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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 09.10.2008
Aktenzeichen: 20 Sa 1735/07
Rechtsgebiete: BGB, Lohnrahmentarifvertrag für die Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessen


Vorschriften:

BGB § 315 Abs. 3
BGB § 611
Lohnrahmentarifvertrag für die Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessen vom 15. Januar 1982
1. Ein Anspruch auf die Zahlung einer Leistungszulage nach § 7 Ziff. 3 des Lohnrahmentarifvertrags für Arbeiter in der Eisen,- Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 15. Januar 1982 setzt die vorherige Vornahme einer Leistungsbeurteilung nach den tariflichen Vorgaben voraus.

2. Ist eine solche nie erfolgt, kann der Arbeitgeber nicht aufgrund gerichtlicher Bestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2, letzter Hs. BGB zur Zahlung einer Leistungszulage an den dem Tarifvertrag unterfallenden Arbeiter verurteilt werden. Der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 Satz 2, letzter Hs. BGB ist nicht eröffnet, weil Leistungsbeurteilungen keine Ermessensausübung, sondern eine Tatsachenbeurteilung zugrunde liegt und weil die Parteien nach der konkreten tariflichen Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens nicht unmittelbar der richterlichen Schlichtung durch Ersatzleistungsbestimmung unterworfen sind.

3. Die in der Berufungsinstanz vom Berufungsbeklagten erstmals hilfsweise auf eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers gestützte Begründung der Klage aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes stellt eine Klageänderung i.S.d. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 533 ZPO, 67 ArbGG dar, die der Anschlussberufung nach § 64 Abs. 6 ArbGG, 524 ZPO nicht bedarf, wenn der Berufungsbeklagte mit der Klageänderung nicht mehr als die Zurückweisung der Berufung erreichen will.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 24. Oktober 2007 - 1 Ca 247/07 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch der klägerischen Partei im Zusammenhang mit einer nicht ausgezahlten Leistungszulage.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Elektroindustrie in der Rechtsform der GmbH & Co KG mit mehr als zehn vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ausschließlich Auszubildenden. Die klägerische Partei ist bei der Beklagten seit dem 04. Juli 1988 als gewerbliche Arbeitnehmerin beschäftigt. Sie ist Mitglied der A.

Unter dem 20. März 1997 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 12 - 15 d.A.). Dieser regelt unter Ziff. 2 auszugsweise

" Als Vergütung erhält B nach der derzeitigen tariflichen Regelung einen Bruttomonatslohn bei 152,25 Std. DM 2.650

(...)

Bei der übertariflichen Zulage handelt es sich um eine freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerrufliche Leistung, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Diese Leistung kann auch jederzeit ganz oder teilweise anlässlich von tariflichen Veränderungen und tariflichen Höher-, Herab- oder Umgruppierungen angerechnet werden (...)"

Unter Ziff. 14 des Vertrags ist geregelt, dass im Übrigen die Bestimmungen der Tarifverträge der Eisen-, Metall und Elektroindustrie des Landes Hessen in der jeweils gültigen Fassung gelten. Die Beklagte war bereits bei Beginn des Arbeitsverhältnisses und bei Abschluss des Arbeitsvertrags Vollmitglied des Arbeitgeberverbandes der hessischen Metallindustrie, bis sie im Juni 2003 in eine OT Mitgliedschaft wechselte. Zu diesem Zeitpunkt betrug das tarifliche Grundgehalt in der Lohngruppe 2, in die die klägerische Partei eingruppiert war, 1510,32 EUR brutto. Die Beklagte zahlte ihr monatlich 1632,15 EUR brutto.

§ 7 Ziff. 3 des Lohnrahmentarifvertrags für Arbeiter in der Eisen,- Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 15. Januar 1982 (künftig: LRTV) lautet:

"Zeitlohnarbeiter haben je nach Beurteilung ihrer Leistung einen persönlichen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Leistungszulage auf den Grundlohn ihrer Lohngruppe.

Die Leistungszulage je Stunde muß im Durchschnitt aller Zeitlohnarbeiter des Betriebs mindestens 13 % des tariflichen Zeitgrundlohns (Tabellenlohn) betragen. (...)"

Die "Gemeinsamen Erläuterungen zu § 7" vom 15. Januar 1982 stellen hierzu klar:

"Aus der Formulierung, dass je nach Beurteilung der Leistung ein persönlicher Rechtsanspruch auf Gewährung einer Leistungszulage besteht, kann nicht abgeleitet werden, dass jeder Zeitlohnarbeiter eine Leistungszulage zu beanspruchen hat. Maßgebend für die Gewährung ist die Beurteilung entsprechend der betrieblich festgelegten bzw. vereinbarten Verfahren gem. der Ziff. 7 oder 8. (...)"

§ 7 Ziff. 5 LRTV regelt, von welchen Beurteilungsmerkmalen bei der Beurteilung der persönlichen Leistung auszugehen ist und nennt insofern die Grundmerkmale Arbeitsergebnis, Arbeitsausführung, Arbeitseinsatz und Arbeitssorgfalt, die jeweils Untermerkmale enthalten.

§ 7 Ziff. 6 LRTV bestimmt, dass die Leistung summarisch oder analytisch beurteilt werden kann. Bei summarischer Prüfung erfolgt die Beurteilung gem. § 7 Ziff. 7 LRTV global unter Beachtung der Bewertungsmerkmale des § 7 Ziff. 5 LRTV. Die Festlegung des Bewertungsverfahrens erfolgt dabei gem. § 7 Ziff. 7 Abs. 2 LRTV unter beratender Mitwirkung des Betriebsrats. Für den Fall, dass sich der Arbeitgeber für die analytische Bewertung entscheidet, sieht § 7 Ziff. 8 LRTV vor, dass zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung die Bewertungsmerkmale auf Basis der in § 7 Ziff. 5 LRTV festgelegten Bewertungsmerkmale bestimmt und u.a. die Punktzahl der einzelnen Bewertungsmerkmale und deren Gewichtung zueinander festgelegt werden. § 7 Ziff. 9 LRTV regelt, dass die Beurteilung der Leistung und die Festlegung der Geldbeträge oder Prozentsätze der Leistungszulage sowohl in den Fällen der summarischen als auch in denen der analytischen Bewertung dem Arbeitgeber obliegen. Erhebt der Arbeitnehmer gegen seine Beurteilung nach § 7 Ziff. 11 LRTV binnen einer Woche Einspruch, ist dieser von der gem. § 7 Ziff. 13 LRTV einzurichtenden paritätische Kommission zu prüfen. Kommt es trotz deren Einschaltung nicht zu einer Einigung, steht der Rechtsweg offen, § 7 Ziff. 13 Abs. 3 LRTV.

Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Bei ihr wurde weder ein Bewertungsverfahren nach § 7 Ziff. 7 LRTV festgelegt noch eine Betriebsvereinbarung i.S.d. § 7 Ziff. 8 LRTV geschlossen. Leistungsbeurteilungen sind nie erfolgt und Leistungszulagen werden nicht gezahlt.

Mit Schreiben vom 08. Dezember 2006 (Bl. 4 d.A.) ließ die klägerische Partei durch ihre Gewerkschaft schriftlich einen Anspruch auf die Zahlung einer Leistungszulage in Höhe von 13 % ihres jeweils gültigen Tarifentgelts geltend machen, konkret für die Monate September bis November 2006 jeweils 209, 41 EUR brutto.

Die klägerische Partei hat zunächst mit am 12. Juli 2007 bei Gericht eingegangener, der Beklagten am 18. Juli 2007 zugestellter Klage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2094,10 EUR brutto als Leistungszulage für die Zeit von September 2006 bis Juni 2007 zu zahlen. Diesen Betrag hat sie durch teilweise Klagerücknahme mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2007, der Beklagten am gleichen Tag im Kammertermin übergeben, auf 1963,40 EUR brutto reduziert, nämlich auf einen monatlichen Betrag in Höhe von 196, 34 EUR brutto für die Monate von September 2006 bis Juni 2007.

Die klägerische Partei hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für die Zeit von September 2006 bis einschließlich Juni 2007 gem. § 7 Ziff. 3 LRTV monatlich eine Leistungszulage in Höhe von mindestens 13 % ihres jeweils gültigen tariflichen Bruttogehalts zu, mithin insgesamt 1963,40 EUR brutto (10 x 196,34 EUR brutto). Eine Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Leistungszulage durch die Beklagte sei nicht möglich, weil die vertragliche Anrechungsklausel auf den Fall der Veränderung der tariflichen Eingruppierung beschränkt sei. Außerdem stehe der Anrechnung das Mitbestimmungsrechts des § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG entgegen, das eingreife, weil sich durch die beliebige Anrechnung der Beklagten die Verteilungsgrundsätze änderten.

Die klägerische Partei hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1963, 40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der klägerischen Partei stehe für den fraglichen Zeitraum kein Anspruch auf Zahlung einer tariflichen Leistungszulage mehr zu, weil dieser durch die übertarifliche Bezahlung abgedeckt sei. Insoweit verweist sie auf die Formulierung der Ziff. 2 des Arbeitsvertrags vom 20. März 1997.

Das Arbeitsgericht Hanau hat mit seinem am 24. Oktober 2007 verkündeten Urteil - 1 Ca 247/07 - (Bl. 24. - 28 d.A.) die Beklagte verurteilt, an die klägerische Partei 1963,40 EUR brutto nebst Zinsen hieraus seit dem 18. Juli 2007 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der klägerischen Partei stehe ein Anspruch in der geltend gemachten Höhe gem. § 7 LRTV zu, der nicht gem. § 362 BGB ganz oder teilweise durch Erfüllung erloschen sei, weil die Beklagte weder zur Anrechnung der gezahlten übertariflichen Zulage auf die zu zahlende Leistungszulage noch zu deren Widerruf berechtigt gewesen sei.

Zu dem Inhalt des angefochtenen Urteils und der genannten Schriftstücke im Übrigen und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihr am 31. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. November 2007 Berufung eingelegt und diese mit am 24. Dezember 2007 eingegangener Berufungsbegründungsschrift begründet.

Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sie zur Anrechnung der gezahlten übertariflichen Zulage auf die tarifliche Leistungszulage berechtigt gewesen sei. Bei sachgerechter Auslegung des Arbeitsvertrags habe das Arbeitsgericht erkennen müssen, dass die übertarifliche Zulage die tarifliche Leistungszulage habe abdecken sollen, sie nämlich enthalte. Außerdem lasse sich ein unmittelbarer Anspruch der klägerischen Partei auf die Zahlung einer Leistungszulage gar nicht aus dem Gehaltsrahmentarifvertrag herleiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 24. Oktober 2007 - 1 Ca 247/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die klägerische Partei beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die klägerische Partei verteidigt in ihrer Berufungserwiderung die angefochtene Entscheidung und vertritt weiterhin die Auffassung, eine Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Leistungszulage sei nicht möglich, weil die vertragliche Anrechungsklausel auf den Fall der Veränderung der tariflichen Eingruppierung beschränkt sei. Dass nach § 3 Abs. 1 Ziff. 2 GRTV kein unmittelbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gewährung einer Leistungszulage bestehe, könne zwar im Ansatz zutreffen. Die Klagepartei sei dann aber jedenfalls im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe sich die Beklagte tarifgerecht verhalten und eine Leistungsbeurteilung durchgeführt. Mangels anderer Anhaltspunkte sei die Zulage dann jedenfalls in Höhe des tariflich festgelegten Betriebsdurchschnitts zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 09. Oktober 2008 (Bl. 61 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 24. Oktober 2007 ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zwar einschließlich der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig, aber nicht begründet. Der klägerischen Partei steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte weder aus § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 7 Ziff. 3 LRTV noch gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 Satz 1, 275, 249 Abs. 1, 252 BGB oder gem. §§ 280 Abs. 1,3, 281 Abs. 1 Satz 1, 249, 252 BGB aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu.

1. Die klägerische Partei kann nicht gem. § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 7 Ziff. 3 LRTV die Zahlung einer monatlichen Leistungszulage verlangen.

a) Abgesehen davon, dass die klägerische Partei schon nicht vorgetragen hat, Zeitlohnarbeiterin zu sein, stellt § 7 Ziff. 3 LRTV auch für diese keine isolierte Anspruchsgrundlage für die Zahlung einer Leistungszulage dar, sondern begründet lediglich einen Anspruch des Zeitlohnarbeiters, entsprechend einer zuvor im Rahmen eines detailliert geregelten Verfahrens vorzunehmenden Leistungsbeurteilung eine Leistungszulage ausgezahlt zu erhalten. Diese bereits aus dem klaren Wortlaut folgende Auslegung des § 7 Ziff. 3 LRTV wird durch die Klarstellung in den "Gemeinsamen Erläuterungen zu § 7" vom 15. Januar 1982 ausdrücklich bestätigt, wonach der Regelung der Ziff. 3 nicht entnommen werden kann, dass jeder Zeitlohnarbeiter Anspruch auf eine Leistungszulage hat.

Eine Leistungsbeurteilung der klägerischen Partei ist aber unstreitig nicht erfolgt.

b) Die klägerische Partei kann - selbst wenn man unterstellt, sie sei Zeitlohnarbeiterin - den erhobenen Anspruch auch nicht auf § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag i.V.m § 7 Ziff. 3 LRTV i.V.m. § 315 Abs. 3 Satz 2, letzter HS BGB stützen, weil das Berufungsgericht hiernach die Leistungsbeurteilung vorzunehmen und eine Leistungszulage festzusetzen hätte. Zum einen ist der Anwendungsbereich des § 315 BGB im Bereich der Leistungsbeurteilungen nach § 7 LRTV gar nicht eröffnet, (aa). Zum anderen wäre die Kammer selbst bei einer Vornahme der Leistungsbeurteilung nicht in der Lage, festzustellen, in welcher Höhe hierdurch ein Anspruch auf eine Leistungszulage entstünde (bb).

aa) Der Anwendungsbereich des § 315 BGB ist nicht eröffnet, weil der klägerischen Partei durch den Tarifvertrag kein Anspruch eingeräumt wird, dessen Inhalt die Beklagte im Sinne eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nach billigem Ermessen festzulegen hätte. Die Vornahme einer Leistungsbeurteilung im Rahmen des § 7 LRTV stellt schon keine Ermessensausübung dar. § 7 LRTV sieht für die Leistungsbeurteilung ein kompliziertes Verfahren vor. Zunächst muss der Arbeitgeber sich zwischen summarischer und analytischer Bewertung entscheiden. Dann hat er entweder aufgrund eines Bewertungsverfahrens, das unter beratender Mitwirkung des Betriebsrats festgelegt wird oder aufgrund einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung die Leistungsbeurteilung nach tariflich vorgegebenen Bewertungskriterien durchzuführen und Geldbeträge oder Prozentsätze für die Zulage in den jeweiligen Leistungsstufen festzusetzen. In der Durchführung einer Leistungsbewertung nach feststehenden Kriterien, deren Gewichtung zueinander zuvor festgelegt wird, liegt - anders als etwa in der Festlegung eines individuellen Ziels bei einer nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Zielvorgabe (vgl. hierzu BAG, 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - BB 2008, 617) - eine Tatsachenfeststellung, die ebenso wie eine tarifliche Eingruppierung der Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums und nicht der eines Ermessensspielraums bedarf (ebenso zur Leistungszulage nach § 9 Abs. 4 Lohnrahmenabkommen der Eisen,- Metall,- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens LAG Köln, 13. August 2001 - 2 Sa 181/01 - juris).

Selbst wenn man das anders beurteilte, steht der Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB entgegen, dass die Voraussetzungen für das Eingreifen der Zweifelsregelung des § 315 Abs. 1 BGB nicht vorliegen. Die Leistungsbeurteilung sollte nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nämlich auch dann gerade nicht nach billigem Ermessen des Arbeitgebers erfolgen, sondern auf Grund der Gewichtung der einzelnen Grundmerkmale in einer nach § 7 Ziff. 8 LRTV abzuschließenden Betriebsvereinbarung oder auf Grund eines Bewertungsverfahrens, das unter beratender Mitwirkung des Betriebsrats festgelegt wurde, § 7 Ziff. 7 Abs. 2 LRTV. Zudem greift die Vertragshilfe des § 315 BGB, einschließlich der in § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelten Ersatzbestimmung, nur dort ein, wo die Parteien sich autonom der richterlichen Schlichtung durch Ersatzleistungsbestimmung unterworfen haben (BAG, 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - BB 2008, 617). Dies ist hier weder in Bezug auf die Arbeitsvertragsparteien noch in Bezug auf die Tarifvertragsparteien der Fall. Die Arbeitsvertragsparteien haben durch ihre einzelvertragliche Bezugnahme auf § 7 LRTV vereinbart, dass im Konfliktfall zunächst nicht das Arbeitsgericht über die Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Arbeitgebers entscheiden soll, sondern die Anrufung des Arbeitsgerichts erst dann erfolgen können soll, wenn nach rechtzeitigem Einspruch des Arbeitnehmers gegen die Leistungsbeurteilung die paritätische Kommission den Einspruch geprüft hat und eine Einigung nicht gelungen ist.

bb) Selbst wenn man annähme, die Leistungsbeurteilung sei durch billiges Ermessen i.S.d. § 315 BGB zu treffen und die Parteien hätten sich insoweit der richterlichen Ersatzleistungsbestimmung unterworfen, führte dies nicht zur einer Festsetzung auch der Leistungszulage durch das Berufungsgericht nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. § 7 LRTV sieht nämlich nicht vor, dass die Höhe der Leistungszulage in den einzelnen Leistungsstufen nach Ermessensausübung festzusetzen ist, sondern die Festlegung durch den Arbeitgeber hat gem. § 7 Ziff. 3 Abs. 2 LRTV so zu erfolgen, dass die Leistungszulage je Stunde im Durchschnitt aller Zeitlohnarbeiter des Betriebs mindestens 13 % des tariflichen Zeitgrundlohns (Tabellenlohn) betragen muss. Die klägerische Partei hat jedoch keinerlei Tatsachen mitgeteilt, die der Kammer ermöglichten, auch nur den hiernach insgesamt unter den im Betrieb beschäftigten Zeitlohnarbeitern zu verteilenden Betrag festzustellen (ebenso zu dem Erfordernis der Mitteilung der für die objektiven Entscheidungsgrundlagen maßgeblichen Tatsachen im Rahmen des § 315 BGB LAG Köln, 13. August 2001 - 2 Sa 181/01 - juris).

c) Der Anspruch ergibt sich schließlich nicht aus § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag i.V.m § 7 Ziff. 3 LRTV i.V.m. § 162 Abs. 1 BGB analog. Zwar ist § 162 BGB der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass niemand aus einem von ihm treuwidrig (nicht) herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf (BAG, 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - BB 2008, 617). Gegen die analoge Anwendung des § 162 BGB auf Fälle, die nicht die Verhinderung eines Bedingungseintritts, sondern anderweitige Pflichtverletzungen des Schuldners zum Gegenstand haben, spricht jedoch schon das Fehlen einer unbewussten Regelungslücke. Für diese Fälle sieht das Gesetz in §§ 280 ff BGB Schadensersatzansprüche vor, die auf die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zugeschnitten sind, weil in ihrem Rahmen etwa gem. § 254 BGB der Grad des Mitverschuldens des Geschädigten berücksichtigt werden kann (BAG, 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - a.a.O.). Die analoge Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB führte zudem nicht die von der klägerischen Partei erstrebte Rechtsfolge herbei. Rechtsfolge des § 162 Abs. 1 BGB ist, dass die Partei, für die der Eintritt der Bedingung vorteilhaft gewesen wäre, so gestellt wird, als wäre die Bedingung eingetreten, hier also, als hätte die Beklagte bezogen auf die klägerische Partei eine Leistungsbeurteilung durchgeführt. Darüber, wie diese Leistungsbeurteilung ausgefallen wäre und ob und ggfs. in welcher Höhe sie zu einer Leistungszulage geführt hätte, ist damit jedoch nichts ausgesagt (ebenso für den Fall der unterlassenen Zielvereinbarung bei bestehender Rahmenvereinbarung BAG, 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - a.a.O.).

2. Die Klage hat auch keinen Erfolg soweit die klägerische Partei sie in ihrer Berufungserwiderung erstmals darauf stützt, dass ihr wegen tarifwidrigen Verhaltens der Beklagten ein Schadensersatz in Höhe des tariflich festgelegten Betriebsdurchschnitts zustehe.

a) Da die Klagepartei hiermit ihre Klage hilfsweise auf einen anderen Lebenssachverhalt stützt und damit einen neuen Streitgegenstand einführt - eine behauptete Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit dem Unterlassen einer Leistungsbeurteilung - liegt hierin eine Klageerweiterung (ebenso bei hilfsweiser Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zusätzlich zum Vergütungsanspruch bei unterbliebenem Hinweis auf die tarifliche Ausschlussfrist (BAG 05.11.2003 - 5 AZR 676/02 NZA 2005, 64), die eine Klageänderung i.S.d. §§ 533, 263 ZPO darstellt (ErfK-Koch, § 67 Rz. 9).

Diese Klageänderung ist gem. §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 533 ZPO, 67 ArbGG zulässig. Sie bedurfte nicht der Anschlussberufung nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 524 ZPO. Eine Anschlussberufung ist nämlich dann nicht erforderlich und auch nicht zulässig, wenn der Berufungsbeklagte mit dem geänderten Klageantrag nicht mehr als die Zurückweisung der Berufung erreichen will (BGH, 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - NJW RR 2006, 669; 02.10. 1987 - V ZR 42/86 - NJW RR 1988, 185; 24.11.1977 - VII ZR 160/76, Thomas/Putzo-Reichold, § 524 Rz. 2). So liegt der Fall hier.

Ob die Klageänderung i.S.d. § 533 Nr. 1 Alt. 2 ZPO sachdienlich ist, kann offen bleiben. Die Beklagte hat jedenfalls gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 533 Nr. 1 Alt. 1, 525, 263, 267 ZPO im Wege der rügelosen Einlassung in die Klageerweiterung eingewilligt. Sie hat sich auf die Begründung des Anspruchs mit einem behaupteten tarifwidrigen Verhalten in der Berufungsverhandlung sachlich eingelassen. In dieser Verhandlung hat die Kammer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der hilfsweisen Begründung des Anspruchs als Schadensersatzanspruch mit einem anderen Lebenssachverhalt die Einführung eines neuen Streitgegenstandes und damit eine Klageänderung liegt. Auch die Frage der Zulässigkeit der Klageänderung wurde dabei ausgiebig erörtert, ohne dass die Beklagte der Zulassung ausdrücklich oder konkludent widersprochen hätte.

Die Zulässigkeit scheitert schließlich nicht an §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 533 Nr. 2 ZPO, 67 ArbGG (vgl. zur Anwendung des § 67 ArbGG im Rahmen des § 533 Nr. 2 ZPO ErfK-Koch, § 67 Rz. 9; G/M/P/M-Germelmann, ArbGG, § 67 Rz. 6; Rz. 30 a). Die klägerische Partei hat zu dem geänderten Lebenssachverhalt, auf den sie ihren Antrag hilfsweise stützt, in der Berufungsinstanz keinen neuen Sachvortrag gehalten. Dass bei der Beklagten mit dem Betriebsrat weder ein Bewertungsverfahren nach § 7 Ziff. 7 LRTV beraten und festgelegt noch eine Betriebsvereinbarung i.S.d. § 7 Ziff. 8 GRTV abgeschlossen wurde und keine Leistungsbeurteilung der klägerischen Partei erfolgt ist, war bereits dem Parteivorbringen erster Instanz zu entnehmen. Soweit die klägerische Partei dies nun als Pflichtverletzung wertet, die einen Schadensersatzanspruch auf die Zahlung einer Zulage in Höhe des tariflich festgelegten Betriebsdurchschnitts auslöst, liegt hierin kein neuer Tatsachenvortrag.

b) Der klägerischen Partei steht gegen die Beklagte jedoch auch kein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Vornahme einer Leistungsbeurteilung gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 Satz 1, 275, 249 Abs. 1, 252 BGB zu, weil der Beklagten die Erfüllung einer Leistungspflicht unmöglich geworden wäre und die klägerische Partei deshalb statt der Leistung Schadensersatz verlangen könnte. Dies gilt auch, wenn man annimmt, die Vornahme der Leistungsbeurteilung für die Ermittlung einer Leistungszulage bezogen auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume sei unmöglich geworden. Die klägerische Partei hat schon das Vorliegen einer für die unterbliebene Auszahlung der Leistungszulage kausalen Pflichtverletzung der Beklagten nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Sie hat weder vorgetragen, überhaupt Zeitlohnarbeiterin i.S.d. § 7 Ziff. 3 LRTV zu sein noch behauptet, dass die Vornahme einer Leistungsbeurteilung aufgrund einer mit dem Betriebsrat nach § 7 Ziff. 8 LRTV abgeschlossenen Betriebsvereinbarung oder aufgrund einer nach § 7 Ziff. 7 LRTV erfolgten globalen Beurteilung ihrer Leistung zur Ausschüttung einer Leistungszulage an sie geführt hätte. Weiterhin hat die klägerische Partei keine Tatsachen mitgeteilt, die die Kammer nach § 287 ZPO in die Lage versetzten, den der klägerischen Partei aus einer unterstellten kausalen Pflichtverletzung der Beklagten entstandenen Schaden zu schätzen. Insofern hätte die klägerische Partei zumindest darlegen müssen, welches Gesamtvolumen die im Betrieb auszuzahlenden Leistungszulagen gehabt hätten, wie hoch nämlich die Summe des tariflichen Zeitgrundlohns im Betrieb war und welcher Anteil hiervon auf sie entfallen wäre (ebenso für einen Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Leistungsbeurteilung für eine Leistungszulage nach § 9 Abs. 4 Lohnrahmenabkommen der Eisen,- Metall,- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens LAG Köln, 13. August 2001 - 2 Sa 181/01 - juris).

c) Aus den gleichen Gründen kann der Anspruch auch nicht auf §§ 280, 281 Abs. 1 Satz 1, 249, 252 BGB gestützt werden. Zudem hat die klägerische Partei auch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Vornahme einer Leistungsbeurteilung gesetzt, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, oder behauptet, die Beklagte habe deren Vornahme ernsthaft oder endgültig verweigert, § 281 Abs. 2 BGB.

3. Mangels Anspruch in der Hauptsache ist auch ein Zinsanspruch der klägerischen Partei zu verneinen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Klage erstinstanzlich teilweise zurückgenommen worden ist, auf §§ 64 Abs. 6 Satz 2 ArbGG, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und im Übrigen, da die Klage insoweit erfolglos war, auf §§ 64 Abs. 6 Satz 2 ArbGG, 91 ZPO.

IV.

Die Zulassung der Revision ist durch keinen der gesetzlich vorgesehenen Gründe veranlasst, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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