Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 4/8 Sa 743/05
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 112
BetrVG § 75
BGB § 310 IV
1. Die Betriebspartner sind befugt, in einem Sozialplan Leistungen zum Ausgleich von Rentennachteilen durch eine vorgezogene Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente vorzusehen.

2. Verpflichtet sich der Arbeitgeber zur Übernahme der auf eine solche Leistung anfallenden Lohnsteuer, betrifft dies im Zweifel nur den sich bei der Auszahlung ergebenden Lohnsteuerabzug nach § 39 EstG und nicht die tatsächliche Einkommenssteuerbelastung aufgrund der Jahressteuerveranlagung.

3. Die Unklarheitenregel und das Transparenzgebot sind gemäß § 310 IV BGB bei der Sozialplanauslegung nicht heranzuiehen.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. März 2005 - 14 Ca 6864/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Erstattung für eine Sozialplanleistung angefallene Einkommensteuer.

Der am 04. August 1943 geborene Kläger war für die Beklagte seit 07. Dezember 1967 tätig. Die Beklagte schloss am 23. April 1997 mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine "Vereinbarung zum Interessenausgleich und Sozialplan", die als "Sozialplan 1997" bezeichnet wurde (nachfolgend: SP). Gemäß Ziffer II. SP diente die Regelung der Entlassung von 63 Arbeitnehmern. Unter III 4 SP sind Regelungen über die Abfindung der betroffenen Arbeitnehmer enthalten. Darin heißt es u.a.:

"b) Mitarbeiter, die das 55. Lebensjahr bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vollendet haben, erhalten statt der nach a) berechneten Abfindung eine Einmalzahlung, deren Höhe sich wie folgt berechnet:

aa) Bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezuges von Altersrente wird der bisherige Nettoverdienst des Mitarbeiters unter Einberechnung von Arbeitslosengeld bzw. ihm entsprechender Ersatzleistung ohne Abzinsung zu 100% ausgeglichen Der solchermaßen berechnete Betrag wird als Abfindung (brutto) gezahlt und unter Beachtung der §§ 3, 24, 34 EStG versteuert.

In die Berechnung einbezogen werden Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld ...

Der Mitarbeiter erhält hierzu eine Abrechnung nach dem dieser Vereinbarung anliegenden Muster.

Nachteile, die der Mitarbeiter dadurch erfährt, dass die Höhe der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit aufgrund der bei Abschluss dieses Sozialplanes geplanten gesetzlichen Änderungen herabgesetzt wird, gleicht A aus. Der Ausgleich geschieht in der Weise, dass A die Abfindung nach Absatz 1 um einen Betrag erhöht, der dem Mitarbeiter die freiwillige Nachversicherung zum Ausgleich der Rentenerniedrigung ermöglicht. Dabei wird der auf Nachweis des Mitarbeiters erforderliche Nachversicherungsbetrag erhöht zum Ausgleich der Steuerbelastung von dem im Einzelfall anzuwendenden Steuersatz für die Abfindung. Der zur Nachversicherung zur Verfügung gestellte Betrag ist auf eine Höchstsumme begrenzt. Der Nachweis ist spätestens vom Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung zu erbringen.

...

cc) Ist der Einmalbetrag falsch berechnet mit der Folge, dass dem Mitarbeiter insgesamt nicht der nach aa) Absatz 1 angegebene Nettoverdienst zufließt, so gleicht A diesen Nachteil auf Nachweis des Mitarbeiters aus. Dies gilt nicht, wenn der Mitarbeiter die Entstehung des Nachteils zu vertreten hat (z.B. verspätete Arbeitslosmeldung, Verzicht auf Arbeitslosmeldung, anderweitige Beschäftigung).

c) Sollte bei konkreter Betrachtung des Einzelfalls die Höchstgrenze für den einzelnen betroffenen Mitarbeiter unbillig erscheinen, so verpflichten sich die Betriebsparteien, Verhandlungen darüber aufzunehmen, ob in diesem Einzelfall die Höchstgrenze überschritten werden kann.

Nach Möglichkeit wird die Abfindungszahlung in der Regel unter Beachtung der sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Vorschriften für den Mitarbeiter so günstig gestaltet wie möglich, ohne dass jedoch A hierfür die Haftung übernimmt."

Gemäß Ziffer III 8 Abs. 1 Satz 1 SP waren die Ansprüche aus dem Sozialplan im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers fällig. In einer Protokollnotiz setzen die Betriebspartner die Höchstsumme gemäß III 4 b Abs. 5 SP auf DM 60.000 fest. Der Kläger schied auf der Grundlage des SP zum 31. Dezember 2002 aus. Im Dezember 2001 erteilte die Beklagte dem Kläger Auskunft über die von ihr zum Zeitpunkt des Ausscheidens zu erbringenden Leistungen. Unter anderem kündigte sie eine Zahlung zum Ausgleich des Rentenverlustes in Höhe von DM 60.000 netto an. Sie zahlte den steuerfreien Teil der Abfindung im Dezember 2002 und den Restbetrag einschließlich des Rentenausgleichs im Januar 2003. Für den Rentenausgleich leistete sie gemäß § 39 b Abs. 3 EStG Lohnsteuer in Höhe von € 16.848,35 an das Betriebsstättenfinanzamt. Gemäß einer von der Beklagten eingeholten Anrufungsauskunft des Betriebsstättenfinanzamts unterschritt dieser Betrag den zum Zeitpunkt des Zuflusses tatsächlich abzuführenden Lohnsteuerbetrag um € 400,90. Am Ende der Anrufungsauskunft erteilte das Finanzamt folgenden Hinweis:

"Durch die Anwendung des Progressionsvorbehalts (Arbeitslosengeld) auf den Gesamtbetrag der Entlassungsentschädigung und/oder anderweitige positive Einkünfte kann es im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2003 zu einer Einkommensteuernachzahlung kommen. Die mögliche Einkommensteuernachzahlung kann noch höher ausfallen, wenn die Ehefrau eigene steuerpflichtige Einkünfte im Rahmen der Zusammenveranlagung deklarieren sollte."

Auf ein Teilanerkenntnis der Beklagten in Höhe von € 400,90 erließ das Arbeitsgericht antragsgemäß ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil. Nach dem Einkommensteuerbescheid hatte der Kläger für das Jahr 2003 über bereits abgeführte Steuerabzüge hinaus eine Steuernachzahlung in Höhe von € 59.080,59 nachzuzahlen. Gemäß der Erläuterungen auf dem Steuerbescheid wurden Leistungen nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von € 20.122 in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen. Nach der Berechnung der Steuerberaterin des Klägers wurde ohne Berücksichtigung des Gegenstandes des Teilanerkenntnisurteils ein Anteil von € 11.726 der Steuernachzahlung durch die Zahlung des Rentenausgleichs ausgelöst. Nach ihrer Feststellung beruhte diese Steigerung der Steuerschuld darauf, dass dem Lohnabzug gemäß der Eintragung in der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2003 die Steuerklasse 3 zugrunde lag, während die Jahressteuerveranlagung auf der Grundlage der Steuerklasse 1 durchgeführt wurde. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die Erstattung der Steuernachzahlung für den Betrag des Rentenausgleichs.

Wegen der Feststellungen des Arbeitsgerichts, des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf die mit diesem in Bezug genommenen Schriftsätze verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung - kurz zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der sich aus der Veranlagung des Rentenausgleichsbetrages im Jahreseinkommenssteuerbescheid ergebenden tatsächlichen Einkommenssteuerbelastung. Aus den Fälligkeitsbestimmungen des SP ergebe sich, dass für die Höhe des von der Beklagten zu leistenden Steuerausgleichs der zum Zeitpunkt der Auszahlung der Sozialplanleistungen zu berücksichtigende Steuersatz maßgeblich sei. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Berücksichtigung des endgültigen Steuersatzes nicht möglich. Gemäß der die Parteien bindenden Anrufungsauskunft bestehe daher kein Anspruch des Klägers auf weitere Steuererstattung. Aus der im Dezember 2001 erteilten Auskunft ergebe sich kein davon abweichender Vertrag. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das am 08. April 2005 zugestellte Urteil am 28. April 2005 Berufung eingelegt und diese am 31. Mai 2005 begründet. Er rügt, das Arbeitsgericht habe nicht zwischen der Lohnsteuerabführungs- und der Einkommenssteuerpflicht differenziert. Aus dem SP, der Protokollnotiz und der im Dezember 2001 erteilten Auskunft ergebe sich ein Anspruch auf Ausgleich der durch die Zahlung des Rentenausgleichs bewirkten individuellen Steuerbelastung, für die die Einkommenssteuerveranlagung für das Jahr 2003 maßgeblich sei. Nur dann sei ein vollständiger Ausgleich der Rentennachteile möglich. Bis zur Klageerhebung sei es übereinstimmende Ansicht von Gesamtbetriebsrat und Personalabteilung der Beklagten gewesen, dass die Arbeitnehmer tatsächlich einen Nettobetrag von bis zu DM 60.000 erhalten sollten. Dies sei den betroffenen Arbeitnehmern vor dem Ausscheiden auch so mitgeteilt worden. Dadurch sei eine entsprechende Gesamtzusage begründet worden. Zudem gebiete das Transparenzgebot eine Auslegung des SP im Sinne des Klägers. Der Kläger und die Kläger der beiden Parallelverfahren seien die einzigen Arbeitnehmer gewesen, deren Steuernachteil nicht vollständig ausgeglichen worden sei. Andere unterjährig ausgeschiedene Kollegen hätten beim Ausscheiden eine individuell berechnete Ertragssteuererstattung von der Beklagten erhalten. Daher sei auch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Im Berufungstermin rügte der Kläger, dass die Beklagte die gesamte Abfindung bereits im Dezember 2001 hätte auszahlen müssen. Dann hätte diese eine höhere Steuerbelastung durch den Rentenausgleich erstatten müssen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 23. Mai und 14. Juni 2005 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 14 Ca 6864/03 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 11.726 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. August 2004 zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Entscheidung des Arbeitsgerichts und behauptet, sie habe alle Fälle entsprechend ihrer im vorliegenden Rechtsstreit vertretenen Auffassung abgewickelt. Zweck des SP sei es, mit dem Ausscheiden der Arbeitnehmer Rechtssicherheit zu gewährleisten. Bei unterjährig ausgeschiedenen Arbeitnehmern seien die im Ausscheidenszeitpunkt bekannten steuerlichen Daten einschließlich des im Kalenderjahr bereits erzielten Einkommens bei der Berechnung entsprechend der steuerrechtlichen Vorgaben berücksichtigt worden.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 04. Juli 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Erstattung der durch die Zahlung des Rentenausgleichs im Jahr 2003 ausgelösten Einkommenssteuerschuld durch die Beklagte.

1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem SP.

a) Die Gewährung eines Anspruchs auf Rentenausgleich durch III 4 b SP ist allerdings wirksam. Die Betriebspartner sind bei der Vereinbarung eines Sozialplans grundsätzlich frei zu entscheiden, welche wirtschaftlichen Nachteile der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer durch welche Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben sie allerdings nach § 75 Abs. 1 BetrVG die betroffenen Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln. Zu diesen zählt insbesondere der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (ständige Rechtsprechung, etwa BAG 19. Juli 1995 - 10 AZR 885/94 - BAGE 80/286, zu III 1; 05. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141, zu II 2 c). Auszurichten haben die Betriebspartner die Regelungen des Sozialplans am Zweck der Sozialplanleistungen, der darin besteht, mit einem begrenzten Volumen möglichst allen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes oder bis zum Bezug der Altersrente zu ermöglichen. Mangels Vorhersehbarkeit der später tatsächlich eintretenden Nachteile ist dabei eine Pauschalierung zulässig (BAG 23. August 1988 - 1 AZR 284/87 - BAGE 59/255, zu III 3 a; 24. November 1993 - 10 AZR 311/93 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 72, zu II 2 b; 19. Oktober 1999 - 1 AZR 838/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135, zu I 1; 05. Oktober 2005 a.a.O., zu II 2 c). Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach angenommen, dass sich der Überbrückungszweck längstens bis zum Bezug von Altersrente erstreckt (BAG 19. Oktober 1999, a.a.O., zu I 1; 30. Oktober 2001 - 1 AZR 65/01 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 145, zu I 2 b).

Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht so zu verstehen, dass der Ausgleich von Nachteilen durch eine vorgezogene Altersrente durch Sozialplanleistungen generell unzulässig ist. Auch derartige Folgen sind wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung. Nicht selten werden ältere Arbeitnehmer ohnehin auch andere Sozialplanleistungen zu ihrer wirtschaftlichen Absicherung im Alter nutzen. Der Ausgleich von Rentennachteilen durch eine aufgrund der Betriebsänderung erforderliche vorgezogene Inanspruchnahme von Altersrente wird daher vom Leistungszweck gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG umfasst. Entsprechende Regelungen überschreiten das den Betriebspartnern bei der Sozialplangestaltung zur Verfügung stehende Ermessen nicht.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Anspruch auf Übernahme der Steuerbelastung durch den Ausgleich der Rentennachteile gemäß Ziffer III 4 b aa Abs. 5 Satz 3 SP nicht nach der individuellen tatsächlichen Steuerbelastung aufgrund des Jahreseinkommenssteuerbescheides zu errechnen.

Sozialpläne sind als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist zunächst von ihrem Wortlaut und dem dadurch vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind darüber hinaus Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebspartner ist zu berücksichtigen, falls er in dem Regelungswerk Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. etwa BAG 12. November 2002 - 1 AZR 632/01 - BAGE 103/312, zu A II 1; 22. März 2005 - 1 AZR 3/04 - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 13, zu 1). Äußerungen von an den Sozialplanverhandlungen beteiligten Personen über Inhalt und Zweck des Sozialplans sind bei der Auslegung allenfalls beachtlich, wenn sie im Sozialplan Niederschlag gefunden haben (BAG 22. März 2005 a.a.O., zu 2 e). Als Rechtsnormen müssen Sozialpläne für die von ihnen Betroffenen aus sich heraus verständlich sein. Auf einen eventuell von der wörtlichen Bedeutung oder dem systematischen Zusammenhang abweichenden tatsächlichen Willen der Betriebspartner kommt es aus diesem Grund nicht an. Daher besteht insbesondere kein Raum für die Feststellung eines derartigen Parteiwillens etwa durch Zeugenvernehmung (BAG 11. Juni 1975 - 5 AZR 217/74 - BAGE 27/187, zu 1).

Bei wörtlicher Betrachtung ist die Regelung von III 4 b SP widersprüchlich. Einerseits soll der Rentenausgleich als Teil der Gesamtabfindung nach Ziffer III 4 b Eingangssatz SP als Einmalzahlung im Zeitpunkt des Ausscheidens (III 8 Abs. 1 Satz 1 SP geleistet werden. Zu diesem Zeitpunkt ist eine abschließende Bestimmung der tatsächlichen individuellen Steuerbelastung des betroffenen Arbeitnehmers im Veranlagungszeitraum nicht möglich, da die Entwicklung der für die Festsetzung der Jahressteuer relevanten Faktoren vor Ablauf des Veranlagungszeitraums nicht präzise und vollständig prognostiziert werden kann. Dies ist erst zum Jahresende möglich. Zum Fälligkeitszeitpunkt kann allein der dem Arbeitgeber obliegende Lohnsteuerabzug gemäß § 39 b Abs. 3 EStG bestimmt werden. Andererseits können Ziffer III 4 b aa Abs. 5 Satz 3 SP und die Protokollnotiz gemäß der Ansicht des Klägers so verstanden werden, dass die vom Arbeitnehmer individuell aufgrund des Jahreseinkommenssteuerbescheids zu tragende Steuerbelastung erstattet und nicht etwa nur der Lohnsteuerabzug gemäß § 39 b Abs. 3 EStG von der Beklagten finanziert werden sollte. Zwar verpflichtet sich ein Arbeitgeber mit einer Nettolohnzusage nicht ohne weiteres zur Übernahme einer progressionsbedingten Steuermehrbelastung (BAG 08. September 1998 - 9 AZR 255/97 - AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 10, zu III; 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 - BAGE 101/351, zu I 1). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Arbeitgeber sich ausdrücklich zur Übernahme anfallender Steuern verpflichtet (BAG 29. Juli 2003 - 9 AZR 100/02 - AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 15, zu A I 2 b). Ziffer III 4 b aa Abs. 5 Satz 3 SP und die Protokollnotiz könnten bei isolierter Betrachtung als Übernahmezusage in diesem Sinne verstanden werden.

Zudem ist bei der Feststellung des Lohnabzugs gemäß § 39 b Abs. 3 Satz 1 EStG nur der voraussichtliche Jahresarbeitslohn des Arbeitnehmers zugrunde zu legen. Damit sind progressionsauslösende sonstige Bezüge einschließlich von Arbeitslosengeld mit der Folge nicht berücksichtigt, dass der nach § 39 b Abs. 3 EStG abzuführende Steuerbetrag nicht selten wie im Fall des Klägers unter der tatsächlichen Steuerbelastung liegt und damit bei Zugrundelegung dieser Norm das in Ziffer III 4 b cc Abs. 5 Satz 3 SP zum Ausdruck gebrachte Ziel des Nettoausgleichs der Rentennachteile nicht selten unterschritten werden dürfte.

Gegen die Auslegung des Klägers sprechen jedoch eindeutig die Systematik und der Zusammenhang des SP. Das Arbeitgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Fälligkeitsregelung von Ziffer III 8 Abs. 1 Satz 1 SP darauf hindeutet, dass der sich bei Auszahlung ergebende Lohnsteuerabzug nach § 39 b EStG für die Anspruchshöhe maßgeblich sein sollte. Nur dieser kann bei der Fälligkeit der Leistung bestimmt werden. Da die Leistung bei ihrer Fälligkeit bezifferbar sein muss, kommt nur dieser in Betracht.

Entsprechendes folgt aus dem Charakter der Leistung als Einmalzahlung. Träfe die Auffassung des Klägers zu, könnte es sich nicht um eine Einmalzahlung handeln. Dann müsste mit dem Ausscheiden zunächst eine Abschlagszahlung an den Arbeitnehmer erbracht werden und die tatsächlich von der Beklagten zu tragende Steuerbelastung später auf der Grundlage der Jahreseinkommenssteuerveranlagung abschließend ermittelt werden. Die tatsächliche individuelle Steuerbelastung für einen Veranlagungszeitraum entspricht regelmäßig nicht der Höhe des Lohnsteuerabzugs gemäß § 39 b EStG. Er kann je nach den steuerrelevanten Faktoren den Lohnsteuerabzug tatsächlich unter- oder überschreiten. Es müsste daher nach dem Eintritt der Bestandskraft des Einkommenssteuerbescheides und ggf. nach dem rechtskräftigen Abschluss in Zusammenhang mit dem Bescheid geführter Widerspruchsverfahren und finanzgerichtlicher Rechtsstreite auf der Grundlage der abschließenden Veranlagung die durch den Rentenausgleich bewirkte Steuermehrbelastung für alle vom SP betroffenen Arbeitnehmer erneut errechnet werden.

Eine solche Regelung würde nicht nur einen üblicherweise nicht angestrebten erheblichen bürokratischen Aufwand verursachen. Sie wäre in Hinblick auf das Steuergeheimnis überaus problematisch und daher mit den Grundsätzen von Recht und Billigkeit von § 75 Abs. 1 BetrVG kaum zu vereinbaren. Die Arbeitnehmer wären gezwungen, dem Arbeitgeber zur Ermittlung der tatsächlichen Steuermehrbelastung ihre gesamten steuerlich relevanten Einnahmen und Belastungen nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens zu offenbaren, und zwar auch, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang stehen. Bei einer gemeinsamen Veranlagung kommen zudem die entsprechenden Daten der Ehegatten hinzu. Bei Unterhaltspflichten wären weiter auch dem Steuergeheimnis unterliegende Daten unterhaltsbeziehender oder -ge- währender Verwandter der Arbeitnehmer zu offenbaren, beispielsweise die geschiedener Ehepartner oder eines nichtehelichen Kindes. Zudem wären etwa im Fall hoher Werbungskosten oder negativer Einkünfte die Arbeitnehmer gezwungen, bei einer Einkommensteuerrückzahlung einen Teil der von der Beklagten abgeführten Lohnsteuer an die Beklagte zu erstatten. Der SP bietet keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass mit ihm eine so aufwendige und datenschutzrechtlich überaus problematische Regelung geschaffen werden sollte. Dann hätte zudem ein der Regelung von Ziffer III 4 b cc SP entsprechendes Verfahren zur Durchführung der abschließenden Berechnung der von der Beklagten zu übernehmenden Steuerbelastung und zur Nachzahlung bzw. Rückerstattung sich ergebender Differenzbeträge vorgesehen werden müssen. Gerade die Korrekturregelung von Ziffer III 4 b cc SP belegt, dass im Gegensatz zu dem ersten, dem Vergütungsverlust bis zum Erreichen des Rentenalters betreffenden Abfindungsteil der Rentenausgleich als zweiter Teil der Abfindung nicht weit nach dessen Fälligkeit erneut nachberechnet werden soll. Andernfalls hätten dies die Betriebspartner in einer Ziffer III 4 b cc SP vergleichbaren Regelung festgelegt.

Demgegenüber kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf die Unklarheitenregel von § 305 c Abs. 2 BGB und auf das Transparenzgebot von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen. Zwar spricht viel dafür, dass die Betriebspartner bei der Sozialplangestaltung gehalten sind, die Voraussetzungen, den Umfang und die Grenzen der Sozialplanleistungen für die betroffenen Arbeitnehmer verständlich zum Ausdruck zu bringen. Der Sozialplan ist die Grundlage für wesentliche, häufig unter Zeitdruck zu treffende Dispositionen der Arbeitnehmer. Der Anwendung der §§ 305 c Abs. 2, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB steht jedoch bereits § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB entgegen. Auch ein Sozialplan hat gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung im Sinne von § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB und unterliegt daher nicht der individualvertraglichen Inhaltskontrolle. Für seine Auslegung gelten, wie dargelegt, die Grundsätze der Normauslegung. Diese sprechen vorliegend angesichts der Systematik und des Zusammenhangs des SP deutlich für die Richtigkeit der Auslegung der Beklagten. Auf die Vorstellungen der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats und der Personalabteilung über den Inhalt des Sozialplans kommt es danach gemäß der einleitend skizzierten Grundsätze nicht an.

2. Auf vertragliche Abreden oder eine Gesamtzusage kann die Klageforderung ebenfalls nicht gestützt werden. Voraussetzung wäre jeweils eine ausdrückliche oder konkludente der Beklagten zurechenbare Erklärung, dergemäß die Beklagte vertraglich zu einer vom SP abweichenden Berechnung verpflichtet werden sollte. Eine solche Erklärung ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Die im Dezember 2001 erteilte Auskunft ist keine die Rechtslage umgestaltende Willenserklärung, sondern die Mitteilung der Leistungen, die die Beklagte an den Kläger mit dessen Ausscheiden erbringen wollte, und damit eine reine Wissenserklärung. Zudem wird mit ihr auf den SP Bezug genommen. Dies belegt, dass sie allein dem Vollzug der Regelungen des SP und nicht deren einzelvertraglicher Abänderung dienen sollte.

Auch die vom Kläger behaupteten Erklärungen der Personalabteilung, dergemäß die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich die im SP vorgesehenen Leistungen netto erhalten sollten, trägt die Klageforderung nicht. Der Kläger hat gemäß dieser Ankündigungen im Januar 2003 tatsächlich DM 60.000 netto erhalten. Dass seinerzeit in Abänderung des SP die zusätzliche Übernahme bei Fälligkeit der Abfindung nicht feststellbarer Progressionswirkungen zugesagt wurde, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.

3. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Dies würde u.a. eine Abweichung von einem generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung zu Lasten des Klägers voraussetzen (vgl. etwa BAG 26. April 2005 - 1 AZR 76/04 - EzA BetrVG 2001 § 87 Lohngestaltung Nr. 6, zu II 1; 12. Oktober 2005 - 10 AZR 640/04 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 259, zu II 1). Hier hat die Beklagte die sich aus dem SP ergebende Regelung angewandt, für die netto an die betroffenen Arbeitnehmer gezahlten Rentenausgleichsbeträge nach dem Maßstab von § 39 b EStG Lohnsteuer abzuführen, soweit dies steuerrechtlich vorgeschrieben war. Dass die Beklagte in anderen Fällen von diesem Grundsatz abgewichen ist, ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Die Tatsache der Abführung der individuell berechneten Lohnsteuer widerspricht der von der Beklagten angewendeten allgemeinen Regel nicht; sie entspricht ihr vielmehr. Die Beklagte hat diesen Grundsatz auch zugunsten des Klägers angewandt. Ihre Zahlungen entsprechen unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses den Feststellungen des Finanzamts gemäß der Anrufungsauskunft.

4. Die Zahlung des den Rentenausgleich umfassenden Teils der Abfindung im Januar 2003 begründet schließlich schon deshalb keine Ansprüche des Klägers, weil dies der Fälligkeitsregelung von Ziffer III 8 Abs. 1 Satz 1 SP entsprach, dergemäß die Leistungen im Zeitpunkt des Ausscheidens der Arbeitnehmer fällig wurden. Das Arbeitsverhältnis endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB am 31. Dezember 2002, 24.00 Uhr. Am folgenden Werktag wurde sodann die Abfindung fällig, § 193 BGB. Die Abfindung war daher steuerlich im Jahr 2003 und nicht im Jahr 2002 zu veranlagen, §§ 11 Abs. 1, 38 Abs. 2 Satz 2 EStG.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne von § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück