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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.02.2006
Aktenzeichen: 3/11 Sa 909/05
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT § 59
Durch das Gutachten eines Amtsarztes wird das Arbeitsverhältnis nur dann beendet, wenn in dem Gutachten der Rechtsbegriff der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit zutreffend erfasst wird. Dies ist nicht der Fall, wenn der Amtsarzt den Arbeitnehmer als "dienstunfähig" bezeichnet.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2005 - 3 Ca 6254/03 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der auflösenden Bedingung vom 10. August 1971 zum 30. Juni 2003 beendet wurde.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bei Vorliegen seiner Dienstfähigkeit bis zum 30. Juni 2006 nach Maßgabe der Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 10. August 1971 tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger bei Urlaubsantritt bis 30. Juni 2006 30 Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2005 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer auflösenden Bedingung endete.

Der am 20. Juni 1949 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit August 1971 als Krankenpfleger bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10. August 1971 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag Anwendung. Die Bruttovergütung des Klägers betrug zuletzt € 30.700,00 jährlich. Der Kläger ist seit 23. September 2002 ununterbrochen krank.

Mit Beschluss des Kreistages vom 18. September 2000 fusionierten die bislang als Eigenbetrieb geführten Kliniken des A und die Kliniken des B und wurden in eine gemeinnützige GmbH, die jetzige Beklagte, umgewandelt. Die Überleitung der Beschäftigten wurde in einem Personalüberleitungsvertrag vom 01. August 2001, Bl. 144 - 147 d.A., geregelt. Nach dessen § 6 Abs. 1 wird der Personalüberleitungsvertrag Bestandteil eines jeden, zum Stichtag bestehenden Arbeits-, Ausbildungs- oder Praktikantenvertrages der Beschäftigten nach § 1 Abs. 1.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 14. Mai 2003 (Bl. 23 d.A.) der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sein körperlicher Zustand es ihm nicht mehr erlaubt, weiterhin in der Krankenpflege tätig zu bleiben, wurde er am 07. Mai 2003 amtsärztlich untersucht. Unter dem 27. Mai 2003 (Bl. 9 d.A.) erstattete die Amtsärztin des A, Frau C folgende amtsärztliche Stellungnahme:

"Herr F wurde am 07.05.03 amtsärztlich untersucht zur Feststellung der Dienstfähig-/-unfähigkeit. Fachärztliche Atteste, der Entlassungsbericht der D und der Bericht des BAD (Frau E) liegen vor.

In Kenntnis dieser fachärztlichen Berichte und aufgrund unserer ausführlichen Exploration und Untersuchung des Patienten sind wir der Auffassung, dass Herr F., bei bestehender Mehrfacherkrankung, wobei die degenerativen Veränderungen des Skelettsystems bei Adipositas permagna im Vordergrund stehen, für seine berufliche Tätigkeit als Krankenpfleger im Krankenhaus dienstunfähig ist. Für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, in temperierten Räumen liegt vollschichtig Dienstfähigkeit vor."

Unter dem 28. Oktober 2003 ergänzte die Amtsärztin ihre Stellungnahme wie folgt:

"In Beantwortung Ihres Schreibens vom 02.10.2003, bei uns eingegangen am 09.10.2003, teilen wir Ihnen mit, dass Herr F, soweit bei unserer Untersuchung absehbar, für den Beruf des Krankenpflegers dauerhaft dienstunfähig ist. In Kenntnis der Arbeitsplatzbeschreibung eines Pförtners/Telefonisten ist festzustellen, dass für den Patienten diese Tätigkeit wegen der fehlenden Bewegungsmöglichkeiten aus ärztlicher sicht nicht maßgeschneidert, aber vollschichtig durchführbar ist."

Mit Schreiben vom 03. Juni 2003 (Bl. 7, 8 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis gem. § 59 Abs. 1 BAT zum 30. Juni 2003 ende, weil er nach dem amtsärztlichen Gutachten den Beruf des Krankenpflegers nicht mehr ausüben könne bzw. dienstunfähig sei.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 27. Juni 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewandt.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.Juni 2006 gekündigt. Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 3 Ca 6348/05 geführt wird.

Er hat behauptet, dass er entgegen der Darstellung der Beklagten nicht dienstunfähig, sondern vollschichtig für leichte und körperliche Tätigkeiten dienstfähig sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 03. Juni 2003 zum 30. Juni 2003 beendet worden ist, sondern unverändert über den 30. Juni 2003 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen fortbesteht;

2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger auch über den 30. Juni 2003 hinaus tatsächlich weiter zu beschäftigen;

3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in der Telefonzentrale einzusetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe nach § 59 BAT zum 30. Juni 2003 geendet. Aufgrund des Gutachtens der Amtsärztin, das nach § 59 Abs. 1 BAT an die Stelle des Bescheids eines Rentenversicherungsträgers trete, weil der Kläger - unstreitig - nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist, stehe fest, dass er dienstunfähig sei. Der Begriff der Dienstunfähigkeit sei in § 51 des Hessischen Beamtengesetzes definiert und entspreche der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 70 ff. d.A.) abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger ist der Auffassung, die im Arbeitsvertrag durch Bezugnahme auf den BAT vereinbarte auflösende Bedingung genüge nicht dem Schriftformgebot der §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG. Erforderlich sei, dass ein entsprechender Auszug aus dem Tarifvertrag mit dem Arbeitsvertrag körperlich verbunden werde. Aufgrund des Personalüberleitungsvertrages vom 01. August 2001 sei ein neuer Arbeitsvertrag entstanden, auf den das TzBfG Anwendung finde. Ferner liege ein zulässiger Auflösungsgrund nicht vor. Die Feststellung einer verminderten Erwerbsfähigkeit sage für sich genommen noch nichts über die persönliche Leistungsbereitschaft des Klägers aus. Deshalb sei es unzulässig, wenn § 59 Abs. 1 BAT pauschal die Erwerbsminderung als Grund für die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehe. Jedenfalls liege eine Feststellung der Erwerbsminderung durch ein Gutachten des Amtsarztes nicht vor. Die amtsärztliche Stellungnahme vom 27. Mai 2003 sei kein Gutachten im Sinn von § 59 Abs. 1 BAT. Darüber hinaus sei zwischen Dienstunfähigkeit und Erwerbsminderung zu unterscheiden. Dem genüge die amtsärztliche Stellungnahme nicht. Schließlich sei das Gutachten nicht vom örtlich zuständigen Amtsarzt erstellt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2005 - 3 Ca 6254/03 - abzuändern und

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 2003 hinaus unverändert fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts tatsächlich weiter zu beschäftigen nach Maßgabe der bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen;

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Jahre 2004 und 2005 je 30 Urlaubstage zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, §§ 21, 14 TzBfG fänden auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da es sich um einen Altfall handele. Unabhängig hiervon genüge § 59 BAT dem Prüfungsmaßstab des § 14 Abs. 2 Nr. 6 TzBfG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 BAT lägen vor. Inhaltlich handele es sich bei der amtsärztlichen Stellungnahme um ein Gutachten. Daraus ergebe sich, dass der Kläger dauerhaft als Krankenpfleger bei der Beklagten nicht einsetzbar sei. Das Gutachten verwende zwar nicht den Begriff der verminderten Erwerbsfähigkeit. Es habe jedoch festgestellt, dass der Kläger in seinem Beruf gar nicht mehr eingesetzt werden könne. Eine unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mögliche Einsatzfähigkeit könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Hierzu fehlte es dem Kläger an den entsprechenden Fähigkeiten, wie der versuchsweise Einsatz in der Telefonzentrale gezeigt habe. Das Gutachten sei auch von der nach dem Dienstortprinzip örtlich zuständigen Amtsärztin erstellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist überwiegend begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Entgegen dem Wortlaut des Klageantrags zu 1. ist dieser nicht als allgemeiner Feststellungsantrag, sondern als Antrag nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG auszulegen. Aus der Begründung des Klageantrags ergibt sich, dass der Kläger nicht nur geltend macht, die auflösende Bedingung sei tatsächlich nicht eingetreten. Dieses Begehren kann mit dem allgemeinen Feststellungsantrag durchgesetzt werden (vgl. BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - AP TzBfG § 17 Nr. 5, zu I. 2. a) d.Gr.). Im Streit ist jedoch die Rechtswirksamkeit der auflösenden Bedingung als solche. Der Kläger macht nämlich geltend, die Vereinbarung der Bedingung entspreche nicht dem Schriftformerfordernis, § 59 BAT genüge nicht den Anforderungen des §§ 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG. Lediglich daneben macht der Kläger geltend, dass der Eintritt der Bedingung nicht erfolgt ist. Bei Berücksichtigung der Antragsbegründung ist das Begehren des Klägers daher als ein solches nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG zu verstehen (vgl. auch BAG 01. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 - AP BAT § 59 Nr. 13, zu I. 1. d.Gr.).

II.

Die Klage ist überwiegend begründet.

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht aufgrund der auflösenden Bedingung vom 10. August 1971 zum 30. Juni 2003 beendet.

a) Mit seiner am 26. Juni 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG gewahrt, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach § 59 Abs. 1 BAT frühestens mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wurde (30. Juni 2003), enden konnte. Dass die Klage vor Eintritt der auflösenden Bedingung erhoben wurde, ist unschädlich (BAG 01. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 - AP BAT § 59 Nr. 13, zu I. 1. d.Gr.; zur Entfristungsklage: BAG 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - AP TzBfG § 14 Nr. 11, zu I. d.Gr.).

b) Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Geltung des BAT und damit auch dessen § 59 ist wirksam.

aa) Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis nach §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG liegt nicht vor, weil der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vor dem Inkrafttreten des TzBfG (01. Januar 2001) geschlossen wurde. Entgegen der Auffassung des Klägers ist durch den Personalüberleitungsvertrag vom 01. August 2001 kein neuer Arbeitsvertrag zustande gekommen. Vielmehr wurde nach § 6 Abs. 1 Personalüberleitungsvertrag dieser zum Bestandteil des Arbeitsvertrags des Klägers. Dies zeigt, dass ein Neuabschluss des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien nicht erfolgte. Auch § 1 Abs. 13 Personalüberleitungsvertrag spricht hierfür. Danach darf der Inhalt von Arbeitsverhältnissen nicht vor Ablauf von 2 Jahren zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden. Auch diese Regelung zeigt, dass der bestehende Arbeitsvertrag des Klägers fortgelten sollte. Der Personalüberleitungsvertrag führte daher nicht zu der Begründung eines neuen Arbeitsvertrages, sondern wirkte vielmehr als Vertrag zugunsten Dritter auf das fortbestehende Arbeitsverhältnis der Parteien ein (vgl. BAG 21. April 2005 - 4 AZR324/04 - zu II 2 - der Gründe).

bb) Die einzelvertraglich Inbezugnahme der in § 59 BAT enthaltenen Regelung verstößt nicht gegen §§ 305 ff. BGB, weil der einschlägige Tarifvertrag insgesamt in den Arbeitsvertrag einbezogen wurde (BAG 01. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 - AP BAT § 59 Nr. 13, zu I. 3. b) d.Gr.).

Die in § 59 Abs. 1 BAT enthaltene auflösende Bedingung ist sachlich gerechtfertigt (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BAG 01. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 - AP BAT § 59 Nr. 13, zu I. 4. a) d.Gr.; 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - AP TzBfG § 7 Nr. 5, zu II. 1. d.Gr.; 03. September 2003 - 7 AZR 661/02 - AP BAT-O § 59 Nr. 1, zu I. 1. d.Gr.). Die Tarifnorm beruht auf der Annahme der Tarifvertragsparteien, der Arbeitnehmer werde im Fall der Erwerbsminderung künftig die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen nicht mehr erbringen können. Die Vorschrift dient deshalb dem Schutz des Arbeitnehmers, bei dem die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustands besteht. Ferner trägt sie dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen. Allerdings stellt die verminderte Erwerbsfähigkeit allein keinen ausreichenden Sachgrund für die auflösende Bedingung dar. Erst die Einbindung der Interessen des Arbeitnehmers durch die Anbindung an die rentenrechtliche Versorgung rechtfertigt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung. § 59 BAT setzt deshalb voraus, dass das Arbeitsverhältnis nur bei einem voraussichtlich dauerhaften Rentenbezug ab dem Rentenbeginn enden soll.

c) Die Voraussetzungen von § 59 Abs. 1 Satz 1 und 6 BAT liegen nicht vor. Es liegt kein Gutachten eines Amtsarztes vor, aus dem sich ergibt, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Durch das Gutachten eines Amtsarztes wird das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 BAT nur dann beendet, wenn in dem Gutachten der Rechtsbegriff der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zutreffend erfasst wird (BAG 01. Oktober 1970 - 2 AZR 538/69 - AP BAT § 59 Nr. 2, zu 1. d.Gr.). Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert die Personen, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Können sie dies auch keine 3 Stunden täglich, so sind sie voll erwerbsgemindert (Abs. 2). Für Personen, die vor dem 02. Januar 1961 geboren sind, ist gem. § 240 SGB VI ferner von teilweiser Erwerbsminderung auszugehen, wenn sie berufsunfähig sind. Dies ist der Fall, wenn die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden grundsätzlich auf Zeit geleistet, § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Maßstab der Erwerbsminderung ist das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Jörg in: Kreikebohm (Herausgeber), SGB VI, 2. Aufl., § 43 Rn 5). Der Begriff der Dienstfähigkeit in § 7 BAT entspricht dem der Arbeitsfähigkeit (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Juli 2005, § 7, Erläuterung 2. d)). Diese liegt vor, wenn der Arbeitnehmer infolge körperlicher Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte nicht in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ausweislich der amtsärztlichen Stellungnahme vom 27. Mai 2003 wurde der Kläger untersucht "zur Feststellung der Dienstfähig-/-unfähigkeit". Diese Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass der Kläger für seine berufliche Tätigkeit als Krankenpfleger im Krankenhaus dienstunfähig ist. Für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, in temperierten Räumen liegt vollschichtig Dienstfähigkeit vor. Danach befasst sich das Gutachten ausschließlich mit der Frage der Dienstfähigkeit des Klägers. Es setzt sich dagegen nicht mit den Anforderungen der Erwerbsminderung auseinander. Es wird nicht deutlich, dass die Amtsärztin den Rechtsbegriff der Erwerbsminderung erfasst und auf dieser Grundlage ihr Gutachten erstellt hat. Selbst wenn man der Auffassung der Beklagten folgt, wonach es nicht auf die Verwendung des Begriffs ankommt sondern auf die Feststellung der maßgeblichen Tatsachen, fehlt es hier daran, dass die tatsächlichen Feststellungen für das Vorliegen einer Erwerbsminderung nicht getroffen wurden. Dazu, ob der Kläger unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann, verhält sich die amtsärztliche Stellungnahme vom 27. Mai 2003 nicht. Vielmehr befasst es sich mit seiner (des Klägers) beruflichen Tätigkeit als Krankenpfleger im Krankenhaus. Es wird auch nicht deutlich, ob der Kläger auf Dauer und in welchem Umfang erwerbsgemindert sein soll. Ob sich ein weitergehender Inhalt aus dem Schreiben der Amtsärztin vom 28. Oktober 2003 (Bl. 36 d.A.) ergibt, wonach der Kläger "für den Beruf des Krankenpflegers dauerhaft dienstunfähig ist", kann dahinstehen. Zum einen wird auch hier lediglich der Begriff der Dienstunfähigkeit verwandt, auf den es im Zusammenhang mit § 59 BAT nicht ankommt. Zum anderen stellt § 59 BAT für den Bedingungseintritt maßgeblich auf das Gutachten, hier also auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 27. Mai 2003, ab. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung unter der Einschränkung "soweit bei unserer Untersuchung absehbar" erfolgte und damit keine verbindliche Festlegung im Tatsächlichen enthält.

2.

Der Antrag zu 2. ist teilweise begründet. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Bedingungseintritts endete, ist der Kläger weiter zu beschäftigen (BAG GS 27. Februar 1985, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14). Die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht jedoch nur für den Fall, dass der Kläger seine Dienstfähigkeit wieder erlangt und beschränkt auf den Zeitraum bis 30. Juni 2006. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet. Für den Fall, dass der Kläger seine Dienstfähigkeit im Sinn von § 7 Abs. 2 BAT nicht wieder erlangt, ist ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung unmöglich, weshalb er auch keine Weiterbeschäftigung verlangen kann. Ferner besteht ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers ab 01. Juli 2006. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2006 gekündigt. Für den danach liegenden Zeitraum überwiegt ihr Interesse an der Nichtbeschäftigung des Klägers. Dass die ausgesprochene Kündigung offensichtlich unwirksam wäre, ist weder ersichtlich noch dargetan.

3.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger bei Urlaubsantritt bis 30. Juni 2006 30 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2005 zu gewähren. Hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos für die Freistellung im Urlaubsjahr in Verzug gesetzt und war die Gewährung des Urlaubs im Kalenderjahr möglich, hat der Arbeitgeber nach §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 287 Satz 2, 249 Satz 1 den Schaden zu ersetzen, der durch die während seines Verzugs infolge Zeitablaufs eingetretene Unmöglichkeit der Erfüllung des Urlaubsanspruchs entstanden ist. An die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs tritt ein Ersatzurlaubsanspruch in gleicher Höhe (ErfK-Dörner, 6. Aufl., BUrlG, § 7 Rn 61). In der Klageschrift hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, ihm Urlaub zu gewähren. Im Jahr 2005 konnte der Kläger wegen Dienstunfähigkeit nach § 7 Abs. 2 BAT den Urlaub nicht antreten. Nach § 47 Abs. 7 BAT ist ihm der Urlaub bis zum 30. Juni des Folgejahres zu gewähren. Sollte der Kläger bis zu diesem Termin wieder dienstfähig werden und seinen Urlaub antreten können, hat die Beklagte ihm daher den Urlaub aus 2005 zu gewähren.

Im Übrigen ist der Antrag unbegründet. Die Urlaubsansprüche des Klägers für das Kalenderjahr 2004 sind erloschen, da der Kläger wegen seiner Erkrankung den Urlaub nicht nehmen konnte. In diesem Fall besteht auch kein Ersatzurlaubsanspruch (vgl. ErfK-Dörner, BUrlG, § 7 Rn 78, 80).

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere liegt dem Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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