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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 04.03.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 968/08
Rechtsgebiete: BetrAVG, BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG § 7
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BGB § 307
BGB § 308 Nr. 4
1. Gesamtzusagen von betrieblicher Altersversorgung sind nicht unwirksam, wenn der Betriebsrat dabei nicht mitbestimmt hat.

2. Ein Recht zum Widerruf einer Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage besteht nicht mehr seit der Sicherungsfall "wirtschaftliche Notlage" im Betriebsrentengesetz gestrichen ist (Anschluss an BAG v. 31. Juli 2007 - 3 AZR 372/06 - NZA 2008, 320).

3. Ein "steuerunschädlicher Widerrufsvorbehalt" begründet kein eigenständiges Widerrufsrecht (Anschluss an BAG v. 17. Juni 2003 - 3 AZR 396/02).


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Offenbach am Main vom 08.04.2008 - Az. 6 Ca 63/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der klagenden Partei weiterhin Betriebsrente zu zahlen oder zum Widerruf der Versorgungszusage berechtigt war.

Die Beklagte war seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein bedeutender Automobilzulieferer mit Sitz in A. Sie beschäftigte damals etwa 3000 Mitarbeiter. Mitte 1980 war die Beklagte in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und von den Gründerfamilien an die Börse gebracht worden. Anfang der 1990er Jahre übernahmen ein belgisches Stahlunternehmen die Aktien der Beklagten fast vollständig und internationalisierte das Unternehmen. In sechs Werken beschäftigte die Beklagte etwa 5200 Mitarbeiter. In den Jahren 1996 bis 1998 wurden im Zuge einer Restrukturierung nach und nach verschiedene produktive Unternehmensbereiche veräußert. Diese Veräußerungen führten statt der erhofften Gewinne zu erheblichen Verlusten. Zum Ende 1998 stellte die Beklagte ihre produktive Geschäftstätigkeit ein. Bei ihr verblieb lediglich das frühere Betriebsgrundstück in Obertshausen sowie hohe Verlustvorträge. Die B übernahm 1999 die Aktienanteile (ca. 95%) vom bisher herrschenden Unternehmen und richtete das Geschäft der Beklagten nunmehr auf die Immobilienverwaltung und Immobilienbeteiligung aus. Seitdem beschäftigt sie nur noch zwei bis drei Arbeitnehmer. Ende 2006 wurde über das Vermögen der Hauptanteilseignerin, der B, das Insolvenzverfahren eröffnet. Deren Anteile erwarb Anfang 2007 im Wesentlichen die C.

Die Beklagte erzielt ihre Einnahmen aus der Vermietung des 63.000 m² großen Betriebsgrundstücks in A. Dieses ist aufgrund der früheren Produktion mit Schadstoffen belastet. Es ist 2007 mit 1,4 Mio. € bilanziert und hat nach der Gewinn- und Verlustrechnung einen Reinertrag von 500.000,00 € erbracht. Seit 2004 gehören zum Vermögen der Beklagten auch Beteiligungen an Gesellschaften, die Pflegeimmobilien besitzen und vermieten (D I und D II), die für das Finanzjahr 2007 mit knapp 30 Mio. € bilanziert wurden und ein Beteiligungsergebnis von etwa 1 Mio. € erbrachten. Die Ausgaben der Beklagten bestehen seit langem zu einem wesentlichen Teil aus den Versorgungsleistungen für die zuletzt etwa 1800 Betriebsrentner.

Die betriebliche Altersversorgung war bei der Beklagten in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eingeführt worden und ist seither durch "Versorgungsordnungen" geregelt, die von der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen im Betrieb bekannt gemacht worden waren. Im Laufe der Jahre gab es eine Vielzahl solcher Versorgungsordnungen, beispielsweise aus den Jahren 1967, 1974, 1977, 1978 und 1985 nebst Nachtrag von 1987. Exemplarisch wird auf die Versorgungsordnung von 1985 verwiesen. In dieser heißt es auszugsweise:

"Versorgungsordnung

der D Industrieprodukte, XXX A 2

Die D Industrieprodukte, XXX A 2, - im nachfolgenden kurz Firma genannt - gewährt ihrer Belegschaft betriebliche Renten gemäß den folgenden Bestimmungen .........

15. Beginn, Ende und Auszahlung der Rente

c) Die Renten werden am Ersten eines jeden Monats gezahlt, ...

19. Vorbehalte

(1) Die Firma behält sich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn

a) ihre wirtschaftliche Lage sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihr eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann

oder

b) der Personenkreis, die Beiträge, die Leistungen oder das Pensionierungsalter bei der gesetzlichen Sozialversicherung oder bei anderen Versorgungseinrichtungen mit Rechtsanspruch sich wesentlich ändern

oder

c) die rechtliche, insbesondere die steuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen, die zur planmäßigen Finanzierung der Versorgungsleistungen von der Firma gemacht werden oder gemacht worden sind, sich so wesentlich ändert, dass ihr die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht zugemutet werden kann

oder

d) der Ruhegeldberechtigte Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden.

(2) Im übrigen behält die Firma sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Eintritt der Ruhegeldzusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass ihre Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Ruhegeldberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.

20. Allgemeines

Die Versorgungsordnung tritt an die Stelle der bisher geltenden Versorgungsordnung und ihrer Nachträge.

A, 30.09.1985

D "

Die klagende Partei war lange Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Seit sie gesetzliche Altersrente bezieht, erhielt sie eine Betriebsrente von der Beklagten entsprechend der Versorgungsordnung.

Im September 2007 teilte die Beklagte ihren Betriebsrentnern - darunter der klägerischen Partei - mit, dass die Betriebsrenten ab Oktober 2007 nicht mehr im Voraus gezahlt würden, sondern rückwirkend zum Letzten eines Monats. Auch erklärte sie, dass es die angespannte existenzbedrohende Situation nicht gestatte, Rentenanpassungen im Sinne von Rentenerhöhungen vorzunehmen. Vielmehr sei die klägerische Partei von einer Rentenherabsetzung betroffen. Unter Bezugnahme auf Ziffer 19 der Versorgungsordnung werde die Rente ab Oktober 2007 reduziert.

Die Beklagte zahlte fortan eine geringere Rente an die klagende Partei.

Mit weiterem Schreiben vom 20. Februar 2008, welches mit "Renten-Stopp" überschrieben ist, erläuterte die Beklagte, dass eine Revision ergeben habe, dass "unsere Versorgungsordnung bisher nicht wirksam in Kraft gesetzt worden ist". Es sei "immer verabsäumt worden, die Versorgungsordnung vom Betriebsrat und vom Management verantwortlich und rechtsverbindlich unterschreiben zu lassen." Gleichwohl erteilte Versorgungszusagen seien deshalb ebenfalls nichtig. Betriebsrentenzahlungen erfolgten ab Februar 2008 nicht mehr.

Die klägerische Partei ist der Auffassung, die Kürzung bzw. Einstellung der Betriebsrentenzahlungen sei trotz der Regelung in Ziffer 19 der Versorgungsordnung rechtswidrig. Daneben bestreitet die klägerische Partei die Berechtigung der Beklagten, den Auszahlungszeitpunkt vom Ersten eines jeden Monats auf den Letzten des Monats zu verlegen.

Die klägerische Partei hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr die rückständigen Renten zu zahlen sowie zukünftig die volle Rente jeweils zum Monatsbeginn. Wegen der Anträge im einzelnen wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Betriebsrente bestehe schon deshalb nicht, weil die Versorgungsordnungen weder seitens der Beklagten noch vom Betriebsrat unterzeichnet worden seien. Jedenfalls sei eine Versorgungszusage wirksam wegen wirtschaftlicher Notlage widerrufen worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 08. April 2008 auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll der Sitzung vom 04. März 2009 verwiesen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Versorgungsordnung sei nicht wirksam in Kraft getreten, da es an der Mitbestimmung des Betriebsrates als Wirksamkeitsvoraussetzung gefehlt habe.

Der Widerruf sei wegen wirtschaftlicher Notlage der Beklagten berechtigt. Die wirtschaftliche Situation der Beklagten sei seit Jahren äußerst bedrohlich. Seit 2002 sei das Ergebnis der gewöhnlichen Tätigkeit sowie der Jahresüberschuss jeweils negativ. Nur im Jahr 2007 habe sich ein positives Ergebnis aufgrund eines außerordentlichen Ertrages aus einem Forderungsverkauf ergeben. Die Aufwendungen für Altersversorgung der etwa 1800 Betriebsrentner beliefen sich auf durchschnittlich 1,3 bis 1,4 Millionen Euro im Jahr. Aufgrund der Boden- und Grundwasserbelastungen des Betriebsgeländes werde dieses seit Jahren saniert und die Vermietungsquote liege deshalb bei derzeit nur etwa 30%. Im Jahr 2007 lägen die Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung doppelt so hoch wie die um außerordentlichen betriebliche Erträge bereinigten Rohergebnisse. Nur wenn ausreichende Mittel für die Sanierung des Grundstücks und dessen weitere Entwicklung aufgebracht werden könnten, könne die Vermietungsquote nachhaltig erhöht werden. Die Beklagte hat eine "Gutachterliche Stellungnahme zur Sanierungsfähigkeit" der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Februar 2009 vorgelegt. Aus dieser ergebe sich die wirtschaftliche Notlage und die Sanierungsfähigkeit der Beklagten. Mit dem durch den Widerruf freiwerdenden Mitteln in Höhe von durchschnittlich 1,3 bis 1,4 Millionen jährlich beabsichtige das Unternehmen die Dekontaminierung des Grundstücks in A weiter zu betreiben und zügig abzuschließen. Anschließend sei die weitere Entwicklung des Geländes zu finanzieren, um die Vermietungsquote zu erhöhen und auf diese Weise höhere Einnahmen zu erwirtschaften. Nur mit diesen Maßnahmen könne auf Dauer gesehen eine Insolvenz des Unternehmens vermieden werden. Die Beteiligungserträge müssten für noch nicht geleistete Einlagen verwendet werden.

Das Recht zum Widerruf ergebe sich nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Auch nach Wegfall des Sicherungsfalles des Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage des § 1 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BetrAVG a. F. durch das Gesetz vom 15. Oktober 1994 sei entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ein solches Widerrufsrecht nicht entfallen, sondern es bestehe die frühere Rechtslage. Der Arbeitgeber dürfe nicht darauf verwiesen werden, im Falle einer wirtschaftlichen Notlage entweder eine Einigung mit den Pensionsrückstellungen - Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleichs - herbeizuführen oder das Insolvenzverfahren einzuleiten. Eine solche Einschränkung der unternehmerischen Freiheit sei unverhältnismäßig.

Das Widerrufsrecht sei auch vertraglich in der Versorgungsordnung vorbehalten. Darin sei nicht nur eine deklaratorische Wiederholung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu sehen. Der vertragliche Widerrufsvorbehalt sei konstitutiv und begründe ein eigenständiges Recht zum Widerruf der Versorgungsleistungen. Es stelle einen unzulässigen Eingriff in das durch Artikel 12 und 14 Grundgesetz geschützte Recht der Beklagten auf ihre arbeitsvertragliche Vertragsfreiheit sowie die Freiheit ihrer wirtschaftlichen Betätigung dar, wenn ihr ein vertragliches Widerrufsrecht für den Fall einer wirtschaftlichen Notlage versagt werde. Das entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutze der unternehmerischen Freiheit. Es würde dazu führen, dass dem Unternehmer die Insolvenz aufgezwungen werde anstatt ein sanierungsfähiges Unternehmen aus eigenen Mitteln wieder aufzubauen, wenn keine oder keine rechtzeitige Einigung mit dem Pensionssicherungsverein erfolgen könne. Bei Versagung eines vertraglich vereinbarten Widerrufsrechts würde die Beklagte in ihrer verfassungsrechtlich verbürgten Freiheit zum rechtsgeschäftlichen Handeln eingeschränkt.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 08.04.2008 - 6 Ca 63/08 - wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die klagende Partei beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des Arbeitsgerichts. Für die von der Beklagten beantragte Aussetzung des Rechtsstreits wegen Verhandlungen mit dem Pensions-Sicherungs-Verein besteht keine gesetzliche Grundlage.

Die klagende Partei kann von der Beklagten die rechnerisch unstreitige Rente zum Ersten eines jeden Monats verlangen.

I.

Die klagende Partei hat Anspruch auf die Rente gemäß der Versorgungsordnung von 1985.

1.

Diese Versorgungsordnung war - wie ihre Vorgängerinnen - im Betrieb bekannt gemacht worden. Die Beklagte hat damit ihren Arbeitnehmern eine Gesamtzusage auf entsprechende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gemacht. Einer Annahme bedurfte es gemäß § 151 BGB nicht. Damit wurde ein vertraglicher Anspruch auf die Versorgungsleistungen begründet. Unerheblich ist auch, ob und von wem die Versorgungsordnungen seitens der Beklagten unterschrieben wurden. Es genügt, dass sie bekannt gemacht wurden und Renten jahrzehntelang nach ihnen gezahlt wurden.

2.

Der Wirksamkeit dieser durch die Gesamtzusage begründeten Verträge steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat an ihr nicht mitgewirkt hat. Wohl besteht bei der Einführung und Ausgestaltung von betrieblicher Altersversorgung grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber soll sich nicht darauf berufen können, dass er mitbestimmungswidrig gehandelt hat (ständige Rechtsprechung seit BAG vom 16. September 1986 - GS 1/82 - BAGE 53,42; BAG vom 02. März 2004 - 1 AZR 271/03 - NZA 2004, 852; BAG vom 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - AP Nr. 133 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung zu II. 3.b.). Die Zusage betriebliche Altersversorgung ist keine Maßnahme zum Nachteil des Arbeitnehmers.

3.

Die Höhe der Rente ist unstreitig. Sie ist gemäß 15. c) der Versorgungsordnung am Ersten eines jeden Monats fällig.

II.

Der Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage konnte die Versorgungszusagen nicht beseitigen.

1.

Das von der Rechtsprechung aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelte Recht zum Widerruf insolvenzgeschützter betrieblicher Versorgungsrechte wegen wirtschaftlicher Notlage besteht nicht mehr seit der Sicherungsfall "wirtschaftliche Notlage" im Betriebsrentengesetz gestrichen wurde. Die Betriebsrentenansprüche der klagenden Partei sind insolvenzgeschützt.

a)

Wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage konnte nach früherer Rechtsprechung und Gesetzeslage unter ganz engen Voraussetzungen die Zahlung eines versprochenen Ruhegeldes aus Gründen einer wirtschaftlichen Notlage verweigert werden, wenn und solange bei ungekürzter Weiterzahlung der Bestand des Unternehmens gefährdet war. Seit der Insolvenzschutz für Betriebsrenten für den Fall des Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage im Betriebsrentengesetz ersatzlos gestrichen wurde ist damit auch dieses von der Rechtsprechung entwickelte Widerrufsrecht entfallen. Das haben Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen entschieden (BAG vom 17. Juni 2003 - 3 AZR 396/02 - AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG Widerruf; vom 31. Juli 2007 - 3 AZR 372/06 - NZA 2008, 320; BGH vom 13. Juli 2006 - IX ZR 90/05 - NJW 2006, 3638).

b)

Dieser Rechtsprechung ist zu folgen. Das Bundesarbeitsgericht hatte - entgegen dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im allgemeinen Ansprüche nicht entfallen lässt - die Möglichkeit des Widerrufs einer Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage anerkannt. Der Gesetzgeber hatte darauf reagiert, indem er in § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BetrAVG (a. F.) bei Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage Versicherungsschutz durch den Pensionssicherungsverein gewährleistete. Seit diese Bestimmung mit Wirkung zum 01. Januar 1999 durch Artikel 91 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 05. Oktober 1994 ( BGBl. I Seite 2911) aufgehoben worden ist, besteht kein Versicherungsschutz mehr bei einem Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage. Es entspricht der bereits mit dem Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes zum Ausdruck gekommenen, vom Gesetzgeber gewollten Verknüpfung von Widerrufsrecht und Insolvenzschutz, dass mit dem Wegfall des Insolvenzschutzes für den Fall eines Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage auch ein solches Widerrufsrecht weggefallen ist. Im Betriebsrentenrecht gilt wieder allgemein der Grundsatz, wonach fehlende Leistungsfähigkeit in aller Regel kein Grund ist, sich von übernommenen Zahlungspflichten lösen zu können (BAG vom 17. Juni 2003 - 3 AZR 396/02 - AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG Widerruf; vom 31. Juli 2007 - 3 AZR 372/06 - NZA 2008, 320; BGH vom 13. Juli 2006 - IX ZR 90/05 - NJW 2006, 3638).

c)

Die Einwände der Beklagten gegen diese Rechtsprechung überzeugen nicht. Die Artikel 12 und 14 Grundgesetz schützen nicht davor, eingegangene Verpflichtungen erfüllen zu müssen. Sie schützen auch nicht davor, dass ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss, wenn es seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erbringen. Wäre es dem Arbeitgeber erlaubt, sich im Fall einer wirtschaftlichen Notlage von seinen Versorgungspflichten zu lösen, ließe das nach der Streichung des Sicherungsfalls "Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage" die Arbeitnehmer schutzlos und beraubte sie ihrer durch geleistete Arbeit erdienten Ansprüche. Eine solche Möglichkeit einzuräumen widerspräche nicht nur dem Sinn und Zweck des Betriebsrentengesetzes, zu dessen Zielen die Stärkung und Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung gehört. Es widerspräche auch dem allgemeinen Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind und Geldmangel keine Recht gibt, sich davon zu lösen. Wenn keine Sicherung der Rentenansprüche für diesen Fall mehr gewährleistet ist, wie sie nach der alten Fassung des Betriebsrentengesetzes bestand, stellte dies auch einen Eingriff in die Eigentumsrechte der Rentner dar und wäre wohl kaum mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar.

2.

Ein Widerrufsrecht kann nicht aus dem in die Versorgungsordnung aufgenommenen Widerrufsvorbehalt hergeleitet werden.

a)

Der Vorbehalt entspricht dem sogenannten "steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalt" (vgl. Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, Rz. 454). Dieses in den Einkommensteuerrichtlinien (vgl. Abschnitt 41 Abs. 4 Ziff. 2 a Einkommensteuerrichtlinien 2001) enthaltene Muster gibt ein Widerrufsrecht vor, bei dem die Steuerverwaltung noch eine verbindliche Versorgungsverpflichtung anerkennt. Dieser Widerrufsvorbehalt ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG nichts weiter als der Hinweis auf die Kürzung oder Widerrufsmöglichkeiten wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Ein solcher Vorbehalt wirkt nur deklaratorisch. Er begründet kein eigenständiges Recht zum Widerruf (BAG vom 08. Juli 1972 - 3 AZR 481/71 - AP Nr. 157 zu § 242 BGB Ruhegehalt; vom 26. April 1988 - 3 AZR 277/87 - AP Nr. 3 § 1 BetrAVG Geschäftsgrundlage; BAG vom 17. Juni 2003 - 3 AZR 396/02 - AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG Widerruf). Durch die eingetretene Rechtsänderung erlangt der Vorbehalt keine rechtsbegründende Wirkung. Für insolvenzgeschützte Versorgungsansprüche, wie die eingeklagten, bleibt es dabei, dass nur die Widerrufsrechte bestehen, die sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Dazu gehört ein Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage seit dem 01. Januar 1999 nicht mehr (BAG vom 17. Juni 2003 - 3 AZR 396/02 - a.a.O. zu B. II. 3.c) der Gründe).

b)

Wäre in dem Widerrufsvorbehalt ein über die allgemeinen Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinausgehendes konstitutives vertragliches Recht zu sehen wie die Beklagte meint, handelte es sich dabei um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB. Eine solche Bestimmung wäre unwirksam nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 BGB, § 308 Nr.4 BGB).

(1)

Ob ein Widerrufsrecht wirksam ist, ist nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm zu beurteilen. Auch die Wertungen des § 307 BGB sind heranzuziehen, da § 308 Nr. 4 BGB diese Vorschrift konkretisiert. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB die im ArbR geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (vgl. BAG vom 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - AP BGB § 108 Nr. 7; 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - BB 2009,661 zu II. 2. b) der Gründe). Danach ist die Vereinbarungen eines Rechts des Verwenders unwirksam, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarungen der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist (BAG vom 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - a.a.O). Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein (vgl. BGH 19. Oktober 1999, NJW 2000, 651 ). Dabei kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Fall das Widerrufsrecht unangemessen ausgeübt wird, sondern ob es bei einer generell typisierenden Prüfung inhaltlich unangemessen ist. Es ist auf die Möglichkeiten abzustellen, die das Widerrufsrecht gibt (vgl. BAG 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - a.a.O. zu II. 2. c) der Gründe).

(2)

Danach ist das einseitige Widerrufsrecht der Beklagten unwirksam. Die Arbeitnehmer würden entgegen den Geboten von Treu und Glauben durch ein solches Widerrufsrecht unangemessen benachteiligt. Sie haben ihre Leistung bereits erbracht und es wäre unzumutbar ihnen die Gegenleistung in Form der Betriebsrente zu entziehen weil sich der Vertragspartner in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Die Vermögensinteressen des Schuldners können den Entzug erdienter Ansprüche nicht rechtfertigen. Ein vertragliches Widerrufsrecht wäre deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen von denen abgewichen wird nicht zu vereinbaren. Das Gesetz sieht grundsätzlich vor, dass Verpflichtungen unabhängig von der Leistungsfähigkeit zu erfüllen sind.

Eine ergänzende Auslegung kommt nicht in Betracht. Eine solche hat das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG vom 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - AP BGB § 108 Nr. 7; 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - BB 2009,661 zu II. 2. b) der Gründe) für Verträge die vor dem 01. Januar 2002 abgeschlossen wurden für möglich gehalten - allerdings nur soweit die Unwirksamkeit sich aus der rückwirkenden Anwendung von förmlichen Anforderungen ergibt. Hier ergibt sich die Unwirksamkeit aus materiellen Anforderungen, die der Sache nach schon vor Inkrafttreten der Neufassung der §§ 305 BGB ff galten. Wie bereits ausgeführt hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung in einer solchen Widerrufsklausel nie mehr als einen Verweis auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gesehen.

(3)

Der Widerrufsvorbehalt wäre - soweit er einen weiteren Inhalt haben sollte, als den Verweis auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage - auch unklar, da unbestimmt bliebe, unter welchen Voraussetzungen der Widerruf ausgeübt werden kann. Die Bestimmung wäre damit unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

3.

Der Widerruf der Beklagten wäre im Übrigen verspätet. Die Beklagte trägt selbst vor, dass eine wirtschaftliche Notlage seit 1999 bestehe, seit 2002 Verluste erwirtschaftet würden. Ein Widerruf muss aber unverzüglich erklärt werden (Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, Rz. 410). Eine einleuchtende Erklärung, wieso ein Widerruf erst im Herbst 2007 erklärt wurde, ist nicht ersichtlich. Dass die neuen Anteilseigner der Beklagten sich möglicherweise überlegt haben, mit einem Widerruf aus einer wenig lukrativen Beteiligung eine profitable machen zu können genügt nicht.

4.

Im Übrigen liegen die früheren strengen Voraussetzungen für einen Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage nicht vor.

a)

Der früher mögliche Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage war damit begründet worden, dass die Arbeitnehmer und Pensionäre eines Betriebes grundsätzlich verpflichtet seien auf ihren Arbeitgeber Rücksicht zu nehmen, wenn dieser in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Hergeleitet wurde das aus der Verbundenheit mit dem Unternehmen und der Solidarität mit den übrigen auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens angewiesenen Pensionäre und Arbeitnehmer. Die Versorgungslast sollte nicht die Arbeitsplätze der aktiven Belegschaft zerstören dürfen, die den erforderlichen Ertrag erarbeiten muss. Es ging immer darum, durch eine Sanierung die aktiven Arbeitnehmer davor zu bewahren, ihren Arbeitsplatz im Hinblick auf die Pensionslasten zu verlieren. Dagegen können von den Pensionären keine Zugeständnisse mehr erwartet werden, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb stillgelegt und die Betriebsmittel veräußert hat. Ein Widerruf von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ist nicht berechtigt, wenn der Arbeitgeber bereits seinen Betrieb stillgelegt, alle Arbeitnehmer entlassen und die Betriebsmittel veräußert hat (ständige Rechtsprechung: BAG vom 13. März 1975 - 3 AZR 446/75 - AP Nr. 167 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu III 2 a der Gründe; BAG vom 14. Dezember 1978 - 3 AZR 1070/77 - BAGE 31, 212, 214 = AP Nr. 2 zu § 7 BetrAVG zu 1 der Gründe; vom 02. August 1983 - 3 AZR 241/81 - BB 1984, 137). Die Beklagte hat ihre produzierenden Betriebe seit langem veräußert oder eingestellt. Es geht ihr nicht darum Arbeitsplätze zu erhalten. Bei dieser Sachlage gibt es weder eine Belegschaft noch ein Unternehmen, mit denen sich die Versorgungsberechtigten der Beklagten verbunden fühlen müssten. Es geht nicht mehr um die Erhaltung von Arbeitsplätzen, sondern nur noch darum, dass die Aktionäre der Beklagten das eingesetzte Kapital in irgendeiner Form Gewinn bringend einsetzen wollen (vgl. dazu BAG vom 14.12.1978 a.a.O. zu 1. c) der Gründe). Die Beklagte will nur noch das Anlagevermögen sichern und Gewinn bringend verwerten. Insoweit brauchen die Rentner nicht hinter den Interessen der Gesellschafter der Beklagten zurücktreten (vgl. BAG vom 02. August 1983 - 3 AZR 241/81 - a.a.O.). Letztere haben ihr Anteile in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Lage der Beklagten und der bestehenden Versorgungsverpflichtungen erworben. Die Beklagte selbst trägt vor, dass sie sich seit Jahren in einer wirtschaftlichen Notlage befinde.

b)

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts musste die wirtschaftliche Notlage durch die Betriebsanalyse eines Sachverständigen unter Darstellung ihrer Ursachen belegt werden. Ferner musste einen Sanierungsplan erstellt werden, der eine gerechte Lastenverteilung unter Heranziehung sämtlicher Beteiligten vorsieht (BAG 16. März 1993 - 3 AZR 299/92 - AP Nr. 18 zu § 7 BetrAVG Widerruf). Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob das vorgelegte Gutachten diesen Anforderungen genügt. Das kann dahinstehen.

c)

Genauso wenig muss abschließend entschieden werden, ob sich aus dem Vortrag der Beklagten und dem vorgelegten Gutachten eine wirtschaftliche Notlage der Beklagten im Sinn der früheren Rechtsprechung ergibt. Die Möglichkeit die Beteiligungen und Teile des Immobilienbesitzes zu veräußern steht jedenfalls der Annahme einer wirtschaftlichen Notlage entgegen. Auch ist nicht ersichtlich, wieso im Gegensatz zu früheren Jahren die Beteiligungserträge auf die noch nicht geleisteten Einlagen verrechnet werden müssten. Der Bestand des Unternehmens erscheint unter diesen Umständen nicht gefährdet. Der Erhalt des Vermögens der Beklagten hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Vorrang vor der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Rentnern.

III.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen da sie erfolglos blieb.

IV.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund. Alle entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich entschieden.

Ende der Entscheidung

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