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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: 8/15 Ta 490/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
1. Nimmt der Arbeitgeber eine Kündigung zurück und erklären die Parteien daraufhin den Kündigungsrechtsstreit für erledigt hat der beklagte Arbeitgeber in der Regel die Kosten zu tragen.

2. Der Arbeitnehmer hat die Kosten auch dann nicht zu tragen, wenn nach einer "Rücknahme" der Kündigung durch eine Klagerücknahme die Gebühr nach Nr. 8210 Abs. 2 der Anlage 1 zum GKG entfallen wäre.


Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2007 - 19 Ca 5391/07 - aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien hat die Beklagte zu tragen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, Feststellung und Weiterbeschäftigung gestritten. Nach erfolglosem Gütetermin, umfangreicher Klageerwiderung und Replik darauf sowie Klageerweiterung um einen Weiterbeschäftigungsanspruch und nach umfangreicher Erörterung der Sach- und Rechtslage hat die Beklagte im Termin vor der Kammer des Arbeitsgerichts am 11. Oktober 2007 ihre Kündigung vom 29. Juni 2007 für gegenstandslos erklärt und dem Kläger Weiterbeschäftigung angeboten. Daraufhin haben die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und beantragt, über die Kosten zu entscheiden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 dem Kläger die Kosten des Verfahrens gem. § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Arbeitsgericht hat das damit begründet, dass bei Rücknahme der Klage und nach Erfüllung aller Klageziele des Klägers eine vollständige Gebührenermäßigung gem. Nr. 8210 Abs. 2 Anlage I zu § 3 Abs. 2 GKG eingetreten wäre, die mit der Erledigungserklärung nicht eintreten konnte. Ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung nach § 91 a ZPO habe der Kläger nicht dargelegt.

Gegen diesen dem Kläger am 18. November 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 01. November 2007 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26. November 2007 eine Abhilfe abgelehnt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagten die Kosten aufzuerlegen seien, da die ausgesprochene Kündigung offensichtlich unwirksam gewesen sei. Davon sei auch die Beklagte ausgegangen, was sich daraus ergebe, dass sie die Kündigung zurückgenommen habe. Auch habe der Beklagtenvertreter erklärt, dass mit dem gegenwärtigen Verfahren die Auseinandersetzungen der Parteien noch nicht beendet seien. Die ausgesprochene Kündigung habe zwar keinen Bestand, doch werde die Beklagte jede zukünftige Gelegenheit nutzen, um das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Deshalb habe der Kläger die Klage nicht zurückgenommen. Das Arbeitsgericht habe den Kläger zwar darauf hingewiesen, dass bei einer Klagerücknahme keine Gerichtskosten anfielen. Es sei aber nicht auf die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts hingewiesen worden, auf die sich das Arbeitsgericht stützte.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2007 - Az.: 19 Ca 5391/07 - dahingehend abzuändern, dass die Kosten des Verfahrens die Beklagte zu tragen hat.

Die Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde des Klägers zurückzuweisen und den Beschluss vom 11. Oktober 2007 unverändert aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in der Verhandlung lediglich darauf hingewiesen, dass die zum Ausspruch der Kündigung geführten Umstände weiter in der Welt seien und dass angesichts der Missstände im Verhältnis zwischen den Betriebsparteien aus seiner Sicht mit einer Verwendung des Klägers im Betrieb der Beklagten nicht zu rechnen sei. Das Arbeitsgericht habe darauf hingewiesen, dass nicht in jedem denkbaren Fall der Beklagten die Kosten aufzuerlegen seien. Es sei bedenklich, dass der Kläger versucht, an sich vermeidbare Gerichtskosten auf seinen Arbeitgeber abzuwälzen, was im Hinblick auf die Loyalitäts- und Treuepflichten in einem bestehenden Arbeitsverhältnis bedenklich erscheine.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.

1.

Die Kosten sind nach Erledigung der Hauptsache gem. § 91 a ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Nach § 91 a Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss, wenn die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts erklärt hatte, dass sie die Kündigung zurücknehme und dem Kläger die weitere Beschäftigung zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen angeboten hatte. Die Beklagte hat damit Erklärungen abgegeben, die einer freiwilligen Erfüllung des Klageanspruchs gleich stehen. In einem solchen Fall sind ohne weitere Sachprüfung die Kosten dem Arbeitgeber aufzuerlegen. Bei einer "Rücknahme" einer Kündigung ist wie bei der freiwilligen Erfüllung einer Forderung in der Regel davon auszugehen, dass die Klage begründet und erfolgreich gewesen wäre (vgl. LAG Köln vom 14. März 1995 - 4 Ta 62/95 - NZA 1995, 1016; OLG Frankfurt vom 04. Mai 1995 - 22 W 20/95 - MDR 1996, 426). Nur wenn die Beklagte in einem solchen Fall darlegt, dass sie andere Gründe als die Begründetheit der Klage hatte sich in die Rolle des Unterlegenen zu begeben, ist eine Sachprüfung geboten. Im vorliegenden Fall war nach den Äußerungen des Beklagtenvertreters im Kammertermin allein die Unwirksamkeit der Kündigung Grund für ihre "Rücknahme". Im Hinblick auf die Erklärungen des Beklagtenvertreters zum weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses fehlt es auch dem Feststellungsantrag nicht an einem Feststellungsinteresse.

2. a)

Dem Kläger sind die Kosten auch nicht deshalb aufzuerlegen, weil er nach der "Rücknahme der Kündigung" die Klage nicht zurückgenommen hat. Dabei kann dahinstehen, ob bei einer Klagerücknahme die Gebühr nach Nr. 8210 Abs. 2 der Anlage 1 zum GKG entfallen wäre. Danach entfällt die Gebühr bei Beendigung des gesamten Verfahrens ohne streitige Verhandlung. Im vorliegenden Fall fand eine erfolglose Güteverhandlung statt und im Termin vor der Kammer haben die Parteien die Sach- und Rechtslage umfangreich erörtert bevor der Beklagtenvertreter die "Kündigungsrücknahme" erklärte. Einiges spricht dafür, darin auch vor Stellen der Anträge eine streitige Verhandlung zu sehen. Das kann dahinstehen.

b)

Jedenfalls kann es im Rahmen der Entscheidung nach § 91 a ZPO nicht zu Lasten des Klägers gehen, dass er keine Klagerücknahme erklärte. Das Arbeitsgericht beruft sich auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Oktober 1998 - 9 Ta 583/98 -. Der dort zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich vom vorliegenden entscheidend: Dort hatte die Beklagte vor dem anberaumten Termin zur streitigen Verhandlung mitgeteilt, dass sie dem Begehren des Klägers, ein Schriftstück aus der Personalakte zu entnehmen, nachgekommen ist. Hier hatte offensichtlich noch keine mündliche Verhandlung, jedenfalls kein Kammertermin stattgefunden und es handelte sich lediglich um die Entfernung eines Schriftstücks, nicht um eine Klage gegen eine Kündigung, die grundsätzlich nicht zurückgenommen werden kann. Soweit die 9. Kammer in diesem Beschluss darauf hingewiesen hat, dass für eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO die Gebühren ganz oder teilweise der Partei auferlegt werden kann, die mutwillig den Eintritt der vollen Gebührenermäßigung verhindert, so kann dem jedenfalls für Fallgestaltungen wie der vorliegende nicht gefolgt werden. Eine Partei ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Prozesshandlungen an den Kosteninteressen der Gegenseite oder der Arbeitsbelastung des Gerichts auszurichten. Will ein Arbeitgeber an einer Kündigung nicht festhalten gegen die Kündigungsschutzklage erhoben wurde, hat er die Möglichkeit, ein prozessuales Anerkenntnis zu erklären, einen Vergleich anzubieten oder eine Rücknahme der Kündigung zu erklären in der Hoffnung, dass der Kläger das darin liegende Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses annimmt. Zur Annahme verpflichtet ist der Arbeitnehmer nämlich nicht. Er kann den Rechtsstreit auch fortsetzen und ggf. einen Auflösungsantrag stellen. Nimmt er das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an, so kann er den Rechtsstreit für erledigt erklären oder die Klage zurücknehmen. Den Parteien steht es bis zur Grenze der Schikane frei, wie sie prozessual vorgehen. Ein Kläger, der durch den Ausspruch einer Kündigung seines Arbeitgebers zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage veranlasst wird - und zur Wahrung seiner Rechte dazu auch gezwungen ist - muss bei seinem prozessualen Vorgehen Kosteninteressen seines Gegners nicht berücksichtigen. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber die Kündigung zunächst verteidigt und erst nach umfangreicher Erörterung der Sach- und Rechtslage im Kammertermin eine Rücknahme der Kündigung erklärt. Derjenige, der eine Klage zurück nimmt erscheint nämlich als der Unterlegene, was auch in der Kostenregelung des § 269 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck kommt. Gerade in einem Kündigungsschutzverfahren muss sich ein Arbeitnehmer nicht in diese Rolle begeben, wenn der Arbeitgeber selbst seine Kündigung für unwirksam ansieht. In Fällen dieser Art wird auch das Gericht nicht zu einem Rechtsgutachten gezwungen. Wie oben ausgeführt, sind bei einer Erledigung wegen Kündigungsrücknahme die Kosten regelmäßig ohne weitere Sachprüfung dem Arbeitgeber aufzuerlegen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen wegen Abweichung vom Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Oktober 1998.

Ende der Entscheidung

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