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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.07.2003
Aktenzeichen: 17/12 Sa 828/02
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
1.

Die Erstellung eines Interessenausgleichs mit einer Namensliste entbindet den Arbeitgeber nicht von einer Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu den konkret auszusprechenden Kündigungen.

2.

Deshalb ist es den Betriebspartnern nicht möglich, durch eine Feststellung, dass die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen stattgefunden hat, das Erfordernis der Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens aufzuheben.

3.

Zum Umfang der Darlegungspflichten des Arbeitgebers im betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Urteil

Aktenzeichen: 17/12 Sa 828/02

Verkündet laut Protokoll am 18. Juli 2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht Kammer in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2003

durch Richter am Arbeitsgericht Dr. Becker als Vorsitzender den ehrenamtlicher Richter Mangold und die ehrenamtliche Richterin Jacek als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 26. März 2002 - 8 Ca 545/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 21. Dezember 2000.

Die Insolvenzschuldnerin ist in ihrer Rechtsform eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer Großbuchbinderei und die Ausübung aller damit verbundenen und ähnlichen Geschäfte. Bei der Insolvenzschuldnerin waren zum Zeitpunkt der hier streitigen Kündigung 77 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei die Insolvenzschuldnerin beabsichtigt hatte, 19 Arbeitnehmern zu kündigen.

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung 56 Jahre alt und bei der Insolvenzschuldnerin seit dem 20. Mai 1985 als Kraftfahrer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis hat seine Grundlage in dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der Insolvenzschuldnerin vom 26. April 1985. Wegen des Inhalts dieses Arbeitsvertrages wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 13 f. d. A.) Bezug genommen. Der Kläger erbrachte sämtliche bei der Beklagten anfallenden Fahraufträge. Dies geschah mit den bei der Insolvenzschuldnerin vorhandenen LKW oder PKW. Der Kläger hat zuletzt ein Monatsbruttogehalt in Höhe von DM 4.700,-- erhalten.

Unter dem 05. Dezember 2000 wurden dem bei der Insolvenzschuldnerin gebildeten Betriebsrat weitere Informationen zu dem von der Geschäftsleitung beabsichtigten Sanierungskonzept überreicht. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage B b 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 01. Juli 2002 (Bl. 114 ff. d. A.) Bezug genommen.

Unter dem 22. Dezember 2000 haben der bei der Insolvenzschuldnerin gebildete Betriebsrat und die Vertreter der Insolvenzschuldnerin einen Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart. Wegen des Inhalts und der Gestaltung dieser betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen wird auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19. April 2001 (Bl. 34 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2001 hat das Amtsgericht Darmstadt zur Sicherung der Masse und zum Schutze der Gläubiger die vorläufige Insolvenzverwaltung durch den Beklagten angeordnet. Wegen des Inhalts dieses Beschlusses wird auf die Ausfertigung des Amtsgerichts Darmstadt vom 20. Februar 2001 (Bl. 23 f. d. A.) Bezug genommen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 01. Mai 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und ihrer Geschäftsführer eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Wegen des Inhalts dieses Beschlusses wird auf die Ausfertigung des Amtsgerichts Darmstadt vom 01. Mai 2001 (Bl. 42 f. d. A.) Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 03. Dezember 2001 hat der Beklagte als Insolvenzverwalter den Rechtsstreit aufgenommen (Bl. 47 d. A.). Der Beklagte hat in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter mittlerweile die Masseunzulänglichkeit des Vermögens der Insolvenzschuldnerin angezeigt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass sich die Kündigung der Insolvenzschuldnerin deswegen als unwirksam erweise, weil sie zum Einen sozialwidrig sei, zum Anderen die Sozialauswahl fehlerhaft durchgeführt worden sei und die Betriebsratsanhörung fehlerhaft sei.

Der Kläger hat behauptet, dass sein Arbeitsplatz als Kraftfahrer nicht weggefallen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der F G vom 21. Dezember 20,00 nicht aufgelöst wurde;

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, dass der Fuhrpark aufgelöst worden sei. Die Kunden der Insolvenzschuldnerin würden das Material durch Speditionen anliefern. Die Auslieferung erfolge durch Fremdspeditionen. Der Beklagte hat weiter behauptet, dass kein anderweitiger, freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Zur Sozialauswahl hat der Beklagte behauptet, dass kein anderer Mitarbeiter mit dem Kläger vergleichbar sei. Zum betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren hat der Beklagte behauptet, der Betriebsrat sei erschöpfend über die Kündigungsgründe unterrichtet worden.

Das Arbeitsgericht in Darmstadt hat mit seinem am 26. März 2002 verkündeten, dem Beklagten am 03. Mai 2002 zugestellten Urteil - 8 Ca 545/01 - der Kündigungsschutzklage stattgegeben, während der Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen wurde. Zu dem Inhalt des angefochtenen Urteils im Übrigen und im Einzelnen wird auf Bl. 55 - 60 d. A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 03. Juni 2002 Berufung eingelegt und diese am 01. Juli 2002 begründet. Der Kläger seinerseits hat, nachdem ihm das teilweise klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts am 07. Mai 2002 zugestellt worden ist, am 06. Juni 2002 Berufung eingelegt. Nach entsprechender Klarstellung hat sodann der Kläger die Anschlussberufung in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2003 zurückgenommen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sei und das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Hierzu behauptet der Beklagte, dass sämtliche Fahrzeuge veräußert worden seien. Lediglich ein Fahrzeug "Mercedes Sprinter" werde noch für kleinere Fahrten eingesetzt. Der Beklagte behauptet weiter, dass die Post und die Bankunterlagen von dem Geschäftsführer H täglich selbst abgeholt würden. Im Übrigen würden nur noch kleinere Fahrtätigkeiten in geringem Umfang anfallen. Der Beklagte behauptet weiter, dass die Speditionsfahrten, die früher auch der Kläger durchgeführt habe, weggefallen seien, weil diese nunmehr durch ein anderes Unternehmen durchgeführt würden. Der Beklagte behauptet weiter, dass der Kläger auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz Entsorgungsarbeiten durchführen könnte. Der Kläger sei für diese Tätigkeiten nicht geeignet, auch würden diese Arbeiten nicht mehr anfallen.

Zum betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren behauptet der Beklagte, dass der Kläger die Kündigung erst nach Abschluss des Interessenausgleichs am 22. Dezember 2002 erhalten habe. Die zuvor vom Betriebsrat abgegebene Stellungnahme sei abschließend gewesen. Der Beklagte behauptet weiter, dass der Betriebsrat auf der Grundlage der Verhandlungen über den Interessenausgleich und den Informationen vom 05. Dezember 2000 ordnungsgemäß und vollständig unterrichtet worden sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 26.03.2002, AZ.: 8 Ca 545/01, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, dass der Fuhrpark bei der Insolvenzschuldnerin nicht aufgelöst worden sei. Es würden noch ausreichend Fahrten in wechselndem Umfang mit dem "Mercedes Sprinter" durchgeführt. Der Kläger behauptet weiter, er könne noch im Lager weiter beschäftigt werden. Außerdem gebe es noch andere Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich des Versandes, des Lagers und der Entsorgung.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Darmstadt vom 26. März 2002 - 8 Ca 545/01 - ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, §§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 513, 519, 520 ZPO iVm § 64 Abs. 6 ArbGG.

II.

In der Sache kann die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben, weil sie unbegründet ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben, soweit es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 21. Dezember 2000 aufgelöst wurde. Sie ist nämlich nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren noch nicht beendet gewesen sei, als die Kündigung der Insolvenzschuldnerin ihren Machtbereich verlassen hatte. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht angenommen, dass auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens des Beklagten unklar geblieben sei, wie genau der Betriebsrat von der Insolvenzschuldnerin über die Kündigungsgründe unterrichtet worden sein soll. Das Arbeitsgericht hat das tatsächliche Vorbringen des Beklagten insoweit als unsubstantiiert bewertet.

1. Dem folgt die Kammer im Ergebnis und auch in wesentlichen Teilen der Begründung.

Soweit der Beklagte im Hinblick auf die Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens darauf abstellt, dass er mit dem Betriebsrat Anfang Dezember 2000 umfängliche Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan durchgeführt habe und dabei frühzeitig die betroffenen Arbeitnehmer namentlich unter Benennung der Sozialdaten aufgeführt worden seien, so rechtfertigt dieses tatsächliche Vorbringen nicht die Annahme eines ordnungsgemäß durchgeführten betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens vor Ausspruch der hier streitigen Kündigung. Auch die unter Ziff. 6 des Interessenausgleichs enthaltene Feststellung, dass die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß stattgefunden habe, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Erstellung eines Interessenausgleichs mit einer Namensliste den Arbeitgeber nicht von einer Betriebsratsanhörung zu den konkret auszusprechenden Kündigungen nach § 102 Abs. 1 BetrVG entbindet (LAG Düsseldorf vom 09.10.1997 - 13 Sa 996/97 - DB 1998, S. 926; LAG Düsseldorf vom 25.02.1998 - 17 (4) Sa 1788/97 - LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 9; LAG Düsseldorf vom 24.03.1998 - 3 (8) (11) Sa 2088/97 - LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 7; Fischermeier, NZA 1997, S. 1098 (1100); Kohte, BB 1998, S. 946 (950)). Insbesondere unterscheidet sich der Regelungszweck des § 102 Abs. 1 BetrVG von der betriebsverfassungsrechtlichen Regelung eines Interessenausgleichs gemäß § 111 BetrVG i. V. m. § 112 BetrVG. Die nach § 102 Abs. 1 BetrVG vorgeschriebene Mitwirkung des Betriebsrats soll den Arbeitgeber demgegenüber veranlassen, die geplante Kündigung als Individualmaßnahme zu überdenken und möglicherweise von ihr abzusehen (BAG vom 11.10.1989 - 2 AZR 88/89 - AP Nr. 55 zu § 102 BetrVG 1972; BAG vom 20.05.1999 - 2 AZR 148/99 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 101 unter II 1 d. Gr.). Der vom Abschluss des Interessenausgleichs abweichende Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG zeigt sich überdies an den Widerspruchsrechten des Betriebsrats nach § 102 Abs. 3 BetrVG. Diese Widerspruchsrechte sichern nicht nur den tatsächlichen Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, vielmehr können sie auch die Sozialwidrigkeit der Kündigung begründen (BAG vom 20.05.1999 -2 AZR 148/99 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 101 unter II 1 d. Gr).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es den Betriebspartnern nicht möglich, durch eine Feststellung, dass die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen stattgefunden hat, das Erfordernis der Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens aufzuheben. Dies gilt insbesondere im Kündigungsschutzprozess in dem der einzelne Arbeitnehmer konkret die Rüge des fehlerhaften betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens erhoben hat. Richtig ist im Ausgangspunkt, dass den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast der ordnungsgemäßen Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens nur dann trifft, wenn der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten hat. Es genügt dabei ein einfaches Bestreiten des Arbeitnehmers oder ein Bestreiten des Arbeitnehmers mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO. Dann hat allerdings das Gericht Veranlassung, sich mit dieser Frage zu befassen (BAG vom 23.06.1983, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 12; BAG vom 16.01.1987, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 48; BAG vom 11.10.1998, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 64). Im vorliegenden Fall ist aber festzuhalten, dass der Kläger in zulässiger prozessualer Weise die Durchführung des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens, insbesondere dessen Inhalt, bestritten hat. Dies löst die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Hinblick auf die Ordnungsgemäßheit des betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens aus. Dieser Darlegungslast hat aber der Beklagte mit seinem tatsächlichen Vorbringen nicht genügt.

2. Auch wenn man zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren bereits abschließend vor Zugang der Kündigungserklärung beim Kläger behandelt worden sein könnte, so geht aus dem tatsächlichen Vorbringen des Beklagten nicht die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG hervor. Eine wirksame Anhörung des Betriebsrats setzt mindestens voraus, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Person des Arbeitgebers, dem gekündigt werden soll, bezeichnet, die Art der Kündigung, die Gründe für die Kündigung, und ggf. auch den Kündigungstermin mitteilt (BAG vom 28.02.1974 - 2 AZR 455/73, DB 1974, S. 1294; BAG vom 16.09.1993 - 2 AZR 267/93 -DB 1994, S. 381). Dabei sind vom Arbeitgeber die persönlichen Sozialdaten wie der Name, der Vorname, die Personalnummer, das Geburtsdatum, der Familienstand, bestehende und dem Arbeitgeber bekannte Unterhaltspflichten, der Grad der Behinderung sowie bekannte Sonderkündigungsschutztatbestände anzugeben. Als betriebliche Sozialdaten sollten angegeben werden: Das Eintrittsdatum, der Arbeitsbereich (Abteilung, Kostenstelle), Arbeitsaufgabe bzw. Funktion und soweit vorhanden die Eingruppierung. Insbesondere hat der Arbeitgeber auch bei einer betriebsbedingten Kündigung umfassend über deren tatbestandliche Voraussetzungen zu informieren: Über den Beschäftigungsmangel (Wegfall des Arbeitsplatzes); über die außerbetrieblichen oder innerbetrieblichen Ursachen für den Beschäftigungsmangel; über die unternehmerische Entscheidung und deren innerbetriebliche Umsetzung; über kündigungsvermeidende mildere Mittel; und über die soziale Auswahl, insbesondere über die Sozialdaten des Arbeitnehmers. Würdigt man das tatsächliche Vorbringen des Beklagten unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen, so ändern auch die zweitinstanzlichen Angriffe gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes nichts an dessen zutreffender Beurteilung. Wie oben bereits festgestellt, reicht die Übergabe einer Namensliste nicht aus, um von einem ordnungsgemäß eingeleiteten betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren ausgehen zu können. Soweit der Beklagte damit auf Ziff. 6 des Interessenausgleichs und die damit in Bezug genommene Anlage A abstellt, so ergeben sich aus dieser Anlage A bezogen auf den Kläger nur dessen Name, dessen Vorname und eine etwaig einzuhaltende Kündigungsfrist. Damit fehlen Angaben über das Geburtsdatum, den Familienstand, bestehende und bekannte Unterhaltspflichten sowie sämtliche betriebliche Sozialdaten, nämlich die Arbeitsaufgabe des Klägers als Kraftfahrer bei der Insolvenzschuldnerin. Auch unter Berücksichtigung der Anlage C ergibt sich nur, welche Abfindungszahlung der Kläger zu erwarten gehabt hätte. Angaben zur Person oder gar zum Kündigungsgrund finden sich auch in dieser Anlage bzw. insgesamt im Interessenausgleich und im Sozialplan nicht. Auch soweit der Beklagte zweitinstanzlich dargelegt hat, dass im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen dem Betriebsrat frühzeitig die betroffenen Arbeitnehmer namentlich unter Benennung der Sozialdaten aufgeführt worden seien, genügt dies nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG.

Denn auch aus diesem tatsächlichen Vorbringen geht nicht hervor, welche Arbeitsaufgabe der Kläger bei der Insolvenzschuldnerin durchzuführen hatte, ob und wann der Fuhrpark geschlossen worden sein könnte bzw. wer nun die Fahrten mit welchem Fahrzeug bei der Insolvenzschuldnerin in welchem Umfang durchführt. Nur aus diesen Angaben hätte der Betriebsrat auf einen etwaigen betriebsbedingten Kündigungsgrund schließen können. Der Betriebsrat hat nämlich keine Angaben im Hinblick auf den Wegfall eines konkreten Arbeitsplatzes, auf den Rückgang des quantitativen Beschäftigungsbedarfs auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung, die entweder auf außer- oder innerbetrieblichen Gründen beruht, erhalten. Dies ist aber erforderlich, um von einem ordnungsgemäßen betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren sprechen zu können, wenn eine betriebsbedingte Kündigung beabsichtigt ist. Auch das tatsächliche Vorbringen des Beklagten dahingehend, dass bereits am 01. Dezember 2000 der Betriebsrat im Rahmen der aufgenommenen Verhandlungen zu dem Interessenausgleich und Sozialplan über die zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer unter Darlegung deren Namen sowie Adresse, Familienstand, Unterhaltsverpflichtung, Betriebszugehörigkeit und etwaige besondere Merkmale informiert worden sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch wenn man aus diesem tatsächlichen Vorbringen noch zu Gunsten des Beklagten entnimmt, dass bei den betroffenen Arbeitnehmern auch der Kläger gewesen sein könnte, so geht aus diesem tatsächlichen Vorbringen nicht die Darlegung des konkreten Kündigungsgrundes, insbesondere der Wegfall eines konkreten Arbeitsplatzes auf der Grundlage der Auflösung des Fuhrparks hervor. Aber auch, soweit der Beklagte schließlich dargelegt hat, dass der Betriebsrat unter dem 05. Dezember 2000 weiteres, umfangreiches Informationsmaterial über das Sanierungskonzept erhalten habe, so rechtfertigt auch dies nicht die Annahme eines ordnungsgemäßen betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens. Dieses Anlagenkonvolut enthält zu Anfang eine Liste von zu kündigenden Arbeitnehmern. Warum diesen Arbeitnehmern im Einzelnen gekündigt werden muss, geht aus dieser Liste bzw. Gegenüberstellung nicht hervor. Aber auch im weiteren Text dieses Anlagenkonvoluts geht es der Geschäftsleitung um Strategien und Maßnahmen zur Umsatzsteigerung, um die Senkung der Personalkosten und um die Menge der Produktion. Weiterhin sind in diesem Anlagenkonvolut eine Gewinn- und Verlustrechnung, eine Durchschnittspreisliste, ein zukünftiger Personalplan und die Lohn- und Gehaltsrechnung aufgenommen. Alles das können sicherlich wirtschaftliche Motive für eine Personalkostenreduzierung sein. Zu fordern ist aber im Rahmen eines betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG, dass dem Betriebsrat konkrete persönliche und betriebliche Sozialdaten und konkret der Wegfall des Arbeitsplatzes mitgeteilt und beschrieben wird. Von einer Auflösung des Fuhrparks bzw. des hierdurch bedingten Wegfalls der Arbeitsaufgaben des Klägers, ist auch in diesem Anlagenkonvolut vom 05. Dezember 2000 an keiner Stelle die Rede.

3. Da sich die Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 21. Dezember 2000 gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als rechtsunwirksam erweist, kommt es auf die Frage der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bzw. der ordnungsgemäß durchgeführten Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG nicht mehr an. Gleichfalls kommt es auf das Bestehen des Weiterbeschäftigungsanspruchs des Klägers nicht mehr an, weil der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 18. Juli 2003 die Anschlussberufung zurückgenommen hat, das arbeitsgerichtliche Urteil damit insoweit rechtskräftig ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, weil die Berufung des Beklagten erfolglos bleibt.

Für die Zulassung der Revision ist kein gesetzlicher Grund ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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