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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 1329/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 50
BetrVG § 75
BetrVG § 112
Die unternehmensweite Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht unter dem Vorbehalt der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte der einzelnen Betriebe des Unternehmens. Üben die einzelnen Betriebsräte ihre Mitbestimmungsrechte im Rahmen ihrer gesetzlichen Kompetenzen unterschiedlich aus, kann dies nicht durch die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit dem Ziel einer unternehmeneinheitlichen Regelung korrigiert werden.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 24. Mai 2006 - 9 Ca 566/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung.

Die Beklagte ist ein dem A-Konzern angehörendes Unternehmen, das in Deutschland zwölf sog. Vertriebszentren betrieb, von denen aus die Vertragshändler des Konzerns mit Ersatzteilen versorgt wurden. In den Vertriebszentren waren jeweils Betriebsräte gewählt, die einen Gesamtbetriebsrat bildeten. Im Unternehmen wurde jedenfalls seit dem Jahr 2003 über eine Reduzierung der Anzahl der Vertriebszentren unter Beteiligung der Betriebsräte verhandelt. Die Beklagte entschloss sich zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt, die Zahl der Vertriebszentren auf sieben zu reduzieren. Im Laufe des Jahres 2004 verhandelte sie mit dem Gesamtbetriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans aus diesem Anlass. Die im August 1956 geborene Klägerin war für die Rechtsvorgängerin der Beklagten seit 01. Juli 1993 als Lagerhalterin zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt € 1.727 im Vertriebszentrum C tätig.

Im Sommer 2004 suchte die Muttergesellschaft der Beklagten ein Unternehmen, das Autoteile für die Montage in Exportländern zusammenstellen sollte. Die Beklagte sah sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, sich hierfür zu bewerben. Die Muttergesellschaft erteilte den Auftrag der Firma B (nachfolgend B), die aufgrund eines für das Unternehmen günstigen Firmentarifvertrags ein wettbewerbsfähiges Angebot unterbreitet hatte. Da die Betriebsräume in C und das dort beschäftigte Personal für die Erledigung der weniger anspruchsvollen Aufgaben der Firma B geeignet waren, wurde beschlossen, dass das Vertriebszentrum C der Beklagten zum 30. September 2004 geschlossen werden und die Firma B ihre Tätigkeit in dessen Räumlichkeiten zum 01. Oktober 2004 aufnehmen sollte. Die Belegschaft wurde in einer Betriebsversammlung vom 30. Juni 2004 und mit Schreiben vom 19. Juli 2004 über die Stilllegung und den Umstand unterrichtet, dass jeder Mitarbeiter sich für Stellen bei der B bewerben könne, deren Beschreibungen am schwarzen Brett der Beklagten ausgehängt wurden. Die Arbeitnehmer aus C hatten daneben die Möglichkeit, in das Vertriebszentrum H zu wechseln. Am 26. August 2004 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat des Betriebs C eine Betriebsvereinbarung (im Folgenden BV), in der auszugsweise Folgendes geregelt ist:

"1. Die B wird ab 01.10.2004 im Logistikbereich des VZ C mit eigenem Personal Bausätze für komplette Autos zusammenstellen ... und versenden. Es handelt sich um eine grundlegend andere Tätigkeit als diejenige, die bislang vom VZ C ausgeübt worden ist. ...

2. Die B hat sich bereit erklärt, allen in der Logistik unbefristet beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern des VZ C in einer Gesamtzahl von 180 und ca. 25 Angestellten des VZ Cs zumutbare Arbeitsplätze im CKD-Bereich anzubieten, welche der bisherigen Tätigkeit der Arbeitnehmer von den Anforderungen und Inhalten im Wesentlichen entsprechen. ...

3. Die Betroffenen erhalten von der B das Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages am Standort C mit Versetzungsklausel. Die Arbeitsbedingungen inklusive Vergütung richten sich nach den in der Autovision geltenden Regelungen und wurden dem Betriebsrat mitgeteilt. ...

4. Die OTLG wird durch Zahlungen an die B eine Besitzstandszulage bis zum 30.09.2007 sicherstellen. Diese besteht in dem Unterschiedsbetrag zwischen der durchschnittlichen monatlichen Vergütung, die mit der Autovision vereinbart ist, und der durchschnittlichen monatlichen Vergütung, die bei der OTLG Vertriebszentrum C bezogen wurde. Bis zum 30.09.2008 besteht Anspruch auf die Hälfte der Besitzstandszulage. ...

5. ...

6. Die B wird keine Vordienstzeit anrechnen. Die OTLG wird aber durch Vereinbarungen mit der B dafür Sorge tragen, dass das Kündigungsschutzgesetz vom ersten Tag an Anwendung findet und dass betriebsbedingte Kündigungen dieser Mitarbeiter bis zum 30.09.2007 nur mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgen können.

7. Die Betriebsparteien erklären, dass für einen Wechsel von der OTLG zur B ein Aufhebungsvertrag mit der OTLG und ein Arbeitsvertrag mit der Autovision erforderlich ist.

8. Die Betriebsparteien nehmen Bezug auf die Übergangsregelung vom 25.05.2004 und stellen klar, dass etwaige Rechte aus Interessenausgleich und Sozialplan, der momentan zwischen OTLG und dem Gesamtbetriebsrat verhandelt wird, für die Arbeitnehmer, die zur Autovision wechseln, gewahrt bleiben. Leistungen aufgrund dieser Betriebsvereinbarung und/oder individueller Vereinbarungen werden aber auf etwaige Leistungen aus dem Interessenausgleich und Sozialplan angerechnet.

9. ...

10. Die OTLG und der Betriebsrat stimmen darin überein, dass der mit dieser Betriebsvereinbarung geregelte Vorgang eine einvernehmliche und sinnvolle Maßnahme zur Erhaltung der Beschäftigung ist. Sie stimmen ferner darüber überein, dass sich im Übrigen die Rechte und Pflichten der OTLG und der betroffenen Arbeitnehmer nach dem noch auszuhandelnden Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Gesamtbetriebsrat richten. Es besteht Einigkeit, dass Arbeitsplätze, die gemäß dieser Betriebsvereinbarung angeboten werden, angesichts der damit verbundenen sonstigen Leistungen auch im Rahmen des mit dem Gesamtbetriebsrat abzuschließenden Interessenausgleichs und Sozialplans als zumutbar anzusehen sind."

Wegen des vollständigen Inhalts der BV wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift Bezug genommen. Die Klägerin wäre bei einem Wechsel in die Entgeltgruppe 1 des Entgelttarifvertrages der B eingruppiert gewesen und hätte eine Bruttomonatsvergütung von € 1.325 erhalten. Sie bewarb sich bei der Firma B nicht. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 28. Februar 2005 und zahlte an die Klägerin gemäß einer Abfindungsvereinbarung, wegen deren Inhalts auf die Anlage K 7 zur Klageschrift Bezug genommen wird, eine Abfindung von € 9.500 brutto. Nach Abschluss der Verhandlungen unterzeichneten der Gesamtbetriebsrat und die Beklagte am 14. September 2005 einen Interessenausgleich (nachfolgend IA) und einen Sozialplan (im Folgenden SP). Im IA heißt es u.a.:

"I.

(1) Zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist es notwendig, die zwölf Standorte auf sieben zu reduzieren.

Der Betrieb C (nur Logistik, IS und Verwaltung) ist zum 30.09.2004 geschlossen worden, weil nur zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit bestand, Ersatzarbeitsplätze für die Mitarbeiter zu beschaffen. Hierüber wurde eine entsprechende Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat C abgeschlossen. Die übrigen betroffenen Betriebe werden wie folgt geschlossen:

- Der Betrieb D zum 24.10.2006.

- Der Betrieb E zum 27.03.2006.

- Der Betrieb F zum 18.09.2007.

- Der Betrieb G zum 23.10.2007.

...

Der Betrieb H wird erweitert und in einen zu errichtenden Neubau umziehen, und zwar in der Zeit von Januar bis August 2006.

(2) Durch Reduzierung der Standorte des Unternehmens werden an anderen Standorten weitere Arbeitsplätze entstehen. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass diese vorrangig mit internen Bewerbern zu besetzen sind, soweit diese geeignet und verfügbar sind. ..."

Unter § 1 SP sind zum Geltungsbereich des SP u.a. folgende Regelungen enthalten:

"(1) Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer, die in den Schließungsbetrieben sowie im Betrieb H beschäftigt sind und wegen Schließung oder Umzug durch Verlust oder Veränderung ihres Arbeitsplatzes betroffen sind.

(2) ...

(3) Für die Mitarbeiter des VZ C (nur Logistik, IS und Verwaltung) findet nur § 4 (Altersteilzeit) dieses Sozialplans Anwendung."

Unter § 2 Abs. 1 SP ist für Arbeitnehmer der Vertriebszentren E und F geregelt, dass ihnen angebotene alternative Arbeitsplätze u.a. nur dann zumutbar sind, wenn die bisherige Betriebszugehörigkeit angerechnet und die bisherige Bruttomonatsvergütung beibehalten wird. Nach § 2 Abs. 2 SP sollte für Arbeitnehmer des Vertriebszentrums G die Annahme von Arbeitsplätzen im Vertriebszentrum I zumutbar sein. Für diese wurde eine befristete Fahrt- und Umzugskostenerstattung vorgesehen. Gemäß § 8 SP hatten Arbeitnehmer, denen kein zumutbarer Arbeitsplatz angeboten wurde, Anspruch auf eine Abfindung, wenn sie wegen der Schließung eines Vertriebszentrums ausscheiden. Wegen des vollständigen Inhalts von IA und SP wird auf die Anlage K 8 zur Klageschrift verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die Abfindung geltend, die sie bei Anwendung von § 8 SP unter Anrechnung der von der Beklagten gezahlten Abfindung erhalten hätte. Wegen der Berechnung wird auf S. 7 der Klageschrift Bezug genommen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und - kurz zusammengefasst - zur Begründung ausgeführt, der Klageanspruch könne wegen § 1 Abs. 3 SP nicht auf § 8 SP gestützt werden. Er ergebe sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte lediglich die Normen des SP vollziehe. § 1 Abs. 3 SP verstoße nicht gegen § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, da die Beklagte die Regelungskompetenz des örtlichen Betriebsrats in C zu beachten habe. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Betriebspartner scheide aus, da es um Sachverhalte gehe, die von unterschiedlichen kollektiven Rechtsträgern innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche geregelt worden seien. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das am 21. Juli 2006 zugestellte Urteil am 14. August 2006 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis 23. Oktober 2006 am 20. Oktober 2006 begründet. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass § 1 Abs. 3 SP wegen eines Verstoßes gegen § 75 BetrVG nichtig sei. Sachliche Gründe für die unterschiedliche Bewertung der Zumutbarkeit anderer Arbeitsplätze gegenüber den Arbeitnehmern der anderen betroffenen Vertriebszentren fehlten. Alle fünf geschlossenen Vertriebszentren hätten sich in einer vergleichbaren Lage befunden. Der Gesamtbetriebsrat sei unbestritten für die Regelung der Materie zuständig gewesen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 20. Oktober 2006 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 24. Mai 2006 - 9 Ca 566/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 13.273,40 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte behauptet zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags, das Vertriebszentrum C habe ganz kurzfristig und unabhängig von den Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen werden sollen. Zudem sei die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer aus dem Vertriebszentrum C durch die Kompensationsregelungen der BV und durch deren Kosten für die Beklagte gerechtfertigt.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 20. November 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da sie nicht begründet ist.

1. Auf § 8 SP kann die Klageforderung unmittelbar bereits deshalb nicht gestützt werden, weil die Arbeitnehmer des Vertriebszentrums C nach § 1 Abs. 3 SP nicht dem Geltungsbereich dieser Regelung unterfielen. Sie erlangte auch nicht aufgrund der Klauseln von Ziffern 8 Satz 1, 10 Satz 2 BV zugunsten der Klägerin Geltung. Diese Klauseln begründen keinen Anspruch auf die Anwendung des mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen SP zugunsten der Arbeitnehmer aus C unabhängig vom Geltungsbereich des SP. Mit ihnen soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass - vorbehaltlich der Regelung von Ziffer 10 Satz 3 SP - die Regelungen der BV sich eventuell aus dem mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelten Interessenausgleich und Sozialplan ergebende Ansprüche nicht berühren sollen. Ob diese Möglichkeit betriebsverfassungsrechtlich überhaupt in Betracht kam, braucht hier nicht weiter untersucht zu werden. Die BV begründet jedenfalls nicht eigenständige Rechtsansprüche auf Leistungen aus dem SP unabhängig von dessen Geltungsbereich.

2. Völlig zutreffend hat das Arbeitsgericht auch angenommen, dass die Beklagte nicht unmittelbar aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz zur Erbringung der streitgegenständlichen Leistungen verpflichtet sein kann. Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes knüpft an die Person oder Instanz an, die die jeweilige kollektive Ordnung schafft. Schafft der Arbeitgeber eine solche Ordnung nicht selbst, sondern wendet er nur Rechtsnormen wie Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen an, ist er nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht selber durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Unwirksam sein können dann nur gleichheitswidrige Normen des Tarifvertrages oder der Betriebsvereinbarung (vgl. etwa BAG 21. Juni 2000 - 3 AZR 729/98 - AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2, zu III 1; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 25, zu III). Dies gilt insbesondere auch für die Normen eines Sozialplans (BAG 17. April 1996 - 10 AZR 606/95 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 101, zu II 2 b). Da die Beklagte mit der von der Klägerin beanstandeten Differenzierung lediglich die Ausnahme von § 1 Abs. 3 SP vollzogen hat, kann der Anspruch nicht unmittelbar auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden.

3. Der Ausnahmetatbestand von § 1 Abs. 3 SP ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den die Betriebspartner gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch bei der Normsetzung bindenden Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. Die Klägerin geht zwar zutreffend davon aus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz unternehmensweit und damit auch für die Arbeitnehmer verschiedener Betriebe eines Unternehmens gilt (BAG 17. November 1998 - 1 AZR 147/98 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162, zu III 1 b; Hess. LAG 15. August 2001 - 8 Sa 1098/00 - DB 2002/1010, zu I 2). Sie berücksichtigt jedoch nicht, dass dies unter dem Vorbehalt der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte der einzelnen Betriebe des Unternehmens steht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht geeignet, mitbestimmungsrechtliche Kompetenzen der einzelnen Betriebsräte einzuschränken (BAG 25. April 1995 - 9 AZR 690/93 - BAGE 80/10, zu I 2 a; MünchArbR-Richardi 2. Aufl. § 14 Rn 10; Bepler NZA Sonderbeilage Heft 18/04 S. 3, 11). Dies folgt aus der auf den Urheber der jeweiligen kollektiven Ordnung gerichteten Zielrichtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Urheber der jeweiligen Ordnung hat bei deren Aufstellung den Gedanken der Gleichbehandlung zu beachten. Wirken an der Aufstellung verschiedener Ordnungen verschiedene Arbeitnehmervertretungen mit, fehlt dagegen der einheitliche Adressat des Gleichbehandlungsgebots. Die gesetzliche Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den einzelnen betriebsverfassungsrechtlichen Gremien soll diesen gerade ein Handeln in eigener Verantwortung ermöglichen. Wären sie gleichwohl bei der Ausübung ihrer Mitbestimmungsrechte aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes an Regelungen anderer betriebsverfassungsrechtlicher Gremien gebunden, würde die gesetzliche Konzeption der Unabhängigkeit der einzelnen Betriebsräte leerlaufen. Im Unternehmen wäre dann entgegen der Regelung von § 50 BetrVG für Beteiligungsrechte überwiegend der Gesamtbetriebsrat anstelle der Einzelbetriebsräte zuständig.

Vor diesem Hintergrund könnte der Ausnahmetatbestand von § 1 Abs. 3 SP nur gegen § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verstoßen, wenn der Gesamtbetriebsrat und nicht etwa der örtliche Betriebsrat in C auch für die Aufstellung eines Sozialplans anlässlich der Schließung des Vertriebszentrums C zuständig gewesen wäre. Dies war jedoch nicht der Fall. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat originär zuständig für Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Beteiligungsrechte geregelt werden können. Darüber hinaus können gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG die örtlichen Betriebsräte den Gesamtbetriebsrat im Wege der Delegation beauftragen, eine Angelegenheit für sie zu behandeln. An Letzterem fehlte es. Insbesondere enthalten auch die Ziffern 8 Satz 1, 10 Satz 2 BV keine Übertragung von Kompetenzen des örtlichen Betriebsrats auf den Gesamtbetriebsrat. Diese Regelungen spiegeln nur irrtümliche Vorstellungen wider, dass neben den von den örtlichen Betriebspartnern mit der BV in Anspruch genommenen Kompetenzen weitere Kompetenzen des Gesamtbetriebsrats für dieselbe Angelegenheit bestehen könnten.

Der Gesamtbetriebsrat war auch nicht gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig. Bei mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderungen besteht eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Aufstellung eines Interessenausgleichs, wenn sich die Maßnahme auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens auswirkt und deshalb eine einheitliche Regelung notwendig ist. Liegt der Betriebsänderung ein unternehmenseinheitliches Konzept zugrunde, ist die Mitwirkung Aufgabe des Gesamtbetriebsrats (BAG 24. Januar 1996 - 1 AZR 542/95 - BAGE 82/79, zu I 1, 2; 08. Juni 1999 - 1 AZR 831/98 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 47, zu III 2; 11. Dezember 2001 - 1 AZR 193/01 - EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 18, zu II 1 b). Aus der Kompetenz des Gesamtbetriebsrats zum Abschluss eines Interessenausgleichs folgt nicht ohne weiteres auch dessen Zuständigkeit für den Abschluss eines Sozialplans. Für diesen sind die Voraussetzungen von § 50 Abs. 1 BetrVG vielmehr gesondert zu prüfen. Für den Abschluss eines Sozialplans ist der Gesamtbetriebsrat nur zuständig, wenn ein zwingendes Bedürfnis nach einer betriebsübergreifenden Regelung besteht. Insoweit sind insbesondere die Ausgestaltung der Betriebsänderung im Interessenausgleich und die den Arbeitnehmern dadurch entstehenden Nachteile entscheidend. Der Gesamtbetriebsrat bleibt dann auch für den Sozialplan zuständig, wenn die im Interessenausgleich vereinbarte Betriebsänderung mehrere oder sämtliche Betriebe des Unternehmens erfasst und die Durchführung des Interessenausgleichs von betriebsübergreifenden einheitlichen Kompensationsregelungen abhängig ist (BAG 11. Dezember 2001 a.a.O., zu II 1 c; 23. Oktober 2002 - 7 ABR 55/01 - EzA BetrVG 2001 § 50 Nr. 1, zu II 2 b aa).

Hier ist bereits nicht erkennbar, dass die Stilllegung des Vertriebszentrums C auf einem einheitlichen unternehmerischen Konzept mit dem der anderen vier betroffenen Vertriebszentren beruhte. Zwar wurde die Reduzierung der Zahl der Vertriebszentren offenbar zunächst einheitlich geplant. Diese einheitliche Planung wurde aber durchbrochen, als sich zum 01. Oktober 2004 kurzfristig die Möglichkeit der Fortführung der Betriebsstätte C unter Übernahme der Belegschaft durch die Firma B ergab. Im Hinblick darauf wurde die Stilllegung des Vertriebszentrums C vorgezogen und damit von den anderen Maßnahmen abgekoppelt. Dies zeigt insbesondere der zeitliche Ablauf und die eineinhalb bis drei Jahre späteren Stilllegungstermine der anderen betroffenen Vertriebszentren.

Auch wenn gleichwohl eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Verhandlung über einen das Vertriebszentrum C betreffenden Interessenausgleich unterstellt wird, fehlt jedenfalls dessen Kompetenz für die Aufstellung eines diesen Betrieb betreffenden Sozialplans. Es ist insoweit kein Anhaltspunkt für ein Bedürfnis nach betriebsübergreifenden Regelungen erkennbar. Gegen ein solches Bedürfnis spricht bereits der weite zeitlich Abstand der verschiedenen Maßnahmen und der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Stilllegung des Vertriebszentrums C der genaue Inhalt und Ablauf der die anderen Vertriebszentren betreffenden Maßnahmen noch nicht feststand. Daher konnte es kein Bedürfnis für einheitliche Kompensationsregelungen geben. Auch mussten die Arbeitnehmer aus C hinsichtlich der freien Stellen im Vertriebszentrum H und bei der B nicht mit Arbeitnehmern aus anderen Vertriebszentren, die in diesen noch für eine längere Zeit benötigt wurden, konkurrieren. Daher wäre nach § 50 Abs. 1 BetrVG der örtliche Betriebsrat für die Aufstellung eines Sozialplans zuständig gewesen. Dass er in eigener Verantwortung keine einen Abfindungsanspruch für die Klägerin vorsehende Regelung durchsetzte, kann aus den dargelegten Gründen nicht durch die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes korrigiert werden. Vielmehr ist dieses Ergebnis die Konsequenz der Autonomie des örtlichen Betriebsrats in seiner Amtsführung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne von § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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