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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.05.2006
Aktenzeichen: 16 Sa 989/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 66 I
ArbGG § 234 I
ZPO § 236 II 2
Fällt das Hindernis, dass einer rechtzeitigen Einlegung der Berufung entgegenstand (hier: Kenntnis der Partei von der Zustellung des anzufechtenden Urteils), vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist weg und läuft die Zweiwochenfrist des § 234 Abs.1 S. 1 ZPO für einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Berufungsfrist erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ab, beginnt die Monatsfrist für einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumnung der Berufungsbegründungsfrist (§ 234 Abs.1 S.2 ZPO) nicht erst mit Ablauf der Zweiwochenfrist des § 234 Abs.1 S.1 ZPO, sondern bereits mit dem Tage des Wegfalls des Hindernisses zu laufen.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 24. Februar 2005 - 9 Ca 1388/03 - wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für den Zeitraum von Januar 2000 bis Mai 2003.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau] iVm den Vorschriften des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Nach den tarifvertraglichen Vorschriften, die für allgemeinverbindlich erklärt sind, haben die baugewerblichen Arbeitgeber die dazu erforderlichen Mittel durch Beiträge aufzubringen.

Die Beklagte ist eine juristische Person rumänischen Rechts mit Sitz in Xxxxxxxx (Rumänien). In Deutschland unterhält sie in Xxxxxxxxx eine nicht ins Handelsregister eingetragene Niederlassung, von der aus von einem technischen Leiter und einem »Inlandsbevollmächtigten« Akquise, Planung und Abwicklung von Aufträgen in Deutschland vorgenommen sowie die Korrespondenz mit Auftraggebern sowie öffentlichen Stellen ausgeführt werden. In den Jahren 2000 bis 2003 führte die Beklagte auf der Grundlage von Werkverträgen mit deutschen Unternehmen durch aus Rumänien entsandte Arbeitnehmer in Deutschland arbeitszeitlich überwiegend Rohbau-, Stahlverlegungs- und Bewehrungsarbeiten durch. Welche Tätigkeiten in welchem arbeitszeitlichen Umfang von der Beklagten im gleichen Zeitraum in Rumänien durchgeführt wurden, ist zwischen den Parteien im Streit.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm gegenüber zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihr in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer verpflichtet. Arbeitszeitlich überwiegend sein von der Beklagten auch in Rumänien dieselben Arbeiten durchgeführt worden wie in Deutschland. In jedem Falle habe die Beklagte in Deutschland, nämlich an ihrer Niederlassung in Xxxxxxxxxx eine selbständige bauliche Betriebsabteilung unterhalten. Demzufolge schulde die Beklagte für den Zeitraum Januar 2000 bis Mai 2003 die tarifvertraglich normierten Urlaubskassenbeiträge. Zwar habe die Beklagte ihm gegenüber für bestimmte Bauvorhaben Meldungen über die gezahlten Bruttolöhne erteilt. Für eine ganze Reihe von ihr beschäftigter gewerblicher Arbeitnehmer sei das jedoch nicht geschehen. Deren Namen und Beschäftigungszeit ergebe sich aus den Meldungen der Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern bzw. aus den Prüfberichten der Zoll- und Arbeitsverwaltung. Unter Zugrundelegung der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit im Baugewerbe, dem tariflichen Mindestlohn sowie dem tariflichen Beitragssatz errechne sich ein von der Beklagten geschuldeter Beitrag von € 282.508,66. Aufgrund von vier Zahlungen der Beklagten nach Klageerhebung in der Gesamthöhe von € 85.932,70 habe sich die Hauptsache insoweit erledigt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 196.575,96 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger nichts. Unter Einschluss der Tätigkeiten in Rumänien seien in den Kalenderjahren des Klagezeitraums nicht arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten durchgeführt worden. In Rumänien sei das Unternehmen in den Bereichen Hotellerie/Restaurantbetriebe, Handel und industrielle Produktion tätig, Bauleistungen würden dort nicht ausgeführt. Sie besitze eine größere Hotelanlage mit angeschlossenem Restaurant- und Diskothekenbetrieb sowie ein größeres Fabrikgelände, auf dem Holz- und Kunststofffenster, Möbel und Holzfertighäuser produziert würden. Die in der Fabrikationsfertigung eingesetzten Arbeitnehmer würden zeitweise für Tätigkeiten in Deutschland eingesetzt und, nach Abschluss der Tätigkeit, wieder in Rumänien. In jedem Falle bestehe keine Zahlungsverpflichtung, weil ein vom Kläger selbst erstellter Kontoauszug (Bl. 247/248 d. A.) ein Guthaben zu ihren Gunsten von € 87.563,01 ausweise.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24. Februar 2005 die Beklagte zur Zahlung von € 196.575,96 verurteilt und ausgesprochen, dass der Rechtsstreit im übrigen erledigt ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 250 bis 262 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 06. April 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 10. Juni 2005 per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Standwegen Versäumung von Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist beantragt. Mit einem am 27. Juni 2006 beim LAG eingegangenen Schriftsatz hat sie Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung mit einem am 04. Juli 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte trägt zur Wiedereinsetzung vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe sie mit Schreiben vom 11. April 2005 per Fax und per Brief über das für sie negative erstinstanzliche Urteil und die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung bis 06. Mai 2005 unterrichten wollen. Weder das vom Prozessbevollmächtigten abgesandte Fax noch den entsprechenden Brief habe ihr Geschäftsführer erhalten. Erst anlässlich eines Gesprächs mit dem Geschäftsführer in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten am 27. Mai 2005 habe letzterer von dem arbeitsgerichtlichen Urteil Kenntnis erlangt, eine Überprüfung innerhalb des Unternehmens habe ergeben, dass das Schreiben nicht bei der Beklagten eingegangen sei. In der Sache sei das arbeitsgerichtliche Urteil unrichtig. So bestehe für rumänische Unternehmen keine Beitragspflicht zur Urlaubskasse, eine solche sei vom Arbeitsgericht auch nicht begründet worden. Eine Betriebsstätte im Sinne des Deutschen Rechts habe sie in Deutschland nicht unterhalten, auch von einer selbständigen Betriebsabteilung in Deutschland könne nicht ausgegangen werden, so dass bei gebotener Gesamtbetrachtung des Unternehmens keine überwiegende Tätigkeit im baulichen Bereich festzustellen sei. In jedem Fall habe das Arbeitsgericht übersehen, dass sie etwa geschuldete Beiträge überbezahlt habe.

Die Beklagte beantragt,

ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, und unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, für den Fall der Zulässigkeit der Berufung nehme er die Klage in Höhe von € 801,65 zurück und erkläre die Hauptsache in Höhe weiterer € 828,66 für erledigt. Der von der Beklagten angeführte Kontoauszug habe nur die gemeldeten, nicht aber die hier eingeklagten Beiträge für nicht gemeldete Arbeitnehmer betroffen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze, sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 15. Mai 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung ist unzulässig.

Die Beklagte hat weder die gesetzliche Berufungsfrist noch die gesetzliche Berufungsbegründungsfrist gewahrt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt jedenfalls im Hinblick auf die versäumte Berufungsbegründungsfrist nicht in Betracht.

Im Einzelnen gilt folgendes:

Nach § 66 Abs.1 S.1 ArbGG beträgt die Frist für die Einlegung der Berufung einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils (§ 66 Abs.1 S.2 ArbGG). Diese Fristen hat die Beklagte versäumt

Das erstinstanzliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 06. April 2005 in vollständig abgefasster Form zugestellt. Mithin lief die Berufungsfrist am 06. Mai 24.00 Uhr und die Berufungsbegründungsfrist am 06. Juni 2005 24.00 Uhr ab. Die Berufungsschrift ging am 10. Juni 2005 und damit später als einen Monat nach Urteilszustellung beim Berufungsgericht ein, die am 04. Juli 2005 beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung konnte die Berufungsbegründungsfrist nicht wahren.

Dahinstehen kann, ob der Beklagten die begehrten Wiesereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt werden könnte. Denn darauf kommt es entscheidungserheblich nicht an. Der Beklagen kann nämlich jedenfalls die gewünschte Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht gewährt werden.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist muss daran scheitern, dass das die Beklagte nicht innerhalb der Antragsfrist des § 234 Abs.1 ZPO die Berufung begründet hat.

Nach § 236 Abs.2 S. 2 ZPO muss innerhalb der Antragsfrist des § 234 Abs.1 ZPO die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden. Nach § 234 Abs.1 S.2 ZPO beträgt die Wiedereinsetzungsfrist einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Diese Monatsfrist beginnt, sobald das der Fristwahrung entgegenstehenden Hindernis behoben ist (§ 234 Abs.2 ZPO). Dabei gilt die Monatsfrist nicht nur für Fälle, in denen Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens beantragt worden ist, sondern allgemein (vgl. BAG 24. August 2005 NZA 2005, 1262). Diese Frist hat die Beklagte nicht eingehalten. Denn das Hindernis, das einer fristgerechten Berufungsbegründung durch die Beklagte entgegengestanden hat, ist am 27. Mai 2005 entfallen, die am 04. Juli 2005 beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung erfolgte mithin außerhalb der Frist des § 236 Abs.2 S.2 ZPO.

Gemäß § 234 Abs. 2 ZPO wird die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Tag in Lauf gesetzt, an dem das Hindernis für die Einhaltung der Frist behoben ist. Das ist der Fall, wenn entweder die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt ist oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann, insbesondere weil die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war (vgl. BGH 26. Juli 2004, NJW-RR 2005, 143; BGH 13. Dezember 1999, NJW 2000, 592 ).

Das Hindernis bestand hier nach dem Vortrag der Beklagten darin, dass ihr Geschäftsführer als ihr gesetzlicher Vertreter nicht über die Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils und über die für eine Berufung einzuhaltenden Fristen informiert worden war, weil weder das von ihrem Prozessbevollmächtigten an diesen versandte Fax noch der an ihn gesandte Brief diesen erreicht hatte. Dieses Hindernis war behoben, nachdem ihr Geschäftsführer die entsprechenden Kenntnisse erlangt hatte. Das war am 27. Mai 2005 der Fall. Zu diesem Zeitpunkt erlangte der Geschäftsführer der Beklagten Kenntnis von der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten und Kenntnis von den für eine Urteilsanfechtung maßgeblichen Fristen. Ob die Beklagte erst nach dem 27. Mai 2005 nähere Kenntnis über die Ursache der verspäteten Information erlangte, spielt keine Rolle. Die Frist des § 234 Abs.1 ZPO dient gerade auch dazu, der Partei zeitlich Gelegenheit zu geben, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu überprüfen.

Einem Beginn der Frist des § 234 Abs.1 S.2 ZPO am 27. Mai 2005 steht auch nicht entgegen, dass damit das Hindernis zur fristgerechten Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bereits vor Ablauf der zu wahrenden Berufungsbegründungsfrist weggefallen war, weil diese erst am 06. Juni 2005 24.00 Uhr ablief.

Das Hindernis zur Fristwahrung kann auch vor Fristbeginn wegfallen, so dass die Frist zur Wiedereinsetzung vor Ablauf der Hauptfrist zu laufen beginnt (vgl. BGH 31. Januar 1990 NJW-RR 1990,830; BGH 06. Juli 1994 NJW 1994,2631; Musielak/Grandel ZPO 4. Aufl 2005 § 234 Rz 3; Stein/Jonas/Roth ZPO22. Aufl. 2005 § 224 Rz 6; Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. 2005 § 234 Rz 5a; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. 2005 § 234 Rz 5). § 234 Abs.2 ZPO knüpft für den Beginn der Frist des §234 Abs:1 ZPO allein an den Tag an, an dem das Hindernis behoben ist. Das kann auch vor Ablauf der Hauptfrist der Fall sein. Ob ein einem solchen Fall die Fristversäumnis iSv § 233 ZPO verschuldet ist oder nicht, ist eine davon zu trennende Frage.

Einem Beginn der Monatsfrist des § 234 Abs.1 S.2 ZPO am 27. Mai 2005 lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht entgegenhalten, dass zu diesem Zeitpunkt die Berufungsfrist bereits abgelaufen war, die Wiedereinsetzungsfrist für diese zwei Wochen betrug (§ 234 Abs.1 S.1 ZPO) und diese Zweiwochenfrist bis 10. Juni 2005 24.00 Uhr lief.

Richtig ist, dass eine Partei die Fristen des § 234 Abs.1 ZPO voll ausnutzen darf. Dass muss in Bezug auf die versäumte Berufungsfrist auch dann gelten, wenn im Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses zwar die Berufungsfrist abgelaufen ist, die Berufungsbegründungsfrist aber noch läuft. Insbesondere kann von einer Partei nicht verlangt werden, in einem solchen Fall Maßnahmen zur Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist, etwa durch Stellung eines (vorsorglichen) Antrags auf deren Verlängerung zu treffen. Denn das Gesetz sieht eine Begründung der Berufung vor deren Einlegung nicht vor. Vielmehr ist die Berufung entweder mit deren Einlegung oder später - innerhalb der gesetzlichen Frist - zu begründen (§ 520 Abs.3 ZPO).

Daraus lässt sich, entgegen der Ansicht der Beklagten, jedoch nicht schließen, dass im vorliegenden Fall die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs.1 S.2 ZPO für die Berufungsbegründung nicht vor Ablauf der zweiwöchigen Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung für die Berufungsfrist zu laufen beginnen konnte. Diese Ansicht findet in den gesetzlichen Bestimmungen keine Stütze.

Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist sind voneinander unabhängig. Auch wenn die Berufung verspätet eingelegt worden ist, läuft die Berufungsbegründungsfrist normal. Deshalb kann auch ein Wiedereinsetzungsgesuch in die versäumte Berufungsfrist den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht berühren, (vgl. BGH 11. August 2004 FamRZ 2005,194; BGH 09. Januar 1989 NJW 1989,1155). Das galt für das alte Berufungsrecht, nach dem die Frist für die Berufungsbegründung mit Einlegung der Berufung zu laufen begann, und gilt erst recht für das nunmehrige Berufungsrecht, wonach beide Fristen mit Urteilszustellung zu laufen beginnen (vgl. OLG Schleswig-Holstein 22. April 2005 MDR 2004,1256). Nichts anderes kann hinsichtlich des Beginns der Fristen nach § 234 Abs.1 ZPO bei Versäumung von Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist gelten. Die Zweiwochenfrist des § 234 Abs.1 S.1 ZPO hinsichtlich der Berufungsfrist und die Monatsfrist hinsichtlich der Begründungsfrist nach § 234 Abs.1 S.2 ZPO laufen unabhängig voneinander ab dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Der Zweck des § 234 Abs.1 ZPO bestätigt dies. Die Fristen des § 234 Abs.1 ZPO sind keine Schonfristen, die sich an den Ablauf der einzuhaltenden (Haupt-) Fristen anschließen und die eine Partei immer zur Verfügung stehen (vgl. Zöller/Greger aaO. § 234 Rz 3). Vielmehr markiert § 234 Abs.1 ZPO allein die Fristen, die zwischen dem Wegfall des Hindernisses zur Fristwahrung und dem Wiedereinsetzungsantrag liegen dürfen.

Eine gegenüber anderen Fallkonstellationen nicht vertretbare Fristverkürzung tritt hierdurch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem im Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses zur Berufungseinlegung die Berufungsfrist, nicht aber die Berufungsbegründungsfrist versäumt ist, letztere aber bei Ausnutzung der Zweiwochenfrist des § 234 Abs.1 S.1 ZPO versäumt wird, nicht ein. Dem Berufungskläger steht nämlich hinsichtlich der Wiedereinsetzung bezüglich der Berufungsbegründung die Monatsfrist ab Wegfall des Hindernisses nicht anders zur Verfügung als in dem Falle, in dem das Hindernis nach Ablauf von Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist wegfällt. Auch in einem solchen Falle laufen die Fristen des § 234 Abs.1 S.1 und 2 ZPO nebeneinander. Deshalb bleibt auch dann für den Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Berufungsbegründung und die Nachholung der verspäteten Prozesshandlung »Berufungsbegründung« bei voller Ausnutzung der Zweiwochenfrist für einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Berufungsfrist keine Frist von einem Monat wegen Versäumung der Berufungsfrist, sondern lediglich eine solche von einem Monat minus zwei Wochen.

Innerhalb der danach bis zum 27. Juni 2005 24.00 Uhr laufenden Wiedereinsetzungsfrist hinsichtlich der Berufungsbegründung hat die Beklagte die versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt. Denn sie hat die Berufung erst mit dem am 04. Juli 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet. Der am 27. Juni 2006 eingegangene Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist reichte schon deshalb nicht aus, weil zu diesem Zeitpunkt die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war, also nicht verlängert werden konnte, und weil § 236 Abs.2 S.2 ZPO die Nachholung der »versäumten Prozesshandlung« verlangt (vgl. BGH 04. Oktober 1994 NJW 1995, 60: BAG 16. Januar 1989 AP Nr. 3 zu § 222 ZPO). Die versäumte Prozesshandlung war hier die Berufungsbegründung.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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