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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 06.07.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 2287/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 4
Die Klagefrist des § 4 KSchG in der seit 01. Januar 2004 gültigen Fassung findet auch auf vor dem 01. Januar 2004 zugegangene Kündigungen Anwendung. Die Klagefrist beginnt für diese Kündigungen am 01. Januar 2004 und endet am 31. Januar 2004.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 2004 - 3 Ca 2508/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Der am 26. November 1948 geborene und geschiedene Kläger war seit dem 01. Juli 1993 als Diplom-Ingenieur in der Niederlassung A der Beklagten beschäftigt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 19. November 2003, dem Kläger zugegangen am 19. November 2003, zum 31. März 2004. Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit einer beim Arbeitsgericht am 15. März 2004 eingegangenen Klage. Der Kläger rügt die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.

Das schriftliche Anhörungsschreiben an den Betriebsrat lautet dabei wie folgt:

"Mitteilung an den Betriebsrat im Hause

B, den 12. November 2003

Mitarbeiter C

Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2004

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bitten um Kenntnisnahme, dass wir beabsichtigen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn C zum 31.03.2004 zu kündigen, da die Baustelle in D aufgelöst wird und es keine weitere Einsatzmöglichkeit für Herrn C gibt.

Die vertragliche Regelung lässt eine Kündigung zu diesem Zeitpunkt zu. *

Mit freundlichen Grüßen

E

gez. Unterschrift

erl. 13.11.2003 gez. Unterschrift

* nachgefragt: Einstellung 1.7.93

Kündigungsfrist 4 Monate, d.h. schriftl. Kündigung bis spätestens 30.11.2003"

Der Kläger hat in erster Instanz neben dem Kündigungsschutzantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag Annahmeverzugslohn geltend gemacht für die Zeit vom 01. April 2004 bis zum 31. August 2004 und die Erteilung eines Zeugnisses begehrt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14. Oktober 2004 die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 06. Juli 2005 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Der Kläger rügt weiter die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 2004 - 3 Ca 2508/04 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 19. November 2003, Zugang am gleichen Tage, nicht aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich - wie schon erstinstanzlich - darauf, dass der Kläger die seit dem 01.01.2004 für alle Unwirksamkeitsgründe maßgebliche Klagefrist des neuen § 4 KSchG versäumt habe, die nach Ansicht der Beklagten mit dem 01.01.2004 zu Laufen begonnen hat und mit Ablauf des 21.01.2004 geendet habe. Die Beklagte trägt weiter ergänzend zur Betriebsratsanhörung vor, dass der Betriebsrat über die Gründe der Kündigung - nämlich die Schließung der Baustelle in D sowie die Schließung des dazugehörigen Baubüros, verbunden mit dem Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers - erschöpfend bereits zu Beginn des Anhörungsverfahrens unterrichtet worden sei. Die Sozialdaten des Klägers seien dem Betriebsrat in Person des Betriebsratsvorsitzenden bekannt gewesen. Der Betriebsrat, handelnd durch den Betriebsratsvorsitzenden, habe auch vor Ablauf der Wochenfrist am Vormittag des 17. November 2003 dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, dass der Betriebsrat gegen die Kündigung des Klägers keine Bedenken habe. In diesem Gespräch habe der Betriebsratsvorsitzende dem Geschäftsführer der Beklagten versichert, dass das Anhörungsverfahren für den Betriebsrat abgeschlossen sei und es einer weiteren Erörterung nicht bedürfe; der Betriebsrat habe hinsichtlich der Kündigung keinerlei Bedenken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 2004 - 3 Ca 2308/04 - ist statthaft und außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 ArbGG, 517, 519 ZPO).

In der Sache ist die Berufung des Klägers jedoch erfolglos. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gilt nach § 7 KSchG nicht nur hinsichtlich der sozialen Rechtfertigung als rechtmäßig sondern auch hinsichtlich aller möglichen Unwirksamkeitsgründe mit Ausnahme der Nichteinhaltung der Schriftform - ein Unwirksamkeitsgrund der im Streitfall unzweifelhaft nicht gegeben ist. Die Klagefrist des § 4 KSchG in der ab dem 01. Januar 2004 gültigen Fassung erstreckt sich auf alle Unwirksamkeitsgründe mit Ausnahme der Schriftform des § 623 BGB. Auch gegen die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG muss der Arbeitnehmer durch eine Klageerhebung binnen 3 Wochen ab Zugang der Kündigung vorgehen machen. § 4 KSchG n.F. gilt dabei zunächst unzweifelhaft für alle Kündigungen, die nach dem 31. Dezember 2003 zugegangen sind. Für Kündigungen, die vor dem 31. Dezember 2003 zugegangen sind, läuft die Klagefrist ab dem 01. Januar 2004. Das Berufungsgericht folgt dabei der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Januar 1999 (7 AZR 715/97 - AP Nr. 21 zu § 1 BeschFG 1985 = BAGE 90, 348) zu dem aus diesseitiger Sicht völlig vergleichbaren Fall, der mit Wirkung zum 01. Oktober 1996 damals in § 1 Abs. 5 BeschFG erstmals eingeführten Klagefrist für Entfristungsklagen. Danach ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 KSchG n.F., die eine Rückwirkung vermeidet, in der hier vorgenommenen Weise möglich. Auch zu § 4 KSchG fehlt eine anders lautende Übergangsregelung. Zur weiteren Begründung wird auf die angezogene Entscheidung unter II. 3. der Gründe verwiesen.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Die Entscheidung auf Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beruht auf § 72 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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