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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 476/05
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG a. F. § 2 VI
BetrAVG § 4a
BGB § 242
BGB § 613 a
Der Betriebsveräußerer schuldet seinen Arbeitnehmern Auskunft über die bei ihm erworbenen Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung auch wenn er nicht mehr deren Schuldner ist.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 19.01.2005 - 14 Ca 701/04 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger mitzuteilen, ob am 31.01.2003 die Voraussetzungen für eine unverfallbare Anwartschaft auf Regelaltersrente i. S. des § 9 ZVersTV erfüllt war und dem Kläger mitzuteilen, in welcher Höhe er am 31.01.2003 Leistungen nach dem ZVersTV bei Erreichen des 65. Lebensjahres beanspruchen konnte.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Auskunft über die Höhe seiner Anwartschaft auf betriebliche Zusatzversorgung zu erteilen hat.

Der am 11. Juni 1962 geborene Kläger war seit dem 15. Februar 1981 bei Rechtsvorgängerinnen der Beklagten - zuletzt im Betrieb der Beklagten in A - beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fand der Zusatztarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer der X AG (ZVersTV) Anwendung.

§ 17 ZVersTV lautet, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung:

(1) Endet das Arbeitsverhältnis mit der X AG vorzeitig, ohne das die Voraussetzungen für eine Regelaltersrente (§ 9), eine ... erfüllt sind, wird die nach dem BetrAVG vorgesehene Höhe der unverfallbaren Anwartschaft wie folgt berücksichtigt:

a) ...

b) ...

(2) Dem vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer wird schriftlich mitgeteilt,

a) ob die Voraussetzungen für eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Zusatzversorgung erfüllt sind und

b) in welcher Höhe eine Leistung nach diesem Tarifvertrag bei Erreichen des 65. Lebensjahres beansprucht werden kann.

Mit dem 01. Februar 2003 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die B GmbH im Wege eines Betriebsübergangs über. Am 03. März 2003 meldete die Beklagte der D die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers gem. § 17 ZVersTV (Bl. 5 d.A.).

Bei der B GMBH gilt ein zwischen ihr und der Gewerkschaft E am 20.12.2002 abgeschlossener, ab 01. Februar 2003 gültiger MTV. Dort ist u.a. geregelt:

§ 13 Altersversorgung/Gehaltsumwandlung

Die B GMBH ermöglicht dem/der Mitarbeiter/in den Erwerb von Altersversorgungsanwartschaften auf dem Wege der Gehaltsumwandlung. Die Betriebsparteien können aufgrund dieser Öffnungsklausel alle rechtlich zulässigen Arten betrieblicher Altersvorsorge vereinbaren.

In einer Überleitungs-Betriebsvereinbarung vom 28. Januar 2003 zwischen der B GMBH GmbH, dem Betrieb Ader Beklagten und dem Betriebsrat dieses Betriebs vom 28.01.2003 ist geregelt:

IV. Die Betriebsparteien regeln mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zum einen, in welchem Durchführungsweg die bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bei der X AG erworbenen Anwartschaften auf Altersversorgung fortgeführt werden. Die Betriebsparteien regeln zum anderen mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs, in welcher Art und Weise die Öffnungsklausel in § 13 MTV B GmbH zukünftig umgesetzt werden soll.

V. Die Parteien streben den zeitnahen Abschluss der nach II oder IV neu für die B GmbH geltenden Betriebsvereinbarungen im Monat nach dem Betriebsübergang voraussichtlich im Februar 2003 an.

Gemäß dieser Betriebsvereinbarung schloss die B GMBH mit dem Betriebsrat für die vom Betrieb der Beklagten A im Wege des Betriebsübergangs auf die B GMBH übergegangenen Beschäftigten am 30. Mai 2005 eine Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung für die Beschäftigten der B GMBH. Darin heißt es:

§ 2 Gegenstand und Verweisung

(1) Für die Beschäftigten der C GmbH (B GMBH) bleiben die bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bei der X AG erworbenen unverfallbaren Anwartschaften auf Altersversorgung erhalten. Die bis zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges angesammelten Bar- bzw. Teilbarwerte werden insolvenzgeschützt bei der F (Provinzial) angelegt. Die weitere Fortführung der Altersversorgung wird bei der F (Provinzial) durch jährliche Zahlungen der B GMBH gewährleistet und nach den Bestimmungen der gesetzlichen betrieblichen Altersversorgung abgesichert. Diese Betriebsvereinbarung ist auf Grundlage der Überleitungs-Betriebsvereinbarung Nr. IV Satz 1 vom 20.12.2002 geschlossen. Für die Beschäftigten der C GmbH gilt der Zusatzversorgungstarifvertrag (ZVersTV) der X AG in der bis zum 31.01.2003 gültigen Fassung.

Der Kläger hatte nach dem Betriebsübergang im Jahr 2003 von der Beklagten eine schriftliche Mitteilung über die Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaften gem. § 17 ZVersTV verlangt, zuletzt am 30. Juni 2003. Die Beklagte hatte eine Auskunft abgelehnt.

Einem Kollegen des Klägers, dessen Arbeitsverhältnis ebenfalls übergegangen war, hatte die Beklagte eine solche Auskunft erteilt, was sie später als Bearbeitungsfehler bezeichnete.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Auskunft über seine unverfallbare Anwartschaft auf Regelaltersrente zum 31. Januar 2003 gegen die Beklagte zu.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Auskunftsanspruch könne sich nicht mehr gegen sie richten, da sie nicht mehr Arbeitgeberin des Klägers ist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 19. Januar 2005, auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Er vertritt weiter die Auffassung, die Beklagte habe ihm die verlangte Auskunft über den Stand seiner unverfallbaren Anwartschaft zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu erteilen, auch wenn er nicht geltend mache, dass die Beklagte Schuldnerin dieser Versorgungsanwartschaft ist.

Der Kläger beantragt,

auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19.01.2005 zum Az.: 14 Ca 701/04, zugestellt am 16.02.2005, abgeändert und die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, dem Kläger mitzuteilen, ob am 31.01.2003 die Voraussetzungen für eine unverfallbare Anwartschaft auf Regelaltersrente im Sinn des § 9 ZVersTV erfüllt ist und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger mitzuteilen, in welcher Höhe er am 31.01.2003 Leistungen nach dem ZVersTV nach dem Erreichen des 65. Lebensjahres beanspruchen konnte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bekräftigt ihre Auffassung, dass sie nicht mehr zur Auskunft verpflichtet sein könne, da sie auch nicht mehr Arbeitgeber und Versorgungsschuldner des Klägers sei.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger kann die begehrte Auskunft verlangen.

1.

Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft gem. § 17 ZVersTV Abs. 2. Der ZVersTV galt zwischen den Parteien aufgrund jeweiliger Mitgliedschaft bei den Tarifvertragsparteien. Diese tarifvertragliche Vorschrift entspricht dem bis Ende 2004 geltenden § 2 Abs. 6 BetrAVG, der ab 01.01.2005 durch § 4 a BetrAVG abgelöst wurde. Voraussetzung für diesen Auskunftsanspruch nach § 17 ZVersTV bzw. § 2 Abs. 6 BetrAVG war allein, dass der Arbeitnehmer vorzeitig ausgeschieden ist, d.h. sein Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber vor Eintritt des Versorgungsfalls endete. Weder § 17 ZVersTV noch § 2 Abs. 6 oder § 4 a BetrAVG machen zur Voraussetzung, dass sich der Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung gegen den Arbeitgeber richten muss, bei dem der Arbeitnehmer ausgeschieden ist. So trifft den Arbeitgeber jedenfalls hinsichtlich der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen die Auskunftspflicht nach § 2 Abs. 6 BetrAVG auch dann, wenn nicht er, sondern ein sonstiger Versorgungsträger wie eine Pensionskasse oder eine Versicherung die Versorgungspflichten zu erfüllen hat.

Es besteht auch kein Grund, den Arbeitgeber von der Auskunft über die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erworbenen Anwartschaften zu entlasten, wenn nicht er selbst, sondern ein anderer - etwa aufgrund einer Betriebsübernahme - die Versorgungsverpflichtungen zu erfüllen hat. Auch in diesem Fall ist es gerade der bisherige Arbeitgeber, der diese Auskünfte am besten geben kann, sie in der Regel auch dem Betriebserwerber geben muss. Gerade in solchen Fällen kann durch die Auskunft zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs frühzeitig Klarheit geschaffen werden.

Der Kläger ist auch bei der Beklagten vorzeitig ausgeschieden. Aufgrund des Übergangs des Betriebs, in dem der Kläger beschäftigt war, endete gem. § 613 a BGB das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Die Beklagte selbst macht geltend, dass sie dem Kläger aufgrund des Betriebsübergangs nicht mehr zur Versorgung verpflichtet sei, ihr Arbeitsverhältnis mit ihm zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs endete. Daran ändert nichts, dass die Rechte und Pflichten aus diesem Arbeitsverhältnis nunmehr zwischen dem Kläger und der B GMBH bestehen. Das Arbeitsverhältnis zur Beklagten wurde mit dem Betriebsübergang beendet. Er ist bei ihr ausgeschieden.

2.

Der Auskunftsanspruch des Klägers ergibt sich jedenfalls aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des § 242 BGB. Danach besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGHZ 10, S. 387; 81, S. 24; BAG vom 27. Januar 1998, DB 1998, S. 2328; Palandt, BGB, 60. Aufl., § 261 Rz 8).

Der Kläger ist hier in entschuldbarer Weise im Ungewissen darüber, wie hoch seine unverfallbare Anwartschaft zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten war. Deren Höhe hängt von verschiedenen Faktoren ab und erfordert Berechnungen, die einem damit nicht vertrauten Arbeitnehmer schwer fallen dürften. Hingegen verfügt die Beklagte über alle erforderlichen Daten und hat Spezialisten für die Berechnung solcher Anwartschaften.

Allerdings richtet sich der Auskunftsanspruch in der Regel gegen den Schuldner des Hauptanspruchs (BAG vom 21.01.1992, DB 1992, S. 2094, zu IV. 2. d.Gr.; Palandt, BGB, § 261 Rz 14). Im vorliegenden Fall ist aufgrund des Betriebsübergangs nicht mehr die Beklagte sondern die B GMBH Schuldnerin der Versorgung, über die der Kläger Auskunft verlangt.

Allerdings kann sich aus Treu und Glauben ausnahmsweise auch eine Auskunftspflicht von Dritten ergeben, die nicht Schuldner des Hauptanspruchs sind (Palandt, BGB, § 261 Rz 14). Im vorliegenden Fall war angesichts des Betriebsübergangs für den Kläger gerade wichtig zu wissen, in welcher Höhe Versorgungsanwartschaften bereits bestanden. Nur aufgrund dieser Informationen konnte der Kläger beurteilen, was die in der Übergangs-Betriebsvereinbarung geplante Neuregelung für ihn bedeutete. Auch nach Abschluss der Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung für die Beschäftigten der B GMBH war es für die Beurteilung, welche Ansprüche ihm dadurch zugesagt waren, erforderlich, die bei der Beklagten erworbenen unverfallbaren Anwartschaften zu kennen. Nach Treu und Glauben hatte auch die Beklagte als die frühere Arbeitgeberin diese Auskunft zu erteilen. Sie war es, die die maßgeblichen Tarifverträge abgeschlossen und durchgeführt hatte und über die genauen Kenntnisse der Daten und des Wissens über die Berechnung verfügte. Deshalb blieb sie nach Treu und Glauben verpflichtet, diese Auskunft zu erteilen.

3.

Es kann dahinstehen, ob sich eine Verpflichtung der Beklagten, die begehrten Auskünfte zu erteilen, auch aus § 613 a Abs. 5 Ziffer 3. BGB (gültig ab 31.03.2002) ergab. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 20.12.2002 über den Betriebsübergang informiert (Anlage 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 08. Juni 2004, Bl. 32 d.A.). Daraus ergibt sich hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung nur die Information, dass das Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB auf die B GmbH übergeht, die grundsätzlich alle aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden Ansprüche zukünftig wirtschaftlich zu erfüllen hat und die Information, dass die tariflichen Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer sozialverträglich neu zu gestalten sind und dass es Ziel dieser Tarifverträge ist, zur Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der B GmbH und der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer die bislang bei der X AG geltenden Tarifregelungen den zukünftigen markt- und wettbewerbsüblichen Bedingungen anzunähern. Inwieweit die Versorgungsansprüche des Klägers durch den Betriebsübergang in ihrem bisherigen Bestand oder für die zukünftige Entwicklung getroffen werden ergibt sich daraus nicht. Der Bestand und die Höhe der betrieblichen Altersversorgung und wie weit diese von dem Betriebsübergang betroffen ist, kann durchaus zu den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs gehören, die mitzuteilen sind. Für den betroffenen Arbeitnehmer kann es für die Frage, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Arbeitgeber widersprechen soll durchaus von Bedeutung sein, welche Höhe seine bisherige Versorgungsanwartschaft hat. Dies gilt insbesondere, wenn die Versorgung tarifvertraglich geregelt ist und nicht nur die weitere Entwicklung, sondern unter Umständen auch die Höhe der erworbenen Anwartschaft von Tarifverträgen abhängig sein kann, die mit dem Erwerber abgeschlossen werden. Die Frage, ob generell oder im vorliegenden Fall sich eine Auskunftspflicht der Beklagten auch aus § 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB ergibt, kann aber dahinstehen.

Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und möglicher Abweichung von der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Halle zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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