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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 1370/07
Rechtsgebiete: TV Vereinheitlichung Betriebliche Altersversorgung Lufthansa


Vorschriften:

TV Vereinheitlichung Betriebliche Altersversorgung Lufthansa
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 26.06.2007 - 4 Ca 1567/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Vordienstzeiten für die betriebliche Altersversorgung zugute kommen müssen.

Die 1955 geborene Klägerin trat 1978 als Flugbegleiterin in die Dienste der Beklagten und schied, nachdem sie geheiratet hatte und ein Kind erwartete zum 30. Juni 1987 wieder aus. Zum 01. Februar 1992 trat sie wieder in die Dienste der Beklagten. Im Arbeitsvertrag ist zwischen den Parteien die Anwendung der jeweiligen Tarifverträge vereinbart.

Die beklagte Xxxxxxxxxxxxxx war bis Ende 1994 Beteiligte bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Für Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt bei der VBL versichert waren, führte die Beklagte diese Versorgung weiter, indem sie tarifvertraglich zusagte, die Betriebsrentenzahlungen nach Maßgabe der jeweiligen VBL-Satzung zu erbringen (sog. VBL-gleiche Versorgung). Für danach eingestellte Arbeitnehmer wurde durch Tarifvertrag eine neue Versorgungsordnung eingeführt, die auf Rentenbausteinen basiert.

Das VBL-gleiche Gesamtversorgungssystem wurde ab 01. Januar 2002 abgelöst und in das seit Anfang 1995 geltende neue Rentenbausteinsystem überführt durch den "Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung" vom 04. Dezember 2004, gültig ab 01. Januar 2002 (TV Vereinheitlichung). Danach wurde für die Arbeitnehmer, die bisher Anspruch auf eine VBL-gleiche Versorgung hatten, rückwirkend die Versorgung nach dem neuen Versorgungssystem des "TV Lufthansa Betriebsrente" vom 04. Dezember 2004, gültig ab 01. Januar 2002, eingeführt. Dieser fasste den Tarifvertrag "Betriebliche Altersversorgung" vom 01. September 1995 neu, der bereits für alle Arbeitnehmer gegolten hatte, die nach dem 31. Dezember 1994 bei der Beklagten eingetreten waren.

Für Mitarbeiter, die Ansprüche nach der VBL-gleichen Versorgung hatten, wird nach dem TV Vereinheitlichung zum 31. Dezember 2001 die zu diesem Zeitpunkt erworbene unverfallbare Anwartschaft (Startbaustein) festgestellt und für die Zeit danach werden Rentenbausteine nach dem TV Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx erworben.

Im Versorgungsfall wird für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2001 eine doppelte Berechnung vorgenommen:

Zum einen wird unterstellt, dass der Mitarbeiter rückwirkend seit dem Beginn seines Anstellungsverhältnisses eine Versorgungszusage nach dem Rentenbausteinsystem hatte. Dieser Anspruch wird verglichen mit der VBL-gleichen Versorgungsanwartschaft bis zu diesem Zeitpunkt.

Die Beklagte hat bei der Berechnung der rückwirkenden Rentenbausteine nach dem TV Vereinheitlichung in Verbindung mit dem TV Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx die Zeit des Arbeitsverhältnisses vom 22.08.1978 bis 30.06.1987 nicht berücksichtigt. Bei der Berechnung des VBL-Startbausteins aufgrund der VBL-Satzung hat sie alle Zeiten der Versicherung bei der VBL berücksichtigt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, alle Beschäftigungszeiten bei der Beklagten, auch die vom 25. August 1978 bis zum 22. Januar 1987 seien für die Berechnung der Anwartschaft aus rückwirkenden Rentenbausteinen einzubeziehen. Das ergebe sich aus dem TV Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx. Jedenfalls stelle es eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, wenn ihr die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses wegen der Geburt und der Erziehung ihres Kindes von Nachteil sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Berechnung ihrer betrieblichen Altersversorgung ab Rentenbezug gemäß dem Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Xxxxxxxxx Kabinenpersonal sowie gemäß dem Tarifvertrag Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx für das Kabinenpersonal auch die Zeit vom 25.08.1978 bis 22.01.1987 zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, Vordienstzeiten seien nach den Tarifverträgen nicht anzurechnen. Dies stelle auch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 26. Juni 2007, auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 24. September 2008 (Bl. 247 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Für die rückwirkende Berechnung der Rentenbausteine sei auf die VBL-pflichtigen und VBL-gleichen Beschäftigungszeiten abzustellen. Das ergebe sich daraus, dass nach dem TV Vereinheitlichung die Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx rückwirkend eingeführt werden sollte. Für den VBL-Baustein seien aber unstreitig die Vordienstzeiten als VBL-pflichtig einzubeziehen. Weiterhin ergebe sich aus dem Verweis im TV Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx auf die Unverfallbarkeitsvorschriften des BetrAVG, dass die Vordienstzeit, in der sie eine unverfallbare Anwartschaft erworben habe, anzurechnen sei. Sie werde dadurch geschlechtsspezifisch benachteiligt, dass ihr Beschäftigungszeiten allein deshalb nicht angerechnet würden, weil sie aufgrund der Kindererziehung das Arbeitsverhältnis unterbrochen hatte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2007, zugegangen am 14.08.2007, Az.: 4 Ca 1567/07, abzuändern und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Eine diskriminierende Regelung existiere nicht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Die Klägerin hat ein gegenwärtiges berechtigtes Interesse daran feststellen zu lassen, ob für die Berechnung der Anwartschaft aus rückwirkenden Rentenbausteinen auch ihre Vordienstzeit zu berücksichtigen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, können auch einzelne Berechnungsgrundlagen einer Betriebsrente Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. nur BAG vom 19. Februar 2002 - 3 AZR 589/99; BAG vom 24. April 2001 - 3 AZR 355/00; EzA § 1 BetrAVG Nr. 73). Die Beklagte hat auch bereits sowohl den Startbaustein für die Garantie bisher erworbener VBL-gleicher Anwartschaften wie auch die Betriebsrente aus rückwirkenden Rentenbausteinen ermittelt. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, beides zu vergleichen. Ihr Feststellungsinteresse entfällt auch nicht dadurch, dass gegenwärtig nicht festgestellt werden kann, wie hoch im Versorgungsfall die Rente sein wird, insbesondere ob die VBL-Garantierente oder die Rente aufgrund der rückwirkenden Einführung des TV Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx auch unter Berücksichtigung der Vordienstzeiten höher sein wird. Es spricht allerdings Vieles dafür, dass bei einer vollständigen Berücksichtigung aller Dienstzeiten, wie sie hinsichtlich der VBL-Betriebsrente erfolgt, die Versorgung nach dem TV Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx höher sein wird. Die Beklagte hat selbst ausgeführt - und es ist dem Gericht aufgrund einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt -, dass aufgrund der Änderungen des VBL-Leistungsrechts das neue Rentenbausteinsystem vielfach, wenn nicht in der Regel, zu höheren Leistungen führt. Jedenfalls ist es der Klägerin nicht zuzumuten, die bereits jetzt streitige Frage erst nach Eintritt des Versorgungsfalls klären zu lassen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat das zutreffend ausgeführt. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des Arbeitsgerichts.

Auf die Berufung ist festzuhalten:

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr die Vordienstzeit bei der rückwirkenden Einführung der Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx angerechnet wird. Der TV Vereinheitlichung bestimmt insoweit:

"§ 2 Rückwirkende Zusage der Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx

(1) Alle am 01.07.2003 VBL-gleich pflichtversicherten Mitarbeiter werden unter den Voraussetzungen und nach näherer Maßgabe der folgenden Bestimmungen so gestellt, als hätten sie ab Beginn der VBL- oder VBL-gleichen Versicherungspflicht aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses mit Xxxxxxxxx eine Zusage auf Leistungen nach dem Tarifvertrag Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx erhalten (rückwirkende Einführung der "Lufthansa-Betriebsrente"). Hierbei werden VBL-pflichtige Beschäftigungszeiten bei der Xxxxxx Xxxxxxxxxx Xxxx (XXX) unmittelbar vor oder - bei zwischenzeitlichem Arbeitsverhältnis mit der XXX - im unmittelbaren Anschluss an das Arbeitsverhältnis mit Xxxxxxxxx berücksichtigt.

..."

Bei einer allein auf den Wortlaut beschränkter Auslegung dieser Bestimmung könnte die von der Klägerin begehrte Einbeziehung der Vordienstzeiten in Betracht kommen. Der Beginn ihrer VBL-Versicherungspflicht war der 22.08.1978, als sie in die Dienste der Beklagten trat. Diese VBL-Versicherungspflicht entstand auch aufgrund ihres - damaligen - Arbeitsverhältnisses mit der Xxxxxxxxx. Dies Auslegung ergibt sich, wenn "aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses mit Xxxxxxxxx" verstanden wird als nähere Bestimmung der VBL-Versicherungspflicht, d.h. als eine Einschränkung des Merkmals "VBL-Versicherungspflicht" auf eine solche durch ein Arbeitsverhältnis mit der Xxxxxxxxx begründete im Unterschied zu einer aufgrund eines Arbeitsvertrages mit einem anderen Arbeitgeber begründeten Versicherungspflicht. Dazu passt aber nicht, dass auch eine VBL-gleiche Versicherungspflicht genannt ist, die nur bei der Beklagten bestehen kann, wobei anzumerken ist, dass eine VBL-gleiche Versicherungspflicht wohl nur dann entstehen konnte, wenn bis dahin eine VBL-Versicherungspflicht bestand - bei Eintritt nach dem 31.12.1994 konnte keine VBL-gleiche Versicherungspflicht mehr entstehen, davor bestand nur eine VBL-Versicherungspflicht. Näher liegt allerdings, "ihres Arbeitsverhältnisses" jedenfalls gedanklich mit "Beginn" zu verknüpfen. Auch unterbrochene Arbeitsverhältnisse werden im allgemeinen Sprachgebrauch als einzelne Arbeitsverhältnisse verstanden und gewissermaßen durchgezählt. Hätten die Zeiten aller Arbeitsverhältnisse einbezogen werden sollen, hätte deshalb die Wahl des Plurals an dieser Stelle zumindest nahe gelegen.

Entscheidend für die Kammer ist aber, dass in der betrieblichen Altersversorgung im Allgemeinen Vordienstzeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses auch mit dem gleichen Arbeitgeber nur einbezogen werden, wenn dies besonders vereinbart ist (vgl. BAG vom 19.10.1982 - 3 AZR 639/80 - BB 1984, S. 527; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, Rz 2852 und 2911 zur Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit). Vor diesem Hintergrund ist auch die Regelung der Tarifvertragsparteien zu verstehen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass anders als üblich nicht nur die Zeit des letzten ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses gemeint sein sollte, sondern auch frühere Arbeitsverhältnisse.

Soweit die Klägerin auf die Bestimmung über die Unverfallbarkeit verweist ergibt sich daraus nichts anderes. Wenn die Klägerin während ihrer Beschäftigung von 1978 bis 1987 eine unverfallbare Anwartschaft erworben hat bleibt diese unverfallbar. Bei dem Ausscheiden der Klägerin im Jahr 1987 galt aber weder der TV Vereinheitlichung noch der TV Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxxxx. Zum Zeitpunkt ihres damaligen Ausscheidens konnte die Klägerin mithin keine Anwartschaften nach diesen Versorgungsordnungen erworben haben.

Die Klägerin kann auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung die Anrechnung der Vordienstzeiten nicht verlangen. Die Klägerin hat sowohl für die Zeit vor wie für die Zeit nach der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses Versorgung für die jeweiligen Zeiten erworben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet nicht, die Vordienstzeiten bei einem unterbrochenen Arbeitsverhältnis grundsätzlich für die Berechnung der Altersversorgung zusammenzurechnen. Es stellt auch keine mittelbare Diskriminierung dar, wenn die Unterbrechung eines Arbeitsverhältnisses zu Nachteilen in der betrieblichen Altersversorgung führt. Der Kammer ist nicht ersichtlich, dass erheblich mehr Angehörige des weiblichen Geschlechts dadurch nachteilig betroffen sind. Allein auf die Vermutung, dass mehr Frauen ihr Arbeitsverhältnis unterbrechen als Männer, kann das Verdikt einer mittelbaren Diskriminierung nicht gestützt werden. Es braucht daher nicht näher darauf eingegangen zu werden, dass das Abstellen allein auf das letzte ununterbrochene Arbeitsverhältnis durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein kann (vgl. BAG vom 14. Juni 1995 - 4 AZR 534/94; EzA §§ 22, 23 BAT 11.1 Nr. 1).

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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