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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.07.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 622/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB III, TVG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 613 a
SGB III § 187
TVG § 4
Tarifliche Ausschlussfristen sind in Fällen, in denen ein Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen die Lohn- und Gehaltszahlungen an seine Arbeitnehmer einstellt, nicht anzuwenden (im Anschluss an LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.02.2001 - 5 Sa 380/00; BAG Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80). Dies gilt auch dann, wenn der Betrieb des zahlungsunfähigen Unternehmens nach Ablehnung der Insolvenzeröffnung mangels Masse innerhalb der Ausschlussfrist von einem anderen Unternehmen übernommen wird.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. März 2004 - 5 Ca 2212/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende A macht im vorliegenden Verfahren aus übergegangenem Recht Entgeltansprüche der Maler und Lackierer B., C. und D. sowie der Büroangestellten E. geltend, die bei der insolventen F-GmbH beschäftigt waren. Ihre letzte Vergütung erhielten die genannten Arbeitnehmer für den Monat Oktober 2001.

Am 08.November 2001 ging beim Amtsgericht Y ein Insolvenzantrag ein; unter dem Az. 61 IN 122/01 wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Am 28. Dezember 2001 wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F-GmbH mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt.

Die Arbeitsverhältnisse mit den genannten Arbeitnehmern wurden nicht förmlich beendet. Ein zunächst mit dem Arbeitnehmer D. abgeschlossener Aufhebungsvertrag wurde einvernehmlich rückgängig gemacht, er arbeitete bis Ende 2001 Aufträge der F-GmbH ab.

Ab 01. Januar 2002 wurden die drei Maler und Lackierer von der Beklagten beschäftigt und von diesem Zeitpunkt an auch vergütet. Das Arbeitsverhältnis mit E. wurde zum 31. Juli 2002 gekündigt. Den Geschäftsführer der F-GmbH, Herrn Malermeister G., meldete die Beklagte bei der Handwerkskammer als Betriebsleiter ("Konzessionsträger") an. Er gibt den Malern und Lackierern jedenfalls in fachlicher Hinsicht Anweisungen. Der Umfang seiner Tätigkeit für die Beklagte blieb zwischen den Parteien streitig.

Geschäftsgegenstand der F-GmbH war gemäß Handelsregistereintragung der "Betrieb eines Maler- und Verputzergeschäftes", gemäß Eintragung im Gewerberegister "Handwerk / Maler und Lackierer".

Der Geschäftsgegenstand der Beklagten ist gemäß Handelsregistereintragung vom 05. Mai 2003 die "Ausführung von Maler-, Verputzer- und Lackiererarbeiten und alle damit im Zusammenhang stehenden Arbeiten im Sinne der Handwerksordnung, Farbberatung und Gestaltung von Häusern, Wohn- und Geschäftsräumen, hochwertige malermäßige Innendekoration einschließlich Dämmarbeiten und Einbringung von Ständerwänden, Dienstleistungen rund ums Haus und Garten, insbesondere Hausmeisterservice".

Geschäftsführer der Beklagten ist Herr H., Mehrheitsgesellschafter (mit einer Einlage von 24.000,00 € = 96%) ist Herr I., von Beruf xx, Minderheitsgesellschafter (mit einer Einlage von 1.000,00 € = 4%) J., der am 30. Dezember 1991 geborene Sohn des Geschäftsführers der F-GmbH, G.

Die Beklagte nahm ihre Geschäftstätigkeit unter derselben Anschrift in denselben Räumen wie die F-GmbH auf und nutzt deren Telefonnummer weiter.

Mit Schreiben vom 05. Februar 2002, wegen dessen Inhalt im Übrigen auf Blatt 155 d.A. Bezug genommen wird, forderte die Klägerin den Geschäftsführer der F-GmbH zur Abgabe der Insolvenzgeldbescheinigung für die genannten Arbeitnehmer auf und machte "die gemäß § 187 SGB III auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt ... zur Wahrung etwaiger Ausschlussfristen geltend". Dies Schreiben ist Herrn G. spätestens am 09. Februar 2002 zugegangen.

Am 27. Februar 2002 unterzeichnete Herr G. die mit dem Firmenstempel der F-GmbH versehenen Insolvenzgeldbescheinigungen (Bl. 124 - 131 d.A.) und übersandte sie der Klägerin. Diese zahlte an die Arbeitnehmer der F-GmbH Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 20.550,71 DM = 10.507,41 €. Wegen der Aufteilung des Betrags auf die einzelnen Monate und Arbeitnehmer wird auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 24. Juni 2005 (Bl. 153 d.A.) Bezug genommen.

Mit ihrer am 28. Februar 2003 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage verlangt die Klägerin nunmehr von der Beklagten die Zahlung der Vergütung für die Monate November und Dezember 2001 in Höhe des verauslagten Insolvenzgeldes.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe für die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche der Arbeitnehmer der F-GmbH als Betriebsübernehmerin einzustehen.

Die Klägerin hat beantragt

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.507,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01. Januar 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Betriebsübergang liege nicht vor.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 62 - 68 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Gegen dieses Urteil vom 12. März 2004, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, ein Betriebsübergang läge nicht vor. Dies insbesondere deshalb, weil die Beklagte keinerlei Betriebsmittel der F-GmbH übernommen und auch keine vertraglichen Vereinbarungen mit der F-GmbH geschlossen habe.

Darüber hinaus meint die Beklagte nunmehr, auf den vorliegenden Fall seien auch im Falle der Annahme eines Betriebsübergangs die Grundsätze der Haftungsbeschränkung des Erwerbers trotz Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens anzuwenden, da die Beklagte jedenfalls kein werthaltiges Unternehmen erworben habe.

Schließlich beruft sich die Beklagte auf den Verfall der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nach § 49 des für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrags für das Maler- und Lackiererhandwerk in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: RTV). Sie ist der Auffassung, erst mit der Klageerhebung im Februar 2003 habe die Klägerin ihr gegenüber die Ansprüche geltend gemacht. Weder die Geltendmachung gegenüber dem Geschäftsführer der F-GmbH noch die Unterzeichnung der Insolvenzgeldbescheinigung durch diesen müsse sie sich zurechnen lassen. Letztere sei im Übrigen erst der Klägerin zugegangen, als zumindest ein Teil der Ansprüche bereits verfallen gewesen sei. Die Vergütungszahlung sei bei der F-GmbH nämlich mit Ausnahme der Monate November und Dezember 2001 stets am Monatsletzten erfolgt.

Die Beklagte beantragt

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 5 Ca 2212/03 - verkündet am 02. März 2004, zugestellt am 06. Juli 2004, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, eine Haftungsbeschränkung der Beklagten komme nicht in Frage. Vielmehr sei an der Rechtsprechung festzuhalten, dass bei der Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse die Privilegierung des Betriebsübernehmers aus Gründen des Gläubigerschutzes ausscheide.

Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht verfallen. In diesem Zusammenhang vertritt die Beklagte die Auffassung, tarifliche Ausschlussfristen seien generell nicht anwendbar, wenn ein Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen die Entgeltzahlung eingestellt hat. Selbst wenn man dem nicht folge, könne sich die Beklagte hier nicht auf die tarifliche Ausschlussklausel berufen, da ihr sowohl die Geltendmachung gegenüber dem Geschäftsführer der F-GmbH als auch die Anerkenntnis der Ansprüche in Form der Insolvenzgeldbescheinigungen zuzurechnen seien. Schließlich hafte die F-GmbH auch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes in Höhe der geltend gemachten Vergütungsansprüche, weil sie ihrer Pflicht zur Mitteilung der tarifvertraglichen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses gemäß § 2 NachwG nicht nachgekommen ist. Auch dieser Anspruch sei durch den Betriebsübergang auf die Beklagte übergegangen.

Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und in der Begründung an (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Der Inhalt der Berufungsbegründung gibt Anlass zu folgenden Ergänzungen:

1. Hinsichtlich des vom Arbeitsgericht zu Recht angenommenen Betriebsübergangs im Sinne des § 613a BGB hat die Beklagte in der Berufungsinstanz keine Umstände vorgetragen, die Anlass geben könnten, von der Entscheidung abzuweichen. Insbesondere kann es bei der Art des Handwerksbetriebs angesichts der unstreitigen Betriebsaufnahme im Januar 2002 in den Räumen der F-GmbH, mit den Malern und Lackierern der F-GmbH und dem Geschäftsführer der F-GmbH als bei der Handwerkskammer gemeldetem Betriebsleiter sowie der Ausführung von Maler-, Verputzer- und Lackiererarbeiten als Teil des eingetragenen Geschäftsgegenstandes nicht darauf ankommen, ob darüber hinaus weitere Betriebsmittel übernommen wurden. Dass die Klägerin auch keine konkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen der F-GmbH und der Beklagten vorgetragen hat, ändert ebenfalls nichts. Vielmehr ist trotz des Bestreitens vertraglicher Vereinbarungen durch die Beklagte davon auszugehen, dass der Übernahme des Betriebs zumindest mündliche Absprachen zwischen den handelnden Personen zu Grunde lagen. Denn es kann ausgeschlossen werden, dass die Gesellschafter der Beklagten sowie ihr Geschäftsführer die Räume handstreichartig besetzt und dort unabhängig vom Willen der bisherigen Besitzer ihr Gewerbe begonnen haben.

2. Die Beklagte haftet auch als Übernehmerin des Betriebs der F-GmbH gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 in vollem Umfang für die von dieser nicht erfüllten Verbindlichkeiten auf Vergütungszahlung nach § 611 BGB gegenüber der Klägerin, die durch Zahlung des Insolvenzgeldes gem. § 187 SGB III Inhaberin dieser Forderungen wurde.

Dem Bundesarbeitsgericht ist dahin zu folgen, dass eine Betriebserwerberin haftet, wenn der bisherige Arbeitgeber zur Zeit der Betriebsveräußerung zahlungsunfähig war und ein Insolvenzverfahren nur deshalb nicht durchgeführt werden konnte, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht mehr vorhanden war (BAG, Urteil vom 20.11.1984 - 3 AZR 584/83 - BAGE 47, 206-214; Urteil vom 20.06.2002 - 8 AZR 459/01 - AP zu § 113 InsO Nr. 10).

Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes, vielmehr muss auch hier wegen der sonst drohenden Gefahr einer Gläubigerbenachteiligung die Privilegierung des Übernehmers, die im Falle des "geordneten" Insolvenzverfahrens nach ständiger Rechtsprechung eingreift, abgelehnt werden. Die Ausführungen der Beklagten, sie habe ohne jegliche vertragliche Vereinbarung ein völlig wertloses Unternehmen übernommen, entbehren - wie bereits unter 1.) deutlich gemacht wurde - der sachlichen Grundlage. Die Beklagte hätte sich nicht der Räume, des Telefonanschlusses, des Eigennamens "J." und schließlich der Kenntnisse der übernommenen Arbeitnehmer bedient, wenn sie darin nicht einen Wert erkannt hätte, den es zu nutzen und zu mehren galt.

Tragender Grund für die einschränkende Interpretation des § 613a BGB ist die Gewähr, die ein Insolvenzverfahren für die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung bietet. Außerhalb des Insolvenzverfahrens gilt dieser Grundsatz nicht, und es ist nicht auszuschließen, dass in einem formlosen Insolvenzverfahren einseitige interessengerichtete Absprachen erfolgen, die Dritten Lasten aufbürden, um auf diese Weise Sanierungen zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. BAG, Urteil vom 20.11.1984, 2. b) der Gründe). Gerade der vorliegende Fall spricht für die Richtigkeit dieser Überlegungen. Denn es ist zwar nicht bewiesen, aber letztlich auch nicht auszuschließen, dass die für die F-GmbH und die Beklagte zum Jahreswechsel 2001/2003 handelnden Personen bewusst die Möglichkeit einkalkulierten, dass die Arbeitnehmer von der Klägerin Insolvenzgeld beziehen und die Schuldenlast der F-GmbH dadurch verringert wird.

Auf den wirtschaftlichen Wert, den die Beklagte subjektiv dem übernommenen Betrieb beimaß, kann es danach nicht ankommen.

3. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch nicht verfallen.

Zwar unterfiel der Betrieb der F-GmbH dem fachlichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten RTV vom 30. März 1992 in der Fassung vom 15. Juni 1999, der in § 49 RTV eine so genannte zweistufige Ausschlussklausel enthält, wonach alle beiderseitigen Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs schriftlich, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten gerichtlich geltend gemacht wird.

Sinn und Zweck tariflicher Ausschlussfristen ist es, in kurzer übersehbarer Zeit Klarheit über das Bestehen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zu schaffen. So soll insbesondere im Fall noch ausstehender nicht erkennbarer Lohn- oder Gehaltsansprüche der Arbeitgeber in der tariflich bestimmten Frist erfahren, ob und in welchem Umfange der Arbeitnehmer noch Forderungen erhebt. Wenn einzelne oder auch mehrere Arbeitnehmer glauben, ihnen stünden noch Ansprüche zu, sollen sie damit hervortreten. Wenn dagegen der Arbeitgeber wie im vorliegenden Fall zahlungsunfähig ist und deshalb die in ihrer Höhe nicht zweifelhaften Ansprüche seiner Arbeitnehmer nicht erfüllt, kann eine trotzdem verlangte Geltendmachung nur eine Förmelei sein. Das zu erreichen, kann kaum Sinn und Zweck von Ausschlussfristen sein. Ausschlussfristen können ihren Zweck unter normalen wirtschaftlichen und betrieblichen Verhältnissen entfalten; beim Zusammenbruch eines Arbeitgebers wird ihr Eingreifen in jeder Hinsicht fragwürdig.

Diese Feststellungen hat das Bundesarbeitsgericht bereits in seinem Urteil vom 08. Juni 1983 (AZR 632/80 - BAGE 43, 71-79) getroffen, wenn es auch in jener Entscheidung nicht darauf ankam. Ihnen folgt das Berufungsgericht, wie es bereits das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Urteil vom 15. Februar 2001 unter Bezugnahme auf die BAG-Entscheidung getan hat. Diese Entscheidung wurde wiederum durch das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 12. Juni 2002 (EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 154) bestätigt, wenngleich dieses auch in dieser Entscheidung die Frage letztlich unentschieden ließ, da die dortige Beklagte sich aus anderen Gründen nicht auf einen etwaigen Verfall berufen konnte.

Die Anwendung der zutreffenden Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts und des LAG Schleswig-Holstein hat zur Folge, dass auf Grund der Tatsache, dass die F-GmbH die Vergütungszahlungen an alle Arbeitnehmer ab dem Monat November 2001 eingestellt hat, die tarifliche Ausschlussfrist des § 49 RTV auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist. Es bedurfte aus Gründen der Klarheit keiner Geltendmachung dieser Ansprüche durch alle Arbeitnehmer des Unternehmens.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass noch innerhalb der Ausschlussfrist die Beklagte im Wege der Betriebsübernahme i.S.d. § 613a als nunmehr solventer Schuldner an die Stelle der zahlungsunfähigen F-GmbH trat. Denn die nicht erfüllten Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer bedurften ja gerade wegen der Zahlungseinstellung nicht der klarstellenden Geltendmachung, weil ihr Bestand nie bestritten war. In diesem unbestrittenen Zustand gingen sie auf die Beklagte über und mussten auch dieser gegenüber nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht werden.

Dies gilt insbesondere für übergegangene Ansprüche, wie sie nunmehr die Klägerin geltend macht. Zu Recht weist sie darauf hin, dass es ihr in aller Regel nicht möglich ist, innerhalb der Ausschlussfrist zuverlässige Kenntnis über einen etwaigen Betriebsübergang zu erlangen und den neuen Schuldner der auf sie übergegangenen Ansprüche zu identifizieren. Insofern kann sie sich darauf berufen, dass die übergegangenen Rechte vom ursprünglichen Arbeitgeber weder dem Grund noch der Höhe nach bestritten wurden und eine Geltendmachung lediglich als Förmelei im Sinne der o.a. Rechtsprechung angesehen werden muss.

4. Selbst unter Anwendung der hier in Frage kommenden tariflichen Ausschlussklausel kann sich die Beklagte auf den Verfall der Ansprüche nicht berufen, denn sie wurden von der Klägerin gegenüber der F-GmbH rechtzeitig geltend gemacht.

Wegen der engen persönlichen Beziehungen der Beklagten mit der F-GmbH - ihr Betriebsleiter war deren Geschäftsführer, und dessen minderjähriger Sohn ist einer ihrer Gesellschafter - muss sich die Beklagte die Geltendmachung der Vergütungsansprüche durch das Schreiben der Klägerin vom 05. Februar 2002 an den Geschäftsführer der F-GmbH zurechnen lassen.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche noch nicht verfallen. Nach § 34 RTV ist die Vergütung der Arbeitnehmer spätestens am 15. des Folgemonats fällig. Dies hat zur Folge, dass die Vergütung für den Monat November 2001 am 15. Dezember 2001 fällig war und bei Anwendung der Ausschlussklausel des § 49 RTV noch bis zum 15. Februar 2002 geltend gemacht werden konnte. Diese Frist wahrte das Schreiben vom 05. Februar 2002, das dem Geschäftsführer der F-GmbH spätestens am 09. Februar zugegangen war.

Auf eine von der Beklagten im Schriftsatz vom 07. Juli 2005 erstmals behauptete frühere Fälligkeit der Vergütungsansprüche im Betrieb der F-GmbH kann sich die Beklagte jedenfalls nicht gegenüber der Klägerin berufen, denn eine von der tariflichen Regelung abweichende Praxis war zu keiner Zeit erkennbar.

Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, die Ansprüche innerhalb weiterer zwei Monate gerichtlich geltend zu machen, denn mit den Insolvenzgeldbescheinigungen vom 27. Februar 2005 hat der Geschäftsführer der F-GmbH die Ansprüche anerkannt. Insofern folgt die Berufungskammer der 8 Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts (Urteil vom 13.09.1989 - 8 Sa 1732/88). Sie hat in der angegebenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass sich der Arbeitgeber auf den Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist nicht berufen kann, soweit der Betriebsvorgänger mit seiner Kenntnis die rückständigen Entgeltansprüche in einer nach § 141 AFG (= § 314 SGB III) erteilten Bescheinigung anerkannt hat. Der Friedensfunktion der tariflichen Ausschlussfristen ist dann hinreichend Rechnung getragen, wenn der Schuldner von sich aus die Ansprüche klarstellt.

Die Kenntnis der Beklagten von der Abgabe der genannten Erklärungen durch ihren Betriebsleiter und Geschäftsführer der F-GmbH muss - wie bereits ausgeführt wurde - wegen der engen Beziehungen der handelnden Personen unterstellt werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO

Für die Zulassung des Rechtsmittels der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine gesetzlich begründbare Veranlassung, da sich das Landesarbeitsgericht in den tragenden Gründen im Einklang mit den zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des LAG Schleswig-Holstein sieht.

Ende der Entscheidung

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