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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 1900/06
Rechtsgebiete: BGB, MuSchG, EFZG


Vorschriften:

BGB §§ 387 ff.
MuSchG § 14 Abs. 1
EFZG § 3 Abs. 1
Arbeitgeber rechnete wegen streitigen Anspruchs auf Rückerstattung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegen Anspruch der Arbeitnehmerin auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§ 14 Abs. 1 MuSchG) und weiter einen tatsächlich nicht bestehenden Anspruch der Arbeitnehmerin auf Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen auf.

Keine Entscheidung zur Ausgangsfrage, ob bei Arbeitsunfähigkeit wegen Hormonbehandlung zur Therapie der Unfruchtbarkeit der Arbeitnehmerin Entgeltfortzahlung geleistet werden muss bzw. bei späterer Kenntnis von der Ursache der Arbeitsunfähigkeit zurückgefordert werden darf.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 26. September 2006 - 2 Ca 155/06 - abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 577,50 EUR (in Worten: Fünfhundertsiebenundsiebzig und 50/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09. März 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Kosten trägt die Klägerin 72 %, die Beklagte 28 %, von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 61 %, die Beklagte 33 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende Arbeitnehmerin verlangt die Erfüllung von Forderungen, gegen die die Arbeitgeberin mit streitigen Erstattungsansprüchen aufrechnete. Diese vertritt die Rechtsauffassung, sie habe zu Unrecht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet, da die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auf Hormonbehandlungen zur Therapie einer Unfruchtbarkeit beruhte.

Die Beklagte betreibt in A ein Alten- und Pflegeheim.

Die 1976 geborene Klägerin wurde zum 12. Juli 1999 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Altenpflegerin eingestellt. In der Zeit von Februar 2003 bis Juli 2004 war die Klägerin mehrfach arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. In dieser Zeit oder zumindest in Phasen dieses Zeitraums unterzog sich die Klägerin einer Hormonbehandlung wegen Unfruchtbarkeit.

Nachdem spätestens Anfang August 2004 bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt wurde, war die Klägerin bis zur Entbindung am 01. April 2005 nicht arbeitsfähig.

Am 21. April 2005 führte der Geschäftsführer der Beklagten mit der Klägerin ein Gespräch über die von Februar 2003 bis Juli 2004 erbrachte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Beklagte vertrat durch ihren Geschäftsführer die Ansicht, bei Arbeitsunfähigkeit infolge einer Hormonbehandlung wegen Unfruchtbarkeit habe keine Verpflichtung zur Leistung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestanden.

Anfang des Jahres 2006 erhielt die Klägerin anlässlich der Anforderung einer Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2005 von der Beklagten Abrechnungen für die Zeit von April 2005 bis Januar 2006. Aus der Abrechnung für April 2005 folgte, dass die Beklagte gegen einen Anspruch auf "Urlaubsabgeltung Pflege" in Höhe von € 564,41 und "Mutterschaftsgeld Pflege" in Höhe von € 577,50 mit einem Rückforderungsanspruch in einer Gesamthöhe von € 4.418,23 aufgerechnet hatte (Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 d.A). Ausweislich der Abrechnung für September 2005 hatte die Beklagte in diesem Monat weiter gegen einen Nettoanspruch, bezeichnet als "Rückf. KV Beitrag AN" in Höhe von € 907,45 aufgerechnet. Soweit in den übrigen Monaten Ansprüche der Klägerin bestanden, rechnete die Beklagte nicht auf.

Die Klägerin hat mit ihrer am 06. März 2006 bei dem Arbeitsgericht Marburg eingegangenen und der Beklagten am 09. März 2006 zugestellten Klage die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht zur Aufrechnung berechtigt. Diese sei zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei sämtlichen Fehltagen in der Zeit von Februar 2003 bis Juli 2004 verpflichtet gewesen. Die Klägerin hat bestritten, mit der Beklagten am 21. April 2005 oder zu einem anderen Zeitpunkt eine Vereinbarung über die Rückzahlung geleisteter Entgeltfortzahlung getroffen zu haben. Außerdem seien die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht auf eine Hormonbehandlung zurückzuführen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.049,36 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09. März 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht gem. § 3 Abs. 1 EFZG verpflichtet, für die Folgen einer Hormonbehandlung wegen Unfruchtbarkeit zu zahlen. Die Beklagte hat behauptet, dass alle Arbeitsunfähigkeitszeiten von Februar 2003 bis Juli 2005 auf eine hormonelle Behandlung der Klägerin zurückzuführen waren. Anlässlich des Gesprächs vom 21. April 2005 habe der Geschäftsführer der Beklagten mit der Klägerin eine Verrechnungsvereinbarung wegen der zu Unrecht erfolgten Entgeltfortzahlung getroffen.

Das Arbeitsgericht Marburg hat durch Urteil vom 26. September 2006 der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 1.484,95 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09. März 2006 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Arbeitsgericht Marburg hat ausgeführt, dass der Arbeitgeber auch dann zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 Abs. 1 EFZG verpflichtet sei, wenn die Arbeitnehmerin sich wegen Unfruchtbarkeit einer Hormonbehandlung unterziehe und deshalb erkranke. Die als Folge der Heilbehandlung auftretende Arbeitsunfähigkeit sei der Arbeitnehmerin nicht als Verschulden im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zuzurechnen. Dies folge auch aus der durch § 27 a SGB V getroffenen gesetzlichen Wertentscheidung, mit der Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wurden. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, der Klägerin den in der Abrechnung für April 2005 angeführten Betrag von € 577,50 sowie den Betrag in Höhe von € 907,45 aus der Abrechnung von September 2005 auszuzahlen. Anlässlich des Gesprächs vom 21. April 2005 sei auch keine Rückzahlungsvereinbarung oder Verrechnungsvereinbarung getroffen worden.

Wegen des von der Klägerin darüber hinaus geforderten Betrages von € 564,41 netto hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG sei die Abgeltung von Urlaub bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen. Die Klägerin könne den Urlaub, welcher rechnerisch dem in der Abrechnung für April 2005 angeführten Abgeltungsbetrag entspreche, nach Beendigung der Elternzeit von der Beklagten in Natur fordern.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf deren Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 56 - 69 d.A.).

Gegen das ihr am 12. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 09. November 2006 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 05. Dezember 2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte das Ziel der völligen Klageabweisung weiter. Sie hält an ihrer Auffassung fest, der Arbeitgeber könne nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sein, wenn eine Arbeitsunfähigkeit durch Hormonbehandlungen zur Therapie von Unfruchtbarkeit hervorgerufen werde. Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Klägerin wäre gehalten gewesen, für die Zeiten der Hormonbehandlungen Urlaub zu nehmen oder sich unbezahlt freistellen zu lassen. Hilfsweise meint die Beklagte, dass der Klägerin wegen Vorliegens einer Fortsetzungserkrankung gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG zumindest in der Zeit von 18. Dezember 2003 bis 05. Januar 2004 keine Entgeltfortzahlung zugestanden hätte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 26. September 2006 - 2 Ca 155/06 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt, ihr habe in dem Zeitraum von Februar 2003 bis Juli 2004 die geleistete Entgeltfortzahlung in vollem Umfang gewährt werden müssen. Die Klägerin behauptet dazu, die Fehlzeiten hätten auf unterschiedlichen Krankheiten beruht. Sie ist außerdem der Ansicht, dass Unfruchtbarkeit eine Krankheit im Rechtssinne darstelle, die sie habe behandeln lassen dürfen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 2004 (Bl. 120 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2 b, 8 Abs. 2 ArbGG). Die Beklagte hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg, soweit die Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von € 907,45 wendet.

I.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Marburg ist aufzuheben, soweit die Beklagte zur Zahlung des in der Abrechnung für September 2005 (Kopie als Anlage zur Klageschrift, Bl. 8 d.A.) angeführten Betrages von € 907,45 an die Klägerin verurteilt wurde.

Die Beklagte hat gegen diesen Anspruch mit dem Rückzahlungsanspruch aufgerechnet, den sie nach ihrer Rechtsauffassung wegen zu Unrecht geleisteter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat. Ob die Beklagte Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 EFZG zu erbringen hatte, falls die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin von Februar 2003 bis Juli 2004 auf Hormonbehandlungen zur Therapie einer Unfruchtbarkeit zurückzuführen waren, kann für das Berufungsverfahren ausdrücklich offen bleiben.

Der Klägerin stand zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Zahlung von € 907,45 gegen die Beklagte zu, auch wenn die Abrechnung von September 2005 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 8 d.A.) dies vermuten lässt. Die Beklagte konnte deshalb gegen einen solchen Anspruch nicht aufrechnen. Darüber hinaus war sie auch nicht zur Leistung des Betrages zu verurteilen, den sie wegen eines Irrtums über ihre Erstattungspflicht durch Aufrechnung gem. § 389 BGB erfüllen wollte.

1.

In der Verhandlung vom 14. Mai 2007 hat der Geschäftsführer der Beklagten bei Erörterung des in der Abrechnung von September als "Rückf. KV Beitrag AN" bezeichneten Nettobetrags erklärt, dass es sich um ein Geldbetrag handele, der ihm von der Krankenkasse der Klägerin erstattet wurde. Diese Angabe hat der Geschäftsführer über die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mittlerweile schriftsätzlich korrigiert. Danach habe die Krankenkasse den Betrag von € 907,45 noch nicht an die Beklagte ausgezahlt (vgl. Schriftsatz vom 21. Mai 2007, Bl. 123 d.A.).

Ob die Beklagte von der Krankenkasse der Klägerin schon eine Erstattung erhielt oder diese nur angekündigt wurde, spielt keine Rolle. Maßgeblich ist, dass eine eventuelle Rückerstattung der Krankenkasse nach §§ 28 e Abs. 1, 28 g Abs. 1 SGB IV der Beklagten als Arbeitgeberin und nicht der Klägerin als Arbeitnehmerin zustehen würde. Hierüber hat sich die Beklagte in der Person ihres Geschäftsführers geirrt.

2.

Unabhängig von der deshalb im Berufungsverfahren nicht zu entscheidenden Rechtsfrage, ob die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin von Februar 2003 bis Juli 2004 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu zahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auf Hormonbehandlungen beruhte, hat die Klägerin gegen die Beklagte deshalb keinen Anspruch auf Leistung von € 907,45 netto.

Die Beklagte hatte sich wegen der der Klägerin geleisteten Entgeltfortzahlung an deren Krankenkasse, die BKK B, gewandt. Die Krankenkasse hat darauf durch das anlässlich der Verhandlung vom 14. Mai 2007 in Kopie vorgelegte Schreiben vom 23. März 2005 an die Beklagte reagiert (Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 14. Mai 2007, Bl. 121 d.A.). Mit diesem Schreiben hat die Krankenkasse unter dem Betreff "Rückforderung der geleisteten Entgeltfortzahlung" neben einem dem Anlass nach nicht nachvollziehbaren Hinweis auf § 115 SGB X ausgeführt, dass die Beklagte zu Unrecht erfolgte Entgeltfortzahlung von der Klägerin zurückfordern könne. Der Klägerin stehe dann für die bisher durch Entgeltfortzahlung abgedeckte Zeiträume ein Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse zu.

a)

Unterstellt man mit der Beklagten und der Krankenkasse der Klägerin, dass die Beklagte in der Zeit von Februar 2003 bis Juli 2004 nicht verpflichtet war, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten, hat die Krankenkasse Sozialversicherungsbeiträge nach §§ 28 d Satz 1, 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV zu Unrecht erhalten. Falls also die Beklagte, entsprechend ihrer Rechtsauffassung, tatsächlich nicht zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet war, hat sie nicht nur gegenüber der Klägerin selbst, sondern auch gegenüber der Krankenkasse einen Erstattungsanspruch. Der zu erstattende Gesamtsozialversicherungsbeitrag stände der Beklagten in voller Höhe zu. Dies ergibt sich aus § 28 g Satz 1 und 2 SGB IV. Danach ist der Arbeitgeber berechtigt, von der Vergütung des Arbeitnehmers den von diesem zu tragenden Teil des Gesamtversicherungsbeitrags abzuziehen. Bestand kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers (präziser: gesagt kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall), wie dies der Rechtsauffassung der Beklagten entspricht, kann auch kein Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeitrag von diesem Vergütungsanspruch abgezogen werden. Die Beklagte hat in der Person ihres Geschäftsführers irrtümlich unterstellt, dass von der Vergütung der Klägerin abgezogene Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung dieser zu erstatten sind. Dabei hat er jedoch übersehen, dass der Klägerin für die streitigen Zeiträume gar kein Entgelt(fortzahlungs)anspruch zustand, wenn seine Rechtsauffassung zutreffen sollte.

b)

Folgt man der Rechtsauffassung der Klägerin, dass die Beklagte in vollem Umfang zur Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 EFZG verpflichtet war, besteht schon dem Grunde nach kein Anlass für Erstattungsleistungen der Krankenkasse gegenüber der Beklagten. Die von der Beklagten irrtümlich als der Klägerin zustehend bewertete Rückerstattung von € 907,45 existiert mangels einer Rückerstattungspflicht der Krankenkasse nicht, wenn die Entgeltfortzahlung geleistet werden musste.

Da der Beklagten ungeachtet der Rechtsfrage, ob bei Arbeitsunfähigkeit, welche auf Hormonbehandlungen zur Therapie von Unfruchtbarkeit beruhte, kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von € 907,45 netto zusteht, sondern die Beklagte vielmehr irrtümlich auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung eine eigene Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin angenommen hat, war die Entscheidung des Arbeitsgerichts Marburg insoweit aufzuheben.

II.

Soweit die Beklagte sich mit der Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von € 577,50 nebst Zinsen gewandt hat, war diese zurückzuweisen.

Die Beklagte hat mit dem in der Abrechnung für April 2005 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 d.A.) angegebenen Betrag von € 577,50 ebenfalls mit einem Anspruch auf Rückforderung wegen zu Unrecht erbrachter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufgerechnet.

Auch in Bezug auf diesen Teilanspruch der Klägerin kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen für eine Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 EFZG in der Zeit von Februar 2003 bis Juli 2004 ganz oder teilweise nicht erfüllt waren und der Beklagten deshalb gegen die Klägerin ein Rückerstattungsanspruch zusteht. Die Beklagte ist bereits deshalb zur Zahlung von € 577,50 netto nebst Zinsen an die Klägerin verpflichtet, weil sie gegen diesen Anspruch nach §§ 394 BGB, 850 c ZPO nicht aufrechnen durfte, worauf schon das Arbeitsgericht Marburg hingewiesen hat.

Bei dem in der Abrechnung für April 2005 als "Mutterschaftsgeld Pflege" (vgl. Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 d.A.) bezeichneten Betrag handelt es sich, wie die Beklagte auf den Hinweisbeschluss vom 08. Mai 2007 in der Verhandlung vom 14. Mai 2007 bestätigt hat, um den von ihr als Arbeitgeberin gem. § 14 Abs. 1 MuSchG zu erbringenden Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Für den Zuschuss nach § 14 Abs. 1 MuSchG gelten die allgemeinen Regeln für arbeitsvertragliche Entgeltansprüche einschließlich des Pfändungsschutzes nach §§ 850 ff. ZPO. Unter Einbeziehung des bereits nach § 54 Abs. 3 Nr. 2 SGB I unpfändbaren Anspruchs der Klägerin auf Mutterschaftsgeld nach §§ 13 Abs. 1 MuSchG, 200 Abs. 1 RVO von € 13,00 täglich betrug ihr Einkommen im April 2005 höchstens € 967,50 netto. Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld war damit insgesamt nach §§ 394 BGB, 850 c ZPO unpfändbar und keiner Aufrechnung zugänglich (zur Berechnung der Pfändbarkeit einer Leistung nach § 14 Abs. 1 MuSchG: Buchner/Becker, MuSchG, BErzGG, 7. Aufl., § 14 MuSchG Rz 141 f.).

Ein Aufrechnungsanspruch der Beklagten folgt auch nicht aus vertraglicher Vereinbarung. Die Beklagte hat für die Berufung klargestellt, dass sie die Feststellungen des Arbeitsgerichts Marburg in Bezug auf die von ihr noch erstinstanzlich behauptete Rückzahlungsvereinbarung mit der Klägerin nicht angreift. Danach ist von der Feststellung des Arbeitsgerichts Marburg auszugehen, dass die Parteien am 21. April 2005 keine Vereinbarung über die Rückzahlung zu Unrecht geleisteter Entgeltfortzahlung trafen (vgl. S. 11 f. der Entscheidung, Bl. 65 f. d.A.).

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich der Höhe nach aus § 288 Abs. 1 BGB, dem Zeitpunkt nach aus § 291 BGB, wobei das Arbeitsgericht Marburg vom Datum der Zustellung der Klageschrift an die Beklagte ausgegangen ist (vgl. Zustellungsurkunde, Bl. 16 d.A.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz sind von dem Parteien entsprechend dem Verhältnis ihres Obsiegens und Verlierens zu tragen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der gesetzlichen Zulassungsgründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen.

Ende der Entscheidung

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