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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 1905/07
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 128
HGB § 160 Abs. 1 S. 2
HGB § 161
ZPO § 286
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 2
1. Die Frist für den Lauf der fünfjährigen Nachhaftung des ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschafters beginnt im Anschluss an die Entscheidung des BGH vom 24. September 2007, II ZR 284/05, BGHZ 174, 7-12, nicht erst mit der Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister, sondern mit Kenntnis des Gläubigers von diesem Umstand.

2. In dem Rechtsstreit konnte die beklagte ausgeschiedene ehemalige persönlich haftenden Gesellschafterin jedoch nicht beweisen, dass die Gläubiger (Arbeitnehmer des insolventen Arbeitgeberin) von ihrem Ausscheiden als persönlich haftende Gesellschafterin vor der Eintragung im Handelsregister in Kenntnis gesetzt worden sind.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagte zu 1) wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. August 2007 - 7 Ca 1803/06 - teilweise abgeändert.

Die Klage wird in Bezug auf die Beklagte zu 1) in Höhe von weiteren € 530,46 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Mai 2007 abgewiesen.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten gilt folgendes: Die Beklagte zu 1), der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) haben als Gesamtschuldner 70% und der Kläger 30% der Gerichtskosten zu tragen; von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) hat der Kläger 6% und von denjenigen des Beklagten zu 3) 19% zu tragen; von den außergerichtlichen Kosten des Klägers haben die Beklagte zu 1), der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) als Gesamtschuldner 35% zu tragen; weitere 35% der außergerichtlichen Kosten des Klägers habe die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) als Gesamtschuldner zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten gilt folgendes: Die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) haben als Gesamtschuldner die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um eine Haftung der Beklagten als ehemalige Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft.

Die Berufungsbeklagte (vormalige Beklagte zu 1) und Berufungsbeklagte zu 1), im Folgenden: Beklagte) und der vormalige Beklagte zu 2) und Berufungsbeklagte zu 2) (im Folgende: A) sowie der erstinstanzliche Beklagte zu 3) (im Folgenden: B) hatten nach dem Tod des C als Erbengemeinschaft mit B (erstinstanzlicher Beklagter zu 3) das langjährig bestehendes Handelsgeschäft des C fortgeführt. Die Beklagte ist die Witwe des C und Mutter von A und B. Mit notariellem Vertrag vom 10. Mai 2007 errichteten diese drei Personen mit Wirkung zum 31. Dezember 2000, 24.00 Uhr eine offene Handelsgesellschaft und brachten die bisherige Einzelfirma per 31. Dezember 2000, 24.00 Uhr darin ein. Mit Wirkung zum 1. Januar 2001, 0.00 Uhr schied A aus dieser offenen Handelsgesellschaft aus. Die Beklagten und B wandelten die offene Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft um, wobei B alleiniger Komplementär und die Beklagte alleinige Kommanditistin wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten der notariellen Vereinbarungen wird auf Bl. 86-94 d.A. Bezug genommen. Das Geschäft wurde unter der Firmierung C KG als Kommanditgesellschaft fortgesetzt. Das Ausscheiden der Beklagten und des A aus der offenen Handelsgesellschaft wurde ausweislich Bl. 32 d.A. am 23. August 2001 in das Handelsregister bei dem Amtsgericht Wiesbaden eingetragen verwiesen. Mit Vertrag vom 5. November 2004 schied B aus der C KG aus. Diese wurde sodann als GmbH & Co. KG fortgeführt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden - Insolvenzgericht - vom 1. April 2006 wurde über das Vermögen der C GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Nachfolgende Beschäftigte der Insolvenzschuldnerin, deren Arbeitsverhältnisse sämtlich vor dem 31. Dezember 2000 begründet worden sind, hatten aus der Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachfolgend aufgeführte Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin, wobei hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung der Forderung auf die Insolvenzgeldbescheinigung der Bundesagentur für Arbeit Bezug genommen:

D Nettoarbeitslohn € 1.326,65 (Bl. 35 f. d.A.)

E Nettoarbeitslohn € 1.826,51 (Bl. 38 f. d.A.)

F Nettoarbeitslohn € 1.699,16 (Bl. 41 f. d.A.)

G Nettoarbeitslohn € 1.200,00 (Bl. 49 f. d.A.)

H Nettoarbeitslohn € 1.930,09 (Bl. 52 f. d.A.)

I Nettoarbeitslohn € 2.621,80 (Bl. 56 f. d.A.)

J Nettoarbeitslohn € 3.893,22 (Bl. 61 f. d.A.).

Mit seiner Klage hat der Kläger nach § 160 HGB i.V.m. § 93 InsO die Zahlung vorstehen Verbindlichkeiten begehrt, wobei er für die Arbeitnehmerin I € 3.152,26 gefordert hat. Ferner hat er die Zahlung von € 21.336,87, die die ehemalige Arbeitnehmerin der Insolvenzschuldnerin K zur Insolvenztabelle angemeldet hatte sowie eine Forderung in Höhe von € 1.578,10, die die ehemalige Arbeitnehmerin L zur Insolvenztabelle angemeldet hatte, verlangt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sowie A und B hafteten nach § 160 HGB i.V.m. § 93 InsO für die Verbindlichkeiten, welche zum Zeitpunkt der Eintragung ihres Ausscheidens ins Handelsregister begründet waren persönlich. Entscheidender Zeitpunkt für den Beginn der Fünf-Jahresfrist sei der Zeitpunkt der Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister. Dies sei der 23. August 2001. Sämtliche geltend gemachten Verbindlichkeiten seien zum Zeitpunkt des Ausscheidens begründet gewesen.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. August 2007 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 346-353 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 15. August 2007 die Beklagte sowie A und B als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 16.605,89 nebst Zinsen zu zahlen sowie die Beklagte und A als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere € 15.000,00 nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat - soweit der Klage stattgegeben worden ist - angenommen, die Beklagten in ihrer jeweiligen Gesamtschuldnerstellung hafteten dem Kläger aus §§ 160, 128 HGB i.V.m. § 93 InsO. Die Beklagte und A hafteten als Gesamtschuldner als ehemalige Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft C OHG für die Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens bereits begründet waren. B hafte daneben ebenfalls gesamtschuldnerisch als ehemaliger Komplementär der C KG für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten. Nach § 93 InsO sei der Kläger als Verwalter der Insolvenzschuldnerin ermächtigt, die Forderungen der Gläubiger gebündelt einzuziehen. § 160 HGB erstrecke die Haftung für Verbindlichkeiten, die bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft begründet waren, sofern sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden und innerhalb dieser Frist bestimmte Unterbrechungstatbestände wie zum Beispiel eine gerichtliche Geltendmachung der Forderung eintreten. Die Voraussetzungen dieses Haftungstatbestandes sei in Bezug auf alle drei erstinstanzlichen Beklagten gegeben. Die Beklagte hafte hierbei nach § 160 Abs. 3 HGB als ehemalige Gesellschafterin, die anschließend Kommanditistin geworden ist in entsprechender Anwendung des § 160 Abs. 1 HGB. A hafte gemäß § 160 Abs. 1 HGB als Gesellschafter, der aus der Gesellschaft ausgeschieden sei und B als ausgeschiedener Komplementär der C KG ebenfalls nach § 160 Abs. 1 HGB. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen hafte der Komplementär einer Kommanditgesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern persönlich. § 160 Abs. 1 HGB erstrecke diese Haftung auf die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft für einen Zeitraum von fünf Jahren. Mit notarieller Urkunde vom 10. Mai 2001 hätten die Beklagten die Erbengemeinschaft nach dem Tode des C in eine offene Handelsgesellschaft zum Stichtag 31. Dezember 2000 umgewandelt und zum 1. Januar 2001 als Kommanditgesellschaft weiter geführt. B sei zwar als Gesellschafter aus der offenen Handelsgesellschaft ausgeschieden und die Beklagte sei ab diesem Zeitpunkt nur Kommanditistin der Kommanditgesellschaft gewesen. Damit hätten sie die Rechtsstellung innegehabt, die die Haftung aus §§ 160, 128 HGB fordere. Denn für eine juristische Sekunde seien sie Gesellschafter einer OHG gewesen, was auch die notarielle Urkunde vom 10. Mai 2001 eindeutig belege und entsprechend bei dem zuständigen Handelsregister angemeldet worden sei. Demgemäß hätten sie nach § 160 HGB für sämtliche Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt ihres Austritts bereits begründet waren, für die Dauer von fünf Jahren zu haften. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 HGB beginne die Frist mit dem Ende des Tages, an dem das Ausscheiden in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichtes eingetragen werde. Dies sei für die Beklagten und A der 23. August 2001 gewesen. Mit seiner bei Gericht am 22. August 2006 eingegangener Klage, welche am 30. August 2006 und somit demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden sei, habe der Kläger somit noch vor Beginn der Enthaftung die Ansprüche geltend gemacht. Auf die zeitliche Dauer der Stellung als Gesellschafter dieser offenen Handelsgesellschaft komme es für die Frage der Haftung nicht an. Das Gesetz mache insoweit keinen Unterscheid, ob es sich nur für einen kurzen oder für einen langen Zeitraum um eine Gesellschafterstellung handele. Deshalb würden die Beklagte und A und B in Höhe von € 15.027,79 für Lohnforderungen der Arbeitnehmer D, E, F, G, H, I und J haften. Sämtliche geltend gemachten Ansprüche dieser Arbeitnehmer seien vor dem Ausscheiden als Gesellschafter der OHG im Sinne des § 160 HGB begründet worden. Denn sämtliche Arbeitsverhältnisse hätten bereits vor dem 10. Mai 2001 bzw. vor dem 23. August 2001 bzw. vor dem 05. November 2004 bestanden. Rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten seien im Sinne des § 160 HGB begründet, wenn der Vertrag vor dem Ausscheiden abgeschlossen worden sei und sich daraus ohne Hinzutreten weiterer Abreden zwischen Gläubiger und OHG die Verpflichtung der OHG ergeben habe. Bei Dauerschuldverhältnissen sei die Rechtsgrundlage für die einzelnen Schuldverpflichtungen bereits in dem Vertrag selbst angelegt. Deshalb seien derartige Verpflichtungen bereits mit Vertragsabschluss im Sinne von § 160 HGB begründet, auch wenn die weiteren Voraussetzungen ihres Entstehens erst später erfüllt werden. In einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis wie dem Arbeitsverhältnis verpflichte sich der Arbeitnehmer zu Leistungen im Vertrauen darauf, dass die Gegenleistung ebenfalls auf Dauer erbracht werde. Folglich sei jede aus einem vor dem Austritt abgeschlossenen Dauerschuldvertrag resultierende Einzelverbindlichkeit eine Altverbindlichkeit, die den ausgeschiedenen Gesellschafter treffe. Sämtliche geltend gemachten Nettolohnforderungen seien auch binnen der Fünf-Jahresfrist fällig geworden. Aufgrund der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit seien die geltend gemachten Forderungen nach § 187 Abs.3 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen und mit Eröffnung des Insolvenzverfahren nach § 93 InsO auf den Kläger. Aus den vorgelegten Insolvenzgeldbescheinigungen der Bundesagentur für Arbeit ergäben sich die geleisteten Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit an die Arbeitnehmer. Hieraus errechne sich ein Gesamtbetrag in Höhe von € 15.027,79. Darüber hinaus hafteten die Beklagten zu 1) bis 3) für eine Forderung in Höhe von € 1.578,10 der Arbeitnehmerin L. Diese habe in der Zeit vom 6. November 1967 bis 31. August 1988 in einem Arbeitsverhältnis bei der C e.K. gestanden. In dieser Zeit leistete die C e.K. eine betriebliche Altersvorsorge in Form von Beiträgen zu einer Lebensversicherung. Diese sei zum 1. Dezember 2004 fällig geworden. Die Insolvenzschuldnerin habe jedoch nicht den vollen Betrag von € 2.678,10 an die Arbeitnehmerin L weitergeleitet, sondern einen Betrag in Höhe von € 1.578,10 einbehalten. Auch bei dieser Forderung handele es sich um eine bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Gesellschafter "begründete" Verbindlichkeit im Sinne des § 160 HGB, für welche die Beklagten als ausgeschiedene Gesellschafter der Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Versorgungsschuldnerin hafteten. Auch Versorgungsansprüche würden bereits mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages begründet, auch wenn der Versorgungsfall erst nach dem Ausscheiden der Gesellschafter eintrete. Darüber hätte die Beklagten und A für einen Betrag in Höhe von € 15.000,00 ebenfalls als ehemalige Gesellschafter der C OHG dem Kläger gegenüber einzustehen. Hierbei handele es sich um einen nach § 93 InsO übergegangenen Anspruch der ehemaligen Arbeitnehmerin K aus einem gerichtlichen Vergleich vom 1. Juni 2005. Diese sei seit einem Zeitpunkt vor dem 23. August 2001 bei der Insolvenzschuldnerin als Arbeitnehmerin bis zum 31. Juli 2005 beschäftigt gewesen. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses habe eine betriebliche Altersvorsorge in Form einer Lebensversicherung bestanden. Die Beklagte und A hafteten für die nicht voll weiter geleitete Lebensversicherungssumme in Höhe von € 15.000,00. Auch hierbei handele es sich um einen Schadensersatzanspruch statt dem eigentlichen Leistungsanspruch, dennoch aber um eine bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft begründete Verbindlichkeit. An der Bewertung, dass es sich um eine Altverbindlichkeit im Sinne des § 160 HGB handele, ändere auch die Tatsache, dass am 1. Juni 2005 eine neue Zahlungsgrundlage, nämlich ein gerichtlicher Vergleich geschaffen worden sei, nichts. Denn Grundlage sei letztlich die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses monatlich erarbeitete betriebliche Altersvorsorge, für welche die ehemaligen Gesellschafter hafteten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 353-364 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 21. November 2007 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichtes mit einem am 18. Dezember 2007 eingegangen Schriftsatz Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer Berufung beantragt. Nach Zugang des die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses vom 13. März 2008 am 8. April 2008 hat sie mit einem beim Berufungsgericht am 21. April 2008 nebst Anlagen eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. A hat die von ihm eingelegte Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden am 15. Oktober 2008 zurückgenommen. Die Beklagte vertritt die Ansicht, aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beginn der fünfjährigen Haftungsfrist des § 160 HGB für die streitgegenständlichen Ansprüche nicht mehr zu haften. Maßgeblich für das in Gang setzen der Frist sei nunmehr der Zeitpunkt, zu dem den Arbeitnehmern ihr Ausscheiden aus der OHG als persönliche haftende Gesellschafterin und ihr Eintritt in die Kommanditistenstellung der KG bekannt geworden sei. Sie behauptet, unmittelbar nach der Beurkundung am 10. Mai 2001 habe B im Betrieb eine Betriebsversammlung einberufen und bekannt gegeben, dass er nunmehr im ehemaligen väterlichen Betrieb "Herrscher aller Reußen" sei, A ganz ausgestoßen und die Beklagte als Kommanditistin ohne weitere Befugnisse herabgestuft worden sei. An der Betriebsversammlung, die in dem Verwaltungsbüro durchgeführt worden sei, hätten auch die Beschäftigten D, E, F, G, H, I, L, K und der Beschäftigte J teilgenommen. Im Übrigen bestreitet die Beklagte nach wie vor, überhaupt in einer eine persönliche Haftung begründenden Gesellschafterstellung gewesen zu sein und dass die streitgegenständlichen Forderungen rechtzeitig entstanden seien. Die Nettolöhne der von dem Kläger benannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - deren Höhe sie mit Nichtwissen bestreitet - aus den Jahren 2005 und 2006 seien erst nach ihrem Ausscheiden aus der angeblichen Gesellschafterposition entstanden. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. August 2007 - 7 Ca 1803/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen und ihr wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungfrist Wiedereinsetzung in den vollen Stand zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

die Berufung und den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er behauptet, die Beschäftigten, die Anspruchsinhaber der streitgegenständlichen Zahlungsforderungen gewesen seien, hätten nicht vor dem 23. August 2001 positive Kenntnis vom Ausscheiden der Beklagten aus der OHG gehabt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des A als Zeugen und der K als Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 2009 (Bl. 846-849 d.A.) verwiesen. Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 15. Oktober 2008 (Bl. 802 f. d.A.) und vom 18. Februar 2009 (Bl. 846-849 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. August 2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Wegen der Versäumung der Berufungsfrist (§ 66 Abs. 1 ArbGG) ist der Beklagten auf ihren form- und fristgerecht eingereichten Antrag hin Wiedereinsetzung zu gewähren (§ 233 ZPO). Die Beklagte hat rechtzeitig innerhalb der Berufungsfrist einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt und rechtzeitig innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nach Zugang des die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses Berufung eingelegt und diese mit der Einlegung begründet. Die Berufung hat jedoch im Wesentlichen keinen Erfolg. Die Beklagte schuldet gesamtschuldnerisch mit A und B dem Kläger Zahlung in Höhe von € 16.075,53 sowie gesamtschuldnerisch mit A weitere Zahlung von € 15.000,00. Lediglich in Höhe von € 530,46 ist die Klage unbegründet. Das Berufungsgericht folgt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den im Wesentlichen zutreffenden Gründen des Arbeitsgerichts, das auf sämtliche ernsthaft in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte eingegangen ist. Das Berufungsgericht kann daher insoweit zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug nehmen. Im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten im zweiten Rechtszug, auf die Abweisung der Zahlungsklage in Höhe von € 530,46 und die durchgeführte Beweisaufnahme ist noch Folgendes auszuführen.

Auch wenn das Berufungsgericht der vom Wortlaut des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB abweichenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beginn der Nachhaftungsfrist des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB folgt, dass in den Fällen, in denen die Gesellschaftsgläubiger positive Kenntnis vom Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft haben, der Lauf der fünfjährigen Enthaftungsfrist beginnt, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister ankommt (vgl. BGH vom 24. September 2007 - I ZR 284/05, BGHZ 174, 7 = EzA § 160 HGB Nr. 2), bleibt die Berufung im Wesentlichen erfolglos.

Die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte konnte ihre Behauptung nicht beweisen, dass die Beschäftigten D, E, F, G, H, I, L, K und der Beschäftigte J vor dem 23. August 2001 positive Kenntnis von dem Umstand ihres Ausscheidens als persönlich haftende Gesellschafterin hatten.

Eine entsprechende Information der Mitarbeiter - sei es im Rahmen einer Betriebsversammlung, sei es im Rahmen von Einzelgesprächen - steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest. Der Zeuge A konnte glaubhaft nur bestätigen, dass sein Bruder B die Mitarbeiter in einer Besprechung über sein Ausscheiden aus der Gesellschaft informiert haben soll, was ihm von Teilnehmern der Besprechung berichtet worden sei. Selbst teilgenommen habe er an dieser Besprechung nicht. Deshalb konnte er auch zu deren weiteren Inhalt keine Aussage machen. Insbesondere wusste er nicht, welche Informationen in Bezug auf seine Mutter dort überhaupt und an welche Teilnehmer der Besprechung weitergeleitet worden sind.

Auch die Vernehmung der präsenten Zeugin K hat nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts belegt, dass die Beschäftigten D, E, F, G, H, I, L, K und der Beschäftigte J vor dem 23. August 2001 positive Kenntnis von dem Umstand des Ausscheidens der Beklagten als persönlich haftende Gesellschafterin hatten. Die Zeugin K hat lediglich ausgesagt, von ihren Mitarbeitern - wozu sie die Beschäftigten M, I, N und O zählte - sei sie in Kenntnis gesetzt worden, dass den Mitarbeitern gesagt worden sei, ihrer Schwiegermutter dürften keine Informationen mehr gegeben werden. Sie hat mehrfach bestätigt, keine weitergehenden Informationen über das, was in Bezug auf die Beklagte gesagt worden sei, erhalten zu haben. Soweit sie bekundet hat, den Leuten sei gesagt worden, die Beklagte sei aus Alters- oder sonstigen Gründen aus der Firma ausgeschieden, belegt dies ohne nähere Darlegung der Umstände einer solchen Erklärung nicht, dass die Beschäftigten D, E, F, G, H, I, L, K und der Beschäftigte J vor dem 23. August 2001 positive Kenntnis von dem Umstand des Ausscheidens der Beklagten als persönlich haftende Gesellschafterin hatten. Selbst in Bezug auf ihre eigene Person konnte die Zeugin K nicht einmal sicher sagen, wann sie erfahren habe, dass ihre Schwiegermutter nicht mehr in die Firma konnte. Darüber hinaus belegt diese Formulierung - vor dem Hintergrund der ausführlichen Schilderung, welche Bedeutung die Untersagung der weiteren Mitarbeit für ihre Schwiegermutter in dem Familienunternehmen vor dem Hintergrund ihrer fortbestehenden gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit hatte - nicht einmal, dass die Zeugin K selbst über die gesellschaftsrechtlichen Wirkungen der Veränderungen vor dem 23. August 2001 in Kenntnis gesetzt war. Noch weniger kann ihrer Aussage entnommen werden, dass die Beschäftigten, deren Forderungen auf den Kläger übergegangen sind, von dem Umstand des Ausscheidens der Beklagten aus ihrer Stellung als persönlich haftende Gesellschafterin vor dem 23. August 2001 Kenntnis hatten.

Die Kammer hat an dem Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugin K und des Zeugen A keine Zweifel. Beide hinterließen bei dem Berufungsgericht den Eindruck von redlich um Wahrheit bemühten Zeugen. Sie haben die Bedeutung der seinerzeitigen Veränderungen in dem vom Vater bzw. Schwiegervater gegründeten Familienunternehmen für die Mutter bzw. Schwiegermutter - die Beklagte - geschildert, ohne letztlich zum Beweisthema etwas Konkretes sagen zu können. Insbesondere die von der Beklagten behauptete Mitarbeiterbesprechung am 10. Mai 2001 im Verwaltungsbüro, an der alle Mitarbeiter teilgenommen haben sollen, war ihnen beiden in dieser Form nicht bekannt.

Konnte die Beklagte demnach nicht beweisen, dass die Beschäftigten D, E, F, G, H, I, L, K und der Beschäftigte J vor dem 23. August 2001 positive Kenntnis von dem Umstand ihres Ausscheidens als persönlich haftende Gesellschafterin hatten, begann die Frist des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB erst mit der Eintragung der gesellschaftsrechtlichen Veränderungen im Handelsregister am 23. August 2001.

Insoweit hat - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - der Kläger die Frist mit seiner am 22. August 2001 bei dem Arbeitsgericht eingereichten Zahlungsklage gewahrt und die Beklagte haftet für Ansprüche aus den aus der Zeit vor ihrem Ausscheiden aus der OHG begründeten Arbeitsverhältnissen.

Lediglich in Höhe von € 530,46 nebst Zinsen ist die Klage unbegründet, so dass die Berufung insoweit Erfolg hat.

Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit ist für die Mitarbeiterin I nur Insolvenzausfallgeld in Höhe von € 2.621,80 gezahlt worden (Bl. 56 d.A.). Weitergehende Zahlungen an diese Mitarbeiterin hat der Kläger nicht dargelegt, so dass auch nur in dieser Höhe die Ansprüche der Bundesagentur auf ihn übergangen sind.

Im Hinblick auf die Berufungsrücknahme des vormaligen Beklagten zu 2) und den teilweisen Erfolg der Berufung folgt die Kostenentscheidung für die erste Instanz aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4 ZPO; die Parteien haben die Kosten gemäß dem Verhältnis ihres Obsiegens zu ihrem Unterliegen zu tragen. Für die zweite Instanz beruht die Kostenentscheidung auf §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 4 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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