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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 4 Ta 145/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 51
ZPO § 141
Von einem Vertreter der persönlich geladenen Partei im Sinne von § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann nicht verlangt werden, dass er über weitergehende Kenntnisse über den Gegenstand des Rechtsstreits verfügt als die vertretene Partei.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 01. März 2007 - 1 Ca 74/07 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 300 €.

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Bauunternehmens. Er wird im Ausgangsverfahrens auf Zahlung von Arbeitsentgelt in Anspruch genommen. Nach der Anordnung seines persönlichen Erscheinens durch das Arbeitsgericht entsandte er seinen für kaufmännische Angelegenheiten zuständigen Sohn zur Güteverhandlung vom 01. März 2007. Dieser konnte in der Erörterung Fragen hinsichtlich vom Beklagten behaupteter Vorschüsse an den Kläger und über eine frühere Lohnabrechnung nicht beantworten. Darauf setzte das Arbeitsgericht das Ordnungsgeld fest. Gegen den am 19. März 2007 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 22. März 2007 sofortige Beschwerde ein. Der Beschwerdeführer rügt, er sei durch seinen Sohn ausreichend im Sinne von § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO vertreten gewesen. Er selbst sei nur für den technischen Bereich des Betriebes zuständig und treffe hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse der beschäftigten Arbeitnehmer nur grundlegende Entscheidungen, etwa über die Höhe des Lohns und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Für die Lohnabrechnung und ähnliches sei dagegen ausschließlich sein Sohn zuständig. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und angenommen, der Sohn des Beschwerdeführers sei mangels hinreichender Sachkenntnisse kein geeigneter Vertreter gewesen. Es sei nicht zutreffend, dass dieser ausschließlich für die Abwicklung von Personalangelegenheiten zuständig sei. Der Beschwerdeführer könne sich dieser Verantwortung nicht entziehen. In anderen Verfahren habe sein Sohn keine Kenntnisse zur Höhe des vom Beklagten mit den dort klagenden Arbeitnehmern vereinbarten Stundenlohns gehabt. Letztlich habe der Beschwerdeführer seinen Steuerberater entsenden müssen, wenn er der Auffassung sein, dass nur dieser konkrete Auskünfte zu den maßgeblichen Punkten geben könne.

II.

Die sofortige Beschwerde ist begründet.

Das Ordnungsgeld durfte nicht festgesetzt werden, weil der Beschwerdeführer dem Termin vom 01. März 2007 zwar ohne Entschuldigung ferngeblieben ist, aber gemäß § § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO durch seinen Sohn ausreichend vertreten war. Nach dieser Norm kann ein Ordnungsgeld nicht festgesetzt werden, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen ermächtigt ist. Letzteres steht außer Frage. Von ersterem ist nach den Feststellungen des Arbeitsgericht ebenfalls auszugehen.

Die Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens gemäß § 51 Abs. 1 ArbGG, 141 ZPO soll gewährleisten, dass die Sachaufklärung und die verfahrensökonomische Erledigung des Rechtsstreits durch das Ausbleiben der persönlich geladenen Partei nicht beeinträchtigt werden. Zu diesem Zweck muss der Vertreter in seinen Fähigkeiten zur Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts der Partei gleichstehen. Nicht erforderlich ist, dass er gleichwertige Fähigkeiten durch eigene Wahrnehmung erlangt hat (ständige Rechtsprechung der erkennenden Kammer, vgl. etwa Hess. LAG 01. August 2005 - 4 Ta 384/05 - Juris, zu II; 01. November 2005 - 4 Ta 475/05 - AR Blattei ES 160.7 Nr. 227, zu II 4 a). Nicht verlangt werden kann dagegen, dass der Vertreter über Kenntnisse verfügt, die der der geladenen Partei überlegen sind. Dann würde es sich nicht um eine Vertretung der Partei handeln, sondern um das Stellen eines - ggf. sachverständigen - Zeugen. Zur Annahme einer derartigen Rechtspflicht fehlt eine Rechtsgrundlage.

Hier hat das Arbeitsgericht keine Feststellungen getroffen, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Beschwerdeführer weitergehende Auskünfte als sein Sohn über die für das Ausgangsverfahrens maßgeblichen Umstände hätte erteilen können. Es ist nicht widerlegt, dass sich nicht der Beschwerdeführer, sondern ausschließlich sein Sohn mit der laufenden Lohnabrechnung befasst und dass insoweit ausschließlich dieser Auskünfte erteilen kann. Dass der Beschwerdeführer Entscheidungen zu grundlegenden Fragen in Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen - etwa über die Vertragsbeendigung - trifft, ändert daran nichts, da es im Ausgangsverfahren nicht um derartige Fragen geht. Auch schreibt dem Beschwerdeführer das Verfahrensrecht nicht eine abweichende Betriebsorganisation vor. Ohne Bedeutung ist, ob der Beschwerdeführer in anderen Rechtsstreiten weitergehende Auskünfte als sein ihn vertretender Sohn hätte erteilen können. War dies der Fall, hätte gegebenenfalls in diesen Verfahren ein Ordnungsgeld verhängt werden können. Schließlich fehlt - wie dargelegt - jede Rechtsgrundlage zur Annahme einer Verpflichtung zur Entsendung des Steuerberaters einer Partei zur Teilnahme an einem Gütetermin.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 64. Aufl. § 141 Rdnr. 59, § 380 Rdnr. 14; Leipold in Zöller ZPO 26. Aufl. § 141 Rdnr. 58; Reichhold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 141 Rdnr. 7, § 380 Rdnr. 12).

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