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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2003
Aktenzeichen: 16 Ta 295/03
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 62
Das Arbeitsgericht ist nach Erlass eines die Instanz abschließenden, mit der Berufung angefochtenen Urteils für einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil nicht zuständig. Stellt es gleichwohl die Zwangsvollstreckung ein, so ist auf die Beschwerde des Gegners dieser Beschluss - unbeschadet der Unanfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 62 Abs. 1 ArbGG - aufzuheben.
Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss

Aktenzeichen: 16 Ta 295/03

In dem Beschwerdeverfahren

hat die Kammer 16 des Hessischen Landesarbeitsgerichts auf die sofortige Beschwerde d. Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts in Darmstadt vom 3. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hattesen als Vorsitzenden

am 31. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 3. Juli 2003 - 8 Ca 251/02 - aufgehoben.

Der Einstellungsantrag der Beklagten vom 13. Juni 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Verfahrenskosten zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf € 4.680,12 festgesetzt.

Gründe:

I

Der Kläger wendet sich mit seiner beim Arbeitsgericht eingelegten Beschwerde gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 3. Juli 2003, mit dem dieses auf Antrag der Beklagten die Zwangsvollstreckung aus einem arbeitsgerichtlichen Urteil vom 13. Mai 2003, gegen das von der Beklagten mittlerweile Berufung eingelegt wurde, eingestellt hat. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

II

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass gem. § 62 Abs. 2 ArbGG iVm §§ 719 Abs. 1, 707 S. 2 ZPO Beschlüsse des Arbeitsgerichtes über die Einstellung der Zwangsvollstreckung unanfechtbar sind. (vgl. statt vieler Kammerbeschluss v. 04.03.2002 - 16 Ta 58/02 - LAGE § 62 ArbGG 1979 Nr. 27: LAG Thüringen 29.12.1997 NZA 1998, 1358 (1359)). Denn hier liegt ein Fall ausnahmsweiser Zulässigkeit der Anfechtbarkeit vor.

Insoweit bedarf es keiner grundsätzlichen Beantwortung der Frage, ob und wann Beschlüsse wie der vorliegende in Ansehung der Neuregelung der ZPO durch das ZPO-RG angefochten werden können, insbes., ob eine Anfechtung in der Regel ausgeschlossen ist oder aber nur bei greifbarer Gesetzeswidrigkeit oder bereits dann in Betracht kommt, wenn der Vorderrichter das ihm eingeräumte Ermessen verkannt hat (vgl. zum Streitstand: LAG Thüringen 29.12.1997 aaO.; OLG Karlsruhe 20.04.1993 MDR 1993, 798; vgl. zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Rechtsbeschwerde auch BGH 07.03.2002 NJW 2002, 1577). Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass sich aus § 321a ZPO nunmehr ergibt, dass es grundsätzlich Sache des Gerichts, das einen unanfechtbaren Beschluss erlassen hat (iudex a quo), und nicht des übergeordneten Gerichts (iudex ad quem) ist, einen fehlerhaften Beschluss auf entsprechende Rüge des Beschwerten u.U. abzuändern, muss in bestimmten Fällen eine (außerordentliche) sofortige Beschwerde zum Obergericht möglich bleiben. Das gilt jedenfalls dann, wenn der angefochtene Beschluss wegen schwerwiegenden Verfahrensmangels greifbar gesetzeswidrig ist und das Arbeitsgericht auf die Beschwerde (oder Gegenvorstellung) hin an seinem Rechtsirrtum festhält. Das gebietet das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes, zumal die Unabhängigkeit des Vordergerichts es verbietet, ihm durch weitere Appelle die Verantwortung für eine eigene Entscheidung aufzudrängen, der er sich, auch nach nochmaliger Prüfung, ausdrücklich widersetzt (vgl. BGH 08.11.2001 NJW 2002,754; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. 2003 § 567 Rz 9; vgl. auch BVerfG v. 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02).

Hier sind diese Voraussetzungen gegeben. Der arbeitsgerichtliche Beschluss ist mangels Zuständigkeit des Arbeitsgerichts greifbar gesetzeswidrig. Greifbar gesetzeswidrig ist eine Entscheidung dann, wenn die Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist (vgl. BAG 21.04.1998 NZA 1998, 1357; BGH 14.12.1989 NJW 1990, 1794 (1795)). Das ist hier der Fall.

Das Arbeitsgericht war für den von Beklagtenseite nach Urteilserlass gestellten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts nicht zuständig und durfte daher auch keine Einstellungsentscheidung treffen. Denn ausschließlich zuständig für die Entscheidung über einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719,717 ZPO, auf die § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG verweist, ist dasjenige Gericht, das über den entsprechenden Rechtsbehelf zu entscheiden hat. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, weil § 719 Abs. 1 ZPO auf § 707 ZPO verweist und das dort genannte "Gericht" nur das sein kann, was (nunmehr) auch über die Sache entscheidet, und entspricht auch einhelliger Ansicht (vgl. statt aller z.B. LAG Bremen 26.05.1998 LAGE § 62 ArbGG Nr. 26; Schaub, Arbeitsgerichtsverfahren 7. Aufl. 2001 § 46 Rz 15; ArbGV/Krönig 1. Aufl. 2000 § 62 Rz 16; Putzo in Thomas/Putzo aaO. § 707 Rz 5, Musielak/Lackmann ZPO 3. Aufl. 2002 § 707 Rz 4).

Aus der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde folgt deren Begründetheit. Der arbeitsgerichtliche Beschluss ist mangels Zuständigkeit des Arbeitsgerichts aufzuheben und der ausdrücklich ans Arbeitsgericht gestellte Antrag der Beklagten vom 13. Juni 2003 zurückzuweisen.

Soweit die Beklagte nunmehr hilfsweise die Einstellung der Zwangsvollstreckung beim Landesarbeitsgericht beantragt hat, ist die Beschwerdekammer hierfür nicht zuständig. Hierüber wird vielmehr die für die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts zu befinden haben, der die Akten unverzüglich zugeleitet werden.

Die Beklagte hat als Unterlegene die Verfahrenskosten nach § 91 ZPO zu tragen.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO, wobei eine Festsetzung in Höhe von ca. 1/5 der Hauptsache angemessen und ausreichend erschien.

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S. 2 iVm § 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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