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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 03.07.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 204/06
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 100
ArbGG § 89
1. Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG über eine befristete personelle Maßnahme, erledigt sich die Maßnahme mit dem Ablauf der Frist. Dies führt gleichzeitig zur Erledigung von die Maßnahme betreffenden Beschlussverfahren gemäß § 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG. Will der Arbeitgeber die Maßnahme über den Ablauf der Frist hinaus fortsetzen, muss er erneut Verfahren gemäß §§ 99, 100 BetrVG einleiten.

2. Sind ein Antrag gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG und ein Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG Gegenstand eines Beschlussverfahrens, bedarf eine gegen die Zurückweisung beider Anträge gerichtete Beschwerde hinsichtlich beider Anträge einer § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG entsprechenden Begründung. Setzt sich die Begründung nur mit der Zurückweisung eines Antrags auseinander, ist die Beschwerde hinsichtlich des anderen Antrags nicht zulässig.


Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 10. August 2006 - 11 BV 7/05 - wird im Umfang des Antrags gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über eine personelle Maßnahme.

Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt einen Betrieb mit weit mehr als zwanzig Arbeitnehmern, die von dem zu 2) beteiligten Betriebsrat vertreten werden. Die Arbeitgeberin schrieb mit einer Ausschreibung vom 14. Juni 2005 zwei Stellen für Dispatcher für den Zeitraum vom 01. Juli 2005 "befristet bis 30. Juni 2006" aus. Sie unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 26. Juli 2005 über ihre Absicht, den Arbeitnehmer W zum 01. August 2005 auf eine dieser Stellen zu versetzen und ihn von der Tarifgruppe 3 in die Tarifgruppe 4 heraufzugruppieren. Dem Anhörungsschreiben lag eine Kopie der Stellenausschreibung bei. Der Betriebsrat widersprach der Maßnahme mit Schreiben vom 29. Juli 2005 u. a. mit der Begründung, die Stelle sei der Arbeitnehmerin A vorher unbefristet angeboten und erst kurze Zeit später nach ihrer Bewerbung als befristete Stelle offeriert worden. Mit Schreiben vom 06. September 2005 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat erneut über die Versetzung von Herrn B, diesmal zum 01. Oktober 2005. Die Verzögerung begründete sie mit dem von Herrn B im August und September 2005 angetretenen Jahresurlaub. Der Betriebsrat widersprach am selben Tag erneut. Mit Schreiben vom 30. September 2005 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die vorläufige Durchführung der Maßnahme. Nachdem der Betriebsrat am 05. Oktober 2005 die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung bestritt, leitete die Arbeitgeberin am 06. Oktober 2005 das vorliegende Verfahren ein. Wegen des genauen Inhalts der vorgerichtlichen Korrespondenz wird auf die Anlagen 1 bis 3 zur Antragsschrift (Bl. 13 - 18 d. A.) Bezug genommen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 86 - 89 d. A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung von Herrn B gelte weder als erteilt, noch sei sie zu ersetzen. Das Beteiligungsverfahren sei noch nicht in Gang gesetzt worden, da die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht hinreichend über die Bewerber für die Stelle und die von diesen vorgelegten Bewerbungsunterlagen unterrichtet habe. Der diesbezügliche Vortrag der Arbeitgeberin sei unsubstantiiert. Auch der Antrag gemäß § 100 BetrVG sei zurückzuweisen, da die Arbeitgeberin nicht ansatzweise eine betriebliche Notwendigkeit für die vorläufige Besetzung der Stelle dargelegt habe. Ihre diesbezüglichen Angaben seien nicht ansatzweise nachvollziehbar, weil nicht erkennbar sei, dass die Stelle tatsächlich vakant ist und wie ggf. im Fall ihrer Nichtbesetzung mit dem Arbeitsanfall umgegangen werde. Wegen der vollständigen Begründung wird auf die Ausführungen unter II des angefochtenen Beschlusses (Bl. 89 - 94 d. A.) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin hat gegen den am 03. November 2006 zugestellten Beschluss am 13. November 2006 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis 05. Februar 2007 am 05. Februar 2007 begründet. Die Arbeitgeberin rügt eine Verkennung der Vortragslast durch das Arbeitsgericht. Dieses habe durch Zeugenvernehmung aufklären müssen, welche Unterlagen dem Betriebsrat vorlagen. Die Arbeitgeberin vertieft ihren Vortrag zum Gegenstand der Unterrichtung und den dem Betrieb vorgelegten Bewerbungsunterlagen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf den Schriftsatz vom 05. Februar 2007 Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1. festzustellen,

a) dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters B zum 0. Oktober 2005 von seiner bisherigen Position als Clerk OPS in C (TG 3) auf die Position eines Dispatchers im Service-Center D als erteilt gilt;

b) hilfsweise die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters B zum 01. Oktober 2005 von seiner bisherigen Position als Clerk OPS in C (TG 3) auf die Position eines Dispatchers im Service-Center D zu ersetzen;

2. festzustellen, dass die am 01.10.2005 vorgenommene vorläufige Versetzung des Mitarbeiters Thorsten B zum 01. Oktober 2005 von seiner bisherigen Position als Clerk OPS in C (TG 3) auf die Position eines Dispatchers im Service-Center D aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Betriebsrat verteidigt zur Begründung seines Zurückweisungsantrags die Würdigung des Arbeitsgerichts wie im Schriftsatz vom 23. April 2007 ersichtlich.

II.

1. Die Beschwerde ist hinsichtlich des Antrags gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht zulässig, da sie insoweit entgegen § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nicht begründet wurde. Nach dieser Norm ist eine Beschwerde nur zulässig, wenn in ihrer Begründung angegeben wird, auf welche im Einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe und auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Bezüglich des Beschwerdeantrags zu 2) fehlt insoweit jede Begründung.

Sind mehrere Ansprüche Gegenstand einer angefochtenen gerichtlichen Entscheidung, muss sich die Begründung eines unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels mit jedem Anspruch auseinandersetzen. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn das Bestehen eines Anspruchs unmittelbar von dem des anderen abhängt (vgl. etwa BAG 20. Juli 1989 - 2 AZR 114/87 - BAGE 62/256, zu III 2; 02. April 1987 - 2 AZR 418/86 - AP BGB § 626 Nr. 96, zu B I 1). Der Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung eines Betriebsrats zur dauerhaften Durchführung einer personellen Maßnahme gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG und der Anspruch auf Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung einer solchen Maßnahme nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG betreffen unterschiedliche Gegenstände mit unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Letzterer betrifft die Zeit bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit der dauerhaften Durchführung der personellen Maßnahme. Da beide Ansprüche voneinander unabhängig sind, bedürfen beide einer separaten Rechtsmittelbegründung. Eine solche fehlt hinsichtlich des Anspruchs gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.

2. Die Beschwerdeanträge zu 1) sind nicht begründet. Es ist weder festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrats zu der Versetzung von Herrn B als erteilt gilt, noch ist diese zu ersetzen. Die verfahrensgegenständliche Maßnahme ist vielmehr mit dem Ablauf des 30. Juni 2006 beendet. Damit ist das vorliegende Verfahren erledigt.

Wird eine Einstellung oder Versetzung nur befristet vorgenommen, ist sie mit dem Ablauf der Befristung erledigt. Beabsichtigt der Arbeitgeber, sie nach diesem Zeitpunkt fortzusetzen, handelt es sich um eine neue personelle Maßnahme. Da durch die Verlängerung neue Zustimmungsverweigerungsgründe ausgelöst werden können, ist der Betriebsrat erneut zu beteiligen (vgl. etwa BAG 28. April 1998 - 1 ABR 63/97 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 22, zu II 2; 25. Januar 2005 - 1 ABR 59/03 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 114, zu B II 2 b). Es handelt sich dann mitbestimmungspflichtig um eine neue Angelegenheit im Sinne von § 99 BetrVG, die die bisherige ablöst und dadurch erledigt.

Hier ist von einer lediglich befristeten Versetzung von Herrn B auszugehen. Dies beruht darauf, dass die Ausschreibung der Stelle, die die Grundlage des Anhörungsverfahrens bildete, bis 30. Juni 2006 befristet wurde. Dass in den Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli und 06. September 2005 keine Angaben zur Laufzeit der Maßnahme enthalten sind, macht diese allenfalls mangelhaft, ändert aber nichts an ihrem Aussagewert, der durch die ihnen zugrunde liegende Ausschreibung mitbestimmt wurde. Zudem hat der Betriebsrat im Beschwerdetermin unbestritten vorgetragen, dass ihm die Ausschreibung einschließlich der Angabe von deren Befristung mit der Anhörung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BetrVG vorgelegt wurde. Damit war die Ausschreibung Gegenstand dieser Unterrichtung. Dass der Betriebsrat dies auch so verstanden hatte, belegt sein Hinweis auf ein früheres unbefristetes Angebot der Stelle in der Stellungnahme vom 29. Juli 2005. Aus diesem Grund wurde der Betriebsrat lediglich zu einer bis 30. Juni 2006 befristeten personellen Maßnahme angehört. Da diese zwischenzeitlich erledigt ist, kommen eine Feststellung der Zustimmungsfiktion gemäß § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG oder eine Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht mehr in Betracht. Diese Entscheidungen wirken nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück. Sie sind vielmehr gegenwarts- und zukunftsbezogen (vgl. BAG 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 48, zu B I 1; 16. Januar 2007 - 1 ABR 16/06 - EzA BetrVG 2001 § 99 Versetzung Nr. 3, zu B I 1 a).

3. Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 72 Abs. 2, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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