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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 8/2 Sa 639/05
Rechtsgebiete: KschG, BGB


Vorschriften:

KschG § 2
BGB § 626
Wird eine Änderungskündigung als außerordentliche Kündigung ausgesprochen, muss für sie ein wichtiger Grund vorliegen, der eine weitere dauerhafte Zusammenarbeit unzumutbar macht, auch wenn eine soziale Auslauffrist entsprechend der Kündigungsfrist eingeräumt wird.
Tenor:

Die Berufung d. Bekl. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Wiesbaden vom 06.01.2005 - 2 Ca 1261/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat d. Bekl. zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der am 12. Oktober 1954 geborene unverheiratete und kinderlose Kläger ist seit 01. Juni 1983 bei den Beklagten angestellt aufgrund Arbeitsvertrages vom 16. Mai 1983. Nach diesem Arbeitsvertrag war der Kläger, der Volljurist ist, als Mitarbeiter der Rechtsabteilung eingestellt und später in anderen Bereichen, nämlich dem Ressort Kapitalanlagen und im Bereich Konzernentwicklung/Beteiligungsmanagement eingesetzt.

Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 14. April 2004, das der Kläger am gleichen Tag erhielt, und - nach Vollmachtsrüge des Klägers - mit Schreiben vom 28. April 2004, das der Kläger am folgenden Tag erhielt, eine Änderungskündigung gegenüber dem Kläger aus. Unter dem Betreff "Unser Arbeitsvertrag - Änderungskündigung" heißt es dort:

"Wir kündigen hiermit unseren Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 31. Dezember 2004."

Gleichzeitig bot die Beklagte dem Kläger an, ihn ab sofort als Sachbearbeiter Großschaden in dem Bereich Sach-/Arzthaftpflicht-Schaden mit effektiv gleicher Bezahlung weiter zu beschäftigen.

Der Kläger hat das Angebot auf Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter Vorbehalt angenommen und wird zu den geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigt.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit und Sozialwidrigkeit der ausgesprochenen Kündigungen geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen der vom 14. April 2004 und vom 28. April 2004 unwirksam sind;

2. außerdem, für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag Ziffer 1. die Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Referent in der Abteilung X Konzernentwicklung/Beteiligungsmanagement weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Änderungskündigungen seien rechtswirksam. Der bisherige Arbeitsplatz des Klägers und die bislang ausgeführten Aufgaben seien entfallen und die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Der Kläger könne jedenfalls nicht verlangen, gemäß seinem Antrag beschäftigt zu werden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06. Januar 2005 der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen der vom 14. April 2004 und vom 28. April 2004 unwirksam sind und die Klage hinsichtlich des Antrags auf Beschäftigung abgewiesen. Auf dieses Urteil wird insbesondere hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass es sich um außerordentliche Änderungskündigungen gehandelt habe. Es habe sich tatsächlich um ordentliche Kündigungen gehandelt, die mit dem Angebot auf sofortige Änderung der Arbeitsbedingungen verbunden gewesen seien. Die Änderungskündigungen seien auch gerechtfertigt gewesen, da die bisherige Arbeit des Klägers weitestgehend entfallen sei und das Änderungsangebot verhältnismäßig gewesen sei. Das Gleiche gelte auch dann, wenn die Änderungskündigung als außerordentliche anzusehen sei. Jedenfalls sei die Änderungskündigung in eine ordentliche Änderungskündigung umdeutbar, da der Betriebsrat zu beiden ausgesprochenen Kündigungen innerhalb der Anhörungsfrist keine Stellungnahme abgab und der sofortigen Versetzung und Umgruppierung des Klägers ausdrücklich zustimmte. Er hätte auch einer ordentlichen Änderungskündigung nicht widersprochen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 06.01.2005 - 2 Ca 1261/04 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass auch der Betriebsrat ausdrücklich zu einer Kündigung aus wichtigem Grund angehört wurde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Änderungskündigungen der Beklagten vom 14. April und vom 28. April 2004 unwirksam sind. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des Arbeitsgerichts.

Das Vorbringen in der Berufung vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen.

1.Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte eine außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen hat und die entsprechenden Maßstäbe für ihre Wirksamkeit angelegt.

a) Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Kündigung, die von der Beklagten als "aus wichtigem Grund außerordentlich" ausgesprochen wurde sie nicht als ordentliche Kündigung verstanden werden. Der Berufung kann nicht darin gefolgt werden, dass von einer ordentlichen Änderungskündigung auszugehen sei, weil die Kündigung selbst nicht sofortige Wirksamkeit entfalten sollte, sondern erst nach Ablauf einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Frist. Diese Frist ist nämlich ausdrücklich als Auslauffrist bezeichnet worden. Als "Auslauffrist" wird aber gerade und nur bei der außerordentlichen Kündigung die Frist bezeichnet, die ab Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung für deren Beendigungswirkung gewährt wird, obwohl eine ordentliche Kündigungsfrist nicht einzuhalten ist.

b) Auch eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung muss scheitern. Zumindest zweifelhaft erscheint schon, ob bei Kenntnis der Nichtigkeit der außerordentlichen Kündigung von der Beklagten eine ordentliche Kündigung gewollt gewesen wäre. Die Beklagte wollte mit ihrer Kündigung, wie ihr Änderungsangebot zeigt, gerade keine ordentliche Kündigung aussprechen, verbunden mit einem Angebot für die Zeit nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Sie wollte eine sofortige Veränderung. Sie hat auch weder in dem diesem Rechtsstreit vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren noch erstinstanzlich eine Umdeutung geltend gemacht. Jedenfalls scheitert eine Umdeutung daran, dass die Beklagte den Betriebsrat nur zu einer außerordentlichen Kündigung angehört hat und dieser der außerordentlichen Kündigung gerade nicht zugestimmt hat. Eine Umdeutung käme nur in Betracht, wenn der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hätte (BAG vom 16.03.1978 - DB 1978, S. 1454).

1. Für die außerordentliche Änderungskündigung muss deshalb ein wichtiger Grund im Sinn des § 626 BGB vorliegen.

a) Die Beklagte selbst hat sich in ihrem Kündigungsschreiben auf eine Kündigung aus wichtigem Grund berufen. Auch der Umstand, dass die Beklagte eine der ordentlichen Kündigung entsprechende Auslauffrist eingeräumt hat, kann daran nichts ändern. Das ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte den Betriebsrat nur zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund angehört hat. Sie kann deshalb auch nur solche Gründe im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits geltend machen, die sich als wichtige Gründe darstellen (vgl. BAG vom 18.12.1980 - DB 1981, S. 1624; BAG vom 03.04.1986 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 - zur Verwertung von dem Betriebsrat nicht mitgeteilten Kündigungsgründen). Schließlich ist zu beachten, dass der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund auch eine besondere Belastung im Innen- wie im Außenverhältnis darstellt und zumindest durch die mit ihr verbundenen negativen Assoziationen geeignet ist, das Ansehen des Gekündigten zu beeinträchtigen. Aus all diesen Gründen muss die Beklagte es sich gefallen lassen, dass ihre Kündigung an dem von ihr selbst gewählten Maßstab gemessen wird. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass es angesichts der eingeräumten Auslauffrist nicht um die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sondern um die Unzumutbarkeit darüber hinaus geht. Es muss ein wichtiger Grund vorliegen, der die Weiterbeschäftigung auf Dauer unzumutbar macht.

b) Das Arbeitsgericht hat zutreffend dargelegt, dass ein solcher wichtiger Grund nicht vorliegt. Ihm ist zu folgen. Dass nach dem Vortrag der Beklagten ein großer Teil an Arbeit für den Kläger durch ihre verschiedenen Organisationsentscheidungen weggefallen ist macht es ihr jedenfalls nicht unzumutbar, ihn in einer seiner bisherigen Eingruppierung entsprechenden Stellung weiter zu beschäftigen. Wenn damit die Arbeitskraft des Klägers nicht in vollem Umfang genutzt werden kann, mag die Beklagte dies hinnehmen oder ihre Organisationsentscheidungen, die dazu geführt haben, überdenken. Ein wichtiger Grund liegt darin jedenfalls nicht.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

Ende der Entscheidung

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