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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.02.2007
Aktenzeichen: 18/11 Sa 322/06
Rechtsgebiete: BGB, BEzGG


Vorschriften:

BGB § 242
BEzGG § 15
Einzelfall. Über die Geltendmachung eines Wiedereinstellungsanspruchs kann nicht zugleich die Entfristung eines Arbeitsverhältnisses erreicht werden. Auch die Herstellung anderer Arbeitsbedingungen (hier Teilzeit statt Vollzeit) kann nicht verlangt werden.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. Dezember 2005 - Az.: 1 Ca 1264/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Wiedereinstellung. Die Beklagte beschäftigt in verschiedenen Filialen mehr als 10 Arbeitnehmer. Die Klägerin wurde auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01. Juni 2004 von der Beklagten in Wiesbaden als Verkäuferin in Vollzeit zu einer monatlichen Bruttoarbeitsvergütung von EUR 1.300,00 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde gemäß § 10 des Arbeitsvertrages für die Dauer des Erziehungsurlaubs der Mitarbeiterin A befristet. Das Kind von A wurde am 06.September 2004 geboren. Mit Schreiben vom 12. September 2005 teilte die Beklagte der Klägerin das Ende des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Beendigung des Erziehungsurlaubs mit. Hiergegen reichte die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden unter dem 13. September 2005 Kündigungsschutzklage ein (Az.: 1 Ca 1129/05). Da der Erziehungsurlaub tatsächlich nicht beendet war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gemäß Schreiben vom 12. September 2005 wegen behaupteter erheblicher Umsatzrückgänge. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 15. September 2005 zu, ohne dass diese in der Zeit danach deswegen Kündigungsschutzklage erhob. In dem aufgeführten Prozessverfahren mit dem Az.: 1 Ca 1129/05 schlossen die Parteien am 07. Oktober 2005 einen Prozessvergleich, wonach das Arbeitsverhältnis auf Grund ordentlicher Kündigung durch die Beklagte vom 12. September 2005 zum 15. Oktober 2005 endete. Mit Zeitungsannonce vom 08. Oktober 2005 suchte die Beklagte eine Teilzeitkraft und mehrere Aushilfskräfte für die Filiale in B. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2005 bot die Klägerin der Beklagten den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den bisherigen Bedingungen, jedoch mit dem zeitlichen Umfang der in der Annonce gesuchten Teilzeitkraft, an. Das wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 abgelehnt. Die Mitarbeiterin A kehrte nach dem Ende des Erziehungsurlaubs bzw. der Elternzeit in den Betrieb der Beklagten zurück und wird dort als Teilzeitkraft weiter beschäftigt.

Die Klägerin hat behauptet, da die Beklagte vor Ablauf der Kündigungsfrist Arbeitskräfte gesucht habe, sei offensichtlich von dieser sehr kurzfristig festgestellt worden, dass doch ein Arbeitskräftemangel bestanden habe. Sie hat die Ansicht vertreten, dass ihr deswegen ein Wiedereinstellungsanspruch zustehe.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ein Wiedereinstellungsanspruch bestehe nicht, da der Prozessvergleich alleine wegen der Verfristung der Kündigungsschutzklage geschlossen worden sei. Abgesehen davon habe sie lediglich Teilzeitkräfte auf 400,00 Euro-Basis gesucht. Es sei nur versehentlich der Standardtext für die Einstellung einer "echten" Teilzeitkraft verwendet worden.

Wegen der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit seinem am 13. Dezember 2005 verkündeten, der Klägerin am 14. Februar 2006 zugestellten Urteil (Az.: 1 Ca 1264/05), hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf Bl. 17 - 19 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 22. Januar 2007 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt und diese begründet.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Wiedereinstellungsanspruch die nicht rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage entgegenstehe. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. Dezember 2005 - Az.: 1 Ca 1264/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages, wonach sie für die Beklagte als Verkäuferin mit einem Umfang von 20 Stunden pro Woche in der Filiale der Beklagten in B mit einem Stundenlohn von 7,20 EUR/Stunde arbeitet, rückwirkend für die Zeit seit 18. Oktober 2005 anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Anspruch bestehe bereits deshalb nicht, weil die Klägerin ihre Einstellung nicht zu den früheren Bedingungen geltend mache. Die Klägerin wolle einen Arbeitsplatz besetzen, der bei ihr - der Beklagten - nicht während der Kündigungsfrist geschaffen worden sei.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte und nach § 64 Abs. 2 Ziffer 2 c) unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

In der Sache handelt es sich bei der Klage auf "Wiedereinstellung" um eine Leistungsklage auf Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung mit dem im Klageantrag aufgeführten Inhalt, der das Angebot der Klägerin beinhaltet (§§ 145, 611 BGB; § 894 ZPO). Die Klägerin hat schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Abgabe einer solchen Willenserklärung.

Zwar unterfällt das Arbeitsverhältnis nach dem Vorbringen der Klägerin auf Grund der von ihr vorgetragenen Zahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer dem Kündigungsschutz (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Auch hat die Beklagte ausweislich ihres Kündigungsschreibens vom 12. September 2005 wegen behaupteter erheblicher Umsatzrückgänge gekündigt und nur kurze Zeit nach Abschluss des Prozessvergleichs mit der Klägerin wieder Arbeitskräfte gesucht. Auch kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses haben, wenn eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers beruht, bei Ablauf der Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer nicht mehr weiter beschäftigen, und sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist als falsch erweist und wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Ein solcher Wiedereinstellungsanspruch stellt ein notwendiges Korrektiv dafür dar, dass die Rechtsprechung allein aus Gründen der Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Klarheit bei der Prüfung des Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstellt und schon eine Kündigung aufgrund einer Prognoseentscheidung zulässt, obwohl der Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem der Arbeitnehmer geschützt werden soll, erst mit der Entlassung, also dem Ablauf der Kündigungsfrist eintritt. Der Arbeitgeber verhält sich gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, wenn er bei Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes noch während der Kündigungsfrist den veränderten Umständen nicht Rechnung trägt und dem Arbeitnehmer nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungszeitpunkt hinaus anbietet bzw. sich mit einem regelmäßig in der Wiedereinstellungsklage liegenden entsprechenden Vertragsangebotes des Arbeitnehmers einverstanden erklärt (BAG Urteil vom 28.10.2004 - 8 AZR 199/04 - EzA-SD 2005, Nr. 6, 12-15 - NZA 2005, 405-408; BAG Urteil vom 27. 2. 1997 - Az.: 2 AZR 160/96 - AP Nr. 1 KSchG1969 § 1 Wiedereinstellung).

Die Klägerin hat gleichwohl keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die begehrte Wiedereinstellung. Da der Arbeitnehmer für den Fall des Vorliegens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangen kann, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, den ursprünglichen Arbeitsvertrag erneut abzuschließen. Abgesehen davon, dass die in der Vergangenheit in Vollzeit beschäftigte Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung begehrt, ist der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 01. Juni 2004 nach § 10 der vertraglichen Vereinbarung für die Dauer des Erziehungsurlaubs (nunmehr Elternzeit - § 15 BErzGG) befristet worden. Dabei handelt es sich um eine zulässige Befristungsabrede gemäß § 21 BerzGG. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch richtet sich aber auf den Abschluss eines zeitlich nicht befristeten Arbeitsvertrages, obwohl der Befristungsgrund wegen der Beendigung der Elternzeit der Mitarbeiterin A zwischenzeitlich weggefallen ist und damit das befristete Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgelaufen ist.

Nach Ablauf eines wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses besteht grundsätzlich kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung. Dies gilt selbst dann, wenn sich entgegen einer bei Vertragsschluss gestellten Prognose auf Grund neuer Umstände eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung ergibt.

Ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den bisherigen Arbeitgeber, mit ihm im Anschluss an die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen erneuten Arbeitsvertrag zu schließen, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vielmehr folgt aus der negativen Vertragsfreiheit des Arbeitgebers, dass dieser grundsätzlich frei darüber entscheiden kann, ob er dem bisherigen Arbeitnehmer ein erneutes Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrags macht oder dessen Angebot annimmt. Ein Kontrahierungszwang besteht hierbei grundsätzlich nicht. Die oben aufgeführte Rechtsprechung zum Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung ist auf befristete Arbeitsverträge deshalb und wegen des geringeren Bestandsschutzes nicht übertragbar (BAG Urteil vom 20.02.2002 - 7 AZR 600/00 - AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung).

Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Klägerin den Abschluss des Arbeitsvertrags rückwirkend für die Zeit seit dem 18. Oktober 2005 begehrt. Zwar kann ein Arbeitsvertrag auch rückwirkend abgeschlossen werden; aber nur für einen Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis auch tatsächlich in Vollzug gesetzt war, weil er sonst auf eine unmögliche Leistung gerichtet wäre. Eine Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines Arbeitsvertrags auch nur für die Zeit bis zur Rückkehr der Mitarbeiterin A kann keine Arbeitsverpflichtung der Klägerin für diese Zeit mehr auslösen (Hessisches LAG Urteil vom 07.03.2000 - Az.: 9 Sa 1077/99 - ZInsO 2000, 625-627). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie nach dem 18. Oktober 2005 von der Beklagten beschäftigt worden ist. Abgesehen davon begehrt die Klägerin auch für den vergangenen Zeitraum den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Inhalt als dem am 01. Juni 2004 vereinbarten. Auch der vergangene Zeitraum unterlag der Befristung und es war vor allem eine Vollzeitbeschäftigung vereinbart, während die Klägerin mit ihrem Antrag den Abschluss eines unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses durchsetzen will. Dabei handelt es sich bei einem Teilzeitarbeitsverhältnis nicht lediglich um ein "Weniger", sondern um etwas "Anderes" als ein Vollzeitarbeitsverhältnis. Selbst innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses kann eine entsprechende einseitige Änderung der Arbeitsbedingungen nur mit einer Änderungskündigung durchgesetzt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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