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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.02.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 1259/04
Rechtsgebiete: GewO, BGB, Satzung der Gewerkschaft ver.di


Vorschriften:

GewO § 106
BGB § 305 III
Satzung der Gewerkschaft ver.di § 29 Nr. 2
Ein vormals als Geschäftsführer der Geschäftsstelle der ÖTV-Kreisverwaltung beschäftigter Arbeitnehmer kann nicht verlangen, als Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft ver.di beschäftigt zu werden.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 11. Mai 2004 - 2 Ca 510/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als Bezirksgeschäftsführer zu beschäftigen.

Der am 23. Dezember 1949 geborene Kläger war nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28. April 1975 (Bl. 133 d.A.) seit 01. Mai 1975 als Gewerkschaftssekretär bei der damaligen Gewerkschaft A beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag ist u.a. geregelt, dass der geschäftsführende Hauptvorstand der Gewerkschaft A berechtigt ist, den Kläger seinen Fähigkeiten oder den gewerkschaftlichen Notwendigkeiten entsprechend auch mit anderen Arbeiten zu beschäftigen. Er war in Vergütungsgruppe 12 Stufe 1 eingruppiert. Ab 09. Februar 1981 wurde als Referatsleiter bei der A-Hauptverwaltung in B beschäftigt und erhielt Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 des Kollektivvertrages über Vergütungsregelungen. Ab 01. September 1998 wurde der Kläger - seinem Wunsch entsprechend - als Geschäftsführer der Geschäftsstelle der A-Kreisverwaltung C beschäftigt, wo durchschnittlich 4 - 5 Arbeitnehmer tätig sind und zuletzt 4.148 Mitglieder betreut wurden. Die Position ist nach Vergütungsgruppe 11 dotiert. Dem Kläger wurde jedoch weiterhin Vergütung nach Vergütungsgruppe 13 gezahlt.

Im Jahr 2001 erfolgte die Verschmelzung von 5 Gewerkschaften zur Beklagten. Infolge dessen wurde der Kreisverband C der A aufgelöst, wodurch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Position wegfiel.

Für das Land Hessen bildete die Beklagte 8 Bezirke, darunter den Bezirk Mittelhessen. Aufgrund der Richtlinie zur Gewerkschaftsquotierung wurden der vormaligen Gewerkschaft A 4 oder 5 Bezirksgeschäftsführerpositionen zur Besetzung eingeräumt, darunter jedoch nicht die des Bezirks Mittelhessen. Der Bezirk Mittelhessen erfasst räumlich das Gebiet der bisherigen Kreisverbände C und D. Dort wurden zum 31.12.2001 27.192 Mitglieder betreut.

Im Zusammenhang mit der Gründung der Beklagten wurde ein Sozialplan vereinbart (Bl. 27 - 53 d.A.). Dieser enthält u.a. folgende Regelung:

"4.5 Zumutbarkeit

Die Zumutbarkeit von angebotenen Arbeitsplätzen ist unter Zugrundelegung folgender Kriterien festzustellen:

Ein Arbeitsplatz ist dann zumutbar, wenn

4.5.1

der vorgesehene Arbeitsplatz dem bisherigen Tätigkeitsbereich nach Art und der bisher benötigten Qualifikation im Wesentlichen entspricht, ..."

Gemäß § 29 Nr. 2 der Satzung der Beklagten wird der Bezirksgeschäftsführer und sein Stellvertreter vom Bezirksvorstand vorgeschlagen und nach Abstimmung mit der jeweils zuständigen Landesbezirksleitung vom Bundesvorstand bestellt. Der Bezirksvorstand besteht aus dem ehrenamtlichen Bezirksvorsitzenden, seinem Stellvertreter und den weiteren in § 28 Nr. 1 der Satzung der Beklagten genannten (ehrenamtlichen) Mitgliedern. Der hauptamtliche Bezirksgeschäftsführer führt gem. § 29 Nr. 1 der Satzung der Beklagten die Geschäfte des Bezirks in Zusammenarbeit mit dem Bezirksvorstand und koordiniert die bezirkliche Gewerkschaftsarbeit.

Die Beklagte wies dem Kläger nicht die Stelle eines Bezirksgeschäftsführers zu, sondern beschäftigt ihn im Bezirk Mittelhessen als Fachbereichs- und Personengruppensekretär. Er erhält (weiterhin) Vergütung nach Vergütungsgruppe 13.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihn als Bezirksgeschäftsführer zu beschäftigen. Diese Position komme der von ihm zuletzt inne gehabten Stelle am nächsten und entspreche seinen Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnissen. Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Sozialauswahl hätte ihm eine Stelle als Bezirksgeschäftsführer zugewiesen werden müssen. Aufgrund der langjährigen Tätigkeit habe sich sein Arbeitsverhältnis auf die Stelle des Kreisgeschäftsführers A konkretisiert. Hiermit sei die Stelle des Bezirksgeschäftsführers bei der Beklagten vergleichbar, weshalb er entsprechend beschäftigt werden müsse.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bezirksgeschäftsführer zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die dem Kläger zugewiesene Position halte sich im Rahmen zulässiger Ausübung des Direktionsrechts. Hierfür sei nach wie vor der Arbeitsvertrag vom 28. April 1975 maßgebend. Die dem Kläger später zugewiesene Tätigkeit als Kreisgeschäftsführer sei lediglich eine Funktion gewesen, die ihm nach der Satzung jederzeit habe entzogen werden können. Unabhängig hiervon sei die Stelle des Bezirksgeschäftsführers der Beklagten nicht mit der des Kreisgeschäftsführers C der damaligen A vergleichbar, was sich bereits aus der ungleichen Größe der Verbände ergebe. Ferner seien Funktion, Zuständigkeiten und Kompetenzen des Bezirksgeschäftsführers der Beklagten gegenüber der des vormaligen Kreisgeschäftsführers der A grundlegend anders geregelt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung. Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe den Umfang des Direktionsrechts der Beklagten verkannt. Es komme nicht auf den vom Kläger im Jahr 1975 geschlossenen Arbeitsvertrag an, sondern auf die zuletzt von ihm ausgeführte Tätigkeit. Das Arbeitsgericht habe nicht geprüft, ob die Ausübung des Direktionsrechts seitens der Beklagten einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB Stand halte. Das Arbeitsgericht verkenne, dass der Sozialplan gerade eine Besitzstandswahrung bezwecke. Die derzeit vom Kläger ausgeübte Tätigkeit sei gegenüber der des Kreisgeschäftsführers der A geringerwertig. Vergleichbar sei vielmehr die Position des Bezirksgeschäftsführers.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 11. Mai 2004 - 2 Ca 510/03 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bezirksgeschäftsführer zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, Streitgegenstand sei nicht die Wirksamkeit der tatsächlich vorgenommenen Versetzung des Klägers, sondern ausweislich seines Klageantrags, ob ihm ein Rechtsanspruch auf Beschäftigung als Bezirksgeschäftsführer zustehe. Dies sei nicht der Fall. Insbesondere sei eine Konkretisierung auf die Funktion des Kreisgeschäftsführers nicht erfolgt, da es an einem entsprechenden Vertrauenstatbestand seitens der Beklagten fehle. Nach Wegfall der Stelle des Kreisgeschäftsführers der A habe die Beklagte dem Kläger andere seinen Fähigkeiten und seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeiten im Rahmen der Zumutbarkeit zuweisen dürfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger von der Beklagten nicht die Beschäftigung als Bezirksgeschäftsführer verlangen kann.

1.

Eine Auslegung des Klageantrags ergibt, dass der Kläger nicht die tatsächlich erfolgte Zuweisung als Fachbereichs- und Personengruppensekretär überprüft haben will. Aus dem Wortlaut seines Antrags und dessen Begründung ergibt sich vielmehr, dass er einen Anspruch auf Beschäftigung mit einer konkreten Tätigkeit, der des Bezirksgeschäftsführers, geltend macht. Streitgegenstand ist daher nicht die Frage, ob die von der Beklagten vorgenommene Ausübung des Direktionsrechts dem Maßstab der §§ 106 GewO, 315 Abs. 3 BGB entspricht, sondern ob der Kläger aufgrund einer Anspruchsnorm die Beschäftigung mit einer - von ihm in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt ausgeübten - Tätigkeit verlangen kann. Dies ist nicht der Fall.

2.

Der Anspruch ergibt sich nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass zwischen ihm und der Beklagten eine Vereinbarung über die Beschäftigung als Bezirksgeschäftsführer getroffen worden sei. Ein vertraglicher Anspruch ergibt sich auch weder aus dem Arbeitsvertrag des Klägers noch aus einer Konkretisierung auf die Stelle des Kreisgeschäftsführers der A. Gegen eine derartige Konkretisierung spricht bereits, dass der Arbeitsvertrag einen weiten Versetzungsvorbehalt enthält und zusätzliche Umstände, aufgrund derer der Kläger von einer Bindung der Beklagten an die dem Kläger zuletzt übertragene Tätigkeit ausgehen konnte, ersichtlich nicht vorliegen (vgl. ErfK-Preis, 6. Aufl., § 611 BGB Rn 801, m.w.N.). Selbst wenn eine Konkretisierung auf die Stelle des Kreisgeschäftsführers der A vorläge, folgt hieraus nicht, dass die Beklagte den Kläger nach Wegfall dieser Position als Bezirksgeschäftsführer beschäftigten muss. Hinsichtlich dieser Tätigkeit liegt jedenfalls deshalb keine Konkretisierung vor, weil sie der Kläger zu keinem Zeitpunkt ausgeübt hat. Es handelt sich auch nicht inhaltlich um dieselbe Position, was bei einer bloßen Umbenennung der Fall sein könnte. Aufgrund der erfolgten Umstrukturierung ist vielmehr von einer neu geschaffenen Position auszugehen. Dies zeigt sich daran, dass das Gebiet einen weitaus größeren Zuschnitt hat, wesentlich mehr Mitglieder als bisher zu betreuen sind und die organisatorische Struktur der Beklagten nach der Fusion eine andere ist.

3.

Ein Anspruch des Klägers auf Beschäftigung als Bezirksgeschäftsführer ergibt sich nicht aus §§ 106 GewO, 315 Abs. 3 BGB. Das Weisungsrecht ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Dieses Recht darf nur nach billigem Ermessen im Sinn von § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (ständige Rechtsprechung, zuletzt: BAG 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 64, zu II. 1., 2. a) d.Gr., m.w.N.). Bei der Ausübung des billigen Ermessens kann sich der Arbeitgeber selbst binden, etwa durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften (vgl. BAG 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45, zu I. 2. d.Gr.) oder durch die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem betreffenden Mitarbeiter (BAG 17. Dezember 1997 - 5 AZR 532/96 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 52, zu IV. 3. d.Gr.). Eine derartige Selbstbindung der Beklagten hinsichtlich der Ausübung des Direktionsrechts liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat sich nicht durch Erklärungen gegenüber dem Kläger gebunden. Sie hat auch keine Vorschriften erlassen, aus denen sich ergibt, dass sie ihr Ermessen bei der Ausübung des Weisungsrechts eingeschränkt hat. Insbesondere ergibt sich aus Nr. 4.5.1 Sozialplan keine Einschränkung des Ermessens bei der Ausübung des Direktionsrechts. Danach ist ein Arbeitsplatz dann zumutbar, wenn er den bisherigen Tätigkeitsbereich nach Art und der bisher benötigen Qualifikation im Wesentlichen entspricht. Aus der Formulierung "im Wesentlichen" ergibt sich keine Verengung des Ermessens. Vielmehr ist der Bereich der zuzuweisenden Tätigkeiten weit gefasst. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung, Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz weggefallen ist, auf in etwa vergleichbaren Arbeitsplätzen entsprechend ihrer Qualifikation weiter zu beschäftigen. Eine Verpflichtung, die betreffenden Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz zu beschäftigen, der der zuletzt ausgeübten Tätigkeit am nächsten kommt, wäre mit Wortlaut und Sinn und Zweck von Nr. 4.5.1 Sozialplan unvereinbar. Liegt damit eine Reduzierung des Ermessens auf null bei der Ausübung des Direktionsrechts nicht vor, bestand für die Beklagte ein weiter Bereich von Tätigkeiten, die dem Kläger bei Abwägung der wesentlichen Umstände des Falls billigerweise zugemutet werden konnten. Im Hinblick auf die berufliche Qualifikation des Klägers kamen insoweit durchaus auch Stabsfunktionen in Betracht. Die Beklagte musste den Kläger nicht zwangsläufig mit Leitungsaufgaben beschäftigen. Sie brauchte bei der Ausübung des Direktionsrechts auch keine Sozialauswahl vorzunehmen (vgl. BAG 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 64, zu IV. 2. d) bb) d.Gr.).

4.

Schließlich scheitert ein Anspruch des Klägers auf Beschäftigung als Bezirksgeschäftsführer daran, dass die Beklagte diese Position nicht einseitig vergeben kann. Nach § 29 Nr. 2 der Satzung der Beklagten wird der Bezirksgeschäftsführer vom Bezirksvorstand vorgeschlagen und nach Abstimmung mit der jeweils zuständigen Landesbezirksleitung vom Bundesvorstand bestellt. Danach kann die Beklagte nur eine solche Person zum Bezirksgeschäftsführer bestellen, die zuvor vom Bezirksvorstand vorgeschlagen wurde. Der Bezirksvorstand besteht gem. § 28 Nr. 1 der Satzung der Beklagten aus den dort aufgeführten ehrenamtlichen Mitgliedern. Diese haben hinsichtlich der Person des Bezirksgeschäftsführers ein Vorschlagsrecht, d.h. sie wählen eine von ihnen für geeignet befundene Person aus und stimmen sich hierüber mit der Landesbezirksleitung ab. Hieraus folgt, dass diese zwar Einwendungen gegen vorgeschlagene Kandidaten erheben und diese ablehnen kann, aber nicht unter Umgehung des Bezirksvorstands eine von ihr für geeignet empfundene Person zum Bezirksgeschäftsführer bestellen kann. Da der Kläger nicht von einem Bezirksvorstand als Bezirksgeschäftsführer vorgeschlagen wurde, kann die Beklagte ihn nach ihrer Satzung nicht auf dieser Position beschäftigen.

C.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO fallen dem Kläger die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zur Last.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere liegt dem Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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