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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.07.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 1873/08
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
BetrAVG § 16
1. Die Anrechnung anderer Versorgungsleistungen kann dazu führen, dass ein Versorgungsanspruch nicht entsteht.

2. Nach Eintritt des Versorgungsfalles eingetretene Veränderungen (Kürzungen) anzurechnender Leistungen sind für den Versorgungsanspruch nicht mehr zu berücksichtigen.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2008 - 4 Ca 2623/08 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Betriebsrente, deren Anpassung und den Ausgleich von Kürzungen bei der Pension des Beamtenversicherungsvereins des ...- und Bankiersgewerbes (BVV).

Die am ... geborene Klägerin war seit Januar 1971 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin angestellt. Zum 01. Juni 2000 schied die Klägerin mit Eintritt in den Ruhestand aus.

Der Klägerin war eine Altersversorgung auf der Grundlage einer Pensionsordnung vom 31. Dezember 1957 zugesagt worden. Diese war mit Wirkung zum 31. Dezember 1978 abgeändert worden, als die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab 1979 dem BVV beitrat. Unstreitig gilt für die Altersversorgung der Klägerin seit 01. Dezember 1991 die Pensionsordnung vom 13.12.1991 (PO 91 - Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 18.07.2008 - Bl. 104 d. A.).

In der PO 91 ist bestimmt:

"§ 6 Höhe der Versorgungsleistungen

1. Die Höhe der Versorgungsleistungen richtet sich nach der anrechnungsfähigen Dienstzeit entsprechend § 4 und den pensionsfähigen Bezügen nach § 5.

2. Die monatliche Leistung beträgt nach 10 anrechnungsfähigen Dienstjahren 5% der pensionsfähigen Bezüge; in den folgenden 4 Jahren erhöht sich die monatliche Leistung für jedes weitere anrechnungsfähige Dienstjahr um jeweils 0,5% der pensionsfähigen Bezüge. Nach 15 anrechnungsfähigen Dienstjahren beträgt die monatliche Leistung 14% der pensionsfähigen Bezüge, für jedes weitere anrechnungsfähige Dienstjahr erhöht sich die monatliche Leistung um 0,3% der pensionsfähigen Bezüge bis auf höchstens 20%.

3. Sind für den/die Berechtigten/-te Beiträge zum Beamtenversicherungsverein des ...- und Bankiersgewerbes (a.G.) -BVV - entrichtet worden, so wird der nach Punkt 2. ermittelte Rentenanspruch um die Leistungen aus dem BVV, soweit sie auf Beitragszahlungen der Bank beruhen, gekürzt. ...

§ 14 Erhöhung der Renten

Die Bank wird die von ihr gezahlten Renten von Zeit zu Zeit (mindestens alle drei Jahre) überprüfen und über eine Erhöhung nach billigem Ermessen entscheiden."

Die Beklagte entrichtete den gesamten Beitrag zum BVV für die Klägerin.

Bei Eintritt in den Ruhestand ergab sich nach der PO 91 für die Klägerin eine Rente von € 821,24 (DM 1.606,22) und eine anrechenbare BVV-Rente von € 829,04 (DM 1.621,47).

Die Beklagte teilte der Klägerin im Mai 2000 mit, dass sich als Folge der Anrechnung der BVV-Rente derzeit kein monatlicher Rentenbezug ergebe (vgl. Schreiben vom 25. Mai 2000, Bl. 53 d. A.) und zahlte ihr keine Rente.

Zum 01. Januar 2005 senke der BVV die Rente der Klägerin auf € 807,44 und zum Januar 2007 auf € 783,57.

Die Beklagte hatte zum 30. Juni 2006 die Renten, die sie Versorgungsberechtigten zahlte um 5,9% angepasst.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versorgungsleistungen der Beklagten nach der PO 91 seien jedenfalls rechnerisch mindestens alle drei Jahre anzupassen. Die Differenz zwischen der solchermaßen stetig anwachsenden Bankpension und der sich verringernden BVV-Rente müsste die Beklagte ausgleichen. Das ergebe sich daraus, dass es sich um eine Gesamtversorgung handele und der Anspruch auf Versorgungsleistung gegen die Beklagte nicht durch die BVV-Pension ersetzt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie rückständige Rentenleistungen in Höhe von € 3.512,69 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils zum 30./31. eines jeden Monats in der Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2006 fällig gewordener Versorgungsbezüge in Höhe von € 47,48 jeweils ab dem 01. eines jeden Folgemonats, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf weitere jeweils monatlich zum 30./31. fällig gewordener € 97,92 für die Zeit vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 jeweils ab dem 01. eines jeden Folgemonats, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils zum 30./31. eines jeden Monats in der Zeit vom 01.01.2007 bis 31.05.2008 fällig gewordener Versorgungsbezüge in Höhe von € 121,79 jeweils ab dem 01. eines jeden Folgemonats zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Betriebsrente in Höhe von monatlich derzeit € 121,79, beginnend ab dem Monat Juni 2006 nebst Zinsen für den Fall des Verzuges in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf die jeweils monatlich fällig werdenden Beträge ab dem 01. eines jeden Folgemonats zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei weiteren Reduzierungen der BVV-Rente den Fehlbetrag zur zugesagten Bankpension auf der Grundlage der Pensionsordnung vom 31.12.1957 in der Fassung vom 31.12.1978 durch entsprechende Erhöhung der Rentenzahlung auszugleichen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es sei ausschließlich auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls abzustellen. Da die Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalls keine Versorgungsleistungen beanspruchen konnte, seien auch keine Anpassungen vorzunehmen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, Rentenminderungen des BVV auszugleichen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihre Pensionsleistungen an die Klägerin zu überprüfen, wenn die anzurechnende BVV-Rente unter die für die Klägerin errechnete Versorgungsleistung nach der PO 91 fiele. Der sich daraus ergebende Betrag sei anzupassen gewesen. Hingegen könne die Klägerin nicht verlangen, dass der Gesamtbetrag der errechneten Versorgungsleistung nach der PO 91 jeweils anzupassen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte dementsprechend zur Zahlung verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, bei weiteren Reduzierungen der anzurechnenden BVV-Rente den Fehlbetrag zur zugesagten Bankpension durch entsprechende Erhöhung der Rentenzahlungen auszugleichen. Auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 16. September 2008 wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 15. Juli 2009 verwiesen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Versorgungsleistung für die Klägerin nach der PO 91 sei bei Eintritt des Rentenfalls festzustellen. Für eine Neuberechnung bei Veränderung der anzurechnenden BVV-Rente sei keine Grundlage vorhanden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben vom 25. Mai 2000. Darin sei keine von der PO 91 abweichende Zusage gegeben worden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 16. September 2008 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main, Az.: 4 Ca 2623/08 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Anspruch auf Versorgungsleistungen gegen die Beklagte sei nicht durch einen Anspruch auf eine BVV-Rente ersetzt worden. Eine Anrechnung der BVV-Rente könne nur so lange erfolgen, wie der Betriebsrentenbetrag den Betrag der BVV-Rente nicht übersteige.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Versorgungsleistungen durch die Beklagte.

1.) Der Anspruch der Klägerin auf Versorgungsleistungen durch die Beklagte war zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls festzustellen. Zu diesem Zeitpunkt überschritt die anzurechnende BVV-Rente unstreitig die nach der PO 91 errechnete Versorgungsleistung.

a) Der Anrechnung der BVV-Rente auf die Versorgungsleistung steht nichts entgegen. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG können Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen, auf dessen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung angerechnet werden. Die BVV-Rente der Klägerin beruht allein auf Beiträgen des Arbeitgebers. Sie durfte angerechnet werden.

b) Der Anrechnung steht auch nicht entgegen, dass dadurch eine Versorgungsleistung der Beklagten vollständig entfällt. Auch Nullleistungen aufgrund von Anrechnung sind zulässig. Bedenklich können Anrechnungsklauseln sein, wenn sie generell Nullleistungen bewirken (vgl. Reinhold Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, Rz 3873, 3879; LAG Köln vom 17. Juni 1993 - 6 Sa 321/93 - DB 1993, 2391) . Dies kann der Fall sein, wenn eine Gesamtversorgungsobergrenze oder ein ruhegeldfähiges Einkommen starr festgesetzt sind. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Mit dem Beitritt zum BVV und der Übernahme der Beiträge zu diesem hat die Beklagte für ihre Arbeitnehmer eine mittelbare Versorgung geschaffen. Für danach eingetretene Arbeitnehmer gilt auch nur noch diese Versorgung. Für diejenigen Arbeitnehmer, die wie die Klägerin bereits eine unmittelbare Versorgungszusage hatten, wurden durch die Abänderung der ursprünglichen Versorgungsordnung von 1978 und von 1991 die ursprüngliche unmittelbare Versorgung daneben aufrechterhalten und verbessert. Es ist in keiner Weise zu beanstanden, dass die Beklagte nicht beide Versorgungen gleichzeitig gewähren wollte. Durch die Anrechnung der neu hinzugekommenen BVV-Rente ist gewährleistet, dass der Versorgungsberechtigte nicht beide Versorgungen gleichzeitig beanspruchen kann, jedoch nach wie vor die unmittelbare Versorgung, wenn diese höher als die BVV-Versorgung ist. Das ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn durch die Anrechnung der mittelbaren Versorgung kein Anspruch auf die unmittelbare entsteht.

2. Die PO 91 sieht nicht vor, dass die Versorgungsleistungen bei Veränderungen der BVV-Rente neu zu berechnen wären. Verrechnungsmöglichkeiten zwischen Versorgungsleistungen, aus denen sich eine Gesamtversorgung zusammensetzt, müssen ausdrücklich festgehalten werden (BAG vom 26. August 2003 - 3 AZR 434/02; Hess. LAG vom 24. Juni 2009 - 8 Sa 179/09) . Die Leistungen des BVV und die nach der PO 91 sind nicht zu einer einheitlichen Gesamtleistung verklammert, die zu einer Einheitsbetrachtung zwingen könnte.

3. Auch wenn man die von der Beklagten gewährte Altersversorgung als eine Gesamtversorgung betrachtet, führt das nicht dazu, dass Veränderungen der BVV-Rente nach Eintritt des Versorgungsfalls Einfluss auf den Rentenanspruch der Klägerin haben könnten. Auch für Gesamtversorgungen gilt, dass diese bei Eintritt des Versorgungsfalls - oder bei Ausscheiden als unverfallbare Anwartschaft - zu berechnen und in der festgestellten Höhe zu zahlen sind. Diese bei Eintritt des Versorgungsfalls errechnete Rente verändert sich auch bei einem Gesamtversorgungssystem nur, soweit dies vertraglich oder gesetzlich vorgesehen ist. Bei einem Gesamtversorgungssystem trägt der Arbeitgeber zwar das Risiko, dass sich bis zum Eintritt des Versorgungsfalls die Bemessungsgrundlage - in der Regel das pensionsfähige Gehalt - stärker erhöht als anrechenbare Versorgungsleistungen. Das Risiko, dass nach Eintritt des Versorgungsfalls sich diese Schere noch weiter öffnet trägt er aber nur, wenn er es dadurch eingegangen ist, dass er eine Neuberechnung der Rente bei Veränderung der Berechnungsfaktoren vereinbart hat (vgl. auch LAG Baden-Württemberg vom 12. Januar 2007 - 9 Sa 50/06; Hess. LAG, a. a. O. - a.A. LAG Köln vom 30. August 2005 - 13 Sa 652/05) . Andererseits hat der Arbeitnehmer die Chance, dass ihm Erhöhungen anrechenbarer Renten in vollem Umfang verbleiben.

4. Da die Klägerin keinen Anspruch auf unmittelbarer Versorgungsleistungen hat, besteht für die Beklagte auch keine Pflicht zur Anpassung gem. § 16 BetrAVG. Anzupassen ist nur die laufende Leistung, d.h. der Zahlbetrag (vgl. Hess. LAG vom 24. Juni 2009) . Eine Anpassungsverpflichtung hinsichtlich der Leistungen des BVV hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Eine solche entfiele jedenfalls nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG.

Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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