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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.11.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 1060/06
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 3 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. April 2006 - 14 Ca 7365/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende Gewerkschaft macht einen kollektivrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend, mit dem sie sich gegen die Vereinbarung einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden durch vertragliche Einheitsregelungen wendet, welche die vom Manteltarifvertrag vorgesehene Wochenarbeitszeit von 38 Stunden überschreiten.

Die Beklagte ist die A Tochterfirma eines B Lebensmittelkonzerns. Sie beschäftigt in ihrer Zentrale in C ca. 1.250 Arbeitnehmer. Davon sind ungefähr 900 so genannte Tarifangestellte oder - zu einem kleineren Anteil - gewerbliche Arbeitnehmer. Die Arbeitsverträge dieser Beschäftigten nehmen Bezug auf die fachlich und räumlich für den Betrieb geltenden Tarifverträge. Weiter arbeiten ca. 350 so genannte AT-Angestellte in der C Zentrale. Deren Arbeitsverträge verweisen nur teilweise oder gar nicht auf Tarifverträge.

Die klagende Gewerkschaft ist im Betrieb der Beklagten in C vertreten; streitig ist, wie hoch der Organisationsgrad der Arbeitnehmer ist.

Bis ungefähr Frühsommer 2005 hielt die Beklagte sich bei allen Arbeitnehmern der Zentrale, welche nicht als AT-Angestellte galten, an die einschlägigen Tarifverträge, ungeachtet der Tarifbindung der Arbeitnehmer. Dies galt auch für die in § 3 des Manteltarifvertrages der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2001, in Kraft getreten zum 01. Januar 2002 (folgend: MTV), geltende Arbeitszeit von 38 Wochenstunden.

Ab diesem Zeitpunkt trat die Beklagte auf Mitgliederversammlungen an ihre Beschäftigten heran. Den einzelnen Arbeitnehmern wurden gleich lautende Ergänzungen zu den Arbeitsverträgen zur Unterzeichnung vorgelegt. Diese hatten auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Zwischen der D AG und ... wird abweichend von den bisherigen Verweisen auf die Vorschriften des bisherigen Manteltarifvertrages folgende Änderungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages vereinbart:

Ab dem 01. Juli 2005 gilt für dieses Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2001 in der jeweils gültigen Fassung mit folgenden Ausnahmen:

a) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer - ausschließlich der Pausen - beträgt entgegen § 3 Abs. 1 des Manteltarifvertrages 40 Stunden (...)."

Wegen des weiteren Inhalts der Änderungsangebote wird auf die Schreiben der Beklagten vom 21. Juni 2005 sowie vom 15. Juli 2005 verwiesen (Anlagen K 7, K 8 zur Klageschrift, Bl. 36 - 38 d. A.). Nach Angaben der Beklagten stimmten ca. 90% der 900 "Tarifarbeitnehmer" der Änderung zu.

Die Beklagte war zumindest bis 31. März 2005 Vollmitglied des Arbeitgeberverbandes Ernährung, Genuss Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland e.V., Kurzbezeichnung: VAV. Die Mitglieder des VAV hatten anlässlich ihrer Mitgliederversammlung am 27. Mai 2004 die Einführung einer OT-Mitgliedschaft beschlossen. Wegen des Inhalts des Beschlusses der Satzungsänderung wird auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 09. Januar 2006 Bezug genommen (Bl. 67 d. A.). Die Satzungsänderung ist beim Amtsgericht E als Registergericht zur Vereinsregisternummer XXXX am 17. August 2004 eingetragen worden (vgl. Bestätigung des Registergerichts als weitere Anlage zum Schriftsatz vom 09. Januar 2006, Bl. 68 f. d. A.). Zur Wiedergabe des vollständigen Inhalts der Satzung des VAV nach Eintrag dieser Satzungsänderung wird auf die mit der Klageschrift eingereichte Kopie verwiesen (Bl. 40 - 48 d. A.).

Wie im Berufungsverfahren unstreitig geworden ist, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 gegenüber ihrem Verband "... gemäß den Bestimmungen des § 4 der Verbandssatzung (...) den Wechsel des derzeitigen Status unserer Mitgliedschaft in eine Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung.". Weiter bat die Beklagte den Verband "... bis auf Weiteres über diesen Schritt - soweit möglich - Stillschweigen zu bewahren." (siehe Kopie als Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.08.2007, Bl. 203 d. A.).

Die klagende Gewerkschaft hat mit ihrer am 31. August 2005 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main anhängig gemachten Klage die Ansicht vertreten, sie könne von der Beklagten die Unterlassung der Vereinbarung einer vom Manteltarifvertrag abweichenden Wochenarbeitszeit verlangen. Die Voraussetzungen eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs wegen eines Eingriffs in Art. 9 Abs. 3 GG lägen vor, da die Anwendung eines Tarifvertrages teilweise vereitelt werden solle. Die Beklagte habe eine kollektive Gesamtordnung durch die gleich lautenden Individualvereinbarungen über eine 40-Stunden-Woche neu schaffen wollen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, gegenüber den Arbeitnehmern ihrer A-zentrale in C in Abweichung von dem betrieblich allgemein angewandten Manteltarifvertrag der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2001 während dessen Laufzeit eine jeweils inhaltsgleiche betriebliche Einheitsregelung mit dem Inhalt, die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmer auf mehr als 38 Stunden, insbesondere auf 40 Wochenstunden, zu verlängern bzw. das regelmäßige Arbeitszeitvolumen von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern proportional entsprechend, insbesondere um 5,26%, zu erhöhen, vorzuschlagen, zu vereinbaren und anzuwenden, es sei denn, es handelt sich um solche Beschäftigte, mit denen die Beklagte AT-Verträge ohne Verweis auf die für den Betrieb fachlich und räumlich gültigen Tarifverträge abgeschlossen hat;

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die beantragten Verpflichtungen zu Ziffer 1. ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Ordnungsgeld anzudrohen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit sei nicht gegeben. Es könne ihr nicht verwehrt sein, mit nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern Vereinbarungen zu treffen, welche vom Tarifvertrag abwichen. Sie habe auch keine Kenntnis darüber, welche ihrer Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert seien und welche nicht.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 05. April 2006 verkündetes Urteil abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerin könne einen kollektivrechtlichen Anspruch auf Unterlassung der Durchführung tarifwidriger Individualvereinbarungen im Urteilsverfahren geltend machen. Der Antrag sei jedoch unbegründet, da ein qualifizierter und vorsätzlicher Tarifbruch nicht festgestellt werden könne. Ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch setze einen qualifizierten Tarifbruch voraus, der ein tatsächlich tarifwidriges Verhalten in einem erheblichen Maß fordere. Da die Klägerin nicht dargelegt habe, gegenüber wie vielen tariflich organisierten Mitarbeitern abweichende Vertragsbedingungen durchgesetzt wurden, könne nicht festgestellt werden, dass die kollektive Ordnung des Tarifvertrages in Frage gestellt und nicht nur einzelne Arbeitsverhältnisse individualrechtlich gestört wurden. Der Vortrag der Klägerin, die Zahl ihrer Mitglieder unter den Beschäftigten erreiche das Quorum des § 17 KSchG, sei unzureichend. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 109 - 116 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 24. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Juni 2006, einem Montag, Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Klägerin ist nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. August 2006 am 23. August 2006 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 05. April 2006 vereinbarte die klagende Gewerkschaft mit dem VAV am 17. Mai 2006 einen Tarifvertrag Flexible Arbeitszeit für die Feinkost-, Nährmittel- und Teilwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz, gültig ab 01. Juni 2006 (folgend: Flexi-TV). Wegen des Inhalts des Flexi-TV wird vollständig auf die als Anlage B 4 mit der Berufungserwiderung überreichte Kopie verwiesen (Bl. 153 f. d. A.).

Eine wortgleiche Regelung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ist im Mai 2006 zwischen der klagenden Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband VAV auch für die Getränkeindustrie - außer Brauereien und Sektkellereien - in Hessen mit Wirkung ab 01. Juni 2006 vereinbart worden. Dies wurde jedoch nicht in Form eines Zusatztarifvertrages vereinbart, sondern als neuer § 3a in den Manteltarifvertrag dieser Branche aufgenommen (vgl. Auszug aus diesem Manteltarifvertrag als Anlage B 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02.10.2007, Bl. 214 - 216 d. A.).

Der Geschäftsführer des VAV bestätigte außerdem eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft F, niedergelegt am 17. Mai 2006, wonach die Tarifvertragsparteien mit Unterzeichnung u.a. des Flexi-TV auf eine Kündigung des MTV für die Nährmittelindustrie Hessen und Rheinland Pfalz vom 26. Oktober 2001 vor dem 30. Juni 2009 verzichteten. Abweichend hiervon wurde eine Kündigung mit den Forderungen zu § 3 a MTV (Altersteilzeit), § 4 Ziffer 3 MTV (Definition Nachtarbeit) und § 17 Ziffer 5 MTV (Berechnung des Urlaubsgeldes) frühestens zum 31. März 2008 zugelassen (vgl. Kopie der Vereinbarung als Anlage K 13 zum Schriftsatz der Klägerin vom 30.05.2007, Bl. 193 d. A.).

Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass der Arbeitsdirektor der Beklagten bis einschließlich 30. Juni 2006 Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des VAV war.

Ein Tarifausschuss oder ein Unterausschuss gem. § 14 der Satzung des VAV ist, obwohl satzungsgemäß vorgesehen, bisher nie gebildet worden. Tarifverhandlungen wurden in so genannten Branchenfenstern von den einzelnen Fachbereichen geführt. Ein Streikfonds ist nicht vorgesehen.

Die Beklagte ist mit Ablauf des 31. Dezember 2006 vollständig aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und somit seit 01. Januar 2007 nicht mehr OT-Mitglied.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen im Berufungsrechtszug. Sie vertritt die Ansicht, zur Bejahung eines kollektivrechtlichen Unterlassungsanspruchs müsse nicht ein bestimmter Organisationsgrad der Arbeitnehmer im Betrieb erreicht und festgestellt werden. Ausreichend sei, dass die tarifliche Ordnung im Betrieb gelte und die Arbeitgeberin sich ohne Unterscheidung zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern gegen die tarifliche Ordnung wende. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass ihr Beweisantritt durch Vernehmung des Geschäftsführers der F Region C dazu, dass das Quorum des § 17 KSchG im Betrieb der Zentrale erfüllt werde, ausreichend sei. Es könne von ihr nicht verlangt werden, die Gewerkschaftsmitglieder unter den Arbeitnehmern namentlich zu benennen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der MTV gelte auch weiterhin gem. § 3 Abs. 1 TVG im Betrieb der Beklagten. Der Wechsel der Beklagten zu einer OT-Mitgliedschaft habe nicht zum Verlust der Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG geführt. Die Satzung des VAV regele die Voraussetzungen und Folgen einer Mitgliedschaft in § 4 Abs. 2 nur unzureichend. Auch OT-Mitglieder seien den Satzungszielen verpflichtet. Sie seien vom Willensbildungsprozess nicht ausreichend ausgeschlossen. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, dass der Arbeitsdirektor der Beklagten noch bis 30. Juni 2006 Mitglied des geschäftsführenden Vorstands gewesen sei, der die Geschäftsführung kontrolliere und so Einfluss auf Tarifverhandlungen und abschlüsse nehmen könne. Das im Schreiben der Beklagten vom 10. Dezember 2004 deutlich werdende Bestreben, den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft geheim zu halten, mache darüber hinaus deutlich, dass sich die Beklagte die Tarifbindung von Fall zu Fall vorbehalten wollte. Dies sei unzulässig.

Aufgrund der fortdauernden Tarifbindung der Beklagten über den 31. März 2005 hinaus gem. § 3 Abs. 1 TVG und nicht nur nach § 3 Abs. 3 TVG habe der Manteltarifvertrag auch nach dem 01. Juni 2006 in der Zentrale der Beklagten normativ gegolten. Hilfsweise ist die Klägerin der Auffassung, auch eine etwaige Tarifbindung nach § 3 Abs. 3 TVG (Nachbindung) sei durch den Abschluss des Flexi-TV nicht beendet worden. Die Tarifparteien hätten ausdrücklich einen separaten Tarifvertrag geschlossen, um das Regelungsgefüge des Manteltarifvertrages fortbestehen zu lassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 05. April 2006 - 14 Ca 7365/06 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, gegenüber den Arbeitnehmern ihrer A-Zentrale in C in Abweichung von dem betrieblich allgemein angewandten Manteltarifvertrag der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26.10.2001 während dessen Laufzeit eine jeweils inhaltsgleiche betriebliche Einheitsregelung mit dem Inhalt, die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmer auf mehr als 38 Stunden, insbesondere auf 40 Wochenstunden, zu verlängern bzw. das regelmäßige Arbeitszeitvolumen von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern proportional entsprechend, insbesondere um 5,26%, zu erhöhen, vorzuschlagen, zu vereinbaren und anzuwenden, es sei denn, es handelt sich um solche Beschäftigte, mit denen die Beklagte AT-Verträge ohne Verweis auf die für den Betrieb fachlich und räumlich gültigen Tarifverträge abgeschlossen hat;

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die beantragten Verpflichtungen zu Ziffer 1. ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Ordnungsgeld anzudrohen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist darüber hinaus der Ansicht, sie sei wegen ihres Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft ab dem 01. April 2005 nur noch gem. § 3 Abs. 3 TVG an den MTV gebunden gewesen. Die Nachbindung habe zum 01. Juni 2006 geendet. Zumindest seit diesem Zeitpunkt könne ihr Verhalten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr als tarifwidrig qualifiziert werden.

Ihr Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft sei wirksam erfolgt. Die Satzung des VAV differenziere ausreichend zwischen den Pflichten und Rechten der Vollmitglieder und der OT-Mitglieder. Sie behauptet weiter, ihr Arbeitsdirektor habe nach dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft bis 30. Juni 2006 an verbandstarifpolitischen Entscheidungen nicht mehr teilgenommen.

In Bezug auf den Abschluss des Flexi-TV ist die Beklagte der Ansicht, dass die Tarifpartner das Ende der Nachbindung nicht dadurch umgehen konnten, dass sie einen zusätzlichen Tarifvertrag abschlossen. Das Vorgehen im Tarifbereich Getränkeindustrie Hessen verdeutliche, dass inhaltlich eine Regelung des Manteltarifvertrags aufgehoben worden sei. Diese Änderung sei einem Neuabschluss gleichzustellen, der von ihr nicht mehr kraft Verbandszugehörigkeit als Vollmitglied legitimiert wurde.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften vom 16. April 2007 (Bl. 161 f. d. A.) und vom 24. Oktober 2007 (Bl. 218 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 05. April 2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Die Berufung ist gem. § 64 Abs. 2 a ArbGG zugelassen worden und auch nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) statthaft. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Es kann nach § 65 ArbGG offen bleiben, ob das Urteilsverfahren die zulässige Verfahrensart ist. Dies ist im zweiten Rechtszug nicht mehr zu überprüfen.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil ein Anspruch der klagenden Gewerkschaft auf Unterlassung zumindest mittlerweile nicht mehr besteht.

Ein kollektivrechtlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 BGB (BAG Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 - NZA 1999, 887; BAG Urteil vom 15.03.2003 - 4 AZR 271/02 - NZA 2003, 1221) ist nur gegeben, solange die Störung andauert. Ein Arbeitgeber muss ein Verhalten nicht unterlassen, welches in der Vergangenheit zwar tarifwidrig war, nunmehr aber zulässig ist, da kein Geltungsanspruch des Tarifvertrags mehr besteht. Hierauf besteht kein Anspruch.

Die Umgestaltung der Arbeitsverträge in der Zentrale der Beklagten in C durch die mit dem überwiegenden Teil der Arbeitnehmer vereinbarte Geltung einer 40-Stunden-Woche durch vertragliche Einheitsregelungen ist nicht mehr tarifwidrig. Der Manteltarifvertrag für die Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2001, in Kraft getreten zum 01. Januar 2002 (MTV), gilt nicht mehr normativ gem. § 3 Abs. 1 TVG oder § 3 Abs. 3 TVG. Die Beklagte ist nicht mehr tarifgebunden.

Die Beklagte darf seit Abschluss des Tarifvertrages Flexible Arbeitszeit vom 15. Mai 2006, in Kraft getreten zum 01. Juni 2006 (Flexi-TV), mit den Arbeitnehmern ihrer Zentrale in C Verträge über die Dauer der Wochenarbeitszeit schließen. Diese Vereinbarungen sind jeweils "andere Abmachungen" im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG. Es ist tarifrechtlich zulässig, nur nachwirkende Inhaltsnormen eines Tarifvertrages abzuändern. Dies gilt auch dann, wenn die arbeitsvertragliche Vereinbarung schon vor Eintritt der Nachwirkung getroffen wurde (BAG Urteil vom 17.01.2006 - 9 AZR 41/05 - NZA 2006, 923; BAG Urteil vom 03.04.2007 - 9 AZR 867/06 - NZA 2007, 1045). Geltendes Tarifrecht wird nur verdrängt, wenn der betreffende Tarifvertrag im Betrieb normativ gilt (BAG Beschluss vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 - NZA 1999, 887).

Offen bleiben kann daher ausdrücklich, ob ein kollektivrechtlicher Unterlassungsanspruch nur bei einem "qualifizierten Tarifbruch" existiert, wie das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung angenommen hat. Es ist nicht mehr zu entscheiden, ob ein bestimmtes Quorum von tarifgebundenen Arbeitnehmern erreicht werden muss, gegenüber denen ein Tarifbruch erfolgte und wie dies ggf. von der klagenden Gewerkschaft nachzuweisen ist.

I.

Der MTV und damit dessen § 3, durch den eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden bestimmt wird, galt wegen des Wechsels der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft zum 01. April 2005 seit diesem Zeitpunkt nicht mehr gem. § 3 Abs. 1 TVG für die Arbeitsverhältnisse tarifgebundener Beschäftigter der Beklagten. Der Wechsel der Beklagten von einer (Tarif-)Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine OT-Mitgliedschaft war wirksam und hat zum Ende der Tarifgebundenheit im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG geführt. Dies war festzustellen, da auch eine Tarifbindung der Beklagten nach § 3 Abs. 3 TVG seit dem 01. Juni 2006 nicht mehr besteht (siehe II.).

1.

Der Wechsel eines Arbeitgebers, der Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist, welcher in dem von seiner Verbandssatzung festgelegten Organisationsbereich tarifzuständig ist, in eine von diesem Verband ebenfalls satzungsgemäß vorgesehene OT-Mitgliedschaft ist generell zulässig und führt mit dem Wirksamwerden des Wechsels zum Ende der auf § 3 Abs. 1 TVG gegründeten Tarifgebundenheit. An deren Stelle tritt eine auf den jeweiligen Tarifvertrag bezogene Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG (BAG Beschluss vom 18.07.2006 - 1 ABR 36/05 - NZA 2006, 1225).

Auch eine OT-Mitgliedschaft in einem so genannten Stufenmodell ist grundsätzlich zulässig (BAG Beschluss vom 18.07.2006, a.a.O.; BAG Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - DB 2005, 2305; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2007 - 7 Sa 86/06 - DB 2007, 1092, Revision anhängig unter 4 AZR 316/07).

Die Satzung des Arbeitgeberverbandes Ernährung, Genuss Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. (VAV) sieht eine OT-Mitgliedschaft vor. Sie ist ausschließlich in § 4 Abs. 2 der Satzung geregelt und wird bezeichnet als "Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung".

2.

Das Bundesarbeitsgericht hat in dem angeführten Beschluss vom 18. Juli 2006 (- 1 ABR 36/05 - NZA 2006, 1225) entschieden, dass der Möglichkeit einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband ohne die Folge der Tarifbindung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken entgegenstehen (Rn 54). Mitglieder, welche von einer solchen Möglichkeit Gebrauch machten, seien dann keine Mitglieder im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG. Ob Verbände in ihrer Satzung eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung einschränkungslos vorsehen können, ob und ggf. in welchem Umfang die OT-Mitglieder von der tarifpolitischen Willensbildung des Verbandes ausgeschlossen sein müssen und welche Fristen bei einem Statuswechsel zum Schutze der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie einzuhalten seien, wurde ausdrücklich nicht entschieden (Rn 61). Gleiches gilt für die Frage, welche Rechtsfolgen bei etwaigen Fehlern oder unzureichenden Satzungsbestimmungen eintreten (ebenfalls offen lassend, welche konkreten Mängel bei einem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft die Tarifgebundenheit fortbestehen lassen: BAG Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - DB 2005, 2305).

a)

In der Literatur ist umstritten, welche Rechtsfolgen sich aus einer unzulässigen OT-Mitgliedschaft ergeben (Bayreuther, BB 2007, 325, 326 f.; Deinert, AuR 2006, 217, 223 f.; Thüsing/Stelljes, ZfA 2005, 527, 569 ff.; Wroblewski, NZA 2007, 421, 425; siehe auch: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2007 - 7 Sa 86/06 - DB 2007, 1092, Revision anhängig unter 4 AZR 316/07, offensichtlich von Tarifbindung bei unzulässiger OT-Mitgliedschaft ausgehend).

Nach Ansicht der Kammer ist zu differenzieren, ob sich der konkrete Mangel auf den gesamten Verband, dessen Beschlüsse oder die Tarifgebundenheit des einzelnen Mitglieds auswirkt. Dafür sind folgende Argumente anzuführen: Das Bundesarbeitsgericht hat eine mitgliedschaftsbezogene Regelung der Tarifzuständigkeit als unvereinbar mit der Tarifautonomie und der auf sie bezogenen Ausgestaltung des TVG und des BetrVG erklärt (Rn 43 - 49). Die an die Festlegung der Tarifzuständigkeit anknüpfende Normsetzungsbefugnis erfordere auch ein Mindestmaß an Transparenz (Rn 50). Die beanspruchte Tarifzuständigkeit müsse sich aus der Satzung unschwer erkennen lassen. Demgegenüber sei es zulässig, eine Mitgliedschaft vorzusehen, die keine Tarifgebundenheit im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG erzeuge (Rn 51). Dies folge aus der Satzungsautonomie der Verbände und dem Grundsatz der Koalitionsfreiheit.

Durch diese Lösung wird - stark vereinfacht - gestattet, eine Mitgliedschaft ohne die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG vorzusehen, die den Geltungsanspruch des § 3 Abs. 3 TVG und des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht angreift. Dem folgt die in dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vorgenommene gesetzeskonforme Auslegung der überprüften Satzungsbestimmung. Nach der vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Prüfung genereller Einwände gegen eine OT-Mitgliedschaft ist festzuhalten, dass bestimmte Formen einer solchen Mitgliedschaft eine funktionierende Tarifautonomie gefährden können. Dies ist der zulässige Rückschluss aus der Aussage, von einer strukturellen Störung der Verbandsparität könne nicht generell ausgegangen werden (Rn 59).

Ob eine von einem Verband vorgesehene OT-Mitgliedschaft zur Störung einer funktionierenden Tarifautonomie führt, kann nicht nur von der konkreten Satzung abhängen, sondern auch von dem zahlen- und kräftemäßigen Verhältnis der OT-Mitglieder zu denjenigen, die Mitglieder im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG sind, sowie dem tatsächlichen Einfluss der (den Verband eventuell majorisierenden) OT-Mitglieder auf Tarifverhandlungen und abschlüsse. Solche Störungen betreffen den gesamten Verband, ggf. seine Tariffähigkeit oder wirken sich im Arbeitskampf aus (Bayreuther, BB 2007, 325, 327; Däubler/Peters, TVG, 2. Auf., § 2 Rz 124; Kempten/Zachert, TVG, 4. Aufl., § 2 Rz 121; Thüsing/Stelljes, ZfA 2005, 527, 544f.; Wilhelm/Dannhorn, NZA 2006, 466, 471 f.; s.a.: Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl., § 2 Rz 22). Sie können auch (lediglich) bewirken, dass Beschlüsse des Verbands vereinsrechtlich unwirksam sind. Sie führen jedoch nicht zur Tarifgebundenheit eines bestimmten OT-Mitglieds gem. § 3 Abs. 1 TVG. Ob deshalb die Zahl der OT-Mitglieder eines Verbandes zahlen- oder beitragsmäßig durch die Satzung begrenzt werden muss oder ob ein bestimmtes OT-Mitglied - wie für die Beklagte als ehemals größtem Arbeitgeber des Verbandes angenommen wird - innerhalb des Verbandes bestimmenden Einfluss ausübt, betrifft den Verband als Ganzes. Die Tarifgebundenheit im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG eines bestimmten Mitglieds, welches zielgerichtet die OT-Mitgliedschaft gewählt hat, hängt davon nicht ab.

Zweifel an der Tariffähigkeit oder der Wirksamkeit seiner Beschlüsse in Tarifangelegenheiten von vornherein auszuräumen, sollte auch im Interesse eines jeweiligen Verbandes liegen. Der Problematik kann nicht dadurch begegnet werden, dass ein bestimmtes Mitglied (das wievielte, bei welcher Stärke, aufgrund welchen Verhaltens im Verband?) gegen seinen erklärten Willen als mitgliedschaftlich tarifgebunden qualifiziert wird.

Für die Frage der Tarifgebundenheit im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG ist deshalb zu prüfen, ob die Satzung eine solche Form der Mitgliedschaft vorsieht, ob deren Voraussetzungen erfüllt sind und ob eine eindeutige Willenserklärung zur Wahl der OT-Mitgliedschaft führte. Daneben gilt § 3 Abs. 1 TVG für einen Arbeitgeber trotz Wahl der OT-Mitgliedschaft, wenn die Satzung des Verbandes die Tarifzuständigkeit unzulässig beschränkt (so BAG Beschluss vom 18.07.2006 - 1 ABR 36/05 - NZA 2006, 1225). Ebenso dürfte ein vermeintliches OT-Mitglied tarifgebunden im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG bleiben, wenn die Satzung selbst vorsieht, dass über ein gleichwohl eingeräumtes Stimmrecht Einfluss auf die tarifpolitischen Entscheidungen genommen werden kann oder das Mitglied an tarifpolitische Beschlüsse gebunden ist. In solchen Fällen ist die Satzung selbst widersprüchlich und ungeeignet, eine vom Normalfall abgrenzbare Mitgliedschaft vorzusehen. Denn der Wille der Satzungsgeber, eine Mitgliedschaft einzuräumen, welche Tariffreiheit ohne Einflussmöglichkeit vorsieht, ist dann nicht festzustellen (vgl. Bayreuther, BB 2007, 325, 326).

Von einer Satzung muss auch verlangt werden, dass sie für einen Wechsel von der Normal-Mitgliedschaft zur OT-Mitgliedschaft eine Frist vorsieht, die ausreichend lang bemessen ist, um auszuschließen, dass ein Arbeitgeber an Tarifverhandlungen teilnimmt, dann aber kurzfristig noch vor Abschluss des Tarifvertrages in die OT-Mitgliedschaft wechseln kann (vgl. dazu den vom LAG Baden-Württemberg durch Urteil vom 19. Januar 2007 entschiedenen Fall - 7 Sa 86/06 - DB 2007, 1092, Revision anhängig unter 4 AZR 316/07).

b)

Nach diesen Kriterien ist die Beklagte seit dem 01. April 2005 nicht mehr im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden an den MTV gewesen.

aa)

Die Satzung des Arbeitgeberverbandes VAV sieht in § 4 Abs. 2 eine OT-Mitgliedschaft vor. Gegen die formelle vereinsrechtliche Rechtmäßigkeit der Satzung und insbesondere dieser Bestimmung bestehen keine Bedenken gem. § 71 BGB. Die Beklagte hat in Kopie einen Auszug aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung des VAV vom 27. Mai 2004 vorgelegt, wonach die Mitglieder die Satzungsänderung, mit welcher eine OT-Mitgliedschaft eingeräumt wurde, einstimmig mit einer Enthaltung annahmen. Das Amtsgericht E - Registergericht - hat die Eintragung dieser Satzungsänderung am 17. August 2004 im Vereinsregister zu der Nr. XXXX bestätigt (siehe Anlagen B 1 und B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 09.01.2006, Bl. 67 - 69 d. A.).

Die Beklagte hat den Wechsel von einer Vollmitgliedschaft zur OT-Mitgliedschaft unter den von § 4 Abs. 2 der Satzung geforderten Voraussetzungen vollzogen. Wie im Berufungsverfahren unstreitig geworden ist, hat die Beklagte mit Schreiben vom 10. Dezember 2004, welches dem VAV ausweislich des Eingangsstempels auf der eingereichten Kopie noch in diesem Monat zuging, "... den Wechsel des derzeitigen Status (...) in eine Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung" erklärt (Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.08.2007, Bl. 203 d. A.). Die Beklagte hat den Wechsel in die OT-Mitglied-schaft auch für das gesamte Unternehmen und nicht nur für einen Betrieb vorgenommen.

Danach war die Beklagte mit Ablauf der von § 4 Abs. 2 vorgesehenen Frist von 3 Monaten ab 01. April 2005 nur noch OT-Mitglied des Arbeitgeberverbandes.

bb)

Die Satzung selbst ist nicht widersprüchlich und grenzt beide Formen der Mitgliedschaft ausreichend klar voneinander ab.

§ 4 Abs. 2 regelt, dass OT-Mitglieder weder Stimmrecht in verbandstarifpolitischen Angelegenheiten haben, noch an verbandstarifpolitische Beschlüsse gebunden sind. Gleiches gilt für Fragen, die Arbeitskampfmaßnahmen für Flächentarifverhandlungen betreffen. Ein genereller Ausschluss der OT-Mitglieder, z. B. von der Stimmabgabe bei Beschlüssen in Mitgliederversammlungen, ist nicht geboten. Dies würde im Ergebnis zu einer bloßen Gastmitgliedschaft führen und das Ergebnis, dass eine Stufenmitgliedschaft generell zulässig ist, aufheben. Es genügt, wenn die Mitgliederversammlung, der geschäftsführende Vorstand oder Gesamtvorstand im Einzelfall entscheiden, ob OT-Mitglieder zu beteiligen und an bestimmte Beschlüsse gebunden sind. Ein Ausschluss der OT-Mitglieder von Vereinsaktivitäten, die in Zusammenhang mit der Tarifbindung der übrigen Mitglieder nach § 3 Abs. 1 TVG stehen, kann nur abstrakt erfolgen.

Der nach § 2 der Satzung auch die Tarifzuständigkeit und die Abwehr von Arbeitskampfmaßnahmen umfassende Satzungszweck wird durch die in § 4 Abs. 2 getroffene Regelung beschränkt. Alle Mitglieder sind nach § 5 Ziffer 1 verpflichtet, Satzung und Beschlüsse des Vereins zu beachten. Da auch § 4 Abs. 2 Teil der Satzung ist, ist zu folgern, dass - mangels Stimmrecht und Bindung an entsprechende Beschlüsse - die Wahrnehmung der sich aus der Tarifzuständigkeit ergebenden Aufgaben und die in Zusammenhang mit Arbeitskämpfen verbindlichen Ziele für die OT-Mitglieder nicht gelten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht zwingend zu fordern, dass OT-Mitglieder davon ausgeschlossen sein müssen, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands oder des Gesamtvorstandes zu sein (§ 8 Ziffer 2 und 3 der Satzung). Der satzungsmäßige Zweck des VAV ist nicht auf Ziele beschränkt, welche sich aus seiner Tarifzuständigkeit ergeben. Deshalb genügt, dass OT-Mitglieder, welche diesen Vereinsorganen angehören, kein Stimmrecht ausüben. Die in § 4 Abs. 2 getroffene Regelung über die Einschränkung der Stimmrechte und Bindungen der OT-Mitglieder ist so auszulegen. Dabei kann unterstellt werden, dass eine Satzungsauslegung, welche die Zulässigkeit der Satzung insgesamt nicht in Frage stellt, dem Willen der Vereinsmitglieder als praktikabel und gesetzeskonform entspricht. Gleiches gilt für die von § 14 Abs. 2 vorgesehene Mitgliedschaft der Mitglieder des Gesamtvorstands in einem - unstreitig bisher nicht gebildeten - Tarifausschuss. Die Auslegung des § 14 Abs. 2 unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 2 muss zu dem Ergebnis führen, dass dies für OT-Mitglieder im Gesamtvorstand nicht gilt, da sie in verbandstarifpolitischen Angelegenheiten kein Stimmrecht besitzen.

Die durch § 4 Abs. 2 Satz 3 vorgesehene Frist von 3 Monaten zum Monatsende für einen Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft ist ausreichend bemessen. Dadurch ist sichergestellt, dass ein Vollmitglied, welches an Tarifverhandlungen teilgenommen und diese dadurch beeinflusst hat, nicht kurzfristig vor Abschluss eines Tarifvertrages in die OT-Mitgliedschaft wechselt.

Schließlich sieht die Satzung des VAV keine Bildung eines Streikfonds vor. Damit kann offen bleiben, welche Anforderungen an eine satzungsmäßige Regelung eines solchen Fonds zu stellen wären.

cc)

Nach dem oben Ausgeführten spielt für die Frage der Tarifgebundenheit der Beklagten im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG keine Rolle, ob diese ein starkes und einflussreiches Mitglied war. Bei angenommener grundsätzlicher Zulässigkeit einer OT-Mitgliedschaft im Stufenmodell und einer durch die Satzung vorgenommene Begrenzung der Rechte und Pflichten eines OT-Mitglieds kann das konkrete Verhalten eines OT-Mitglieds innerhalb des Verbandes nicht zum Maßstab dafür gemacht werden, ob dessen Tarifbindung im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG besteht. Nach der insoweit erfolgten Festlegung des Bundesarbeitsgerichts durch den Beschluss vom 18. Juli 2006 (- 1 ABR 36/05 - NZA 2006, 1225) darf ein tarifzuständiger Verband eine Mitgliedschaft vorsehen, welche nicht die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG einschließt (Rn 55; strenger: Wroblewski, NZA 2007, 421). Sieht die Satzung des Verbandes beide Mitgliedsformen vor und sind die Rechte und Pflichten der jeweiligen Gruppen definiert, gilt § 3 Abs. 1 TVG für die OT-Mitglieder nicht. Denkbare Verstöße eines OT-Mitglieds gegen die Satzung oder sein faktischer Einfluss im Verband ändern an dessen Mitgliedschaftsstatus nichts. Rechtsfolgen, welche sich aus etwaigen Verstößen oder Mängeln bei der verbandsinternen Willensbildung ergeben, betreffen diesen und nicht das einzelne Mitglied, soweit nicht die Bindung an möglicherweise unwirksame Beschlüsse in Frage steht.

Eine über den 01. April 2005 hinausgehende Tarifbindung der Beklagten ist auch deshalb nicht zu bejahen, weil ihr Arbeitsdirektor noch bis 30. Juni 2006 Mitglied des geschäftsführenden Vorstands war. Ebenso führt der durch das Schreiben vom 10. Dezember 2004 erklärte Wille der Beklagten, den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft soweit möglich bis auf Weiteres nicht bekannt zu machen (Kopie Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.08.2007, Bl. 203 d. A.), nicht zu einer Fortdauer der Tarifbindung im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte trotz Wechsels noch nach dem 01. April 2005 die Rechte eines Vollmitglieds in Anspruch nahm, bestehen nicht. Nur dies würde es rechtfertigen, die Willenserklärung vom 10. Dezember 2004 als Scheinerklärung gem. § 117 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Soweit die Beklagte in anderen Betrieben ihres Unternehmens den Manteltarifvertrag auch nach dem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft uneingeschränkt anwandte, beruhte dies auf Anerkennungstarifverträgen.

II.

Die nach dem Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft zum 01. April 2005 bestehende Tarifbindung nach § 3 Abs. 3 TVG (Nachbindung) an den MTV vom 26. Oktober 2001 hat wegen des Inkrafttreten des Flexi-TV mit Ablauf des 31. Mai 2006 geendet. Der Flexi-TV hat den MTV abgeändert. Dies ist einem Neuabschluss des MTV gleichzustellen. Die Änderung erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem die Beklagte nicht mehr tarifgebunden iSv § 3 Abs. 1 TVG war.

Damit galt der MTV in ihrer C Firmenzentrale nicht mehr normativ. Durch den völligen Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband mit Ablauf des 31. Dezember 2006 ist keine weitere Änderung mehr eingetreten.

1.

Die verlängerte Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 3 TVG an einen bestimmten Tarifvertrag ist beendet, sobald eine Norm dieses Tarifvertrages geändert wird, welche den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Fragen regelt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts endet die Legitimation für die weiter bestehende Tarifgebundenheit nicht nur, wenn nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung der Tarifvertrag selbst durch Kündigung oder Fristablauf ende. Nach dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 3 TVG müsse die Nachbindung auch dann ihr Ende finden, wenn der Tarifvertrag selbst geändert wird, weil der betroffene Arbeitgeber auf die Modifizierung des Tarifvertrages wegen der fehlenden Organisationszugehörigkeit keinen Einfluss mehr nehmen konnte. Es mache keinen Unterschied, ob die Tarifvertragsparteien eine Änderung des Tarifvertrages vornehmen oder nach der Kündigung des Tarifvertrages ein inhaltlich teilweise geänderter neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird (BAG Urteil vom 27.09.2001 - 2 AZR 236/00 - NZA 2002, 750; BAG Urteil vom 07.11.2001 - 4 AZR 703/00 - NZA 2002, 748).

Die Beendigung der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG tritt also mit jeder Änderung der Normen eines Tarifvertrages ein. Sie erfasst auch die unverändert gebliebenen Regelungen des Tarifvertrages. Dabei ist der Umfang der vorgenommenen Änderung wegen der Notwendigkeit, über die normative Wirkung der Tarifnormen Klarheit zu haben, nicht ausschlaggebend (BAG Urteil vom 07.11.2001, a.a.O.; Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl., § 3 Rz 98, 101 ff.; a.A.: Kempten/Zachert, TVG, 4. Aufl., § 3 Rz 61 f.; Däubler/Lorenz, TVG, 2. Aufl., § 3 Rz 122 f.). Keine Rolle spielt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 2001 (a.a.O.) auch, ob die Änderung einer tarifvertraglichen Regelung in dem betreffenden Tarifvertrag selbst oder in einem Zusatztarifvertrag erfolgte, der in das Regelungsgefüge des scheinbar unverändert gebliebenen Tarifvertrags eingreift.

2.

Die Beklagte stand seit 01. April 2005 hinsichtlich der Tarifbindung gem. § 3 Abs. 1 einem nicht mehr verbandlich organisierten Arbeitgeber gleich. Dies war Zweck der gewählten OT-Mitgliedschaft.

3.

Der Tarifvertrag über Arbeitszeitflexibilisierung vom 15. Mai 2006, in Kraft getreten zum 01. Juni 2006 (Flexi-TV), hat § 3 Abs. 4 MTV abgeändert. Dies beruht auf der durch § 2 Flexi-TV geschaffenen Möglichkeit, durch freiwillige Betriebsvereinbarung eine Arbeitszeitregelung einzuführen, welche von der in § 3 MTV getroffenen Regelung insoweit abweicht, als die Wochenarbeitszeit von 38 Stunden nur als Durchschnitt in einem maximalen Ausgleichszeitraum von einem Jahr erreicht werden muss und damit die Zuschlagspflicht für die 41. bis 45. Wochenstunde entfällt (§ 2 Abs. 4 Flexi-TV).

Die Arbeitszeit betrifft eine Inhaltsnorm des Tarifvertrages. Diese bleibt nur im Durchschnitt eines Ausgleichszeitraums verändert, Zuschläge entfallen bei Nutzung der durch den Flexi-TV eingeräumten Möglichkeit.

Die Nachbindung der Beklagten nach § 3 Abs. 3 TVG an dem MTV besteht nicht deshalb fort, weil die Tarifpartner bewusst den MTV nicht kündigten und die Flexibilisierung der Arbeitszeit in einem separaten Tarifvertrag regelten.

Der Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages statt einer eventuell nur geringfügigen Änderung eines bestehenden Tarifvertrages wird ausdrücklich empfohlen, um eine Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG andauern zu lassen (Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Aufl., § 3 Rz 104; Kempten/Zachert, TVG, 4. Aufl., § 3 Rz 62). Dies funktioniert jedoch nur, wenn keine teilweise Deckung der Regelungsgegenstände eintritt oder der neue Tarifvertrag nicht Inhalte desjenigen Tarifvertrages aufhebt, welcher nach dem Willen der Tarifpartner fort gelten soll.

Es spricht viel dafür, dass die Tarifpartner im Mai 2006 die Flexibilisierung der tariflichen Arbeitszeit in einem separaten Tarifvertrag regelten, um eine Nachbindung ausgetretener oder in eine OT-Mitgliedschaft gewechselte Mitglieder an den MTV gem. § 3 Abs. 3 TVG andauern zu lassen. Hierfür ist anzuführen, dass die Inhalte des Flexi-TV für den Bereich der Getränkeindustrie in Hessen, abgeschlossen von denselben Tarifpartnern mit Wirkung zum 01. Juni 2006 bei wortgleicher Regelung, in den dortigen Manteltarifvertrag als § 3 a aufgenommen wurden (vgl. Auszug aus dem Manteltarifvertrag Brauereien als Anlage B 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02.10.2007, Bl. 214 - 216 d. A.). Damit ist die Ergänzung und Änderung des Manteltarifvertrags in dieser Branche offen umgesetzt worden.

Die Tarifpartner haben außerdem für den MTV eine schuldrechtliche Vereinbarung über zulässige Kündigungszeitpunkte getroffen (vgl. Kopie des Schreibens der NGG vom 17.05.2006, gegengezeichnet durch den VAV, als Anlage K 13 zum Schriftsatz der Klägerin vom 30.05.2007, Bl. 193 d. A.).

Die Kündbarkeit des MTV ist in dessen § 24 Abs. 1 geregelt. Danach ist er seit 31. Dezember 2004 kündbar. Eine Teilkündigung ist gar nicht vorgesehen. Die Absprache der Tarifpartner vom Mai 2006 ist nicht durch einen Tarifvertrag getroffen worden, sondern als schuldrechtliche Vereinbarung unter der Schwelle geblieben, bei deren Erreichen eindeutig eine Abänderung des MTV zu bejahen gewesen wäre (vgl. Fallkonstellation im Urteil des BAG vom 27.09.2001 - 2 AZR 236/00 - NZA 2002, 750). Auch dies ist ein erhebliches Indiz dafür, dass man sich der Problematik bewusst war, wegen der Nachverhandlungen über den MTV dessen normative Wirkung gegenüber ausgetretenen oder in eine OT-Mitgliedschaft gewechselten Arbeitgebern zu beenden.

Nach Ansicht der Kammer ist nicht der Wille der Tarifpartner entscheidend, den MTV formell unverändert zu lassen, sondern die Tatsache, dass in den MTV durch den Flexi-TV in Bezug auf eine Inhaltsnorm eingegriffen wurde. Es ist maßgeblich, dass der Regelungsgehalt des MTV von den Tarifpartnern zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht wurde und dies zur der Entscheidung führte, ihn durch eine Ergänzung abzuändern, wenn auch nicht in erheblichem Umfang. Damit sind die Tarifpartner weitergegangen, als nur auf eine mögliche Kündigung zu verzichten. Dies ist im Sinne des § 3 Abs. 3 TVG einem Neuabschluss gleichzustellen, welcher von ausgeschiedenen oder wirksam in die OT-Mitgliedschaft gewechselten Mitgliedern nicht legitimiert wurde. Die Reichweite der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG kann nicht gestaltet werden, sondern ist vorgegeben. Ob eine Änderung erfolgt ist, muss durch eine Überprüfung und ggf. Abgleich der normativen Regelungen erfolgen.

Das durch das Bundesarbeitsgericht angeführte Argument, aus Gründen der Rechtsklarheit nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen eines Tarifvertrags zu unterscheiden, kommt auch hier zum Tragen. Klarheit muss nicht nur darüber bestehen, mit welchen Änderungen ein bestimmter Tarifvertrag in einem Unternehmen gilt, sondern auch hinsichtlich der Frage, ob die Geltung auf § 3 Abs. 3 TVG oder § 4 Abs. 5 TVG beruht. Es ist einfacher, die Wertung, ob noch eine normative Geltung vorliegt, davon abhängig zu machen, ob überhaupt eine Änderung vorgenommen wurde, als von der Einschätzung, ob diese Änderung erheblich war oder nicht.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gem. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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