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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 2/1 Sa 554/08
Rechtsgebiete: AGG, ArbGG, SGB IX


Vorschriften:

AGG § 15
AGG § 22
ArbGG § 61 b
SGB IX § 81
SGB IX § 82
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 14. Dezember 2007 - 4 Ca 317/07 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Entschädigung zu zahlen hat, weil sie ihn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen seiner Behinderung benachteiligt hat.

Der Rechtsvorgänger der Beklagten betrieb bis zum 19. Dezember 2007 als nicht rechtsfähigen Eigenbetrieb das Zentrum für A. An diesem Tag wurde der bisherige Eigenbetrieb als gemeinnützige GmbH, dh. die Beklagte in das Handelsregister eingetragen. Bei der Beklagten sind durchschnittlich 9,76 % Arbeitsplätze mit behinderten Menschen besetzt (Bl. 72 d.A.). Der am 25. März 1962 geborene, verheiratete Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt bekommen. Er hatte seit Juli 2001 bei der von dem Rechtsvorgänger der Beklagten betriebenen Klinik für B in C als Krankenpfleger gearbeitet und am 28. September 2006 erfolgreich eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten der Prüfungsergebnisse und Prüfungsfächer wird auf die Kopie des Prüfungs- und Abschlusszeugnisses Bl. 15 f. d.A. Bezug genommen. In seiner Stellenbörse schrieb der Rechtsvorgänger der Beklagten die Stelle eines Bürokaufmanns/-frau/Verwaltungsangestellte/n am Standort D in der Personalabteilung us. als erforderlicher Berufsabschluss wurde der eines Bürokaufmanns/-frau genannt und die Einstellungsvoraussetzungen wie folgt beschrieben:

abgeschlossene kaufmännische Ausbildung

Erfahrungen/Vorkenntnisse im Bereich Personalwesen

theoretische und praktische EDV-unterstützte Kenntnisse (z.B. in MS-Office-Anwendungen, SAP/R 3).

Das Aufgabengebiet wurde wie folgt beschieben:

Personalsachbearbeitung und -führung

Anlegen, führen und verwalten von Personalakten

Rechnungsbearbeitung (hier möglichst SAP-Kenntnisse)

Allgemeiner Schriftverkehr für die Abteilung.

Das Monatsgehalt für diese Stelle betrug seinerzeit gemäß dem TVöD monatlich € 1.723,00 brutto. Mit Schreiben vom 3. April 2007 bewarb sich der Kläger um die Stelle. Wegen der Einzelheiten des Bewerbungsschreibens und der beigefügten Bewerbungsunterlagen wird auf Bl. 12-37 d. A. Bezug genommen. Der Rechtsvorgänger der Beklagten lehnte die Bewerbung des Klägers mit Schreiben vom 29. Mai 2007 mit dem Hinweis, dass die Stelle anderweitig besetzt worden sei, ab. Wegen des Wortlautes des Schreibens wird auf die Kopie (Bl. 38 d.A) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2007 verlangte die Prozessbevollmächtigte des Klägers von dem Beklagten eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund der bestehenden Schwerbehinderung. Der Kläger hat mit einem am 2. August 2007 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Klage auf Zahlung einer Entschädigung erhoben.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Gießen vom 14. Dezember 2007 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 87-90 d. A.).

Das Arbeitsgericht Gießen hat durch vorgenanntes Urteil der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, die Beklagte schulde dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von € 5.169,00. Die Klage sei zulässig und der Kläger habe auch Tatsachen vorgetragen, die vermuten lassen, dass er wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt worden sei. Der Beklagte als öffentlicher Arbeitgeber habe ihn entgegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Diese Tatsache sei geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen. Die Einladung sei auch nicht entbehrlich gewesen, denn dem Kläger fehle für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich die fachliche Eignung im Sinne des § 82 Satz 3 SGB IX. Ob ein Bewerber offensichtlich nicht die notwendige fachliche Eignung habe, sei anhand der für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen zu beurteilen. Nach der Stellenausschreibung seien Einstellungsvoraussetzungen die abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, Erfahrungen/Vorkenntnisse im Bereich Personalwesen sowie theoretische und praktische EDV-unterstützte Kenntnisse. Der Kläger verfüge über die geforderte kaufmännische Ausbildung. Im Rahmen seiner Ausbildung und bisherigen Berufstätigkeit sei er auch mit dem Bereich Personalwesen in Berührung gekommen. Ebenfalls verfüge er jedenfalls in Grundlagen über EDV-Kenntnisse. Daher sei davon auszugehen, dass ihm nicht offensichtlich die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle fehle, mag sie auch in Teilen zweifelhaft sein. Der Beklagte habe damit von einem Vorstellungsgespräch mit ihm nicht absehen dürfen, um ihm nicht die Chance zu nehmen, den Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen. Der Beklagte habe die Vermutung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung auch nicht entkräftet. Soweit er anführe, andere Bewerber seien besser geeignet gewesen, und deshalb scheide - wie aus der Rankingliste ersichtlich - eine Benachteiligung des Klägers aus, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn die bessere Eignung anderer Bewerber schließe eine Benachteiligung nicht aus. Soweit durch Festlegung des Anforderungsprofils und der Vergabe von Punkten eine Vorauswahl unter den Bewerbern vorgenommen worden sei, sei diese Vorgehensweise nicht geeignet, ausschließlich nicht auf die Behinderung bezogene, sachliche Gründe für die Nichtberücksichtigung des Klägers anzunehmen und die Vermutung seiner Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu widerlegen. Der Entschädigungsanspruch bestehe in Höhe von drei Monatsgehältern. Diese Entschädigungshöhe trage dem Umstand Rechnung, dass der Beklagte zukünftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und ihm ein Verstoß gegen die Förderpflicht von schwerbehinderten Menschen vorzuwerfen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 90-95 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die nunmehrige Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 11. März 2009 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie verfolgt ihr Begehren auf Klageabweisung teilweise unter Wiederholung und Ergänzung des erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie behauptet, dem Kläger fehle offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Er erfülle die geforderten Einstellungsvoraussetzungen nicht. Er habe keine Erfahrungen/Vorkenntnisse im Bereich des Personalwesens vorweisen können. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Bewerbungsunterlagen. Die Beklagte ist der Ansicht, die im Rahmen der Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten erworbenen theoretischen Kenntnisse würden nicht ausreichen. Darüber hinaus verfüge der Kläger auch nicht über die notwendigen theoretischen und praktischen EDV-Kenntnisse, insbesondere im Bereich SAP/R 3. Die Beklagte vertritt im Übrigen die Auffassung, ein Verfahrensfehler würde nicht ausreichen, um im Sinne von § 22 AG eine Benachteiligung vermuten zu lassen. Eine Begründung der Ablehnungsentscheidung gegenüber dem Kläger und der Schwerbehindertenvertretung sei nicht notwendig, da diese Pflicht aufgrund der Erfüllung der Beschäftigungspflicht nicht bestehe. Außerdem rügt sie, dass der Kläger - was unstreitig ist - 16 Verfahren über die Geltendmachung von Entschädigungen wegen Diskriminierung als Schwerbehinderter vor hessischen Arbeitsgerichten bzw. dem Hessischen Landesarbeitsgericht anhängig gemacht hat, was zeige, dass es ihm nur um die Zahlung von Entschädigungen gehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Geißen vom 14. Dezember 2007 - 4 Ca 317/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe, indem sie ihn weder zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen noch ihm eine begründete Absagemitteilung habe zukommen lassen, zweifach gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Ihm fehle nicht offensichtlich die fachliche Eignung für die Stelle. Er behauptet, über Vorkenntnisse im Bereich Personalwesen zu verfügen. Dies belege sein Abschlusszeugnis und weitere Arbeitszeugnisse. Außerdem sei er - was dem Grunde nach unstreitig ist - Schwerbehindertenvertreter und Wahlvorstandsmitglied gewesen und hieraus folge das Vorliegen von Erfahrungen im Bereich Personalwesen. Dies hätte er der Beklagten im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs mitteilen können.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 11. März 2009 (Bl.196 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Dezember 2008 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Gießen ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Die Beklagte hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung hat auch Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann von dem Beklagten nicht die Zahlung einer Entschädigung verlangen.

Die Klage ist - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - zwar zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu.

Der Anspruch folgt nicht aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 15 Abs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 2 SGB IX. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen.

Zwar hat der Kläger die für seinen Klageanspruch einzuhaltenden Ausschlussfristen der §§ 15 Abs. 4 AGG, 61 b Abs. 1 ArbGG beachtet.

§ 15 Abs. 4 AGG verlangt, dass der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht wird. Hierbei beginnt die Frist im Falle einer Bewerbung mit dem Zugang der Ablehnung zu laufen. Nach § 61 b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

Der Rechtsvorgänger der Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 2008 mitgeteilt, dass seine Bewerbung abschlägig beschieden worden ist. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2007 die Zahlung einer Entschädigung verlangt. Der Kläger hat sodann am 2. August 2008 Klage bei dem Arbeitsgericht eingereicht.

Nach dem Vorbringen des Klägers liegen jedoch - auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen des § 22 AGG - keine Tatsachen vor, die eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten vermuten lassen.

Nach § 81 Abs. 2 SGB IX darf der Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Anerkannt ist, dass als "schwerbehinderter Beschäftigter" im Sinne dieser Vorschrift auch schwerbehinderte Bewerber um einen Arbeitsplatz anzusehen sind (vgl. Sächsisches LAG vom 14. September 2005 - 2 Sa 279/05, LAGE § 81 SGB IX Nr. 6).

Im Rahmen einer Entschädigungsklage aufgrund einer Benachteiligung hat zunächst der Schwerbehinderte jedenfalls Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen einer Behinderung vermuten lassen. Stehen solche Indizien fest, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutze von Benachteiligungen vorgelegen hat.

Der Kläger hat sich hinsichtlich der Vermutung seiner Benachteiligung im Sinne von § 22 AGG auf die Tatsache der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch berufen.

Grundsätzlich ist die Verletzung der Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch eine Tatsache, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lässt (vgl. BAG vom 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 a.a.O.). Der öffentliche Arbeitgeber hat den sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen nach § 82 S. 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht besteht gemäß § 82 S. 3 SGB IX nur dann nicht, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Ein schwerbehinderter Bewerber muss bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Selbst wenn sich der öffentliche Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl kommt, muss er den schwerbehinderten Bewerber nach dem Gesetzesziel einladen. Der schwerbehinderte Bewerber soll den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, liegt darin eine weniger günstige Behandlung, als sie das Gesetz zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen nichtbehinderten Bewerbern für erforderlich hält. Der Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ist eine Benachteiligung, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht (vgl. BAG vom 16. September 2008 a.a.O. und vom 12. September 2006 a.a.O.).

Wer öffentlicher Arbeitgeber im Sinne des § 82 SGB IX ist, bestimmt sich nach § 71 Abs. 3 SGB IX. Gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX fallen hierunter jede sonstige Gebietskörperschaft und jeder Verband von Gebietskörperschaften.

Um einen solchen Verband von Gebietskörperschaften handelt es sich bei dem Rechtsvorgänger der Beklagten. Er ist gemäß § 3 des Gesetzes über die Mittelstufe der Verwaltung und den Landeswohlfahrtsverband Hessen (Mittelstufengesetz) ein Zusammenschluss der kreisfreien Städte und Landkreise in Hessen.

Ob ein Bewerber offensichtlich nicht die notwendige fachliche Eignung hat, ist anhand eines Vergleichs des für die zu besetzende Stelle bestehenden Anforderungs- mit dem Leistungsprofil des behinderten Bewerbers zu ermitteln. Die fachliche Eignung fehlt, wenn die für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen nicht erfüllt werden oder wenn der Bewerber nicht über die nach der Stelle geforderten ausreichenden praktischen Erfahrung verfügt (vgl. BAG vom 12. September 2006 a.a.O.; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 10. Aufl, § 82 Rn 6). Im Hinblick auf das geforderte Anforderungsprofil ist der öffentliche Arbeitgeber gehalten, dieses ausschließlich nach objektiven Kriterien festzulegen. Ansonsten würde der Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes das durch Art 33 Abs. 2 G gewährleistete Recht auf Zugang zu einem öffentlichen Amt einschränken, ohne dass dies durch Gründe in der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Bewerbers gerechtfertigt wäre. Daher ist es unzulässig, einen für die Art der auszuübenden Tätigkeit nicht erforderlichen Ausbildungsabschluss zu verlangen (vgl. BAG vom 12. September 2006 a.a.O.). Gleiches muss in Bezug auf geforderte praktische Fähigkeiten und Kenntnisse gelten, sofern sie für die auszuübende Tätigkeit nicht notwendig sind. Zwar muss der schwerbehinderte Bewerber bei der angestrebten Einstellung nicht bereits alle geforderten Kenntnisse und Erfahrungen besitzen, um sofort den Arbeitsplatz ausfüllen zu können. Allerdings muss der Stellenbewerber in der Lage sein, sich fehlende Kenntnisse und Erfahrungen in einer zumutbaren Einarbeitungszeit anzueignen. Dies kann in der Regel jedoch nicht angenommen werden, wenn er über überhaupt keine praktischen Berufserfahrungen verfügt und diese zulässiges Kriterium im Anforderungsprofil der Stelle sind.

Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze war der Rechtsvorgänger der Beklagten nicht gehalten, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Zwar handelt es sich bei ihm um einen öffentlichen Arbeitgeber im Sinne des Schwerbehindertenrechts. Allerdings fehlt dem Kläger offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle, so dass er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden musste.

Nach dem Stellenprofil für die zu besetzende Stelle Bürokaufmann/-frau/Verwaltungs€angestellte/n für die Personalabteilung am Standort D wurden neben einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung Erfahrungen/Vor€kenntnisse im Bereich Personalwesen sowie theoretische und praktische EDV-unterstützende Kenntnisse (z.B. in MS-Office-Anwendungen, SAP/R 3) verlangt. Zwar verfügt der Kläger über einen entsprechenden kaufmännischen Abschluss, nachdem er eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten erfolgreich abgeschlossen hat. Allerdings besitzt der Kläger ausweislich der seiner Bewerbung beigefügten Unterlagen über keine Erfahrungen bzw. Vorkenntnisse im Bereich Personalwesen. Bei diesem Stellenanforderungsmerkmal kann es sich nur um praktische berufliche Erfahrungen im Personalbereich handeln, denn theoretische und praktische Kenntnisse wie sie im Rahmen einer Ausbildung vermittelt werden, sind bereits von der Stellenanforderung der abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung erfasst. Über solche - die Ausbildungskenntnisse übersteigende - Erfahrungen verfügte der Kläger jedoch ausweislich der dem Rechtsvorgänger der Beklagten überlassenen Bewerbungsunterlagen nicht. Zwar hat er im Jahr 1979/1980 als Registrator in einer Gesundheitsabteilung der Landesversicherungsanstalt Hessen gearbeitet. Zu seinen Aufgaben gehörte jedoch lediglich das Ziehen und Ablegen von Akten sowie das Sortieren und Beifügen von Posteingängen und die Überwachung von Wiedervorlagen. Darüber hinaus war der Kläger - was verschiedenen Arbeitzeugnissen zu entnehmen ist - im Rahmen seiner krankenpflegerischen Tätigkeiten mit der Führung von Krankenunterlagen betraut. Selbstverständlich hat der Kläger auch im Rahmen seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Krankenpfleger mit Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet und wurde mit Verwaltungsarbeiten betraut. Seinem Vorbringen kann jedoch nicht entnommen werden, dass die von ihm gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse solche sind, die einer Beschäftigung in einer Personalabteilung gleichzusetzen sind. Die typischen Aufgaben eines mit der Personalsachbearbeitung und -führung betrauten Mitarbeiters erstrecken sich auf Aufgabenbereiche, die weit über die im kollegialen Umgang und der gemeinsamen Zusammenarbeit und Einarbeitung anderer Beschäftigter gewonnenen Erfahrungen hinausgehen. Die von dem Rechtsvorgänger der Beklagten für die ausgeschriebene Tätigkeit eines Sachbearbeiters in der Personalabteilung geforderten Erfahrungen im Bereich Personalwesen sind zur Ausübung der Tätigkeit eines Personalsachbearbeiters auch wesentlich und entscheidend. Ohne diese praktischen Erfahrungen in diesem Bereich müsste der Stelleninhaber über einen längeren Zeitraum intensiv eingearbeitet werden, um im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit sich erst diese zu Recht geforderten praktischen Fähigkeiten anzueignen und entsprechend zu qualifizieren. Es kann jedoch nicht beanstandet werden, wenn ein Arbeitgeber einen berufserfahrenen Mitarbeiter und nicht einen Berufungsanfänger, der nur über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, für eine zu besetzende Stelle sucht. Berufserfahrung ist ein anerkanntes, sinnvolles und nicht zu beanstandendes Anforderungsmerkmal.

Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang der Kläger im vorstehenden Sinne praktische Erfahrungen im Bereich Personalwesen durch eine Tätigkeit als Vertrauensmann der Schwerbehinderten und Vorsitzender des Wahlvorstands erlangt hat. Aus seinen Bewerbungsunterlagen geht nicht hervor, dass er die Ausübung dieser Funktionen überhaupt wahrgenommen hat. Im Hinblick auf die Feststellung der offensichtlichen Ungeeignetheit kann der Arbeitgeber jedoch grundsätzlich nur die Fakten heranziehen, die ihm im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zur Kenntnis gelangt sind.

Der Kläger kann sich zur Darlegung eines Bewerbungsverfahrensfehlers, der die Vermutung einer Benachteiligung indiziert, auch nicht auf den Umstand berufen, der Rechtsvorgänger der Beklagten habe ihm in dem Ablehnungsschreiben vom 29. Mai 2007 nicht die Gründe für die von ihm getroffene Entscheidung mitgeteilt.

Zwar sieht § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX vor, dass alle Beteiligten vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten sind. Diese Regelung bezieht sich aber - was sowohl aus ihrem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt - nur auf den Tatbestand des § 81 Abs. 1 S. 7 SGB IX und betrifft damit nur die Fälle, in denen der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 SGB IX genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden ist. Denn (nur) dann kommt es nach dieser Regelung zu einer Erörterung mit den Vertretungen unter Darlegung der Gründe, wobei der betroffene schwer behinderte Mensch nach § 81 Abs. 1 S. 8 SGB IX anzuhören ist. Anknüpfend an diese Erörterung und Anhörung entsteht für den Arbeitgeber die Unterrichtungspflicht nach § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX (vgl. Sächsische LAG vom 14. September 2005 a.a.O.).

Vorliegend bestand aufgrund des Umstandes, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten in dem Eigenbetrieb bereits die Beschäftigungsquote übererfüllt hat, keine Veranlassung zur Durchführung des Erörterungsverfahrens und mithin auch nicht zur Darlegung der Gründe seiner Entscheidung gegenüber dem schwerbehinderten abgelehnten Bewerber.

Damit liegen keine Bewerbungsverfahrensfehler vor, die eine Benachteiligung des Klägers im Bewerbungsverfahren vermuten lassen, mit der Folge, dass die Entschädigungsklage unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat als die im Rechtsstreit unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Für die Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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