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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.06.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 1929/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 77
Unwirksame Abänderung des Beihilfeanspruchs der Betriebsrentner. Jeweiligkeitsklausel deckt nicht erstmalige Verschlechterung des Beihilfeanspruchs der Betriebsrentner im Verhältnis zu den noch aktiven Arbeitnehmern, deren Ansprüche bis zur Änderung mit denen der Rentner identisch waren.

Freifahrtberechtigung für Betriebsrentner ist Leistung der betrieblichen Altersversorgung. 5 Jahre nach Ausgliederung des Betriebsteils "Verkehr" aus dem Unternehmen kann nicht Beteiligung an Kosten einer Jahresfahrkarte in Höhe von 30% von Betriebsrentnern - nicht von den aktiven Arbeitnehmern -verlangt werden, wenn diese nach Ausgliederung zunächst 2 Jahre lang kostenlos befördert wurden und danach kostenfrei eine beschränkte Jahresfahrkarte erhielten.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten wird als unzulässig verworfen.

Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Juli 2006 - 8 Ca 24/06 - teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 465,50 EUR Zug um Zug gegen Vorlage einer auf ihn lautenden Quittung über den Erwerb einer "9-Uhr-Jahresfahrkarte" für das Tarifgebiet 65 A zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger und seiner Ehefrau Beihilfe nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom 24. Mai 2000 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 6 %, die Beklagte 94 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Gewährung von Beihilfe und einer Freifahrtberechtigung an ehemalige Beschäftigte.

Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie ist in ihrer heutigen Struktur aus der Stadtwerke B AG hervorgegangen. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Aus der Beklagten wurden rückwirkend im Jahr 2000 die Verkehrsbetriebe ausgegliedert und in die C Verkehrsgesellschaft mbH eingebracht. Wegen der Ausgliederungsvereinbarung wird auf den notariellen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 29. August 2000 verwiesen (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04.06.2007, Bl. 281 - 286 d.A.).

In Zusammenhang mit der Ausgliederung wurde am 10. Juni 2002 die Betriebsvereinbarung "Umstrukturierungsprozesse" geschlossen (vgl. Kopie als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 28.03.2006, Bl. 28 - 32 d.A.). Unter § 6 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung ist bestimmt:

"6. Es besteht Einvernehmen, dass die in Jahrzehnten gewachsenen betrieblichen Sozialleistungen erhalten bleiben."

Die Stadtwerke B AG, die jetzige Beklagte, firmierte nach der Ausgliederung in C Versorgungs AG um.

Die Aktien der Beklagten werden zu 50,64% von der B Versorgungs- und Verkehrsholding GmbH gehalten. Deren Geschäftsanteile befinden sich zu 100% im Besitz der Landeshauptstadt B. Der restliche Aktienanteil der Beklagten wird von der D AG gehalten.

Auch bei der C Verkehrsgesellschaft mbH ist die Stadt B über die B Versorgungs- und Verkehrsholding GmbH Mehrheitsgesellschafterin.

Der am 02. Juni 1934 geborene, verheiratete Kläger war in der Zeit vom 01. April 1949 bis zum 30. Juni 1993 Beschäftigter der Stadtwerke B AG. Er war zuletzt als Leiter des internen Kontrollwesens tätig.

Der Kläger schloss unter dem 23. Dezember 1992 mit der Stadtwerke B AG eine Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1993 beendet wurde. § 2 der Regelung lautet wie folgt:

"Herr E behält seinen Anspruch auf alle Vergünstigungen, die er durch den Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 63. Lebensjahres erworben hätte (Beihilfen, Fahrausweise, Tankberechtigung, Betriebsgemeinschaft)."

Im Übrigen wird zur Wiedergabe des Inhalts dieser Vereinbarung auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen.

Beihilfe:

Die Stadtwerke B AG gewährte ihren aktiven und ehemaligen Mitarbeitern sowie unter bestimmten Voraussetzungen deren Familienangehörigen Beihilfeleistungen im Krankheits-, Geburts- und Todesfall. Hierüber wurden seit 06. Februar 1964 einander ablösende Betriebsvereinbarungen geschlossen. Der Kläger beantragte und erhielt zuletzt Beihilfe nach den Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung Beihilfe vom 24. Mai 2000 (folgend: BV Beihilfe 2000).

Nach dem Inhalt der BV Beihilfe 2000 hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Pensionärinnen und Pensionäre der Stadtwerke B AG Anspruch auf Beihilfen nach der Hessischen Beihilfenverordnung (HBeihVO) in der jeweils geltenden Fassung, soweit durch die Betriebsvereinbarung selbst nicht anders geregelt. In den Kreis der beihilfeberechtigten Personen waren nach § 2 Nr. 1 d) BV Beihilfe 2000 einbezogen:

"Witwen, Witwer und Vollwaisen, die Versorgungsbezüge von C oder Versorgungs- bzw. Versichertenrenten der Zusatzversorgungskasse erhalten (...)"

Wegen des weiteren Inhalts der Betriebsvereinbarung wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 21. Juni 2006 (Bl. 91 - 96 d.A.) verwiesen.

Die BV Beihilfe 2000 wurde durch die am 16. Dezember 2005 abgeschlossene neue Betriebsvereinbarung zur Beihilfe mit Wirkung ab 01. Januar 2006 abgelöst (folgend: BV Beihilfe 2005). Die BV Beihilfe 2005 verweist nicht auf die HBeihVO, sondern regelt die Beihilfeansprüche selbst abschließend. Außerdem werden bei den Leistungen Unterschiede zwischen Gruppen von Berechtigten gemacht: Ehemalige Beschäftige erhalten in Krankheitsfällen eine Beihilfe nach Maßgabe der Anlage 3. Diese sieht gegenüber der für gesetzlich versicherte aktive Beschäftigte bestimmten Anlage 1 geringere Beihilfesätze und geringere Leistungshöchstbeträge pro Jahr vor. In § 4 der BV Beihilfe 2005 ist zusätzlich bestimmt, dass Ehe- und Lebenspartner ehemaliger Beschäftigter sowie Witwen/Witwer nicht beihilfeberechtigt sind. Zur ergänzenden Darlegung der Bestimmungen der Betriebsvereinbarung wird Bezug genommen auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 14. Juli 2006 überreichte Kopie (Bl. 128 - 134 d.A.).

Der Kläger war während seiner Tätigkeit für die B Stadtwerke AG freiwillig krankenversichert. Nachdem er als Rentner die freiwillige Versicherung zunächst fortsetzte, ist er nunmehr pflichtversichert. Der Kläger hat bisher für sich und seine Ehefrau Beihilfeleistungen bei Krankenhausaufenthalten, für Sehhilfen, Kuren und in solchen Fällen in Anspruch genommen, für die Leistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstattet werden.

Freifahrtberechtigung:

Die Stadtwerke B AG gestattete ihren aktiven Mitarbeitern sowie solchen Pensionären, die als Versorgungsempfänger ausgeschieden waren, bis nach der Ausgliederung der C Verkehrsgesellschaft mbH die kostenlose Nutzung der Busse des von ihr betriebenen öffentlichen Personennahverkehrs. Die betraf die Busse des B und F Stadtverkehrs (Tarifgebiet A 65). Als Berechtigungsnachweis der Freifahrtberechtigung diente bei den aktiven Arbeitnehmern der Dienstausweis. Betriebsrentnern wurde zur kostenlosen Nutzung der Busse ein sog. "Tank- und Fahrausweis" ausgestellt. Dieser schloss das Recht ein, auch als Rentner die kostenpflichtige Betriebstankstelle zu nutzen.

Nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien existierte über Freifahrtberechtigung bis nach der Ausgliederung des Betriebsteils "Verkehrsbetriebe" keine schriftliche Regelung. Das Recht zur kostenfreien Nutzung der Busse durch die aktiven Beschäftigten und die Rentner sei durch die Stadtwerke B AG und die Berechtigten vorausgesetzt worden. Diese Praxis habe man durch die Akzeptanz des Dienstausweises oder des Tank- und Fahrausweises an Stelle eines Fahrscheins ständig bestätigt.

Mit Rundschreiben vom 22. September 2002, gerichtet an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ehemalige Beschäftigte, teilte die Beklagte mit, dass diese Personen ab 01. Oktober 2002 nicht mehr berechtigt seien, die Busse der B und F Linien kostenlos zu nutzen. Begründet wurde das mit der erfolgten Ausgliederung der Verkehrsbetriebe in die C Verkehrsgesellschaft mbH.

Am 18. Dezember 2002 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat erstmalig eine Betriebsvereinbarung zur Freifahrtberechtigung ihrer Arbeitnehmer und der Pensionäre mit Wirkung ab 1. Januar 2003. Darin wurde geregelt, dass den aktiven Arbeitnehmern die Möglichkeit der Nutzung der Busse durch Bereitstellung einer kostenlosen Jahresfahrkarte weiter ermöglicht werden sollte. Für Beschäftigte im Ruhestand wurde eine 9-Uhr-Jahresfahrkarte angeboten. Eine solche Fahrkarte ist von montags bis freitags erst ab 9.00 Uhr nutzbar, ansonsten gilt sie zeitlich unbeschränkt. Wegen des genauen Inhalts dieser Betriebsvereinbarung vom 18. Dezember 2002 (folgend: BV Fahrkarte) wird auf die mit der Klageschrift als Anlage K 2 überreichte Kopie Bezug genommen (Bl. 8 - 10 d.A.).

Sowohl die zeitlich uneingeschränkte Jahresfahrkarte als auch die 9-Uhr-Jahresfahrkarte wurden als Sonderfahrscheine nur an von der Betriebsvereinbarung erfasste Personen ausgegeben. Die Beklagte erhielt diese Fahrscheine von der C Verkehrsgesellschaft mbH zu einem Sonderpreis, der unter dem Preis der frei verkäuflichen Jahresfahrkarten für das Tarifgebiet lag.

Der Kläger hatte wegen des Wegfalls der Freifahrtberechtigung gemäß dem Rundschreiben vom 22. September 2002 gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden Klage erhoben (Az.: 3/9 Ca 1707/02). Nach Abschluss der BV Fahrkarte nahm der Kläger diese Klage zurück. Die Beklagte hatte zuvor zugesagt, die dem Kläger in der Zeit von 01. Oktober bis 31. Dezember 2002 entstandenen Kosten für die Nutzung der C-Busse zu ersetzen.

Der Kläger hatte erklärt, dass er bereit sei, das angebotene 9-Uhr-Jahresticket zu nutzen, sich jedoch vorbehalten, sein Recht zur kostenlosen Nutzung der Busse erneut geltend zu machen, wenn er aufgrund der steuerlichen Behandlung der Jahreskarten finanziell belastet werde.

Am 16. Dezember 2005 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung zur Regelung von Freifahrten für Mitarbeiter und ehemalige Beschäftigte sowie Familienangehörige (folgend: BV Fahrtkostenzuschuss). Regelungsanlass der BV Fahrtkostenzuschuss war der Umstand, dass die C Verkehrsgesellschaft mbH der Beklagten keine Sonderfahrscheine mehr zur Verfügung stellte, nachdem dies vom Regierungspräsidium G beanstandet worden war.

Nach dieser Betriebvereinbarung erhalten aktive Beschäftigte der Beklagten, die vor dem 31. Dezember 2005 eingetreten sind, ein Fahrtkostenzuschuss in Höhe des vollen Preises für eine Jahresfahrkarte des Verkehrsverbundes F-B, Tarifgebiet 65 A. Der Preis einer solchen Fahrkarte betrug für das Jahr 2006 € 577,70.

Für ehemalige Beschäftigte ist in § 2 BV Fahrtkostenzuschuss vorgesehen, dass die bis zum 31. Dezember 2005 in Ruhestand gegangen Rentner einen Zuschuss von € 337,50 erhalten. Hierfür müssen sie eine Quittung vorlegen, aus der hervorgeht, dass sie für sich selbst eine 9-Uhr-Jahreskarte für das Tarifgebiet 65 A kauften. Ein solches zeitlich begrenztes Jahresticket kostete im Jahr 2006 € 465,50.

Wegen des genauen Inhalts dieser Betriebsvereinbarung wird vollständig auf die Anlage zur Klageerwiderung vom 08. Februar 2006 verwiesen, in diesem Rechtsstreit nachgereicht als Anlage zur Schriftsatz vom 04. Juni 2007 (Bl. 305 f. d.A.).

Die BV Fahrkostenzuschuss ist am 01. Januar 2006 in Kraft getreten. Sie ersetzt nach ihrer Regelung in § 5 die BV Freifahrt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse ihm weiterhin die Leistungen gewähren, welche ihm vor den Neuregelungen durch die BV Beihilfe 2005 und die BV Fahrkostenzuschuss bis Dezember 2005 zustanden. Durch die aktuellen Betriebsvereinbarungen könne nicht wirksam in seine Rechte eingegriffen werden. Die Betriebspartner hätte keine Legitimation, Ansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer abzuändern.

Beihilfe:

Der Kläger hat vertreten, die Zusage auf Gewährung von Beihilfe sei im Übrigen als Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu werten, so dass Verschlechterungen ohnehin grundsätzlich ausgeschlossen seien. Weiter hat er geltend gemacht, er sei darüber hinaus auch berechtigt, Ansprüche von und für seine Ehefrau aus der BV Beihilfe 2000 geltend zu machen.

Freifahrtberechtigung:

Hinsichtlich der Freifahrtberechtigung hat der Kläger behauptet, dass er die Gewährung eines 9-Uhr-Tickets im Jahr 2002 nur akzeptiert habe, da sie zum vorangegangenen Zustand keine Nachteile brachte. Damit habe er jedoch nicht den Inhalt der BV Fahrkarte als verbindlich für seinen Anspruch akzeptiert.

Nach Ansicht des Klägers könne die Beklagte sich nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der Ausgliederung der Verkehrsbetriebe berufen, da sie diese Veränderung mit verantwortet habe. Schließlich handele es sich auch bei seiner Freifahrtberechtigung um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Jahr 2006 kostenlos eine "9-Uhr-Jahresfahrkarte" des A nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung "Freifahrt für Beschäftigte und Rentner" vom 18. Dezember 2002 zur Verfügung zu stellen;

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 577,70 Zug um Zug gegen Vorlage einer auf ihn lautenden Quittung über den Erwerb einer "9-Uhr-Jahresfahrkarte" für das Tarifgebiet 65 A zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm und seiner Ehefrau Beihilfe nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom 24. Mai 2000 zu gewähren;

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm und seiner Ehefrau Beihilfe nach Anlage 1 der Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom 16. Dezember 2005 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Betriebspartner seien befugt, Ansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarung abzuändern. Die Gewährung von Beihilfen und Fahrkarten bildeten keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

Beihilfe:

In Bezug auf die Änderung der Beihilfen könne eine ältere Betriebsvereinbarung durch eine neuere ersetzt werden.

Freifahrtberechtigung:

Wegen der Trennung der Verkehrsbetriebe von der Beklagten sei der damaligen Regelung der Freifahrtberechtigung die Geschäftsgrundlage genommen worden. Dies sei die Kostenneutralität gewesen. Da der Kläger die Regelung durch die Betriebsvereinbarung vom 18. Dezember 2002 (BV Fahrkarte) akzeptiert habe, müsse er auch hinnehmen, dass die dort getroffenen Regelungen durch eine spätere Vereinbarung abgelöst werden dürften.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage durch Urteil vom 25. Juli 2006 überwiegend stattgegeben.

Beihilfe:

Wegen der vom Kläger beantragten Feststellung zur Beihilfeberechtigung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger sei berechtigt, den Umfang der Beihilfeansprüche für sich und seine Ehefrau als berücksichtigungsfähige Angehörige feststellen zu lassen. Die Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom 24. Mai 2000 (BV Beihilfe 2000) habe für die Rechtsbeziehung des Klägers zur Beklagten aber keine Geltung mehr. Zwar sei die BV Beihilfe 2000 nicht mit Wirkung für den Kläger als Betriebsrentner durch die BV Beihilfe 2005 abgelöst worden. Der schuldrechtliche Individualanspruch des Klägers gegen die Beklagte, welchen dieser bei Wechsel in den Ruhestand erwarb, habe jedoch unter dem Vorbehalt gestanden, dass eine Veränderung der Ansprüche der aktiven Arbeitnehmer sich auch zu Lasten des Klägers auswirken dürfe.

Der Kläger habe allerdings einen Anspruch darauf, bei Anwendung der Vorschriften der BV Beihilfe 2005 entsprechend der Anlage 1, also wie ein aktiver Arbeitnehmer, behandelt zu werden. Dies folge daraus, dass die Betriebsvereinbarung erstmalig zwischen aktiven und ausgeschiedenen Arbeitnehmern unterscheide. Die Schlechterstellung gegenüber den aktiven Arbeitnehmern müsse der Kläger nicht hinnehmen.

Freifahrtberechtigung:

In Bezug auf die vom Kläger geforderte Freifahrtberechtigung hat das Arbeitsgericht Wiesbaden eine Kompetenz der Betriebspartner verneint, die dem Kläger ursprünglich gegebene Zusage auf kostenlose Beförderung abzuändern. Die gegenüber den Betriebsrentnern unwirksame BV Fahrkarte lasse sich jedoch in eine Gesamtzusage des Arbeitgebers an die im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer umdeuten. Dieses Angebot habe der Kläger angenommen. Insoweit sei nicht erheblich, ob die Beklagte sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen dürfe.

Eine Kürzung seines Anspruchs durch die BV Fahrtkostenzuschuss müsse der Kläger nicht hinnehmen, da das Angebot des Arbeitgebers vom Dezember 2002 nicht unter dem Vorbehalt einer weiteren Änderung gestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf deren Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 142 - 159 d.A.).

Gegen das ihm am 17. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 15. November 2006 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 18. Januar 2007 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. Oktober 2006 zugestellte Urteil ebenfalls Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift der Beklagten ist am 15. November 2006 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Diese Berufung hat die Beklagte mit einem erst am Mittwoch, dem 20. Dezember 2006, bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Nach Hinweis auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 26. Februar 2007 hat die Beklagte unter Wiederholung ihres Antrags mit am 05. März 2007 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Gleichzeitig hat die Beklagte vorsorglich beantragt, ihre Berufungserwiderung, welche am 23. Februar 2007 beim Berufungsgericht eingegangen war, als Anschlussberufung zu behandeln. Die Berufungsbegründung des Klägers war der Beklagten am 24. Januar 2007 zugestellt worden.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen in der Berufung. Er hält an der Auffassung fest, dass die ihm seit seinem Ausscheiden zustehenden Ansprüche nicht durch Betriebsvereinbarungen verschlechtert werden konnten.

Beihilfe:

Der Kläger meint, die Beihilfezusage der Beklagten habe Versorgungscharakter. Er müsse deshalb gleich einem Versorgungsempfänger vor Änderungen geschützt werden. Es sei zu berücksichtigen, dass es für ältere Arbeitnehmer in der Regel nicht möglich sei, Krankheitsrisiken noch nachträglich zu versichern oder für eine Zusatz-Versicherung Geld aufzubringen.

Freifahrtberechtigung:

Wegen der von der Beklagten gegen die Verurteilung zur Leistung eines 9-Uhr-Tickets eingelegten Berufung ist der Kläger der Ansicht, dass aus seiner Bereitschaft, ab 2003 ein solches Ticket zu akzeptieren, nicht auf ein Einverständnis mit tatsächlichen Verschlechterungen geschlossen werden könne.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Juli 2006 - 8 Ca 24/06 - festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm und seiner Ehefrau Beihilfe nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom 24. Mai 2000 zu gewähren,

sowie das Wiedereinsetzungsgesuch und die Berufung sowie die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Juli 2006 - 8 Ca 24/06 - die Klage insgesamt abzuweisen und ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

sowie weiter vorsorglich für den Fall der Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wege der Anschlussberufung unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Juli 2006 - 8 Ca 24/06 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Wiedereinsetzungsgesuch und die Berufung der Beklagten, sowie vorsorglich auch deren Anschlussberufung,

zurückzuweisen.

Mit der Berufung und der vorsorglichen Anschlussberufung bekräftigt die Beklagte ihre Rechtsauffassung, entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne in Ansprüche ausgeschiedener Rentner auch durch Betriebsvereinbarung eingegriffen werden.

Sowohl bei dem Anspruch auf Beihilfen wie bei dem Anspruch auf kostenlose Beförderung handele es sich nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Deshalb seinen keine besonderen Änderungsvoraussetzungen zu prüfen seien.

Beihilfe:

In Bezug auf den Beihilfeanspruch des Klägers meint die Beklagte, dass die BV Beihilfe 2000 nach der Zeitkollisionsregel wirksam durch die BV Beihilfe 2005 abgelöst worden sei. Ergänzend behauptet sie, dass die Betriebsrentner durch die verminderten Beihilfesätze entsprechend der Anlage 3 der BV Beihilfe 2005 nicht schlechter gestellt würden. Die unterschiedliche steuerliche und sozialrechtliche Behandlung der Einkommen aktiver Arbeitnehmer und Rentner führe dazu, dass die Rentner bei einer Nettobetrachtung der Zahlungen gemäß Anlage 3 mindestens Leistungen in einer Höhe erhalten würden, wie sie sich für die aktiven Arbeitnehmer durch die Bruttozahlungen gemäß Anlage 1 netto ergäben. Die Beklagte habe bei einer zulässig pauschalierten Betrachtungsweise deshalb keine tatsächliche Leistungsminderung zu Lasten ihrer Betriebsrentner vereinbart.

Freifahrtberechtigung:

Die Beklagte rügt, dass das Arbeitsgericht bei der Verurteilung zur Gewährung einer 9-Uhr-Jahresfahrkarte die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht geprüft habe. Außerdem seien die Voraussetzungen für eine Umdeutung in eine Gesamtzusage nicht erfüllt, wie vom Arbeitsgericht für die BV Freifahrt in Bezug auf die Gruppe der Betriebsrentner vorgenommen. Insoweit hält die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung fest, dass eine Veränderung der Anspruchsvoraussetzungen durch Betriebsvereinbarung rechtlich zulässig und wirksam war.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 06. Juni 2007 (Bl. 308 - 310 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die eingelegten Rechtsmittel sind nur teilweise zulässig.

1.

Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung durch das Arbeitsgericht Wiesbaden auf Bereitstellung einer 9-Uhr-Fahrkarte und Gewährung von Beihilfe nach Anlage 1 der BV Beihilfe 2000 ist nicht zulässig. Sie war daher zu verwerfen, §§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Beklagte hat die Frist zur Begründung ihrer Berufung nicht eingehalten. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten am 19. Oktober 2006 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 161 d.A.). Die Frist zur Begründung der Berufung gem. § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG endete mit Ablauf des 19. Dezember 2006, einem Dienstag. Die Berufungsbegründung ging erst am 20. Dezember 2006 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht ein.

Die von der Beklagten mit am 05. März 2007 eingegangenem Schriftsatz beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO konnte nicht gewährt werden.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die vom 19. Dezember 2006 datierende Berufungsbegründung nicht fristgerecht an diesem Tag bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingereicht. Dies beruhte nach dem Inhalt des Antrags auf Wiedereinsetzung darauf, dass der Prozessbevollmächtigte sich nach der von einer Angestellten seines Büros fehlerhaft mit "20. Dezember 2006" berechneten Frist richtete.

Der Prozessbevollmächtigte hätte diese Frist bei Fertigung der Berufungsbegründung kontrollieren müssen. Ein mit der Prozessführung beauftragter Rechtsanwalt ist zur eigenverantwortlichen Überprüfung der Berufungsbegründungsfrist verpflichtet. Es handelt sich um die Prüfung einer Zulässigkeitsvoraussetzung der beabsichtigten Prozesshandlung, welche in den eigenen Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts fällt (BGH Beschluss vom 12.11.1986 - IVb ZB 93/86 - VersR 1987, 463). Ein Anlass zur Fristenkontrolle ergibt sich schon dann, wenn die Sache dem Anwalt zur Vorbereitung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt wird (BGH Beschluss vom 14.07.1988 - III ZB 40/87 - BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Fristbeginn Nr. 1).

Hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Fristberechnung am 19. Dezember 2006 nachgeprüft, wäre es ihm möglich gewesen, die Berufungsbegründungsschrift noch an diesem Tag einzureichen. Dies folgt aus seinen Angaben in dem Wiedereinsetzungsantrag.

Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist der Beklagten gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen und schließt eine Wiedereinsetzung aus.

2.

Die Berufung des Klägers gegen die Teilabweisung seiner Ansprüche durch das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2 b, 8 Abs. 2 ArbGG).

Der Kläger ist durch die Abweisung mit dem Hauptantrag seines Klageantrags zu 2. formell und materiell beschwert.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat den Hauptantrag des Klageantrags zu 2. zu mit € 4.000,00 bewertet. Für den Hilfsantrag des Klageantrags zu 2. hat es wegen wirtschaftlicher Identität keinen eigenen Wert angesetzt.

Ein im erstinstanzlichen Urteil festgesetzter Streitwert ist verbindlich. Eine Abweichung von einer unrichtigen Streitwertfestsetzung ist zumindest dann möglich, wenn die Parteien im ersten Rechtszug nicht voll obsiegt haben und deshalb Streitwert und Beschwerdewert voneinander abweichen (vgl. BAG Urteil vom 13.01.1988 - 5 AZR 410/87 - NZA 1988, 705; BAG Urteil vom 27. Januar 2004 - 1 AZR 105/03 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35; Germelmann-Germelmann ArbGG 5. Aufl. § 64 Rz 20; GK-ArbGG-Vossen § 64 Rz 32).

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Wiesbaden besteht keine wirtschaftliche Identität zwischen Haupt- und Hilfsantrag. Ein Beihilfeanspruch nach der BV Beihilfe 2000 geht weiter als ein Anspruch nach Anlage 1 der BV Beihilfe 2005. Die Beschwer der Abweisung des Hauptantrags ist - ausgehend von dem durch das Arbeitsgericht Wiesbaden angenommenen Gesamtwert - mit € 3.000,00 zu bewerten, auf den Hilfsantrag entfallen € 1.000,00.

Die Berufung des Klägers ist im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

3.

Die Beklagte hat sich der Berufung des Klägers wirksam angeschlossen (§§ 524 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG). Ihre Verurteilung zur Gewährung einer Fahrkarte und von Beihilfe nach Anlage 1 der BV 2005 kann trotz der Verwerfung der am 15. September 2006 eingelegten Berufung daher im Rechtsmittelverfahren überprüft werden.

Die Anschlussberufung ist mit der Erwiderung auf die Berufung des Klägers durch am 23. Februar 2007 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz mit Datum vom 22. Februar 2007 erfolgt. Sie ist statthaft gem. § 524 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 ZPO i.Vm. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, da form- und fristgerecht eingegangen. Die Berufungsbegründung des Klägers ist der Beklagten am 24. Januar 2007 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 200 d.A.).

Die Berufungserwiderung ist auch zugleich als Berufungsschrift zu verstehen. Die Beklagte hat in ihrem Eingangssatz ausdrücklich auf die Berufungsbegründung durch den verspätet eingereichten Schriftsatz zur Berufungsbegründung vom 19. Dezember 2006 Bezug genommen. Der Umfang der Berufung stand damit fest (§ 519 Abs. 2 ZPO). Die Begründung der Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 3 ZPO war bereits vorab erfolg. Die Beklagte hat darüber hinaus durch die weitere ausdrückliche Bezugnahme auf den Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes mit Datum vom 19. Dezember 2007 im Schriftsatz vom 22. Februar 2007 die Berufungsbegründung durch Bezugnahme wiederholt. Dies genügt.

II. (Beihilfe)

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger und seiner Ehefrau Beihilfe entsprechend der Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom 24. Mai 2000 (BV Beihilfe 2000) zu gewähren. Deren Regelungen sind durch die am 01. Januar 2006 in Kraft getretene Betriebsvereinbarung "Beihilfe" vom 16. Dezember 2005 (BV Beihilfe 2005) nicht aufgehoben worden.

1.

Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig gem. § 256 Abs. 1 ZPO.

a)

Der Antrag ist auslegungsbedürftig. Wegen der vom Kläger beantragten Feststellung, die Beklagte sei auch gegenüber seiner Ehefrau zur Beihilfegewährung verpflichtet, ist zu differenzieren.

Soweit der Kläger vor dem 01. Januar 2006 Beihilfe beantragte, betraf dies auch Kosten für Leistungen zu Gunsten seiner Ehefrau. Maßgeblich für den Beihilfeanspruch des Klägers und seiner Ehefrau bis zumindest diesem Zeitpunkt war die BV Beihilfe 2000. Danach war Beihilfe entsprechend der Hessischen Beihilfeverordnung (HBeihVO) in der jeweils geltenden Fassung zu gewähren, soweit durch die Betriebsvereinbarung selbst keine Abweichung geregelt.

Die Ehefrau des Klägers ist nach der Konzeption der Hessischen Beihilfeverordnung vom 05. Mai 1988 [GVBl. I S. 193] in der Fassung vom 05. Dezember 2001 [GVBl. I S. 482, 491] keine beihilfeberechtigte Person (§ 2 HBeihVO), jedoch berücksichtigungsfähige Angehörige (§ 3 HBeihVO). In Bezug auf die Ehefrau besteht also keine Beihilfeberechtigung, sondern eine Berücksichtigungsfähigkeit als Angehörige. Die BV Beihilfe 2000 trifft hierzu keine abweichende Bestimmung.

Sollte der Kläger vor seiner Ehefrau versterben, wird dieser - bei Geltung der BV Beihilfe 2000 - nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBeihVO eine eigene Beihilfeberechtigung erwachsen. § 2 Ziffer 1 a) BV Beihilfe 2000 bestätigt diese Beihilfeberechtigung, regelt jedoch deren Voraussetzungen eigenständig.

Wie der Kläger in der Verhandlung vom 06. Juni 2007 erklärt hat, sei der Antrag auf Gewährung von Beihilfe an ihn und seine Ehefrau umfassend zu verstehen. Mit dem Feststellungsantrag solle auch die eigenständige Beihilfeberechtigung der Ehefrau für den Fall seines Vorversterbens (§ 2 Nr. 1 d) BV Beihilfe 2000) geklärt werden. Nur hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit eines solchen Antrags sei die begehrte Feststellung auf die Berücksichtigungsfähigkeit der Ehefrau (§ 3 HBeihVO). zu beschränken.

b)

Für den umfassend zu verstehenden Antrag besteht ein hinreichendes Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO.

Die Frage, welche Bestimmungen für den Beihilfeanspruch des Klägers maßgeblich sind, ist einem Feststellungsantrag zugänglich.

Grundsätzlich ist zulässiger Gegenstand eines Feststellungsantrags das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Dazu zählen nicht Vorfragen oder Elemente eines solchen Verhältnisses. Stehen jedoch allein bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht im Streit, kann auch darüber eine Feststellung beantragt werden. Voraussetzung ist, dass die erhobene Feststellungsklage geeignet sein muss, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen. Es muss gewährleistet sein, dass weitere Prozesse durch einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte verhindert werden (BAG Urteil vom 20.04.1989 - 6 AZR 448/87 - n.v., zitiert nach juris; BAG Urteil vom 24.04.2001 - 3 AZR 355/00 - EzA BetrAVG § 1 Nr. 73).

Die Parteien streiten nicht darüber, dass der Kläger beihilfeberechtigt ist. Es geht darum, nach welchen Bestimmungen Beihilfe zu gewähren ist, insbesondere ob die bisherigen Vorschriften wirksam durch die BV Beihilfe 2005 verändert werden konnten. Zur Klärung dieser Frage ist der Antrag geeignet.

Hierfür besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der Kläger ist jetzt beihilfeberechtigt. Mit der weiteren Inanspruchnahme von Beihilfeleistungen wegen Krankenhausaufenthalten, Zahnbehandlungen, für Sehhilfen usw. ist zu rechnen.

Dies gilt nicht nur für gegenwärtige Aufwendungen der Ehefrau als berücksichtigungsfähige Angehörige (§ 4 BV Beihilfe 2000 i.V.m. § 3 Abs. 1 HBeihVO), sondern auch für eine etwaige, vom Rechtsverhältnis des Klägers abhängige eigene Beihilfeberechtigung als Witwe gem. § 2 Nr. 1 d) BV Beihilfe 2000.

Der denkbare "Witwenanspruch" der Ehefrau des Klägers leitet sich von der Beihilfeberechtigung ihres Ehemanns ab. Ein Bedürfnis für eine alsbaldige Klärung des Beihilfeanspruchs besteht. Der Kläger und seine Ehefrau wollen wissen, ob mögliche Krankheitskosten der Ehefrau nach einem Vorversterben des Ehemanns vollständig gedeckt sind oder nicht. Nur jetzt besteht noch die Chance, eine ergänzende Versicherung abzuschließen oder für dieses Risiko zu sparen. Insoweit besteht eine Ähnlichkeit des Beihilfeanspruchs mit Ansprüchen auf Versorgungsleistungen (vgl. BAG Urteil vom 07.03.1995 - 9 AZR 43/03 - NZA 1996, 48), zu denen Beihilfeansprüche jedoch nicht zählen (vgl. unten II. 2. b).

Dem Kläger fehlt es auch nicht an der Befugnis, eine Feststellung zu einem möglichen Hinterbliebenenanspruch seiner Ehefrau zu verlangen. Es handelt sich nicht um einen eigenständigen, originären Anspruch der Ehefrau, sondern gem. der BV Beihilfe 2000 um einen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis des Klägers abgeleiteten Anspruch, welcher an den Bezug von Versorgungsansprüchen anknüpft. Solche erhält der Kläger, wie in der Verhandlung vom 06. Juni 2007 bestätigt wurde.

Der Antrag ist deshalb nicht unzulässig, weil die Ehefrau selbst klagen könnte. Die potentielle Leistungspflicht der Beklagten hängt von der Frage ab, ob sich im Rechtsverhältnis des Klägers zu der Beklagten der Beihilfeanspruch nach der BV Beihilfe 2000 oder der BV Beihilfe 2005 richtet. Materiell-rechtlich bestimmt sich diese Frage nach der Befugnis der Beklagten, gegenüber dem Kläger eine Leistungszusage abzuändern.

c)

Es kann offen bleiben, ob die unter a) vorgenommene Antragsauslegung die Klage gegenüber dem Antrag der ersten Instanz erweitert. Eine mögliche Klageerweiterung im Berufungsverfahren ist zulässig gem. §§ 533 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG, da sachdienlich und auf die Tatsachen zu stützen, die ohnehin zugrunde zu legen sind.

2.

Die Beihilfeansprüche des Klägers und seiner Ehefrau richten sich derzeit nach der BV Beihilfe 2000 und sind gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

a)

Die Beklagte ist aus der Beihilfezusage verpflichtet. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis am 30. Juni1993 durch die Vereinbarung vom 23. Dezember 1992 firmierte die Beklagte noch als B Stadtwerke AG. Die rückwirkend zum Jahr 2000 erfolgte Abspaltung des Betriebsteils "Verkehr" erfolgte durch Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG. Verpflichtungen aus zum Zeitpunkt der Ausgliederung bereits beendeten Arbeitsverhältnissen sind ausweislich des vorgelegten notariellen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 29. August 2000 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04. Juni 2007, Bl. 281 - 285) nicht ausdrücklich geregelt und insbesondere nicht auf die C Versorgungs GmbH übertragen worden.

Bei einer Ausgliederung bleibt der übertragende Rechtsträger Hauptschuldner all jener Verbindlichkeiten, die nicht dem übernehmenden Rechtsträger mit Vertrag oder Plan zugewiesen wurden (Lutter/Hommelhoff-Schwab UmwG 3. Aufl. § 133 Rz 20).

Übertragender Rechtsträger war die Beklagte. Sie ist daher Verpflichtete aus der Beihilfezusage.

b)

Die Beklagte war zumindest bis 31. Dezember 2005 (nur) verpflichtet, dem Kläger Beihilfe nach der BV Beihilfe 2000 zu gewähren. Es spielt keine Rolle, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits vor Inkrafttreten der BV Beihilfe 2000 am 24. Mai 2000 gem. § 5 der Betriebsvereinbarung beendet gewesen war.

Die im Streit stehende Beihilfe in Krankheitsfällen für einen Betriebsrentner und Familienangehörige zählt nicht zu den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Es handelt sich um keine Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung. Anknüpfend an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht setzt die betriebliche Altersvorsorge die Übernahme bestimmter biometrischer Risken voraus. Die Altersversorgung deckt das "Langlebigkeitsrisiko", die Hinterbliebenenversorgung ein Todesfallrisiko, die Invaliditätsversorgung einen Teil der Invaliditätsrisiken. Die Übernahme anderer Risiken wie etwa der Arbeitslosigkeit zählt nicht zur betrieblichen Altersversorgung. Auch das Krankheitsrisiko ist von den Versorgungsrisiken des Betriebsrentenrechts zu unterscheiden. Sozialversicherungsrechtlich handelt es sich um einen eigenständigen Versicherungszweig (BAG Urteil vom 12.12.2006 - 3 AZR 475/05 - zur Veröffentlichung anstehend; BAG Urteil vom 13.05.1997 - 1 AZR 75/97 - NZA 1998, 160). Die für das Betriebsrentenrecht entwickelten Anforderungen an die Änderung von Versorgungsregelungen gelten daher nicht für Beihilfeansprüche.

Der Kläger hat für sich und seine Ehefrau seit dem 24. Mai 2000 Beihilfeleistungen auf der Grundlage der BV Beihilfe 2000 gefordert und erhalten. Es ist für diesen Rechtsstreit nicht erheblich, dass auch die BV Beihilfe 2000 erst zu einen Zeitpunkt vereinbart wurde und eine frühere Betriebsvereinbarung ablöste, als der Kläger bereits aus dem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten ausgeschieden war. Ungeachtet der zwischen den Parteien umstrittenen Kompetenz eines Betriebsrats, Rechte und Pflichten solcher Mitarbeiter zu modifizieren, die bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in den Ruhestand getreten sind, ist zwischen den Parteien jedenfalls in Bezug auf die Beihilfeleistungen bis 31. Dezember 2005 eine wirksame Vereinbarung darüber zustande gekommen, dass sich der Beihilfeanspruch des Klägers und seiner Angehörigen nach der BV Beihilfe 2000 regelt. Der Kläger hatte durch das Beantragen und Entgegennehmen von Beihilfen seit Mai 2000 stillschweigend erklärt, dass er die in der BV Beihilfe 2000 geregelten Leistungsvoraussetzungen als verbindlich akzeptiert.

3.

Die Aufhebung der bisherigen Beihilferegelungen der BV Beihilfe 2000 durch die BV Beihilfe 2005 mit Wirkung ab 01. Januar 2006 ist im Verhältnis zu dem Kläger als ehemaligem Beschäftigten nicht wirksam. Sie wirkt nicht - auch nicht eingeschränkt - zu dessen Lasten.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebspartner durch Betriebsvereinbarungen nicht Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter begründen oder modifizieren, welche bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten sind (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 16.03.1956 - GS 1/55 - AP BetrVG § 57 Nr. 1; BAG Urteil vom 13.05.1997 - 1 AZR 75/97 - NZA 1998, 160). Ob an dieser im Schrifttum kritisierten Auffassung festzuhalten ist, kann wie in den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Juli 1998 und 12. Dezember 2006 (- 3 AZR 100/98 - NZA 1999, 444.; - 3 AZR 475/05 - zur Veröffentlichung anstehend) offen bleiben.

aa)

Geht man mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass die Betriebspartner keine Regelungskompetenz für Ansprüche der Betriebsrentner mehr haben, ändert sich mit deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Rechtsgrundlage der zugesagten Leistung. Der Ruheständler erwirbt einen schuldrechtlichen Anspruch, welcher der kollektivrechtlichen Zusage entspricht, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens galt (BAG Urteil vom 13.05.1997 - 1 AZR 75/97 - NZA 1998, 160).

Der Inhalt dieses schuldrechtlichen Anspruchs ist auslegungsbedürftig. Ein Beihilfeanspruch, dessen Voraussetzungen in einer Betriebsvereinbarung gleich lautend für aktive wie für ausgeschiedene Arbeitnehmer geregelt wurde, steht unter dem Vorbehalt einer späteren Änderung, wenn diese Änderung auch den noch im Berufsleben stehenden Arbeitnehmern zugemutet werden kann. Es handelt sich nicht um Ruhegeldansprüche, sondern um eine Leistung, welche in gleicher Weise auch aktiven Arbeitnehmern zusteht. Die begünstigten Arbeitnehmer können auch nach ihrem Ausscheiden nicht damit rechnen, besser als die aktive Belegschaft behandelt zu werden.

Es gilt eine sog. Jeweiligkeitsklausel, die nicht ausdrücklich erklärt werden muss. Der Besitzstand eines Betriebsrentners in Bezug auf seinen Beihilfeanspruch ist unsicherer als der in Bezug auf einen Versorgungsanspruch (BAG Urteile vom 13.05.1997 und 12.12.2006, a.a.O.).

Ein schuldrechtlicher Anspruch eines Betriebsrentners auf Gewährung von Beihilfe ist aber nur mit dem Vorbehalt belastet, dass der Arbeitgeber die Zustimmung zu einer Änderung der Beihilfebedingungen in einem Umfang erwarten darf, wie die Änderungen auch aktiven Arbeitnehmern zugemutet werden. Hierauf hat das Arbeitsgericht Wiesbaden bereits hingewiesen.

Die BV Beihilfe 2005 schafft erstmalig unterschiedliche Beihilfebedingungen für aktive und ausgeschiedene Arbeitnehmer:

Die Beihilfeberechtigung aktiver Arbeitnehmer bestimmt sich den Anlagen 1 und 2. Betriebsrentner sollen ausweislich § 4 nur Beihilfen nach Anlage 3 erhalten. Diese Beihilfesätze sind zumindest prozentual geringer als die den aktiv Beschäftigten gewährten Beihilfesätze.

Gemäß §§ 2, 3 BV Beihilfe 2005 erhalten nicht nur aktive Beschäftigte, sondern auch deren Angehörige bei Nichtüberschreiten bestimmter Einkommensgrenzen Beihilfe. Dies entspricht der früheren Berücksichtigungsfähigkeit entsprechend § 3 HBeihVO. Ob Witwen oder Witwer solcher Arbeitnehmer beihilfeberechtigt sind, welche als Beschäftigte versterben, ist unklar. Leistungen an Angehörige ehemaliger Beschäftigter werden nach § 4 Abs. 2 BV Beihilfe 2005 nicht mehr erbracht, d.h. diese Personen sind - anders als nach dem Regelungskonzept der auf der Hessischen Beihilfeverordnung fußenden BV Beihilfe 2000 - nicht mehr berücksichtigungsfähig. Eigene Beihilfeansprüche von Witwen und Witwern ehemaliger Beschäftigter werden völlig ausgeschlossen.

Der Kläger hat das in der Bekanntmachung der neuen Beihilferegelung durch die BV Beihilfe 2005 liegende Angebot der Beklagten auf inhaltliche Änderung der ihm zugesagten Beihilfe nicht angenommen. Er war nach dem vorstehend Ausgeführten auch nicht aufgrund der Jeweiligkeitsklausel verpflichtet, eine solche Änderung zu akzeptieren. Erwartet werden durfte nur ein Einverständnis mit solchen Änderungen, die auch für aktive Beschäftigte gelten.

bb)

Nimmt man entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, dass eine Betriebsvereinbarung auch wirksame Regelungen für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer treffen kann, so gilt die Zeitkollisionsregel: Eine neue Betriebsvereinbarung löst eine ältere auch dann ab, wenn die neue Regelung für die Arbeitnehmer ungünstiger ist (BAG Urteil vom 29.10.2002 - 1 AZR 573/01 - NZA 2003, 393; BAG Urteil vom 12.12.2006 - 3 AZR 475/05 - zur Veröffentlichung anstehend). Das Ablösungsprinzip ermöglicht jedoch nicht jeden Eingriff. Höherrangiges Recht darf nicht verletzt werden. Bei Eingriffen in Besitzstände sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BAG Urteil vom 28.06.2005 - 1 AZR 213/04 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 25).

Auch nach diesem Maßstab begegnet die BV Beihilfe 2005 rechtlichen Bedenken. Nach dem die Pensionäre betreffenden Inhalt der BV Beihilfe 2005 entfällt erstmalig und übergangslos die Berücksichtigungsfähigkeit von Angehörigen. Darüber hinaus ist auch die eigene Beihilfeberechtigung von Hinterbliebenen gestrichen worden. Bei unterstellter Notwendigkeit, die Beihilfeleistungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beklagten anzupassen, würden schon bei einheitlichen Änderungen für aktive und ausgeschiedene Arbeitnehmer die Betriebsrentner stärker belastet. Beihilfeleistungen bilden einen nicht unbedeutenden wirtschaftlichen Wert und beeinflussen auch die Entscheidung eines Arbeitnehmers, ob und ggf. in welchem Umfang er eine private Krankenzusatzversicherung abschließt. Für Betriebsrentner ist es schwieriger als für aktive Arbeitnehmer, Lücken im Krankenversicherungsschutz zu schließen. Durch die BV Beihilfe 2005 wird die aus Altersgründen ohnehin schon stärkere Belastung von Betriebsrentnern gegenüber den aktiven Arbeitnehmern nochmals verstärkt.

Offen bleiben kann, ob die Berechnung der Beklagten zutreffend ist, dass die Kürzung der Beihilfesätze die Rentner wegen ihres verhältnismäßig höheren Nettoeinkommens nicht belastet.

Bereits der Wegfall der Berücksichtigungsfähigkeit von Angehörigen, für welche bisher Beihilfe geleistet wurde, stellt einen erheblichen Einschnitt dar. Schließlich mussten die Betriebsrentner der Beklagten nach dem Inhalt der bisherigen Betriebsvereinbarungen auch nicht damit rechnen, dass ihre Beihilfeansprüche unter das Niveau der aktiven Beschäftigten sinken würden. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht am 12. Dezember 2006 ( 3 AZR 475/05 - zur Veröffentlichung anstehend.) entschiedenen Fall enthielten die vorhergehenden Betriebsvereinbarungen "Beihilfe" keinen Freiwilligkeitsvorbehalt. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sind bei der hier vorgenommenen hypothetischen Prüfung verletzt.

c)

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Wiesbaden war auf die Berufung des Klägers insoweit aufzuheben, als dieses davon ausgegangen ist, der Kläger könne einen Anspruch nicht mehr auf die BV Beihilfe 2000 stützen. Da zu Lasten des Klägers weder bei Annahme eines umgewandelten Individualanspruchs (aa) noch bei hypothetischer kollektivrechtlicher Regelungsbefugnis (bb) eine Änderung der Beihilfezusage durch die BV Beihilfe 2005 erfolgen konnte, hat diese für ihn keine Geltung erworben. Danach gilt die bisher nicht abgeänderte Regelung fort, dies ist die BV Beihilfe 2000.

Eine Änderung dieses Beihilfeanspruchs durch eine modifizierte Betriebsvereinbarung, beschränkt auf die Anlagen 1 und 2 der BV Beihilfe 2005, war nicht möglich.

Geht man mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass der schuldrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers mit dem Vorbehalt einer späteren Änderung entsprechend den kollektivrechtlichen Regelungen für die aktive Belegschaft belastet ist, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Vorbehalt sich bei einem nicht zumutbaren Änderungsangebot gewissermaßen automatisch auf die Änderungen beschränkt, die auch für die aktiven Arbeitnehmer gelten sollen. Eine derartige Auslegung der Willenserklärung würde voraussetzen, dass die Beklagte, wenn sie die Beihilfeberechtigung ihrer Pensionäre nicht wie durch die Anlage 3 der BV Beihilfe 2005 vorgesehen regeln konnte, zumindest nach den Bestimmungen für aktive Arbeitnehmer ändern wollte. Dies kann nicht unterstellt werden.

Die Beklagte hat in der Verhandlung am 06. Juni 2007 betont, dass die Summe sämtlicher Beihilfeaufwendungen begrenzt werden müsse und die mit der BV Beihilfe 2005 vorgenommene Unterscheidung zwischen aktiven und bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern als verhältnismäßig angesehen werde. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass die Beklagte an der mit dem Betriebsrat ausgehandelten Lösung insgesamt auch unter Einschluss der Betriebsrentner festhalten will, wenn diese und ihre Angehörigen die selben Leistungen erhalten müssen wie die aktiven Beschäftigten. Die BV Beihilfe 2005 ist nicht als Änderungsangebot an die Betriebsrentner auslegbar, dass diese Leistungen nach den Anlagen 1 und 2 erhalten sollen.

Unterstellt man eine Regelungsbefugnis der Betriebspartner in Bezug auf Beihilfeansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer, wäre von einer teilunwirksamen Betriebsvereinbarung auszugehen. Die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung hat die Unwirksamkeit aller Regelungen zur Folge, wenn der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (BAG Beschluss vom 21.01.2003 - 1 ABR 9/02 - NZA 2003, 1097). Ob dies für die Regelungen der Betriebsvereinbarung, welche die aktiven Arbeitnehmer betreffend zutrifft, kann dahinstehen. Eine ergänzende Auslegung der Betriebsvereinbarung mit Wirkung für die Betriebsrentner scheidet jedoch aus. Eine solche Regelung ist unter der Prämisse, dass den Betriebspartnern insoweit Regelungskompetenz zusteht, diesen zu überlassen.

III. (Freifahrtberechtigung)

Die Anschlussberufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Gewährung einer 9-Uhr-Fahrkarte ist nur teilweise erfolgreich.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war insoweit abzuändern, als die Beklagte auf den Hauptantrag verurteilt worden ist, eine Fahrkarte nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung "Freifahrt für Beschäftigte und Rentner" vom 18. Dezember 2002 (BV Freifahrt) zur Verfügung zu stellen.

Eine solche Fahrkarte kann nicht mehr ausgegeben werden. Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass sie die von der BV Freifahrt vorgesehenen Fahrkarten nach der Intervention des Regierungspräsidiums G von der C Verkehrsgesellschaft mbH nicht mehr erhält.

Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, dem Kläger die Kosten eines für jedermann erhältlichen 9-Uhr-Tickets - entsprechend dem Klageantrag bezogen auf das Jahr 2006 - zu erstatten. Dem Hilfsantrag war in Höhe der tatsächlichen Kosten einer solchen Fahrkarte stattzugeben.

Der Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung beruht auf einer Versorgungszusage, welche als Gesamtzusage erteilt wurde und die nach Ausgliederung der C Verkehrsgesellschaft mbH wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB anzupassen war.

1.

Dem Kläger stand bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu den Stadtwerken B AG zum 30. September 1993 ein Anspruch auf kostenlose Nutzung aller Busse in dem von seiner Arbeitgeberin betriebenen öffentlichen Nahverkehr zu. Dies ist durch die Ausscheidensvereinbarung vom 23. Dezember 1992 unter § 2 ausdrücklich geregelt worden (vgl. Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 7 d.A.).

a)

Bei der Freifahrtberechtigung handelt es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung gem. § 1 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz BetrAVG in Form einer Nutzungsleistung.

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung können auch in Sach- und Nutzungsleistungen bestehen. Es spielt keine Rolle, ob sie - in gleichem oder abweichendem Umfang - schon während der Aktivitätszeit erbracht und während dieser Zeit Lohnbestandteil sind (vgl. BAG Urteil vom 02.12.1986 - 3 AZR 123/86 - AP BGB § 611 Deputat Nr. 9: Hausbrandkohle, Energiebeihilfe; Höfer BetrAVG 9. Aufl., ART Rz 45).

Die trotz Übergangs in die Rente zustehende Freifahrtberechtigung ist zum Zwecke der Versorgung versprochen worden. Arbeitnehmer, die aus dem Dienst der B Stadtwerke AG in den Ruhestand wechselten, erhielten statt des bisherigen Dienstausweises eine sog. "Tank- und Fahrkarte" als Zeichen ihrer Berechtigung der kostenlosen Nutzung der Busse. Diese Leistung erfolgte auch aus Anlass des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch wurde durch den Beginn der Rente ausgelöst.

Die Einordnung einer solchen Leistung als betriebliche Altersversorgung hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber die Zusage nur für den Fall abgeben will, dass der Arbeitnehmer unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in die Rente wechselt und nicht als sog. Versorgungsempfänger ausscheidet. Dient die Leistung Versorgungszwecken, ist die Frage der etwaigen Unverfallbarkeit bei vorzeitigem Ausscheiden Rechtsfolge und nicht Tatbestandsvoraussetzung (vgl. Höfer BetrAVG 9. Aufl., ART Rz 45 ff., 48).

b)

Die Versorgungszusage beruht nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien auf einer mündlichen Gesamtzusage. Die B Stadtwerke AG hat ihren Arbeitnehmern durch inhaltlich gleich lautende Zusagen erklärt, dass diese im Fall ihres Wechsels aus dem aktiven Berufsleben in die Altersrente weiterhin zur kostenlosen Benutzung der vom Arbeitgeber betriebenen Busse berechtigt seien. Als Zeichen dieser Befugnis wurden den Betriebsrentnern der Tank- und Fahrausweis ausgestellt.

c)

Versorgungsverpflichtete ist die Beklagte.

Die Versorgungsverbindlichkeit ist anlässlich der Ausgliederung der Verkehrsbetriebe als C Verkehrsgesellschaft mbH durch den notariellen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 29. August 2000 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04.06.2007, Bl. 281 - 285) nicht auf diese übertragen worden. Nach dem oben unter II. 2. a) Ausgeführten ist Hauptschuldner die Beklagte.

2.

Die Freifahrtberechtigung war trotz ihrer Qualifizierung als Leistung der betrieblichen Altersvorsorge und ihrer Rechtsgrundlage in einer Gesamtzusage als vertraglichem Anspruch grundsätzlich abänderbar. Die mit der Betriebsvereinbarung vom 16. Dezember 2005 über einen Fahrtkostenzuschuss (BV Fahrkostenzuschuss) getroffenen Bestimmungen haben den Anspruch des Klägers jedoch nicht wirksam neu geregelt. Vielmehr kann der Kläger verlangen wirtschaftlich so gestellt zu werden, als sei die BV Freifahrt vom 18. Dezember 2002 noch für ihn maßgeblich.

a)

Von einem Arbeitgeber gewährte Nutzungsberechtigungen stehen grundsätzlich unter dem Vorbehalt ihrer Beschränkung oder Aufgabe.

Überlässt ein Arbeitgeber aktiven Beschäftigten wie Betriebsrentnern selbst hergestellte Produkte oder eigene Dienstleistungen kostenfrei oder gegen Vorzugspreise, ist dies meist mit der Vorstellung verbunden, dass die Leistung nur so lange erbracht wird, wie der Arbeitgeber sie ohne oder nur mit geringem Kostenaufwand anbieten kann. Dies führt zu dem in der Regel nicht ausdrücklich formulierten Vorbehalt, dass die Leistung eingestellt werden kann, wenn sie zu marktüblichen Preisen bei Dritten eingekauft werden müsste (vgl. BAG Urteil vom 02.12.1986 - 3 AZR 123/86 - AP BGB § 611 Deputat Nr. 9: Hausbrandkohle, Energiebeihilfe; BAG Urteil vom 07.09.2004 - 9 AZR 631/03 - NZA 2005, 1123: JahrCagen, Personaleinkauf; BAG Urteil vom 13.12.2006 - 10 AZR 792/05 - NZA 2007, 325: Flugvergünstigungen, Freiflüge; Hess. LAG Urteil vom 31.08.2005 - 6 Sa 1656 -n.v. zitiert nach juris: Flugvergünstigungen).

Ob dabei Betriebsrentner weitergehend als aktive Arbeitnehmer vor einer Leistungseinstellung geschützt werden müssen, braucht in diesem Rechtsstreit nicht entschieden zu werden.

b)

Die Beklagte hat nämlich Ende 2002 die Ausgliederung der C Verkehrsgesellschaft mbh mehr als ein Jahr nach der rückwirkend zum Jahr 2000 erfolgten Abspaltung im Verhältnis zu den Betriebsrentnern nur genutzt, um die durch die Fahr- und Tankkarte dokumentierte Freifahrtberechtigung durch eine kostenfrei zur Verfügung gestellte Fahrkarte zu ersetzen.

An diese durch die BV Freifahrt vom 18. Dezember 2002 geregelte Zusage ist sie gegenüber dem Kläger gebunden.

aa)

Es kann ausdrücklich offen bleiben, ob die Beklagte bei Voraussehbarkeit des Wegfalls der Möglichkeit zur kostenlosen Busbeförderung, wegen der nicht erfolgten Regelung der Freifahrtberechtigung der Pensionäre im Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 29. August 2000 und angesichts der durch § 6 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung Umstrukturierungsprozesse vom 28. Juli 2001 getroffenen Regelung, dass Sozialleistungen erhalten bleiben (vgl. Kopie als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 28.03.2006, Bl. 31 d.A.), berechtigt gewesen wäre, die Freifahrtberechtigung mit Wirksamwerden der Ausgliederung sofort und ersatzlos aufzuheben.

bb)

Der Anspruch des Klägers auf kostenlose Beförderung innerhalb des Tarifgebiets 65 A hat sich mit Wirkung ab 1.Januar 2003 verändert. Er konnte nur noch die Beförderung beanspruchen, die nach den Bedingungen eines 9-Uhr-Tickets zulässig ist.

Die BV Freifahrt hat für die Betriebsrentner allerdings keine unmittelbare Wirkung gem. § 77 Abs. 3 BetrVG erlangt. Zum einen fehlt es nach herrschender Meinung an einer Regelungskompetenz der Betriebspartner für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer (vgl. oben unter II. 3. a). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die vertraglichen Ansprüche der Rentner erstmals überhaupt durch eine Betriebsvereinbarung mit Wirkung ab dem 01. Januar 2003 geregelt werden sollten. Die von der Beklagten angeführten Gründe zur Wirksamkeit einer ablösenden Betriebsvereinbarung bei kollektivem Günstigkeitsvergleich (BAG, Großer Senat, Beschluss vom 16.09.1986 - GS 1/82 - NZA 1987, 168; BAG Urteil vom 10.12.2002 - 3 AZR 92/02 - NZA 2004, 271) treffen die Problematik nicht.

Entscheidend ist, dass der Kläger die in der BV Freifahrt niedergelegten Bedingungen zur kostenlosen Nutzung der Busse, wenn auch unter Vorbehalt, akzeptiert hat.

Bis 31. Oktober 2002 musste die Beklagte - bis auf den Verwaltungsaufwand - die Kosten der Freifahrtberechtigung ihrer Arbeitnehmer und Pensionäre nicht tragen. Die BV Freifahrt regelte zum ersten Mal die Anspruchsvoraussetzungen, nachdem die Beklagte die Beförderungsleistung, wenn auch zu Vorzugsbedingungen, selbst erwerben musste. Sie wurde notwendig, weil die C Verkehrsgesellschaft mbh nicht mehr bereit war, die ihr bei der Ausgliederung nicht zugewiesenen Betriebsrentner und die Beschäftigten der Beklagten kostenlos zu befördern.

Die Beklagte hat, nachdem sie die Freifahrtberechtigung ihrer aktiven und ausgeschiedenen Arbeitnehmer finanzieren musste, in Bezug auf die Pensionäre eine kostengünstige und vernünftige Lösung gewählt, indem sie dieser Personengruppe ein sog. 9-Uhr-Ticket angeboten hat. Ein 9-Uhr-Ticket ist gegenüber einer unbeschränkten Fahrtberechtigung kostengünstiger. Die Einsparung, die dadurch erzielt werden konnte, dass den Rentnern nur ein zeitlich beschränkter Fahrausweis zur Verfügung gestellt wurde, war erheblich und liegt, gemessen an den Preisen für 2006, bei etwa 20%. Bei pauschalierter Betrachtungsweise durfte man davon ausgehen, dass für eine nicht mehr berufstätige Person selten die zwingende Notwendigkeit besteht, vor 9.00 Uhr öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Diese im Einzelfall bestehende Beschränkung wurde durch die mit der eingeschränkten Fahrkarte erzielte Einsparung gerechtfertigt.

Der Kläger hat das ihm gemachte Angebot zur kostenfreien Nutzung der Busse auch ab dem 1. Januar 2003 akzeptiert. Dieses Angebot wurde ihm durch die Mitteilung der durch die BV Fahrkarte für Rentner getroffenen Regelung gemacht.

Der vom Kläger bei der Entgegennahme der 9-Uhr-Fahrkarte erklärte Vorbehalt bezog sich auf eine eventuelle Steuer- und Sozialversicherungspflicht, die er wegen der Eintragung des geldwerten Vorteils auf seiner Lohnsteuerkarte befürchtete. Dieses Risiko hat sich nicht realisiert. Die Parteien haben eine an § 313 Abs. 1 BGB orientierte Lösung der Weitergewährung der Nutzungsmöglichkeit gefunden.

c)

Entgegen der Ansicht der Beklagten muss der Kläger jedoch keine weitere Änderung seiner Nutzungsberechtigung durch Zahlung eines Eigenanteils hinnehmen, wie durch die BV Fahrtkostenzuschuss mit Wirkung ab 1. Januar 2006 vorgesehen.

Wie ausgeführt, fehlt es den Betriebsparteien nach herrschender Meinung an der Befugnis, durch eine Betriebsvereinbarung Rechte und Pflichten solcher Personen zu begründen oder zu modifizieren, die bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind (siehe oben unter II. 3. a)).

Selbst wenn man dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat eine solche Regelungskompetenz einräumt (vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG 23. Aufl. § 77 Rz 38 f.) müsste als Weiteres geprüft werden, ob und ggf. in welchem Umfang Leistungskürzungen vorgesehen werden dürften. Auch danach wäre die BV Fahrtkostenzuschuss hinsichtlich der Regelung für Betriebsrentner unwirksam. Dem Kläger ist eine Eigenbeteiligung nicht zuzumuten, da sie seine Versorgungszusage verschlechtert und er gegenüber den aktiven Arbeitnehmern schlechter gestellt würde.

Der Kläger hatte sich, nachdem der Beklagten die Beförderungsmöglichkeit von der C Verkehrsgesellschaft mbh nicht mehr völlig kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde, auf eine Lösung eingelassen, durch die ihm eine Sonderfahrkarte kostenlos als Ersatz angeboten wurde. Hierbei hat er eine geringfügige Einschränkung hinsichtlich der Nutzungszeiten akzeptiert.

Nachdem mit Beginn des 01. Januar 2006 die C Verkehrsgesellschaft mbh der Beklagten keine Fahrkarten zum Sonderpreis mehr verkaufte, ergab sich die Notwendigkeit einer neuen Regelung. Entsprechend § 313 Abs. 1 BGB hatten der Kläger und die Beklagte (bei schuldrechtlicher Betrachtungsweise) bzw. die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat (bei kollektivrechtlicher Betrachtung) eine Neuregelung zu finden.

Diese wäre für den Kläger und andere Ruheständler kostenneutral, wenn ihm statt der 9-Uhr-Sonderfahrkarte die Kosten für einen derartigen Fahrschein des Tarifgebiets ersetzt würden. Eine Beteiligung an den Kosten einer solchen Fahrkarte in Höhe von ca. 30% entspricht dagegen nicht mehr der Versorgungszusage auf eine kostenlose Beförderungsmöglichkeit. Die Verschlechterung ist deshalb unzumutbar, weil sie nur den Betriebsrentnern zugemutet wird, nicht aber den bis zum 31.12.2005 beschäftigten Arbeitnehmern der Beklagten. Diese erhalten den vollen Preis einer zeitlich unbeschränkt geltenden Fahrkarte ersetzt, obwohl die Beklagte seit dem Jahr 2000 den Busverkehr im Verkehrsverbund F-B nicht mehr selbst betreibt.

Der Kläger muss sich mit einer derartigen Verschlechterung seiner Versorgungszusage nicht einverstanden erklären. Geht man also entgegen der bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass eine Abänderung der Versorgungszusage durch Betriebsvereinbarung möglich wäre, so wäre der Eingriff wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unwirksam.

3.

Die Beklagte ist auf den Hilfsantrag zur Erstattung von € 465,60 zu verurteilen, Zug um Zug (§ 274 Abs. 1 BGB) gegen Vorlage einer auf den Kläger lautenden Quittung über den Erwerb einer 9-Uhr-Jahresfahrkarte für das Tarifgebiet 65 A.

Die Parteien haben in der Verhandlung vom 06. Juni 2007 unstreitig gestellt, dass der Preis eines 9-Uhr-Jahrestickets im Jahr 2006 € 465,50 betrug und nicht € 577,70, wie vom Kläger im Hilfsantrag angegeben. € 577,70 war der Preis eines zeitlich uneingeschränkt nutzbaren Jahresfahrscheins. In dem Umfang, in dem der Kläger irrtümlich mit dem Hilfsantrag einen über € 465,60 hinausgehenden Betrag gefordert hat, war die Klage abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und entspricht dem Verhältnis von Verlieren und Obsiegen der Parteien, wobei der Klageantrag zu 1., dem Arbeitsgericht Wiesbaden folgend, mit dem Wert einer Jahresfahrkarte angesetzt wurde, wobei auf Haupt- und Hilfsantrag je die Hälfte entfallen.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Fragen der Abänderbarkeit von Beihilfezusagen an Betriebsrentner sowie von Versorgungszusage auf Nutzungsberechtigung haben grundsätzliche Bedeutung. Weitere Verfahren ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten sind beim Arbeitsgericht Wiesbaden ausgesetzt.

Ende der Entscheidung

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