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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 16 Ta 467/07
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 49
Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren unanfechtbar (§ 49 Abs.3 ArbGG). Damit ist grundsätzlich auch eine außerordentliche Beschwerde ausgeschlossen. Ob in besonderen Fällen anderes zu gelten hat, bleibt offen.
Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 06. September 2007 und den Beschluss vom 12. Oktober 2007 - 10 Ca 78/07 - wird auf Kosten der Beklagten zu 1) als unzulässig verworfen.

Gründe:

I

Die Beklagte zu 1) wendet sich im Beschwerdewege gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06. September 2007, durch den ihr Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende der Kammer 10 des Arbeitsgerichts Darmstadt zurückgewiesen worden ist, sowie gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12. Oktober 2007, durch den das Arbeitsgericht ihre Beschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss als unzulässig verworfen hat.

II

Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig.

Gem. § 49 Abs.1 iVm Abs.3 ArbGG findet gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts, mit dem eine Richterablehnung zurückgewiesen worden ist, kein Rechtsmittel statt.

Dieser Rechtsmittelausschluss begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Verfassungsrechtlich ist er nicht zu beanstanden, weil dem Gebot der Gewährung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bereits dadurch Genüge getan ist, dass ein unabhängiges Gericht in der Sache entscheidet (vgl. BAG 27.07.1998 EzA § 49 ArbGG 1979 Nr. 7; Kammerbeschluss v. 02.05.1994 - 16 Ta 116/94). Ein Instanzenzug ist nämlich von Verfassungs wegen nicht garantiert (BVerfG 30. April 2003 NJW 2003, 1924[1926]). Aus dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch folgt zwar das Gebot einer zumindest einmaligen Kontrolle der Einhaltung von Verfahrensgrundrechten, insbesondere derjenigen gemäß Art. 101 Abs. 1 und Art.103 Abs.1 GG, jedoch muss diese Kontrolle nicht zwingend durch eine höhere Instanz erfolgen (BVerfG aaO S. 1926). Demgemäß ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass über ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit eines oder mehrerer Richter eines Arbeitsgerichts durch andere Richter dieses Gerichts abschließend entschieden wird und eine nochmalige Überprüfung dieses Gesuchs durch ein Rechtsmittelgericht nicht stattfindet (vgl. auch BGH 08. November 2004 NJW-RR 2005, 294 für Beschlüsse des OLG über die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen).

Die Beschwerde ist auch nicht, unbeschadet des gesetzlich angeordneten Rechtsmittelausschlusses als sog. außerordentliche Beschwerde statthaft.

Eine solche außerordentliche Beschwerde gibt es nach dem Gesetz nicht. Sie kann auch nicht schlicht erfunden werden. Die Zulassung eines ungeschriebenen Rechtsbehelfs verstieße nämlich gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. BGH 14. Juli 2004 NJW-RR 2005, 214; BGH 08. November 2004 aaO). Möglich bleibt dem Betroffenen bei von Gesetz wegen unanfechtbaren Entscheidungen, wenn überhaupt, lediglich eine befristete Gegenvorstellung unter Beachtung der Frist des § 78a Abs. 2 ArbGG beim Ausgangsgericht (vgl. GK-ArbGG/Schütz Stand Sept 2007 § 49 Rz. 61; Schwab/Weth/Kliemt ArbGG 1. Aufl. 2004 § 49 Rz 152; BCF/Creutzfeldt ArbGG 4. Aufl. 2006 § 49 Rz 17; HWK/Ziemann 2. Aufl. 2006 § 49 ArbGG Rz 30; Musielak/Ball ZPO 5. Aufl. 2007 § 567 Rz 15a, ähnlich G/M/P/M-G/Germelmann ArbGG 5. Aufl. 2004 § 49 Rz 47; a.A. BFH 08. September 2005 NJW 2005,3374; Hauck/Helml ArbGG 3. Aufl. 2006 § 49 Rz 25).

Es mag sein, dass in besonderen Fällen, nämlich dann, wenn ein effektiver Rechtsschutz beim Ausgangsgericht nicht zu erreichen ist, anderes zu gelten hat und der Betroffene nicht auf den Weg der Verfassungsbeschwerde verwiesen werden darf. Ein solcher Ausnahmefall verlangt jedoch mehr als eine unrichtige Entscheidung. Erforderlich ist, dass der angefochtene Beschluss wegen schwerwiegender Mängel greifbar gesetzeswidrig ist und das Arbeitsgericht auf die auch als Gegenvorstellung ausdeutbare Beschwerde hin an seinem gravierenden Rechtsirrtum festhält. Nur in einem solchen Fall mag das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde erforderlich machen. Dafür lässt sich immerhin anführen, dass die Unabhängigkeit des Vordergerichts es verbietet, ihm durch weitere Appelle die Verantwortung für eine eigene Entscheidung aufzudrängen, der er sich, auch nach nochmaliger Prüfung, ausdrücklich widersetzt (vgl. Kammerbeschluss vom 31. Juli 2003 - 16 Ta 295/03 - LAGE § 62 ArbGG1979 Nr.30).

Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

Insoweit kann zugunsten der Beklagten zu 1) unterstellt werden, dass eine greifbare Gesetzeswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses dann gegeben sein kann, wenn der Vorsitzenden allein entschieden hätte (vgl. LAG Köln 24. August 1992 NZA 1993,142; ErfK/Koch 7. Aufl. 2007 § 49 ArbGG Rz16). Denn dies ist hier nicht geschehen. Auf Bitte des Beschwerdegerichts ist diesem eine Kopie des nach Aktenübersendung beim Arbeitsgericht verbliebenen in handschriftlicher Form abgefassten Originalbeschlusses zugeleitet worden. Daraus ist ersichtlich, dass der angefochtene Beschluss vom Vorsitzenden und zwei ehrenamtlicher Richtern unterzeichnet worden ist. Darauf hat das Arbeitsgericht im Übrigen in seinem mittlerweile am 08. November 2007 ergangenen weiteren Beschluss über einen erneuten Ablehnungsantrag bereits hingewiesen

Ob die Richter, die die angefochtene Entscheidung getroffen haben, nach dem Geschäftsverteilungsplan des ArbG Darmstadt zuständig waren oder nicht spielt für das Beschwerdeverfahren keine Rolle. Ein hier nicht einmal ansatzweise erkennbarer Verstoß gegen Zuständigkeitsregeln führte ohnehin nicht zu einer greifbaren Gesetzwidrigkeit des Ablehnungsbeschlusses. Greifbar gesetzeswidrig ist eine Entscheidung nämlich nur dann, wenn die Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie für jedermann erkennbar rechtsfehlerhaft ist, jeder rechtlichen Grundlage ent€behrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist (vgl. BAG 21.04.1998 und 14.02.2002 EzA § 49 ArbGG 1979 Nr.6 und 8. BGH 14.12.1989 NJW 1990, 1794 (1795)). Etwaige Fehler bei der Beachtung der maßgeblichen Vertretungsregelungen erfüllen diese Merkmale nicht.

Ist danach die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06. September 2007 unzulässig, so gilt dies auch für die Beschwerde gegen den nachfolgenden Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12. Oktober 2007. Diese Beschwerde ist schon deshalb unzulässig, weil es an der für ein Rechtsmittel und damit auch für eine Beschwerde (vgl. Musielak/Ball aaO. § 567 Rz 19) erforderlichen Beschwer der Beklagten zu 1) fehlt.

Durch den Beschluss vom 12. Oktober 2007 ist die Beklagte zu 1) nicht beschwert, weil ihr durch diesen Beschluss nichts aberkannt worden ist, was sie begehrt hatte. Denn zurückgewiesen wurde ihr Ablehnungsgesuch durch den vorangegangenen Beschluss vom 06. September 2007. Zuzugeben ist der Beklagten zu 1) insoweit zwar, dass das Arbeitsgericht, auch wenn es - inhaltlich zutreffend - die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrages für unzulässig und damit eine Abhilfe für ausgeschlossen hielt, die Sache dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht hätte zuleiten müssen (§ 572 Abs.1 ZPO; vgl. G/M/P/M-G/Germelmann aaO § 49 Rz 45; Schwab/Weth/Kliemt aaO § 49 Rz 150)). Beschwert ist die Beklagte zu 1) deshalb jedoch nicht, zumal die Sache mittlerweile dem Beschwerdegericht vorgelegt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S. 2 iVm § 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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