf ihren innerhalb der Frist des § 234 ZPO gestellten Antrag hin die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden, dem das ihres Prozessbevollmächtigten gleichsteht (§ 85 Abs.2 ZPO), gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO).

Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 69, 381, 385; 88, 118, 123ff). Das ist bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften zu beachten. Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen unbeschränkt zulässig. Zwar sind die nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren Anstrengungen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs auch insoweit zu verlangen. Die aus der Wahl des Übermittlungsweges per Telefax herrührenden besonderen Risiken der technischen Gegebenheiten des gewählten Kommunikationsweges dürfen aber nicht auf den Nutzer des Mediums abgewälzt werden, wenn die entscheidende Ursache für eine Fristversäumnis nicht in der Sphäre der Partei sondern in der des Gerichts liegt oder auf Leitungsstörungen beruht (vgl. BVerfG 21. Juni 2001 NJW 2001, 3473). Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24.00 Uhr zu rechnen ist (vgl. BVerfG 01. August 1996 NJW 1996, 2857).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall:

Dass eine Störung des Faxgeräts des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgelegen hat, ist aufgrund der vorgelegten Protokolle über die versuchte Versendung der Berufungsbegründungsschrift an das LAG am 18. April 2006 mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen. Die Protokolle weisen auch als Zielnummer einmal die des Faxanschlusses des LAG und einmal die der Verwaltung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main aus.. Ausgeschlossen werden kann freilich auch eine Störung des Faxgeräte des Berufungsgerichts. Nach der vom Berufungsgericht eingeholten Auskunft der Verwaltung des Landesarbeitsgerichts waren am 18. April 2006 zwar die Faxanschlüsse der Verwaltung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main sowie der Verwaltung des Landesarbeitsgerichts gestört. Störungsfrei lief jedoch der Faxverkehr über den Faxanschluss des Landesarbeitsgerichts. Bei dieser Sachlage bleibt als Grund für das Misslingen einer Übersendung der Berufungsbegründungsschrift am 18. April 2006 nur, dass entweder die Faxnummer des LAG laufend besetzt war, was angesichts des Umstandes, dass das entsprechende Faxgerät über einen Speicher verfügt, in den bei Eingang eines anderen Faxes das ankommende Fax läuft, unwahrscheinlich ist, oder eine Leitungsstörung vorlag.

Der Beklagten ist bei dieser Sachlage auch nicht deshalb ein Verschulden an der Fristversäumnis anzulasten, weil nach 18.51 Uhr keine weiteren Versuche unternommen worden sind, die Berufungsbegründung noch rechtzeitig an das LAG gelangen zu lassen.

Selbst wenn man davon ausgeht, die Angestellte des Prozessbevollmächtigten hätte es nicht bei den durch die vorgelegten Faxprotokolle belegten Versuchen der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per Fax bewenden lassen dürfen, sondern weiter Versuche unternehmen müssen, begründet das kein der Beklagten zuzurechnendes Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Verbindung mit den vorgelegten Faxprotokollen war diese von dem Prozessbevollmächtigten am Spätnachmittag des 18. April 2006 angewiesen worden, die Berufungsbegründungsschrift an das LAG an diesem Tage zu faxen. Damit war von Seiten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten das organisatorisch erforderliche geschehen, um einen Eingang der Berufungsbegründungsschrift noch an diesem Tage sicherzustellen. Nach menschlichem Ermessen war mit einer erfolgreichen Übersendung der Berufungsbegründungsschrift an das LAG noch an diesem Tage zu rechnen.

Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten kann insoweit auch nicht als Verschulden angerechnet werden, dass nichts darüber vorgetragen worden ist, wie sich die Angestellte in dem Fall verhalten sollte, in dem eine Faxübersendung binnen eines bestimmten Zeitraums scheitert.

Das Fehlen einer Anweisung, in diesem Falle den Schriftsatz auf andere Weise, etwa durch Fahrt zum LAG, an das LAG gelangen zu lassen, ist schon deshalb unerheblich, weil erkennbar keine Störung des eigenen Faxgerätes vorlag. In einem solchen Fall begründet es kein Verschulden, dass in anderer Weise als durch Faxübermittlung eine rechtzeitige Übersendung möglich gewesen wäre. (vgl. BGH 20. Februar 2003 NJW-RR 2003, 861).

Ebenso wenig ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Verschulden anzulasten, dass keine allgemeinen Organisationsanweisungen dahingehend vorgetragen worden sind, wie von Mitarbeitern bei gescheiterter Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per Fax wegen erkennbar nicht durch das eigene Faxgerät bedingter Störungen vorzugehen ist.

Unterstellt man im vorliegenden Fall, dass eine Leitungsstörung vorlag, ist das Fehlen solcher Anweisungen schon deshalb unerheblich, weil Fristversäumnisse wegen Leitungsstörungen einer Partei nicht angelastet werden können. Unterstellt man, die Faxnummer des LAG sei in der Tat zur Zeit der Anrufe durch das Gerät des Prozessbevollmächtigten wegen anderer einlaufender Faxe "besetzt" gewesen, war eine fehlende Anweisung des Prozessbevollmächtigten nicht kausal für die Fristversäumnis. Ausweislich des Faxjournals des LAG sind am 18. April 2006 zwischen 15.54 Uhr und 21.47 Uhr unter der Faxnummer 0691535538, u.U. wegen Ausfalls zweier anderer Faxanschlüsse, praktisch ununterbrochen Faxe eingegangen. Eine allgemeine oder konkrete Anweisung am Spätnachmittag eines Werktages, bei misslungener Faxübersendung aus Gründen, die nicht in Fehlern des eigenen Gerätes liegen, über einen Zeitraum von mehr als drei Stunden immer wieder eine Faxverbindung zu versuchen oder gar nach einer bestimmten Zeit die Faxübersendungsversuche abzubrechen und doch noch zu versuchen, den Schriftsatz durch Eigentransport zum Gericht zu bringen, kann nicht verlangt werden. Die erfolgreiche Nutzung des Kommunikationsmittels Fax kann und darf nicht davon abhängen, ob man binnen mehrerer Stunden das Glück hat, einen "Treffer" zu landen. Anderes kann nur gelten, wenn es um die Versendung eines Faxes gegen Ende eines Tages geht. Denn angesichts der bekannten Praxis, alles im letzten Moment erledigen zu wollen, besteht in diesem Fall die greifbare und auch erkennbare Gefahr, dass die Faxverbindung deshalb wegen Belegung des Empfangsgeräts durch andere scheitert, weil viele andere das gleiche versuchen.

Die Berufung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil weder die Berufungsschrift noch die Berufungsbegründung einen ausdrücklich formulierten Antrag enthalten hat. Zwar gilt über § 64 Abs. 6 ArbGG auch für das arbeitsgerichtlich Verfahren die Bestimmung des § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, wonach Berufungsanträge erforderlich sind. Ein fehlender förmlicher Berufungsantrag ist jedoch unschädlich, wenn sich aus der Berufungsbegründung insgesamt eindeutig ergibt, inwieweit das arbeitsgerichtlich Urteil angefochten werden soll (vgl. BAG 11. September 1974 AP Nr. 5 zu § 44 BAT). Hier lässt die gesamte Berufungsbegründung, unbeschadet des Umstandes, dass nur die Höhe der Verurteilung angegriffen wird, unzweifelhaft erkennen, dass die Beklagte mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches, auf umfassende Klageabweisung gerichtetes Begehren in der Berufungsinstanz weiterverfolgt.

Unzulässig ist die Berufung freilich, soweit sich die Beklagte mit ihr gegen eine Verurteilung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die Kalenderjahren 2001, 2002 und Januar 2003 wendet. Denn insoweit hat sie das erstinstanzli€che Urteil nicht zulässig angegriffen. Denn die Berufungsbegründung genügt insoweit nicht den An€forderungen des § 520 Abs.3 Nr 2 ZPO. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ebenfalls im Arbeitsgerichtsverfahren anwendbar (BAG 25. März 2004 AP Nr.5 zu § 54 BMT-G II; BAG 10. Februar 2005 NZA 2005, 597). Nach dieser Bestimmung hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese bekämpfen will (BAG 15. August 2002 AP Nr. 55 zu § 519 ZPO; BAG 16. Juni 2004 EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3). Betrifft die Berufung mehrere prozessuale Ansprüche, muss sich die Begründung auf alle Teile des Urteils erstrecken, deren Abänderung begehrt wird (vgl. BGHZ 22, 272 (278)). Daran fehlt es bezüglich der erstinstanzlich zuerkannten Beträge für die vorgenannten Zeiträume. Mit diesen setzt sich die Berufungsbegründung auch nicht ansatzweise auseinander. Vielmehr be€schränkt sich ihre Erörterung darauf, für diese Zeiträume verhalte es sich "in gleicher Art und Weise" wie für das Jahr 2000. Das lässt schon angesichts der klägerseits geforderten, der Höhe nach unterschiedlichen Beträge für diese Jahre auch nicht ansatzweise erkennen, was die Berufung der Begründung der Verurteilung entgegensetzen will.

Soweit danach zulässig, nämlich bezüglich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für das Jahr 2000, hat die Berufung teilweise Erfolg. Der Kläger kann für dieses Jahr Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen in Höhe von € 84.724,29 verlangen, die weitergehende Forderung ist nicht begründet.

Es gilt:

Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Beklagten ist § 1 Abs. 3 AEntG i.V.m. § 8 Ziffer 15 BRTV/Bau und § 18 VTV.

§ 1 Abs. 3 AEntG regelt nichts anderes als eine Erstreckung von tariflichen Normen, die aufgrund Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) - und damit kraft Tarifrechts - für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seine im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer. Diese Erstreckung erfolgt nicht etwa durch den entsprechenden Tarifvertrag, sondern unmittelbar durch das Gesetz selbst.

Dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Erstreckung des Urlaubskassenverfahrens bezüglich der Beklagten gegeben sind, folgt bereits aus der rechtskräftigen Entscheidung der Berufungskammer vom 14. März 2005. Durch dieses Urteil wurde nämlich die Klage der Beklagten auf Feststellung, dass sie nicht zur Teilnahme am Urlaubskassenverfahren verpflichtet ist, aus sachlichen Gründen abgewiesen. Folge der Rechtskraftwirkung jener Entscheidung ist es, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger mit allen Einwendungen gegen den bekämpften Anspruchsgrund präkludiert ist, unabhängig davon, ob sie die damalige Klägerin vorgebracht oder ob sich das Gericht damit auseinandergesetzt hatte (§§ 322, 325 ZPO; vgl. BGH 17. März 1995 NJW 1995, 1757).

Der Höhe nach kann der Kläger freilich nicht die begehrten € 175.666,94, sondern lediglich € 84.724,29 verlangen.

Richtig ist, dass der Kläger seine Beitragsforderung schlüssig mit den Mindestverdiensten der vom Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer begründen und dabei die Arbeitnehmer zugrunde legen kann, die sich aus Meldungen des Arbeitgebers nach § 3 AEntG gegenüber den öffentlichen Stellen ergeben, wenn der Arbeitgeber, wie hier die Beklagte, Meldungen unterlassen hat.

Maßgeblich für die (wahre) Höhe des Urlaubskassenbeitrage bleibt freilich nach § 18 VTV der zugunsten der Arbeitnehmer entstandene Lohnanspruch. Gibt der Arbeitgeber andere Beschäftigungszeiten, weniger Arbeitnehmer oder andere Bruttolöhne an als vom Kläger behauptet, ist es Sache des Klägers konkret die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich herleiten lässt, dass ein höherer als der sich aus den Angaben des Arbeitgebers errechnende Urlaubskassenbeitrag Bruttolohn geschuldet ist.

Hier hat der Kläger für das Jahr 2000 die seines Erachtens beschäftigten Arbeitnehmer, ihre Arbeitszeit und, errechnet anhand der bindenden Mindestvergütung, ihren Verdienst angegeben. Dem ist die Beklagte jedoch durch Auflistung der in diesem Jahr beschäftigten Arbeitnehmer und ihres Verdienstes konkret entgegengetreten. Dieses Vorbringen der Beklagten ist erheblich.

Die Beklagte war nicht gehalten, substantiierter als geschehen, nämlich durch Angabe der auf die einzelnen Arbeitnehmer monatlich entfallenen Verdienste, zum Klägervortrag zur Höhe der Beitragsforderung Stellung zu nehmen. Insbesondere war er nicht gehalten, die von den einzelnen Arbeitnehmern geleisteten Arbeitszeiten anzugeben. Das folgt aus den Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Rechtsstreit.

Ein baugewerblicher Arbeitgeber schuldet dem Kläger materiell-rechtlich keine Auskunft über die konkrete Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers. Dieser Umstand muss sich auf die Verteilung der Darlegungslast im Rechtsstreit auswirken. Jedenfalls dann, wenn der Kläger, wie hier, lediglich eine durchschnittliche und damit letztlich, auf den einzelnen Arbeitnehmer bezogen, fiktive wöchentliche und tägliche Arbeitszeit zugrunde legt, muss der Arbeitgeber keine näheren Angaben zur Arbeitszeit machen, sondern genügt seiner Darlegungsobliegenheit durch die Angabe der erzielten Bruttolöhne bzw. der Urlaubskassenbeiträge, aus denen sich die Bruttolöhne errechnen lassen.

Den danach erforderlichen Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptungen über die Höhe der im Jahre 2000 angefallenen Bruttolöhne hat der Kläger nicht geführt.

Richtig ist, dass die vom Kläger als Beweismittel bereits erstinstanzlich angebotene Vorlage der § 3 AEntG-Meldungen ein Beweismittel ist. Den Beweis für die Tatsache, die zum Tatbestand des § 18 VTV gehört, nämlich die Höhe der Urlaubskassenbeiträge pro Monat, kann der Kläger damit freilich nicht führen. Denn Auskunft über die erzielten Verdienste geben Meldungen nach § 3 AEntG nicht, den Meldungen läßt sich auch nicht entnehmen, dass jeder der dort aufgeführten Arbeitnehmer täglich tatsächlich einen Lohnanspruch auf Vergütung von 7,8 Arbeitsstunden, wie hier vom Kläger behauptet, erworben hat (vgl. Kammerurteil v. 17. Mai 2004 - 16/10 Sa 2019/99). Ein weiteres kommt hinzu. Die Meldungen geben auch keine zuverlässige Auskunft darüber, ob der betreffende Arbeitnehmer tatsächlich überhaupt und, wenn ja, wie lange beschäftigt worden ist. Denn anzugeben ist in diesen Meldungen der Beginn und die voraussichtliche, nicht die tatsächliche, Dauer der Beschäftigung (§ 3 Abs.1 Nr. 2 AEntG).

Allerdings haben die Meldungen nach § 3 AEntG Indizwert, weil aufgrund der Meldungen mittelbar auf den Verdienst der Arbeitnehmer geschlossen werden kann. Dafür, dass die dort aufgeführten Arbeitnehmer tatsächlich jedenfalls nach Deutschland gelangt sind, sind die Meldungen, weil die erforderliche Arbeitserlaubnis Geld kostet und alles dafür spricht, dass ein Unternehmer nicht unnötige Gelder aufwendet, ein Beweisanzeichen. Ein Beweiswert dafür, dass die in den Meldungen enthaltenen Arbeitnehmer tatsächlich in der gesamten Zeit der vorgesehenen Beschäftigung auch eingesetzt worden sind, ergibt sich daraus, dass ein solcher Einsatz ursprünglich vom Arbeitgeber ins Auge gefasst worden ist. Zusammen mit dem tariflichen Mindestlohn und der immerhin nicht fern liegenden Annahme, dass die Arbeitnehmer (mindestens) die tariflich übliche Arbeitszeit geleistet haben, kann danach, jedenfalls zunächst einmal, aus den Meldungen auf die Haupttatsache, nämlich den erzielten Bruttolohn als Berechnungsgröße für den Urlaubskassenbeitrag geschlossen werden.

Den Indizwert der aus den Meldungen zu entnehmenden Daten im Hinblick auf den erzielten Verdienst entsandter Arbeitnehmer pro Monat kann jedoch durch konkrete Angaben über die beschäftigten Arbeitnehmer und ihren Verdienst so erschüttert, dass die Meldungen allein nicht mehr geeignet sind, den Beweis für die Behauptungen des Klägers über die Höhe der seitens des in Anspruch genommenen Arbeitgebers zu erbringen (vgl. Kammerurteil v. 04. Oktober 2004 - 16/15 Sa 143/03 -EzAÜG § 3 AEntG Nr.3). So ist es hier.

Die Erschütterung des Beweiswertes resultiert aus zwei Umständen. Einmal darf nämlich nicht außer Betracht bleiben, dass sich dann, wenn der Vortrag des Arbeitgebers im Rechtsstreit über die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer von dem der Meldungen nach § 3 AEntG abweicht, unterschiedliche Angaben des Arbeitgebers in unterschiedlichen Verfahren gegenüberstehen. Überzeugende Anhaltspunkte dafür, dass die einen Angaben richtiger sein müssten als die anderen sind nicht vorgetragen worden oder sonstwie erkennbar. Bereits das berührt den Beweiswert der Meldungen. Soweit der Umfang der Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer betroffen ist, darf zudem nicht übersehen werden, dass sich Angaben darüber in den Meldungen nach § 3 AEntG unmittelbar gar nicht finden, sondern lediglich aus der Dauer der Beschäftigung hierauf geschlossen werden kann. Dass derartige Schlüsse richtiger sind und zutreffendere Folgerungen auf den erzielten Verdienst ermöglichen als die Angaben der Beklagten über den erzielten Verdienst, ist, mangels ergänzenden, diese Annahme stützenden Vortrags eine Vermutung ohne hinreichende Tatsachenbasis. Bei dieser Sachlage sieht sich die Berufungskammer nicht in der Lage, aus den Meldungen nach § 3 AEntG den erforderlichen, Zweifeln Schweigen gebietenden Grad an Gewissheit dafür zu gewinnen, dass das klägerische Vorbringen zum Verdienst richtig ist

Danach ist bezüglich der Höhe der Klageforderung für das Jahr 2000 von den Angaben der Beklagten auszugehen. Aus der von der Beklagten eingereichten Aufstellung über gezahlte Vergütungen errechnet sich eine für die Berechnung des Urlaubskassenbeitrages maßgebliche Bruttolohnsumme von DM 1.232.111,21.

Dabei sind die von der Beklagten als gezahlt angegebenen Urlaubsvergütungen in den der Beitragsberechnung zugrunde zulegenden Bruttolohn, wie auch seitens der Beklagten geschehen, einzubeziehen, weil auch Urlaubsvergütungen zum Bruttolohn gehören (§ 18 Abs.4 VTV).

Nicht zu berücksichtigen sind die Arbeitnehmer, die die Beklagte nach ihrem Vortrag als Bauleiter beschäftigt hat. Es ist prozessual Aufgabe des Klägers die Tatsachen darzulegen und im Streitfall zu beweisen, die seinen Anspruch begründen sollen. Für die Arbeitnehmer, die die Beklagte aus der Berechnung herausgenommen hat, schuldet sie nur dann Beiträge, wenn es sich bei diesen Arbeitnehmern um gewerbliche Arbeitnehmer handelte. Mit ihrer Behauptung, diese Arbeitnehmer seien als Bauleiter eingesetzt gewesen, hat die Beklagte einen Vortrag gehalten, der, wenn er zutrifft, die Beitragspflicht für diese Arbeitnehmer entfallen lässt. Bauleiter sind nämlich keine gewerblichen Arbeitnehmer, weil es sich nach dem Sprachgebrauch des Baugewerbes bei Bauleitern Personen handelt, die in technischer Beziehung, ohne selbst mit Hand anzulegen, leitende und beaufsichtigende Tätigkeiten auf der Baustelle durchführen und damit als technische Angestellte zu qualifizieren sind. Bei dieser Sachlange war es prozessual Aufgabe des Klägers, konkret anzugeben, welche, vom Beklagtenvorbringen abweichenden Behauptungen über die Tätigkeit die fraglichen Arbeitnehmer aufgestellt werden und diese Behauptungen unter Beweis zu stellen. Das hat der Kläger unterlassen. Sein Vortrag erschöpft sich nämlich darin, zu bestreiten, dass die fraglichen Arbeitnehmer als Bauleiter eingesetzt waren.

Soweit die Berufungskammer in ihrer Entscheidung vom 24. Juli 2005 (16 Sa 2140/05) davon ausgegangen ist, der Vortrag des dortigen Arbeitgebers, bestimmte Arbeitnehmer seien als Bauleiter eingesetzt worden, sei mangels hinreichender Bestimmtheit unerhebliche, handelte es sich um einen Einzelfall, weil dort eine unverhältnismäßig große Zahl von Bauleitern angegeben worden war. Soweit jener Entscheidung zu entnehmen sein sollte, dass die Angabe, bestimmte Personen seien als Bauleiter eingesetzt worden, stets die notwendige Bestimmtheit fehlt, wird diese Ansicht aufgegeben.

Ist nach alledem von den von der Beklagten vorgetragenen Zahlen auszugehen, so schuldet die Beklagte dem Kläger für das Jahr 2000 den sich aus der nach den Einzelangaben errechneten Jahresbruttolohnsumme von DM 1.232.111,21 ergebenden Urlaubskassenbeitrag. Das sind € 84.724,26. Damit ergibt sich insgesamt ein dem Kläger zustehender Betrag von € 510.563,38.

Unbeschadet ihres teilweisen Obsiegens waren der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfang gem. § 97 Abs.2 ZPO aufzuerlegen. Denn sie hat teilweise aufgrund eines erstmals im Berufungsverfahren gehaltenen Vortrages obsiegt. Diesen hätte sie ohne weiteres auch schon im ersten Rechtszug geltend machen können. Denn die Höhe der an gewerbliche Arbeitnehmer für das Jahr 2000 gezahlten Bruttolöhne war ihr bekannt. Im Übrigen waren die Kosten entsprechend dem Umfang des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens verhältnismäßig zu teilen ( § 92 Abs.1 ZPO).

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision war nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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