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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 07.07.2008
Aktenzeichen: 4 Ta 260/08
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 55
ArbGG § 97
Auch eine Aussetzungsentscheidung gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG kann nach § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG allein durch den Vorstzenden getroffen werden.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 23. Mai 2008 - 4 Ca 102/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Aussetzung des Ausgangsverfahrens gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG.

Die Beklagte des Ausgangsverfahrens ist ein Zeitarbeitsunternehmen. Sie ist Mitglied des Zeitarbeitgeberverbandes AMP. Der Beschwerdeführer war von 2005 bis 2007 für sie tätig. Es wurde als Lagerarbeiter bei einem Unternehmen der Metallindustrie eingesetzt, das seiner Stammbelegschaft die Tariflöhne der Metall- und Elektroindustrie zahlte. § 1 Nr. 4 des von der Beklagten gestellten Formulararbeitsvertrages enthielt folgende Regelung:

"Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zur Zeit die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitunternehmer e.V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Beschäftigungssicherungstarifvertrag).

Im Falle eines Verbandswechsels des Arbeitgebers gelten die Bestimmungen der dann einschlägigen Tarifwerke. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird, gilt dessen Inhalt."

Gemäß Ziffer 4 des Vertrages zahlte die Beklagte dem Beschwerdeführer eine Vergütung nach den durch den AMP mit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen. Der Beschwerdeführer erhielt daher eine Vergütung, die die, die er bei Anwendung des Lohntarifvertrages für die Metallindustrie erhalten hätte, um etwa zwei Fünftel unterschritt. In Ziffer 12 des Arbeitsvertrages war eine zweistufige Ausschlussfrist vorgesehen, die eine Geltendmachungsfrist von zwei Monaten und eine Klagefrist von einem Monat vorsah. Im Ausgangsverfahren macht der Beschwerdeführer gestützt auf § 9 Nr. 2 AÜG die Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und der Vergütung geltend, die er bei Anwendung der Metalltarifverträge beanspruchen könnte. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Klauseln von Ziffer 1.4, 4 und 12 des Arbeitsvertrages hielten einer Inhaltskontrolle nicht stand. Zudem sei die CGZP nicht tariffähig. Die Beklagte ist jeweils gegenteiliger Ansicht und hält den Anspruch zudem für verwirkt, da der Beschwerdeführer die gezahlte Vergütung während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses akzeptiert habe.

Das Arbeitsgericht hat durch die Vorsitzende mit dem angefochtenen Beschluss nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Gütetermin den Rechtsstreit gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat gegen den am 05. Juni 2008 zugestellten Beschluss am 17. Juni 2008 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die Aussetzungsentscheidung ist nicht zu beanstanden.

1. Die Vorsitzende war gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG zu einer Entscheidung ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter außerhalb eines Kammertermins berechtigt. Auch die Entscheidung gemäß § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG ist eine Aussetzungsentscheidung im Sinne dieser Norm (Berscheid/Korinth in Schwab/Weth ArbGG 2. Auflage § 55 Rn. 32; Germelmann in Germelmann/ Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Auflage § 55 Rn. 21 c). Es gibt keinen Grund, diese Entscheidung zwingend der Kammer in voller Besetzung vorzubehalten. Das Gesetz enthält ausdrücklich keine derartige Beschränkung. Liegen die Voraussetzungen von § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG vor, entspricht es vielmehr dem Grundsatz der Verfahrensökonomie, die Möglichkeit von § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG zu nutzen.

2. Der Beschwerdeführer rügt zu Unrecht eine Verletzung von § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG.

Nach dieser Norm hat das Gericht einen Rechtsstreit bis zur Erledigung des in § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG vorgesehenen Beschlussverfahrens auszusetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig ist. Im Beschwerdeverfahren ist die Aussetzungsentscheidung des aussetzenden Gerichts nur begrenzt überprüfbar. Andernfalls würde die Beurteilung von Rechtsfragen, die nach der gesetzlichen Konzeption in einem Berufungs- und gegebenenfalls in einem Revisionsverfahren überprüft werden sollen, systemwidrig bereits im Beschwerdeverfahren von den Rechtsmittelgerichten überprüft. Daher kann im Beschwerdeverfahren nur von einer fehlenden Entscheidungserheblichkeit der Frage der Tariffähigkeit des Verbandes ausgegangen werden, wenn diese offensichtlich ist (BAG 28. Januar 2008 - 3 AZB 30/07 - EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 9, zu II 2 a). Dies ist hier nicht der Fall.

a) Dass der Hinweis der Beklagten auf die Ausschlussfrist von Ziffer 12 des Arbeitsvertrages und ihr Verwirkungseinwand keine durchgreifenden Einwände gegen die Klageforderung sind, hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung dargelegt. Der Beschwerdeführer hat dies nicht in Abrede gestellt. Es ist auch kein Anhaltspunkt erkennbar, dass die Beklagte bis zum Kammertermin weitere Einwände hätte vortragen können als sie es in der Klageerwiderung getan hat. Daher konnte das Arbeitsgericht bei seiner Aussetzungsentscheidung die Voraussetzungen von § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG hinreichend prüfen und durfte daher bereits außerhalb eines Kammertermins entscheiden.

b) Die Annahme, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Tariffähigkeit der CGZP abhängt, ist nicht offensichtlich unzutreffend. Es spricht vielmehr viel dafür, dass sie richtig ist.

Der Anspruch gemäß § 9 Nr. 2 AÜG setzt voraus, dass nicht ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Mit den durch § 1 Nr. 4 des Arbeitsvertrages in Bezug genommenen Tarifverträgen bestehen derartige tarifliche Regelungen. Die Klageforderung kann daher nur begründet sein, wenn die in Bezug genommenen Tarifverträge unwirksam sind. Dies könnte sich ersichtlich lediglich aus einer fehlenden Tariffähigkeit der CGZP ergeben.

Die Verweisungsklausel von § 1 Nr. 4 des Arbeitsvertrages dürfte entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gegen die §§ 305 c Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 2, 308 Nr. 4 BGB verstoßen. Es handelt sich bei dieser Klausel um eine sogenannte große dynamische Verweisungsklausel, mit der die Arbeitsbedingungen an die Tarifverträge gebunden werden sollen, die jeweils für den Arbeitgeber einschlägig sind, und zwar auch im Fall eines Branchenwechsels. Die Wirksamkeit derartiger Klausel wurde vom Bundesarbeitsgericht bisher nicht in Zweifel gezogen (vgl. etwa BAG 30. August 2000 - 4 AZR 581/99 - BAGE 95/296, zu I 1 c bb). In der neueren Literatur wird auch die formularmäßige Vereinbarung derartiger Klauseln allgemein als AGB-rechtlich zulässig betrachtet (vgl. etwa Lorenz in Däubler TVG 2. Auflage § 3 Rn. 217 - 220; Oetker in Wiedemann TVG 7. Auflage § 3 Rn. 299 - 307; Stein in Kempen/Zachert TVG 4. Auflage § 3 Rn. 163, 164; Däubler in Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 2. Auflage § 305 c BGB Rn. 22, 40 - 45; ErfK-Preis 8. Auflage §§ 305 - 310 BGB Rn. 13 - 15; Gotthardt in Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrecht Kommentar 3. Auflage § 305 c BGB Rn. 5). Hauptargument dafür ist, dass es sich um im Arbeitsleben verbreitete Klauseln handelt, die dem oft bestehenden Interesse an einheitlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb dienen, und dass der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG vom Arbeitgeber nur einen in allgemeiner Form gehaltenen Hinweis auf die im Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge fordert. Derartige Klauseln sind weder überraschend noch auf unzulässige Weise intransparent. Unklar ist nicht der Inhalt der Verweisungsklausel, sondern nur die Frage, welche Tarifverträge für den Arbeitgeber zukünftig einschlägig sein werden. Dies unterscheidet große dynamische Verweisungsklauseln nicht von kleinen dynamischen Verweisungsklauseln, deren Wirkung das Bundesarbeitsgericht in seiner neuesten Rechtsprechung sogar erweitert hat (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35, zu B II 2 a).

Eine solche Klausel ermöglicht auch nicht dem Arbeitgeber eine im Sinne von § 308 Abs. 1 Nr. 4 BGB unzumutbare Änderung der versprochenen Leistung. In einem Arbeitsverhältnis, das Tarifverträgen unterliegt, gibt es keine festen gegenseitigen vertraglichen Leistungsversprechen der Arbeitsvertragsparteien hinsichtlich Arbeitszeit und Vergütung. Diese hängen vielmehr vom Inhalt der jeweils geltenden Tarifverträge ab. Aus diesem Grund gilt für durch eine solche Klausel gebundene Arbeitnehmer nichts anderes als für Arbeitnehmer, die nach § 3 TVG normativ tarifgebunden sind. Dies ist nach der sich aus dem Gesetz ergebenden Wertung nicht unzumutbar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 72 Abs. 2, 78 S. 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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