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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 09.08.2002
Aktenzeichen: 2 AR 18/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 37
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts bei mehreren Parteien, die als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen, aber bei mehreren Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, ohne dass ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, kann nur durch die Klagepartei selbst, nicht aber durch das angerufene Gericht von Amts wegen durch Vorlage an das gem. § 37 Abs. 2 ZPO zuständige Obergericht gestellt werden (wie BGH Beschluss vom 07. März 1991 - 1 ARZ 15/91 - MDR 1991, 1199).
Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss

Az.: 2 AR 18/02

In dem Rechtsstreit

hat die Kammer 2 des Hessischen Landesarbeitsgerichts durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Koch als Vorsitzenden am 09. August 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Vorlage des Arbeitsgerichts Mainz gern, Abschnitt n des Beschlusses vom 15. Juli 2002 - 8 Ca 854/02 - an das Hessische Landesarbeitsgericht, das zuständige Gericht zu bestimmen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Klägerin schloss am 10. Oktober 2001 mit der Schuldnerin einen Arbeitsvertrag (AV, Bl. 4 - 10 d. A.), laut dessen § 1 Abs. 1 sie ab dem 15. Oktober 2001 für die Schuldnerin als "Key Account" für den Bereich "Pharma/Medical Gare" tätig sein sollte. Nach § 1 Abs. 3 AV sollte "Dienstsitz" ein "Home Office" in L sein. Mit Schreiben vom 21. Januar 2002 teilte die Schuldnerin der Klägerin mit, dass der Betrieb zum 1. Februar 2002 auf die Beklagte zu 2 übergehen werde, und bat die Klägerin zu erklären, ob sie mit dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses einverstanden sei (Bl. 14 d. A.). Die Klägerin stimmte mit Schreiben vom 28. Januar 2002 zu (Bl. 15 d. A.).Durch Beschluss des Amtsgerichts Korbach vom 1. Februar 2002 - 10 IN 108/01 - wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte zu 1 kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 28. Februar 2002, zugegangen am 4. März 2002 fristgerecht ordentlich zum nächstmöglichen Termin, spätestens zum 31. März 2002 (Bl. 13 d. A.). Die Beklagte zu 2 kündigte ein mit der Klägerin etwa bestehendes Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 9. April 2002 vorsorglich zum 15. April 2002 (Bl. 21 d. A.). Mit der am 22. März 2002 bei dem Arbeitsgericht Mainz eingereichten und dem Beklagten zu 1 am 3. April 2002 und der Beklagten zu 2 am 2. April 2002 zugestellten ursprünglichen Klage hat sich die Klägerin zunächst gegen die Kündigung vom 28. Februar 2002 gewandt.

Die Klägerin hat gemeint, das Arbeitsgericht Mainz sei Gerichtsstand des Erfüllungsorts und, nach Hinweis des Arbeitsgerichts, das sei deshalb so, weil die Beklagten notwendige Streitgenossen seien, da die Feststellung, dass ein Betriebsübergang stattgefunden habe, den Beklagten gegenüber nur einheitlich getroffen werden könne. Ein Antrag von ihrer Seite auf Feststellung des für beide Beklagten zuständigen Gerichts sei ihr unmöglich. Die Klägerin kündigt zuletzt die Sachanträge an,

festzustellen,

1. dass die Kündigung vom 28. Februar 2002 unwirksam ist;

2. dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen mit der Beklagten zu 2 fortgesetzt wird;

3. dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2 durch die Kündigung vom 9. April 2002 nicht beendet wird; gegen die Beklagte zu 2,

4. dass die Klägerin unter den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans der vom 26. Februar 2002 fällt und ihr 13,5 individuelle Punkte nach dem Punktesystems des Sozialplans zustehen, hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf die Beklagte zu 2 übergegangen oder vor dem 31. Mai 2002 beendet worden ist,

dass sie unter den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans der vom 26. Februar 2002 fällt und ihr 81 individuelle Punkte nach dem Punktesystems des Sozialplans zustehen.

Die Beklagten haben den Mangel der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgericht Mainz gerügt.

Die Klägerin hat für den Fall, dass das Arbeitsgericht Mainz sich nicht als gemeinsamer Gerichtsstand des Erfüllungsortes für beide Beklagten für örtlich zuständig halten sollte, die Trennung der Rechtsstreite gegen die beiden Beklagten und die Verweisung beider Rechtsstreite an die jeweils zuständigen Arbeitsgerichte Kassel und Marburg beantragt.

Das Arbeitsgericht Mainz hat sich mit Beschluss vom 15. Juli 2002 zu Abschnitt I für örtlich unzuständig erklärt und zu Abschnitt n die Akte dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorgelegt.

II. Die Vorlage des Arbeitsgericht Mainz an das Hessische Landesarbeitsgericht zur Bestimmung des gemeinsamen Gerichtsstandes gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist unzulässig. Die Sache ist dem Arbeitsgericht Mainz zur weiteren Bearbeitung zurückzugeben.

1. Zwar ist es richtig, dass die Bestimmung des zuständigen Gerichts, wenn mindestens zwei Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen, ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist, nur Gerichte für Arbeitssachen beteiligt sind und das gemeinsame zunächst höhere Gericht das Bundesarbeitsgericht wäre, durch das Landesarbeitsgericht erfolgt, § 36 Abs. 2 ZPO (BAG Beschl. v. 14.07.1998 - 5 AS 22/98 - NZA 1998, 1189, 1190). Nachdem das Arbeitsgericht Mainz mit dem Vorlagebeschluss zu Abschnitt I seine örtliche Zuständigkeit als gemeinsamer besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO unanfechtbar verneint hat und ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der Beklagten nicht ersichtlich ist, muss der Rechtsstreit gegen beide Beklagten vielmehr im allgemeinen Gerichtsstand fortgesetzt werden. Dieser ist für den Beklagten zu 1 Kassel, weil der Sitz der Schuldnerin, für die der Beklagte zu 1 als Partei kraft Amtes verklagt ist, gem. § 17 Abs. 1 ZPO im Bezirk dieses Arbeitsgerichts liegt, während allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten zu 2 nach ihrem Sitz gem. § 17 Abs. 1 ZPO Marburg ist.

Das Arbeitsgericht Mainz hat zu Unrecht angenommen, dass die Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts in diesem Fällen auch durch Vorlage des erstinstanzlichen Gerichts an das Landesarbeitsgerichts herbeigeführt werden kann. Während für den Fall des § 36 Abs. 1 Nr. ZPO, dass sich zwei Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, die Bestimmung durch das jeweils zuständige höhere Gericht auch ohne Antrag einer Partei allgemein für zulässig angesehen wird, kommt ein solches Vorgehen im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach dieser Norm setzt stets einen Antrag der Klägerin oder des Klägers voraus, weil die Interessenlage der Parteien in beiden Fällen unterschiedlich ist (BGH Beseht v. 7. März 1991-1 ARZ 15/91 - MDR 1991, 1199). Während im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die durch den negativen Kompetenzkonflikt hervorgerufene Hemmung des Verfahrens möglichst schnell auch von Amts wegen beseitigt werden soll, hat es im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO der Kläger selbst in der Hand, es dadurch, dass er die Beklagten getrennt in ihrem allgemeinen Gerichtsstand verklagt oder nach Hinweis den Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stellt, es gar nicht erst zu einem solchen Verfahrensstillstand in der Sache kommen zu lassen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, dem Klägerin die ihm eingeräumte Entscheidungsfreiheit aus der Hand zu nehmen. Wenn die Klägerin hier einen solchen Antrag nicht stellt, ihn sogar für "unmöglich" hält, hat das Arbeitsgericht, wie schon mit den Parteien erörtert, die die Beklagten jeweils betreffenden Teile der Klage zu trennen, § 145 ZPO, und nach dem Hilfsantrag der Klägerin an die jeweils örtlich zuständigen Arbeitsgerichte Kassel und Marburg zu verweisen.

2. Die Vorlage ist darüber hinaus auch deshalb unzulässig, weil das Hessische Landesarbeitsgericht nicht berufen ist, über einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in dieser Sache zu entscheiden. Zuständig gem. § 36 Abs. 2 ZPO wäre nämlich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in Mainz als das Landesarbeitsgericht, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht - das Arbeitsgericht Mainz - gehört. Falls also die Klägerin den Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO noch stellen würde, wäre dieser an das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zu richten.

III. Die Kosten dieses Beschlusses sind Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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