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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 915/05
Rechtsgebiete: GG, TVG, BetrVG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 9 III
GG Art. 12 I
TVG § 2 I
TVG § 4 V
BetrVG § 111
BetrVG § 112
BGB § 823
1. Der von einer Gewerkschaft im Jahre 2003 um den Abschluss eines Tarifvertragssozialplans geführte Arbeitskampf war nicht rechtswidrig.

2. Im Rahmen der vom klagenden Arbeitgeberverband gestellten Globalanträge auf Unterlassung von Streiks um Tarifvertragssozialpläne (unternehmensbezogene Verbandstarifverträge) konnte nicht festgestellt werden, dass solche Streiks in jedem Fall gegen die Friedenspflicht oder Koalitionsfreiheit des Unternehmens oder des Arbeitgeberverbandes verstoßen. Die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes wird regelmäßig nicht unzulässig beeinträchtigt, wenn mit diesem um generelle Regelungen in einem Verbands(flächen)manteltarifvertrag verhandelt wird und gleichzeitig ein Sozialplantarifvertrag erstreikt wird, der sich auf eine bestimmte, nur ein einzelnes Unternehmen betreffende Betriebsänderung bezieht.

3. Die §§ 111 ff. BetrVG entfalten im Hinblick auf sog. Tarifsozialpläne keine Sperrwirkung. § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG setzt solche Tarifverträge voraus.

4. In einer Situation, in der die Existenz von zahlreichen Arbeitsplätzen auf dem Spiel steht, verstoßen auch sehr weitreichende Tarifforderungen nicht gegen die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Unternehmensautonomie und sind als Erschwernisse der Durchsetzung von Unternehmensentscheidungen nicht unzulässig, solange die Streikforderung nicht auf die Verhinderung der unternehmerischen Maßnahme selbst gerichtet ist. Maßgeblich für die Beurteilung ist die Streikforderung auf der Grundlage des Streikbeschlusses der Gewerkschaft.

5. Auch eine weit überzogene Tarifforderung führt grundsätzlich nicht zur Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes, da es nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte ist, korrigierend in die Höhe einer Tarifforderung einzugreifen, solange diese auf ein tariflich regelbares Ziel gerichtet ist. Die Höhe einer Tarifforderung unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2005 - 5 Ca 4542/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen.

Der Kläger ist der seit dem 1. Juli 1977 bestehende Arbeitgeberverband A im Bezirk B und Umgebung sowie C mit rund 280 Mitgliedsunternehmen. Die Beklagte ist die für die Unternehmen der A tarifzuständige Gewerkschaft mit Hauptsitz in D. Sie ist ständige Tarifpartnerin des Klägers.

Mitglied des Klägers ist auch die Firma E AG. Sie befasst sich mit der Produktion und Montage digitaler Druckmaschinen sowie der Entwicklung und Produktion von Geräten und Software für die Druckvorstufe. Im Oktober 2002 fasste der Vorstand des Unternehmens den Entschluss, die Montage der Digitaldruckmaschinen in F zu konzentrieren und die Endmontage von Depressgeräten an den Hauptproduktionsstandort nach G zu verlagern. Die Betriebsänderung betraf den Wegfall von 562 Arbeitsplätzen am Standort H. In der Folgezeit versuchte die Unternehmensleitung, mit dem Betriebsrat Gespräche über einen Interessenausgleich aufzunehmen. Am 16. Dezember 2002 übergab sie dem Betriebsrat eine Präsentation der geplanten Betriebsänderung.

Zu den zwischen den Parteien abgeschlossenen Tarifverträgen gehört der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in C, B und Umgebung vom 20. April 2000. Dieser enthält in seinem § 14 Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2002 kündigte die Beklagte die Bestimmungen des § 14 Ziff. 1, 2 und 5 des Manteltarifvertrages zum 31. Januar 2003. Mit gleichem Schreiben stellte die Beklagte folgende Tarifforderungen auf:

"1. Neufassung der tariflichen Kündigungsfristen auf der Basis der gesetzlichen Regelung (§ 622 Abs. 1 - 3 BGB)

2. Tarifliche Öffnungsklausel, nach der die für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsfristen durch betrieblichen Ergänzungstarifvertrag verlängert werden können. Klarstellung, dass die anderweitige Regelung der Kündigungsfristen durch Ergänzungstarifvertrag nicht der Friedenspflicht unterliegt."

In der Folgezeit verhandelten die Parteien über eine Neufassung der tariflichen Kündigungsfristen. Eine erste Verhandlung zwischen den Tarifpartnern fand am 4. März 2003 statt. Zu dem Neuabschluss einer Tarifregelung ist es bislang nicht gekommen.

Gleichfalls mit Schreiben vom 18. Dezember 2002 (Anlagenband Bl. 15, 16) forderte die Beklagte den Kläger auf, mit ihr in Verhandlungen über einen auf den H Betrieb der E AG bezogenen Verbandstarifvertrag einzutreten. Der geforderte Tarifvertrag sollte für den Fall gelten, dass es trotz der Bemühungen des Betriebsrates zu Produktionsverlagerungen und betriebsbedingten Kündigungen kommt. Im Einzelnen wurden folgende Tarifforderungen aufgestellt:

"1. Für eine betriebsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber gilt eine Grundkündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende. Die Grundkündigungsfrist verlängert sich um jeweils zwei Monate für jedes volle Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.

2. Beschäftigte, die betriebsbedingt gekündigt werden, haben nach Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf

- Qualifizierungsmaßnahmen für alle Beschäftigten bis zu 24 Monate unter Fortzahlung der Vergütung. Auszubildende erhalten nach Abschluss ihrer Berufsausbildung eine Anpassungsqualifikation

- sowie auf eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr zuzüglich Erhöhungsbetrag für Unterhaltsverpflichtung und Schwerbehinderung/Gleichstellung. Die Vorschriften der §§ 111 ff BetrVG bleiben unberührt.

3. Über Art und Inhalt der Qualifizierung entscheidet eine paritätische Kommission auf der Grundlage der Aus- und Weiterbildungswünsche der Beschäftigten. Bei Nichteinigung entscheidet die Einigungsstelle.

Die Qualifizierungsmaßnahmen werden in den vorhandenen Betriebsstätten durchgeführt.

Die Firma E AG trägt die Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen."

Mit Schreiben vom 23. Januar 2003 teilte die Firma E AG mit, dass sie sich nicht imstande sehe, den Tarifforderungen nachzukommen. Parallel strengte die Unternehmensleitung die Einsetzung einer Einigungsstelle im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Kiel an.

In der Folgezeit kam es zu Streiks bei der Firma E AG. Am 3. März 2003 wurde ein Warnstreik und am 6. und 7. März 2003 die Urabstimmung durchgeführt. Bereits zuvor hatte der Vorstand der Beklagten am 13. Februar 2003 einen Beschluss zu Gunsten einer Urabstimmung und eines Streikes bei der E AG in H gefasst. Nach dem Streik am 3. März 2003 strengte die E AG ein Eilverfahren bei dem Arbeitsgericht Kiel an mit dem Ziel, die Durchführung des Streikes zu untersagen. Der Antrag hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg (Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27. März 2003 - 5 Sa 137/03 - NZA-RR 2003, S. 592 ff). Es wurde am 3. März, vom 17. bis 19. März, am 24. März, vom 26. bis 28. März und vom 31. März bis 23. April 2003 gestreikt.

Die Interessenausgleichsverhandlungen fanden parallel zu dem Streik statt. Sie scheiterten am 30. April 2003. Danach wurde das Verfahren in einer Einigungsstelle über Sozialplanverhandlungen weiter betrieben. Auf Druck des Vorsitzenden der Einigungsstelle wurden ab dem 24. April 2003 die Streiks ausgesetzt. Am 21. Juni 2003 wurde ein Sozialplan abgeschlossen und der Streik durch Urabstimmung vom 27. Juni 2003 endgültig beendet.

Der Kläger hat sich zur Begründung seiner Unterlassungsansprüche auch auf einen Streik gegen die I GmbH berufen. Die I GmbH plante die Schließung ihres Logistikzentrums in J. Betroffen hiervon waren insgesamt 80 Beschäftigte. Der Betriebsrat wurde über diese Pläne am 3. Dezember 2002 informiert. Am 8. Januar 2003 erhielt der Kläger ein Schreiben der Beklagten vom 7. Januar 2003 (Anlagenband BI. 36, 37), mit dem Forderungen für einen auf die I GmbH bezogenen Verbandstarifvertrag erhoben wurden. Die Forderungen der Beklagten lauteten im Einzelnen wie folgt:

"1. Rechtsanspruch bei Betriebsänderung für Beklagten - Mitglieder auf tariflicher Sozialplanabfindung von zwei Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr,

2. zuzüglich eines Erhöhungsbeitrages zu Ziffer 1 für Unterhaltsverpflichtungen, Schwerbehinderung. Über die Höhe des zusätzlichen tariflichen Erhöhungsbeitrages entscheiden die Betriebsparteien, im Falle der Nichteinigung die Einstellungsstelle.

3. Der Anspruch zu 1. und 2. besteht auch bei Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens oder des Konzerns. Zuzüglich besteht ein Anspruch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz mit gleicher Eingruppierung und tarifvertraglichen Regelungen der ... B und Umgebung in der jeweils gültigen Fassung.

4. Zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen für Beklagten - Mitglieder von 24 Monaten unter Fortzahlung des Entgeltes und Freistellung von der Erfüllung der Leistungspflicht des Arbeitsvertrages mit I GmbH (Qualifizierung ist Bestandteil der Arbeitsaufgabe). Die I GmbH trägt die Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen. Diese Qualifizierungsmaßnahmen werden in der vorhandenen Betriebsstätte K, J - soweit fachlich möglich - durchgeführt. Dieses schließt das tarifvertragliche Recht auf Freistellung für ein Zweitarbeitsverhältnis oder ein Praktikum ein. Über Art, Inhalt und Träger der Qualifizierung nach Ziffer 4 entscheidet eine paritätische Kommission, je zwei Vertreter von Betriebsrat und Geschäftsführung, auf Grundlage der Aus- und Weiterbildungswünsche der Beschäftigten. Bei Nichteinigung entscheidet die Einigungsstelle unter Vorsitz von Frau L.

5. Tarifliche Erweiterung der gesetzlichen Kündigungsfristen für Beklagten- Mitglieder des § 622 BGB auf Beschäftigte mit bis zu fünf Jahren Betriebszugehörigkeit auf mindestens ein Jahr und auf Beschäftigte über fünf Jahren Betriebszugehörigkeit auf mindestens 24 Monate."

Mit Schreiben vom 6. Februar 2003 lehnte der Kläger Tarifverhandlungen über den von der Beklagten gewünschten Tarifvertrag ab. Mit Aushang vom 5. März 2003 (Anlagenband Bl. 39) forderte die Beklagte die Beschäftigten der Firma I GmbH zu einem Streik am gleichen Tag auf. Ausweislich dieses Aufrufes stellte die Beklagte für einen Ergänzungstarifvertrag folgende Forderungen auf:

"1. Rechtsanspruch auf einheitliche tarifvertragliche Kündigungsfristen mit einer Mindestkündigungsfrist von zwei Monaten, ab fünf Jahren Betriebszugehörigkeit von zwölf Monaten und ab zehn Jahren Betriebszugehörigkeit von 24 Monaten.

2. Rechtsanspruch auf tarifvertragliche Sozialplanabfindung als tarifvertragliche Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes bei I GmbH von zwei Bruttomonatsgehältern (Jahreseffektiventgelt brutto durch 12) pro Beschäftigungsjahr."

Der Warnstreik wurde am 5. März 2003 in der Zeit von 9.15 Uhr bis 10 Uhr durchgeführt. An ihm beteiligten sich ca. 30 Beschäftigte.

Der Kläger hat sich von der Firma E AG sämtilche Schadensersatzforderungen gegen die Beklagte abtreten lassen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte verfolge eine neue Strategie im Arbeitskampf. Sobald Unternehmen die Absicht einer Betriebsänderung in Form einer Betriebseinschränkung oder Betriebsstilllegung dem Betriebsrat mitteilten, werde der Arbeitgeberverband zu Verhandlungen über einen Firmentarifvertrag oder einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag aufgefordert. Die gewerkschaftlichen Forderungen bezögen sich in unterschiedlichem Umfang auf eine Verlängerung der Grundkündigungsfristen, die Durchführung und Finanzierung von Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Zahlung von Abfindungen. Hintergrund dieser Strategie sei das Ziel, die geplante Betriebsänderung bzw. Produktionsverlagerung wegen der entstehenden Kosten für das Unternehmen so unrentabel zu machen, dass sie unterlassen oder jedenfalls solange wie möglich blockiert werden solle.

Der Kläger hat gemeint, eigentliches Ziel der Beklagten sei die Blockade bzw. Verhinderung der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung im jeweiligen Fall gewesen. Dies ergebe sich beispielsweise aus einem Ausschnitt der gewerkschaftlichen Zeitung "M" der Beklagten von Mitte Dezember 2002, in dem "für den Erhalt aller Arbeits- und Ausbildungsplätze" eingetreten wurde (Anlagenband BI. 57). Ferner hat sich der Kläger zur Unterstützung seiner These auf einen Briefwechsel zwischen einem "N" und dem Rechtssekretär O bezogen, wegen dessen Einzelheiten auf BI. 54, 55 des Anlagenbandes verwiesen wird.

Der Kläger ist darüber hinaus der Auffassung gewesen, ein Streikaufruf mit dem Ziel des Abschlusses eines unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrages sei dann rechtswidrig, wenn zur gleichen Zeit Verhandlungen zwischen den Parteien über einen Verbandstarifvertrag liefen, dessen Geltungsbereich alle Mitgliedsunternehmen des Klägers erfassen solle. Ein solches Vorgehen verletze die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes. Auf diesem Wege würde der Versuch unternommen, einzelne Mitgliedsunternehmen des Klägers aus dem Arbeitgeberverband "herauszubrechen". Damit ziele die Beklagte auf den Bestand des Klägers ab, der verfassungsrechtlich über Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sei.

Den Klageantrag zu 2) stützt der Kläger auf die Auffassung, ein Streikaufruf mit dem Ziel der Erkämpfung eines unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrages, der die wirtschaftlichen oder sonstigen Nachteile einer geplanten Betriebsänderung kompensieren soll, sei rechtswidrig. Es handele sich hierbei um einen Eingriff in die unternehmerische Entscheidung selbst (Art. 12 GG). Der Gesetzgeber habe mit den §§ 111, 112 BetrVG einen besonderen Ordnungsrahmen geschaffen, den es einzuhalten gelte. Die Forderung nach einem "Tarifsozialplan" sei rechtswidrig. Dabei würden die gesetzlichen Vorgaben, die auch den Schutz der Arbeitgeberseite bezweckten, umgangen, wie zum Beispiel das Beschleunigungsgebot gemäß den §§ 76 Abs. 3 BetrVG und § 98 ArbGG. Insbesondere seien die Gewerkschaften auch nicht an das Streikverbot (§ 74 Abs. 2 BetrVG) und an § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG (wirtschaftliche Vertretbarkeit der Forderung) gebunden. Ein Tarifvorrang wie bei § 77 Abs. 3 BetrVG gebe es bei den §§ 111 BetrVG ff. nicht. Es sei ein Eingriff in den gesetzlichen Kernbereich betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeiten gegeben, der Betriebsrat würde faktisch funktionslos gestellt. Die Koalitionsbetätigungsfreiheit der Beklagten sei nicht verletzt, da die Arbeitnehmer keinen Tarifsozialplan bräuchten und hinreichend durch einen mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan geschützt seien. Ein generell verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Abschluss eines Verbandstarifvertrages bestünde nicht. Die Beklagte dürfe keine Tarifforderungen mit dem Gegenstand eines "Tarifsozialplanes" erheben, da dies wegen der "Sperrwirkung" der §§ 111 ff BetrVG auf ein tariflich nicht regelbares Ziel hinausliefe. Wenigstens sei die Beklagte verpflichtet, mit einem Streikaufruf abzuwarten, bis das Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahren gemäß den §§ 111 ff BetrVG bzw. wenigstens das Interessenausgleichsverfahren (Klageanträge zu 3) und 4) ) abgeschlossen sei.

Jedenfalls sei ein Streikaufruf mit dem Ziel des Abschlusses eines Tarifvertrages mit dem Gegenstand der Verlängerung von Kündigungsfristen rechtswidrig, wenn im Einzelfall die geforderte Verlängerung der Kündigungsfrist mehr als ein Jahr betragen könne (Klageantrag zu 5) ). Wegen der unzulässig langen Bindung des Arbeitgebers an einzelne Arbeitsverhältnisse liege ein Verstoß gegen Art. 12 GG vor. Durch die Berufsausübungsfreiheit sei auch das Recht gewährleistet, das Unternehmen aufzugeben und wirksam die Arbeitsverhältnisse kündigen zu können. Die Rechte der Arbeitnehmer seien durch die §§ 111 ff BetrVG ausreichend geschützt. Es gehe auch nicht um eine unzulässige Tarifzensur, sondern lediglich um die Einhaltung verfassungsrechtlicher Grenzen und damit um eine Rechtskontrolle. Zumindest sei ein Streikaufruf mit dem Ziel eines Tarifvertrages, in dem ohne Begrenzung auf eine Höchstdauer Kündigungsfristen verlängert werden sollen, unrechtmäßig (Klageantrag zu 6) ). Rechtswidrig sei auch ein Streikaufruf mit dem Ziel der Begründung eines Anspruches des Arbeitnehmers auf die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen und auf Fortzahlung der Vergütung während der Qualifizierungsmaßnahmen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Betriebsänderung. Denn insoweit werde eine Forderung mit einem tariflich nicht regelbaren Ziel erhoben. Die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterfiele nicht dem Normkatalog des § 1 TVG. Es handele sich weder um eine betriebsverfassungsrechtliche noch um eine Beendigungsnorm i. S. v. § 1 TVG. Eine arbeitskampfweise Erzwingung solcher Regelungen verstoße auch gegen die Unternehmensautonomie der tarifunterworfenen Arbeitgeber.

Schließlich hat der Kläger behauptet, der Firma E AG sei durch die gegen diese geführten Streiks ein Schaden in Höhe von EUR 63.025 entstanden. Auf Grund der Streiks seien Druckmaschinen per Luftfracht versendet worden, die sonst ohne zeitlichen Druck durch eine günstigere Seefracht hätten verschifft werden können. Die durch die Flugfracht verursachten Mehrkosten beliefen sich auf EUR 63.025. Im Übrigen sei dem Kläger eine abschließende Bezifferung seiner Schäden noch nicht möglich, da noch eine bilanzielle Auswertung zur Bezifferung des dem Kläger durch den Streik entgangenen Mitgliedsbeitrages der E AG erforderlich sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Mitglieder oder andere Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers beschäftigt sind, zu einem Streik aufzurufen, dessen Ziel der Abschluss eines Verbandstarifvertrages ist, dessen Geltungsbereich auf dieses Mitgliedsunternehmen beschränkt sein soll, wenn ein Regelungsgegenstand dieses erstrebten Tarifvertrages zur gleichen Zeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Parteien über einen Verbandstarifvertrag ist, dessen Geltungsbereich alle Mitgliedsunternehmen des Klägers erfassen soll;

2. die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Mitglieder oder andere Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers beschäftigt sind, aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung in diesem Mitgliedsunternehmen zu einem Streik aufzurufen, der das Ziel hat, einen Verbandstarifvertrag abzuschließen, dessen Geltungsbereich auf dieses Mitgliedsunternehmen beschränkt sein soll und mit dem wirtschaftliche oder sonstige Nachteile, die den Arbeitnehmern dieses Mitgliedsunternehmens infolge dieser geplanten Betriebsänderung entstehen oder entstehen können, ausgeglichen oder gemildert werden sollen;

3. hilfsweise zum Antrag zu 2.,

die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Mitglieder oder andere Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers beschäftigt sind, aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung in diesem Mitgliedsunternehmen zu einem Streik aufzurufen, der das Ziel hat, einen Verbandstarifvertrag abzuschließen, dessen Geltungsbereich auf dieses Mitgliedsunternehmen beschränkt sein soll und mit dem wirtschaftliche oder sonstige Nachteile, die den Arbeitnehmern dieses Mitgliedsunternehmens infolge dieser geplanten Betriebsänderung entstehen oder entstehen können, ausgeglichen oder gemildert werden sollen, solange in diesem Mitgliedsunternehmen das Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahren gemäß §§ 111 ff BetrVG mit dem in diesem Unternehmen bestehenden Betriebsrat noch nicht abgeschlossen ist;

4. wiederum hilfsweise zu Ziffer 3.,

die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Mitglieder oder andere Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers beschäftigt sind, aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung in diesem Mitgliedsunternehmen zu einem Streik aufzurufen, der das Ziel hat, einen Verbandstarifvertrag abzuschließen, dessen Geltungsbereich auf dieses Mitgliedsunternehmen beschränkt sein soll und mit dem wirtschaftliche oder sonstige Nachteile, die den Arbeitnehmern dieses Mitgliedsunternehmens infolge dieser geplanten Betriebsänderung entstehen oder entstehen können, ausgeglichen oder gemildert werden sollen, solange in diesem Mitgliedsunternehmen das Interessenausgleichsverfahren gemäß §§ 111 ff BetrVG mit dem in diesem Unternehmen bestehenden Betriebsrat noch nicht abgeschlossen ist;

5. außerdem hilfsweise zum Antrag zu Ziffer 2.,

die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Mitglieder oder andere Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers beschäftigt sind, zu einem Streik aufzurufen, dessen Ziel der Abschluss eines mit dem Kläger abzuschließenden Tarifvertrages ist, mit dem die Kündigungsfristen für arbeitgeberseitige, betriebsbedingte Kündigungen auf Grund einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG verlängert werden sollen und die Kündigungsfrist für die diesem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitsverhältnisse durch die geforderte Verlängerung mehr als ein Jahr betragen kann;

6. wiederum hilfsweise zum Antrag zu 5.,

die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Mitglieder oder andere Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers beschäftigt sind, zu einem Streik aufzurufen, dessen Ziel der Abschluss eines mit dem Kläger abzuschließenden Tarifvertrages ist, in dem ohne Begrenzung auf eine Höchstdauer die Kündigungsfristen für arbeitgeberseitige, betriebsbedingte Kündigungen wegen einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG verlängert werden sollen;

7. außerdem hilfsweise zum Antrag zu 2.,

die Beklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Mitglieder oder andere Arbeitnehmer, die in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers beschäftigt sind, zu einem Streik aufzurufen, dessen Ziel der Abschluss eines mit dem Kläger abzuschließenden Tarifvertrages ist, mit dem die in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis auf Grund einer durch eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG bedingten betriebsbedingten Kündigung beendet wird, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen und auf Fortzahlung der Vergütung während der Dauer der Qualifizierungsmaßnahmen erhalten sollen;

8. a) Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 63.025,20 nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen;

b) festzustellen, dass dem Kläger wegen der von der Beklagten am 3. März 2003 und vom 17. bis zum 19. März 2003, am 24. März 2003, vom 26. bis zum 28. März 2003, vom 31. März bis zum 23. April 2003 organisierten und durchgeführten Streiks bei der Firma E AG, Betrieb H, Anspruch auf Ersatz weitergehenden Schadens zusteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe keine neue Arbeitskampfstrategie. Sie ist der Ansicht gewesen, es sei möglich, gegen einen Verband einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag erstreiken zu wollen, auch wenn noch Verhandlungen über einen flächendeckenden Verbandstarifvertrag liefen. Ein Firmentarifvertrag könne erstreikt werden, obwohl eine Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers bestünde. Die von ihr durchgeführten Streikmaßnahmen seien von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt. Insbesondere hätten die Streiks nicht darauf abgezielt, die Betriebsänderungen unmöglich zu machen. Es müsse unterschieden werden zwischen der politischen Forderung der Gewerkschaft, Arbeitsplätze möglichst zu erhalten, und der konkret gestellten Tarifforderung. In keinem Fall habe sie Tarifforderungen gestellt mit dem Ziel, die Betriebsänderung zu vereiteln. In diesem Zusammenhang könne es auch nur darauf ankommen, welche Forderungen in dem Anschreiben an den Arbeitgeberverband erhoben worden seien. Auf einzelne Stellungnahmen von Verbandsvertretern oder Verbandsmitgliedern, etwa in gewerkschaftlichen Zeitungen oder Flugblättern, könne es nicht ankommen. Maßgeblich sei allein, welchen Inhalt die von dem Vorstand beschlossenen Tarifforderungen gehabt hätten.

Die §§ 111 ff BetrVG entfalteten keine Sperrwirkung zu Gunsten der Betriebsparteien hinsichtlich von Vereinbarungen betreffend den Ausgleich der Nachteile der Belegschaft im Rahmen von Betriebsänderungen. § 111 BetrVG schaffe keinen rechtsfreien Raum für den Arbeitgeber. Art. 9 Abs. 3 GG garantiere den Tarifpartnern eine sehr weite Regelungsbefugnis bezüglich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, die ohne weiteres auch Gegenstände, die üblicherweise in einem Sozialplan geregelt werden, umfasse. Weder aus einfachgesetzlichen Vorschriften noch aus verfassungsrechtlichen Vorgaben könne insoweit eine Einschränkung vorgenommen werden. Wollte man der Auffassung der Klägerseite folgen, so könnte bei einer Betriebsänderung keine Verlängerung der Kündigungsfristen mehr vereinbart werden, was in dieser Allgemeinheit ein untragbares Ergebnis wäre. § 111 BetrVG wolle auch nicht den Arbeitgeber, sondern ausschließlich die Arbeitnehmer schützen. Es schade nicht, dass das Betriebsverfassungsgesetz eine Friedenspflicht etabliere, weil sich diese Vorschrift nur an den Betriebsrat wende. Bei Regelungen über Abfindungen und Ähnlichem als Konsequenz einer Betriebsänderung handele es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Norm i. S. v. § 1 TVG. Auch das Bundesarbeitsgericht gehe faktisch davon aus, dass Tarifverträge über die Zahlung von Abfindungen bzw. die Abfederung von sozialen Nachteilen rechtmäßig seien.

Die Beklagte hält auch einen Streikaufruf mit der Tarifforderung zum Abschluss von verlängerten Kündigungsfristen im Rahmen einer anstehenden Betriebsänderung für rechtmäßig. Ein Verstoß gegen Art. 12 GG sei nicht anzunehmen. In Tarifverträgen gäbe es Vorschriften zur Unkündbarkeit; würde man der Rechtsansicht der Klägerseite folgen, wären diese Vorschriften sämtlich wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG nichtig. Die Rechtsprechung habe lediglich den völligen Ausschluss der außerordentlichen Kündigung durch Tarifvertrag anerkannt. Die seitens der Klägerseite angestrebte Inhaltskontrolle laufe auf eine unzulässige Tarifzensur hinaus.

Schließlich hat die Beklagte die Ansicht vertreten, der Kläger mache Rechte Dritter in unzulässiger Prozessstandschaft geltend und die Klageanträge seien zu unbestimmt. Würde man diesen Anträgen stattgeben, so liefe dies auf eine unzulässige Knebelung der Gewerkschaft anlässlich jeder Betriebsänderung hinaus. Insoweit stellten sich die Anträge als unzulässige Globalanträge dar.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Urteil vom 15. März 2005 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder sei ein Streik um einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag noch um die in den Klageanträgen aufgeführten Streikziele rechtswidrig. Ein unzulässiger Einriff in die Koalitionsbetätigungsfreiheit oder ein Verstoß gegen die Arbeitskampfparität könnten nicht festgestellt werden. Die Forderung nach einem Tarifsozialplan verletzt nicht die durch Art. 12 GG geschützte Unternehmensautonomie. Die §§ 111 ff. BetrVG hätten insoweit keine Sperrwirkung. Hinsichtlich der einzelnen Streikforderungen übten die Gerichte keine Kontrolle aus. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte bestünden nicht, da der Streik gegen E AG im Frühjahr 2003 rechtmäßig gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 20. Mai 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Juni 2005 Berufung eingelegt und diese am 13. Juni 2005 per Telefax begründet.

Der Kläger greift das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens damit an, bei zutreffender rechtlicher Würdigung hätte das Arbeitsgericht die Strategie der Beklagten, notwendige Standortverlagerungen unmöglich zu machen oder massiv zu behindern, für rechtswidrig erklären müssen. Der Arbeitgeber, der eine Standortverlagerung plane, werde von zwei Seiten in die Zange genommen, indem die Sozialplanverhandlungen nach §§ 111 ff. BetrVG in die Länge gezogen und gleichzeitig von der Gewerkschaft zum Zwecke der Blockade und Verhinderung der Betriebsänderung der Abschluss eines Tarifsozialplanes mit erdrückenden Forderungen verlangt werde. Dies verstoße gegen die Sperrwirkung der §§ 111 ff. BetrVG. Dass die Beklagte Verhandlungen mit dem Kläger im Hinblick auf einen Verbandsflächentarifvertrag führe und gleichzeitig einen um den gleichen Tarifgegenstand in einem unternehmensbezogenen Verbandstarif streike, verletze das Koalitionsrecht des Klägers. Die verlangten Kündigungsbeschränkungen in Gestalt überlanger Kündigungsfristen seien mit Art. 12 GG nicht vereinbar. Die Streikforderung von vergüteten Qualifizierungsmaßnahmen sei nicht tariffähig. Da der Streik gegen die E AG rechtswidrig gewesen sei, sei die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2005 - 5 Ca 4542/04 - nach den erstinstanzlichen Anträgen, die er im einzelnen wiederholt, zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt weiterhin, die Klageanträge zu 1) bis 7) seien unzulässig und verteidigt in der Sache das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie behauptet weiterhin, die vom Kläger unterstellte Gewerkschaftsstrategie gäbe es nicht. §§ 111 ff. beschränkten die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht. Die Streikziele der Gewerkschaften beschränkten sich auf Forderungen, die seit jeher Gegenstand tariflicher Regelungen gewesen seien. Tarifforderungen dürften wegen ihres Umfanges nicht zensiert werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 12. Jan. 2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs.2 ArbGG, 511 ZPO, § 64 Abs.2 b) und c) ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden, §§ 66 Abs.1 ArbGG, 516, 519, 520 ZPO, und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages zu 1) zulässig.

Der Klageantrag zu 1) ist wie insgesamt die Anträge zu 1) bis 7) hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es handelt sich um sog. Globalanträge, die eine Vielzahl künftiger möglicher Fallgestaltungen erfassen. Die Anträge sind als Globalanträge anzusehen, weil sie ohne Einschränkungen auf jede künftige, im Antrag näher beschriebene Streikforderung abstellen. Dies steht jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht sich anschließt, der Bestimmtheit der Anträge nicht entgegen, sondern ist im Rahmen ihrer Begründetheit zu beachten. Wird den Anträgen in ihrer Allgemeinheit stattgegeben, kann es in der Zwangsvollstreckung nicht zu Unklarheiten kommen. Ein derartiger Globalantrag ist bestimmt genug und nicht unzulässig. Ob einem zulässigen Globalantrag in dieser Allgemeinheit auch stattzugeben ist, ob also wirklich für alle von ihm erfassten Fallgestaltungen ein Unterlassungsanspruch besteht, ist eine Frage, die sich erst bei der Prüfung der Begründetheit des Antrags stellt. Einem Globalantrag, mit welchem ein Unterlassungsanspruch für eine Vielzahl künftiger Fallkonstellationen verfolgt wird, kann nur entsprochen werden, wenn der Anspruch in allen denkbaren Fallgestaltungen einschränkungslos besteht; andernfalls ist der Globalantrag insgesamt als unbegründet abzuweisen. Der Kläger muss die erfassten Fallgestaltungen künftig in allen Fällen verlangen können. Ist diese Voraussetzung auch nur teilweise nicht erfüllt, muss der Antrag im ganzen als unbegründet zurückgewiesen werden. Das Gericht darf auch nicht dahin erkennen, dass der geltend gemachte Anspruch unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben ist, obwohl diese nicht als Inhalt des Antrags angesehen werden können. Sonst würde nicht weniger als beantragt zugesprochen, sondern etwas anderes (vgl. BAG Beschluss vom 16. Nov. 2004 - 1 ABR 53/03 - EzA § 82 BetrVG 2001 Nr. 1; BAG Beschluss vom 20. Oktober 1999 - 7 ABR 37/98 - Juris; BAG Beschluss vom 9. Mai 1995 - 1 ABR 58/94 - Juris; BAG Beschluss vom 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - BAGE 76, 364, 368 = BetrVG 1972 § 23 Nr. 36).

Der Klageantrag zu 1) soll die Unterlassung jeden Streikaufrufs der Beklagten in einem Mitgliedsunternehmen des Klägers erfassen, dessen Ziel der Abschluss eines unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrages sein soll, wenn ein Regelungsgegenstand dieses erstrebten Tarifvertrages zur gleichen Zeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Parteien über einen Verbandstarifvertrag ist, dessen Geltungsbereich alle Mitgliedsunternehmen erfassen soll.

Für den Klageantrag zu 1) besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, weil vor dem Hintergrund der Streiks bei der E AG im Frühjahr 2003 und bei anderen Unternehmen zwischen den Parteien Streit darüber entstanden ist, ob bei Tarifverhandlungen um Regelungen in einem Flächentarifvertrag ein Mitgliedsunternehmen um identische Tarifforderungen in einem unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag bestreikt werden darf.

Der Klageantrag zu 1) ist nicht begründet.

Arbeitskampfmaßnahmen gegen verbandsgebundene Mitgliedsunternehmen sind nicht allein deshalb rechtswidrig, weil gegen diese ein Firmentarifvertrag erzwungen werden soll.

Tarifvertragsparteien sind nach § 2 Abs. 1 TVG Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern. Während auf Arbeitnehmerseite nur Gewerkschaften Tarifverträge abzuschließen in der Lage sind, können dies auf Arbeitgeberseite sowohl Vereinigungen von Arbeitgebern als auch einzelne Arbeitgeber. Der einzelne Arbeitgeber besitzt die ihm gesetzlich zuerkannte Tariffähigkeit unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu einem Arbeitgeberverband. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung, der das Berufungsgericht sich anschließt, verliert er die Fähigkeit, Partei eines Firmentarifvertrags zu sein, nicht durch den Beitritt zu einem Arbeitgeberverband (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002 - 1 AZR 96/02 - EzA Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 134 mit zahlr. Nachweisen). § 2 Abs. 1 TVG ist eindeutig. Danach wird dem einzelnen Arbeitgeber ohne Einschränkung die Tariffähigkeit zuerkannt. Eine Differenzierung nach der Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers sieht das Gesetz nicht vor (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.).

Arbeitskämpfe zur Erzwingung von Firmentarifverträgen sind gegen einzelne dem Arbeitgeberverband angehörende Arbeitgeber nicht generell ausgeschlossen. Überwiegend wird angenommen, derartige Arbeitskämpfe seien grundsätzlich zulässig und nach den allgemeinen arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (BAG Urteil vom 10. Dezember 2002, a.a.O. mit weiteren Nachw.). Die grundsätzliche Zulässigkeit eines auch gegen einen einzelnen Arbeitgeber geführten Streiks beruht auf der den Arbeitnehmern durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsfreiheit. Zu den geschützten Mitteln zählen Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind ( BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.; HWK-Henssler, § 2 TVG Rz. 21).

Der Zulässigkeit eines gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber um den Abschluss eines Firmentarifvertrags geführten Streiks stehen jedenfalls generell weder die individuelle Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers noch die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands entgegen ( BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.).

Die individuelle Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers wird entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (etwa Richter, ZTR 2004, 390, 392) durch den gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber um einen Firmentarifvertrag geführten Streik jedenfalls nicht generell verletzt (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.). Seine Freiheit, in dem Verband zu verbleiben oder aus ihm auszutreten, wird regelmäßig nicht beeinträchtigt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitskampf gerade darauf gerichtet ist, den Arbeitgeber zum Verlassen des Verbands zu veranlassen (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.; Jacobs, ZTR 2001, 249; 252). In einem solchen Fall kann der Streik eine mit Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nicht zu vereinbarende Verletzung der positiven Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers und zugleich einen unzulässigen Angriff auf den Mitgliederbestand des Arbeitgeberverbands darstellen (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.)

Es kann jedoch nicht generell angenommen werden, jeder Arbeitskampf um einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag sei gerade darauf gerichtet, den Arbeitgeber zum Verlassen des Verbands zu veranlassen. Eine solche im Einzelfall mögliche Zielsetzung kann der Beurteilung der für jeden erfassten zukünftigen Fall geltenden Globalanträge nicht zugrunde gelegt werden. Auch die konkreten Streikmaßnahmen gegen die E AG und andere Unternehmen lassen nicht die Zielsetzung erkennen, diese aus dem Verband "herauszubrechen". Diese Zielsetzung kann beispielsweise angenommen werden, wenn die Gewerkschaft den (Flächen)Manteltarifvertrag kündigt, mit dem Verband um einen Neuabschluss verhandelt und sich ein Unternehmen herausgreift, um dieses wegen des Abschlusses eines unternehmensbezogenen Verbandsmanteltarifvertrages gleichen Inhalts zu bestreiken. Dies ist jedoch nicht der Sachlage gleichzusetzen, dass mit dem Verband um generelle Regelungen im Flächentarifvertrag verhandelt wird und ein Unternehmen wegen Sozialplaninhalten, die nur eine ganz konkrete Betriebsänderung betreffen, bei Anerkennung des Manteltarifvertrages im Übrigen bestreikt wird. Das Unternehmen wird dadurch nicht aus dem Verband gedrängt.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass stets die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands verletzt ist, wenn Verhandlungen über ein Verbands(flächen)tarifvertrag geführt werden und ein Mitgliedsunternehmen wegen eines unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrages bestreikt wird. Das Bundesarbeitsgericht (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.; vgl. auch Meyer, ZTR 2005, 394,403; ders. NZA 2004, 366, 367) hat zwar ausgeführt, die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands sei durch den um den Abschluss eines Firmentarifvertrags gegen ein Verbandsmitglied geführten Streik jedenfalls so lange nicht beeinträchtigt, wie der Verband seine Betätigungsfreiheit weder durch den Abschluss einschlägiger Tarifverträge, die noch gelten, wahrgenommen hat, "noch wahrzunehmen beabsichtigt". Zumindest soweit bestimmte Arbeitsbedingungen durch Verbandstarifverträge weder geregelt sind "noch demnächst geregelt werden sollen", rechtfertige die kollektive Betätigungsfreiheit des Arbeitgeberverbands es nicht, der Gewerkschaft die kampfweise Durchsetzung eines Firmentarifvertrags gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber zu untersagen. Das Bundesarbeitsgericht hat andererseits an gleicher Stelle ausgeführt, dass die Koalitionsfreiheit nicht verlangt, dass eine Gewerkschaft Arbeitskämpfe nur gegen den Verband führt. Es hat die umstrittene Frage, ob eine Gewerkschaft den Ablauf des Flächentarifvertrages zum Anlass nehmen darf, Firmentarifverträge gegen einzelne Arbeitgeber zu erstreiken und diese so aus dem Arbeitgeberverband "herauszubrechen" oder einem solchen Vorgehen die Betätigungsfreiheit des Arbeitgeberverbandes entgegensteht, offengelassen. Keinesfalls kann jedoch bei jeder Parallelverhandlung im Rahmen des Globalantrages in jedem künftigen Fall von einem solchen "Herausbrechen" ausgegangen werden, insbesondere dann nicht, wenn das Mitgliedsunternehmen nicht etwa wegen eines Manteltarifvertrages bestreikt wird, sondern im Hinblick auf einen Sozialplantarifvertrag aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung, die nur dieses eine Mitgliedsunternehmen betrifft.

Ebenso wenig lässt sich bestimmen, ob in jedem der von den Globalanträgen erfassten Fällen die sich zugunsten des verbandsangehörigen Arbeitgebers aus den Verbandstarifverträgen ergebende Friedenspflicht im Hinblick auf den Abschluss von Firmentarifverträgen über dieselbe Regelungsmaterie verletzt ist. Die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband schützt den einzelnen Arbeitgeber vor dem Hausarbeitskampf, wenn mit ihr die Bindung an einen Verbands(flächen)tarifvertrag und damit dessen Friedenspflicht einhergeht (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.; Löwisch/Rieble, FS Schaub 1998, S. 457 ff. ). Wenn der Verbands(flächen)tarifvertrag wirksam gekündigt ist, ist die Friedenspflicht bezüglich eines Firmentarifvertrages nicht verletzt.

Der Gesichtspunkt der Arbeitskampfparität führt entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (etwa Richter, ZTR 2004, 390, 392) nicht zur Rechtswidrigkeit eines solchen Streiks. Bei einem Streik, der gegen einen einzelnen, keinem Verband angehörenden Arbeitgeber geführt wird, ist grundsätzlich von einem Verhandlungs- und Kampfgleichgewicht auszugehen. Bei einem Streik gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber kann jedenfalls typisierend nichts anderes gelten (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.). Denn dessen Verteidigungsfähigkeit ist typischerweise nicht geringer als die eines verbandsfremden Arbeitgebers. Durch den Beitritt zu einem Arbeitgeberverband wird der einzelne Arbeitgeber zumindest nicht schwächer. Ebenso wie ein verbandsfremder Arbeitgeber kann er auf Streikmaßnahmen - zum Beispiel bei einem Teilstreik - mit Abwehrmaßnahmen - etwa mit einer weitergehenden Aussperrung - reagieren (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.). Darüber hinaus kann er die Unterstützung des Arbeitgeberverbands in Anspruch nehmen, wenngleich sich diese - sei es aus tatsächlichen, sei es aus rechtlichen Gründen - häufig auf die Beratung des Mitglieds beschränken dürfte (BAG Urteil vom 10. Dez. 2002, a.a.O.).

III.

Der Antrag zu 2) ist ebenfalls zulässig. Der Antrag soll als Globalantrag alle künftigen Streikaufrufe der Beklagten in Mitgliedsunternehmen des Klägers aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung in diesem Betrieb mit dem Ziel des Abschlusses eines unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrages erfassen, mit dem wirtschaftliche oder sonstige Nachteile, die den Unternehmen dieses Mitgliedsunternehmens infolge dieser Betriebsänderung entstehen oder entstehen können, ausgeglichen oder gemildert werden.

Für den Antrag besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, weil im Rahmen des Arbeitskampfes gegen die E AG zwischen den Parteien Streit um die Frage entstanden ist, ob Arbeitskämpfe mit derartigen Streikzielen zulässig sind.

Der Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit konkreter Betriebsänderung ist eine solche zu verstehen, die die Voraussetzungen des § 111 BetrVG erfüllt und die der Anlass für die Tarif- und Streikforderung der Beklagten im Sinne eines kausalen Zusammenhanges ist. Streikforderung muss nach der in den Klageantrag übernommenen Definition des § 112 Abs. 1 BetrVG die Forderung auf Abschluss eines Tarifvertrages mit dem Inhalt eines Sozialplanes sein.

Der Klageantrag zu 2) ist jedoch - wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat und auf dessen Urteilsgründe auch wegen der weiteren Klageanträge ergänzend Bezug genommen wird - unbegründet, weil sich nicht feststellen lässt, dass jede künftige bestreikte Tarifforderung dieses Inhalts rechtswidrig ist.

Zu beurteilen ist nicht eine eventuelle Strategie der Gewerkschaft, sondern die konkrete Tarifforderung. Grundlage der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes ist die Tarifforderung, soweit sie Inhalt des Streikbeschlusses ist (vgl. Kissel, Arbeitskampfrecht, § 42 Rz. 17). Der Streikbeschluss legt gewerkschaftsintern Ziel und Umfang des Streiks fest und hat Außenwirkung gegenüber der Arbeitgeberseite. Für deren Gegenreaktion ist deren Streikbeschluss maßgebend. An ihm ist die Zulässigkeit des Streiks zu messen. Tarifforderung und Streikbeschluss haben einen sog. "Tarifsozialplan" mit längeren Kündigungsfristen, Abfindungen und vergüteten Qualifizierungsmaßnahmen zum Inhalt. Überschießende verbale Begleitungerscheinungen, überhitzte Ansprachen im Streikgeschehen, das anreißerische Motivieren von Mitgliedern und Nichtmitgliedern zum Streik sind, insbesondere bei gleichzeitiger Betonung, dass dieses Ziel tarifvertraglich oder durch Arbeitskampf nicht erreicht werden kann, grundsätzlich nicht Gegenstand der Rechtmäßigkeitsüberprüfung.

In Teilen der Rechtsprechung (LAG Hamm Urteil vom 31. Mai 2000 - 18 Sa 858/00 - NZA-RR 2000, 535) und Literatur wird vertreten (u.a. von Bauer/Steffen, NZA 2004, 1019; Hohenstatt/Schramm, DB 2004, 2214; Reichold, BB 2004, 2814, 2817; Richter, ZTR 2004, 390; Schiefer/Worzalla, DB 2006, 46), die Erzwingung von Tarifsozialplänen könne grundsätzlich nicht Gegenstand von Arbeitskämpfen sein, weil die Interessenvertretung der Arbeitnehmer wegen des Demokratieprinzips dem gewählten Betriebsrat gebührt, weil nur ein Soziaplan nach § 112 BetrVG normative Wirkung für alle Arbeitnehmer entfalte, weil der Betriebsrat der sachnähere Verhandlungspartner sei, weil Betriebssozialpläne mit dem System des Betriebsverfassungsgesetzes nicht kompatibel seien, da sie insbesondere bei betriebsübergreifenden Sozialplänen, für die der Gesamtbetriebsrat zuständig sei, unlösbare Fragen aufwürfen, weil Tarifsozialpläne zu einer fast vollständigen Verdrängung der aus §§ 111 ff. BetrVG folgenden Regelungsbefugnis der Betriebsparteien führten, den Betriebsrat faktisch funktionslos stellten und das gesetzlich vorgesehene Mitbestimmungsverfahren außer Kraft setzten. Während ein Sozialplan nach § 111 BetrVG die Grenze der Existenzgefährdung des Arbeitgebers beachten müsse, könne ein durch einen Arbeitskampf durchgesetzter Tarifsozialplan über diese Grenze hinausgehen und das Unternehmen wirtschaftlich vernichten. Ein solcher Arbeitskampf verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und sei sittenwidrig. Die Beklagte habe im Streik gegen die E AG zudem versucht, das Unternehmen aus der Solidarität der Verbandsmitglieder herauszubrechen.

Dagegen spricht jedoch, dass das Verhältnis von Tarifvertragsordnung und im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehener Mitbestimmung, wie sich aus § 77 Abs. 3 BetrVG ergibt, im Sinne eines Vorrangs der Tarifvertragsordnung geregelt ist (so vor allem Löwisch DB 2005, 554, 557 ff.). Dieses Verhältnis umzukehren, bedürfte einer eindeutigen gesetzlichen Entscheidung. § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG setzt Tarifverträge über Sozialpläne im Bereich der §§ 111 ff. BetrVG voraus (so LAG Niedersachsen Urteil vom 2. Juni 2004 - 7 Sa 819/04 - NZA-RR 2005,200; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 27. März 2003 - 5 Sa 137/03 - NZA-RR 2003, 592; Fitting, BetrVG, 22. Aufl., § 111 Rz. 9; Kühling/Bertelsmann NZA 2005, 1017, 1019; Löwisch DB 2005, 554, 558). Dies hat auch das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 24. Nov. 1993 (- 4 AZR 225/93 - EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 96; vgl. auch BAG Urteil vom 7. Nov. 2000 - 1 AZR 175/00 - EzA § 1 TVG Nr. 43 zu einem Konsolidierungstraifvertrag) so gesehen. Vor allem müssen sich Einschränkungen der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 GG und nicht aus dem das Verhältnis Arbeitgeber und Betriebsrat regelnden Betriebsverfassungsrecht ergeben (Kühling/Bertelsmann NZA 2005, 1017, 1019). Für das Verhältnis eines Sozialplans nach § 112 BetrVG und eines Tarifvertragsozialplans soll nach allgemeiner Auffassung das Günstigkeitsprinzip gelten (vgl. GK-BetrVG-Oetker, 8. Aufl., § 112 Rz. 127 mit weiteren Nachw.).

Die tarifvertragliche Regelung verstößt auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die Eigentumsgarantie des § 14 Abs. 1 GG erstreckt sich nur auf den konkreten Bestand an Rechten und Gütern, betrifft aber nicht die unternehmerische Betätigung zu einer bestimmten Zeit. Die unternehmerische Betätigung in Form von Kündigungen zu einem vom Unternehmen zu bestimmenden Zeitpunkt wird nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG, sondern durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt (BAG Urteil vom 21. Juni 2000 - 4 AZR 379/99 - NZA 2001, 271 = EzA § 1 TVG Betriebsverfassungsnorm Nr. 1).

Die Tarifforderung der Beklagten greift auch nicht unzulässigerweise in den unternehmerischen Autonomiebereich ein, auch wenn die erheblichen Sozialplanforderungen die unternehmerische Entscheidung des Unternehmens beeinflussen kann. Die Unternehmensautonomie als Teil der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG ist ebenso gewährleistet wie die Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG. Weder die Unternehmensautonomie noch die Tarifautonomie dürfen so ausgeübt werden, dass die andere leer läuft. Beide Grundrechtsgewährleistungen sind so auszudeuten, dass beide bestmöglich wirksam werden. Art. 12 GG schließt Regelungen der Tarifvertragsparteien aus, die die "eigentliche" Unternehmerfreiheit beschränken. Der Tarifautonomie kann nicht entnommen werden, dass sämtliche unternehmerische Entscheidungen tarifvertraglich geregelt werden können. Als kollektives Arbeitnehmerschutzrecht gegenüber der Unternehmensautonomie kann eine tarifliche Regelung nur dort eingreifen, wo eine unternehmerische Entscheidung diejenigen rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Belange der Arbeitnehmer berührt, die sich gerade aus deren Eigenschaft als abhängig Beschäftigte ergeben. Dementsprechend entscheidet die Geschäftsleitung unternehmensautonom beispielsweise über Investitionen, Produktion und Vertrieb. Sie trifft grundsätzlich die Entscheidung darüber, welche Geld- und Sachmittel zu welchem Zweck eingesetzt werden und ob, was und wo hergestellt wird (BAG Urteil vom 21. Juni 2000 - 4 AZR 379/99 - NZA 2001, 271 = EzA § 1 TVG Betriebsverfassungsnorm Nr. 1; BAG Urteil vom 3. April 1990 - 1 AZR 123/89 - EzA Art. 9 GG Nr. 49; ErfK-Dieterich, Art. 9 GG Rz. 72 a; Kissel, Arbeitskampfrecht § 35 Rz. 23). Dabei kann in diesem Zusammenhang an die Betriebsschließung oder wesentliche Betriebseinschränkung gedacht sein. Diese bleiben dem Arbeitgeber im Grunde unbenommen, sie werden durch die tarifvertragliche Regelung allenfalls verzögert (BAG, a.a.O.).

Die tarifvertragsfreie Unternehmensautonomie gehe nicht so weit, dass die Gewerkschaften darauf beschränkt seien, nur soziale Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen zu regeln (BAG, a.a.O.). Der Regelungsauftrag des Art. 9 Abs. 3 GG bezieht sich immer dann, wenn sich die wirtschaftliche und soziale Seite einer unternehmerischen Maßnahme nicht trennen lassen, zwangsläufig mit auf die Steuerung der unternehmerischen Sachentscheidung (BAG Urteil vom 3. April 1990 - 1 AZR 123/89 - EzA Art. 9 GG Nr. 49; Hanau/Thüsing, ZTR 2001, 1, 5). Gerade um eine solche unternehmerische Maßnahme handelt es sich im vorliegenden Falle. Das Unternehmen beabsichtigt, den Betrieb zu verlagern, wodurch vor Ort zahlreiche Arbeitsplätze verloren gehen. In dieser Situation, in der die Existenz der Arbeitsplätze auf dem Spiel steht, verstoßen nach den dargelegten Grundsätzen auch sehr weitreichende Tarifforderungen nicht gegen die Unternehmensautonomie und sind als Erschwernisse der Durchsetzung von Unternehmensentscheidungen nicht unzulässig.

IV.

Die Hilfsanträge zu 3) und 4) zum Klageantrag zu 2) sind ebenfalls unbegründet. In Teilen der Literatur (Schiefer/Worzalla, DB 2006, 46, 49) wird angenommen, ein Streik um einen sog. Tarifsozialplan sei zumindest solange unzulässig, als nicht das Mitbestimmungsverfahren in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach §§ 111 ff. BetrVG mit dem Versuch eines Interessenausgleichs und der Aufstellung eines Sozialplanes geendet habe. Erst in diesem Zeitpunkt bestehe für die Gewerkschaft überhaupt eine Entscheidungsgrundlage hinsichtlich der Frage, ob die Streikmaßnahmen ggf. zur Erlangung weiterer Vorteile für die Arbeitnehmer erforderlich seien. Es wurde jedoch bereits ausgeführt, dass sich aus Normen, die ausschließlich das Verhältnis Arbeitgeber und Betriebsrat berühren, Beschränkungen der Tarifautonomie nicht ableiten lassen (vgl. Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, 1017, 1020, 1026).

V.

Die Hilfsanträge zu 5) und 6) sind unbegründet. Teilweise werden Kündigungserschwerungen, die über das § 113 Abs. 1 BetrVG für Abfindungen festgelegte Maß hinausgehen, für unzulässig gehalten (z.B. von Löwisch DB 2005,554, 558). Tarifverträge enthalten Kündigungsbeschränkungen jedoch bereits seit den Anfängen des Tarifvertragsrechts ( vgl. Hanau/Thüsung, ZTR 2001, 49). Regelungen, die Kündigungen nicht ausschließen, sondern erschweren, sind zulässig. Sie stellen eine soziale Abfederung unternehmerischer Entscheidungen dar, die zwar zu beträchtlichen Folgekosten führen, diese aber nicht ausschließen (LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 27. März 2003 - 5 Sa 137/03 - NZA-RR 2003, 592; Hanau/Thüsing, a.a.O., S. 51). Bezweckt wird der soziale Schutz von Arbeitnehmern, ohne dem Arbeitgeber bestimmte unternehmerische Entscheidungen vorzugeben. Der Einwand, die Tarifforderung sei zu hoch, kann die Rechtswidrigkeit der Arbeitskampfmaßnahme nicht begründen. Zum einen wird eine quantifizierende Bewertung der Kampfforderung für verfehlt gehalten, weil der Forderungsumfang fast immer so formuliert wird, dass er über das erwartete Ergebnis weit hinausgeht und weil das Kampfziel noch keine rechtsgestaltende Wirkung entfaltet. Selbst eine weit überzogene Quantifizierung könne allein nicht zur Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes führen (so ErfK-Dieterich, 6. Aufl., Art. 9 GG Rz. 112). Aber auch, wenn man die Rechtmäßigkeit der Streikforderung wie oben ausgeführt am Streikbeschluss misst, führt eine auch weit überzogene Tarifforderung nicht zur Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes, da es nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte ist, korrigierend in die Höhe einer Tarifforderung einzugreifen, solange diese auf ein tariflich regelbares Ziel gerichtet ist. Die Höhe einer Tarifforderung unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle (ebenso LAG Niedersachsen Urteil vom 2. Juni 2004 - 7 Sa 819/04 - NZA-RR 2005,200; Kühling/Bertelsmann, NZA 2005, 1017, 1020).

Der Hilfsantrag zu 7) ist ebenfalls unbegründet. Die Tarifforderung enthält eine Abschlussnorm wie sie z.B. als tarifvertragliche Wiedereinstellungsklauseln üblich sind. Abschlussnormen sind Gebote zur Neu- oder Wiedereinstellung. Sie begründen eine tarifvertragliche Pflicht des Arbeitgebers, das Vertragsverhältnis im Sinne eines einseitigen Kontrahierungszwanges fortzusetzen (vgl. Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 1 Rz. 480). Bedeutung hatten tarifvertragliche Einstellungsgebote in der Vergangenheit bei Wiedereinstellungsklauseln, etwa nach betriebsbedingten Kündigungen, oder bei Neueinstellungsgeboten bei Auszubildenden. Derartige Klauseln werden als wirksam angesehen (vgl. Wiedemann, a.a.O., Rz. 485). Nichts anderes kann für Qualifizierungsmaßnahmen gelten, die in den vor-handenen Betriebsstätten des Mitgliedsunternehmens durchgeführt werden und von diesem vergütet werden sollen.

VI.

Der Klageantrag zu 8) ist ebenfalls unbegründet.

Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit dem Streik gegen die E AG im März und April 2003 bestehen nicht, weil die Beklagte ein sonstiges Recht im Sinne dieser Vorschrift, nämlich das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dieses Unternehmens, nicht verletzt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht sich anschließt, ist ein rechtswidriger Streik ein rechtswidriger Eingriff in dieses Recht (etwa BAG Urteil vom 7. Juni 1988 - 1 AZR 372/86 - EzA Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 80). Der Streik wurde jedoch nicht um rechtswidrige Ziele geführt.

Maßgeblich ist dabei die offizielle Tarifforderung der Beklagten auf der Grundlage des Streikbeschlusses. Nur diese kann Gegenstand eines Arbeitskampfes sein. Dies waren die Tarifsozialplanforderungen der verlängerten Kündigungsfristen, Abfindungen und vergütete Qualifizierungsmaßnahmen.

Dass Streiks um unternehmensbezogene Verbandstarifverträge nicht generell rechtswidrige sind, wurde zum Klageantrag zu 1) ausgeführt. Im Rahmen der Klageanträge zu 2) bis 7) wurde ausgeführt, dass auch die Inhalte der Streikforderungen nicht zur Rechtswidrigkeit des Streiks führten.

Der Streik war auch im konkreten Einzelfall nicht rechtswidrig, weil die negative Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes und die relative Friedenspflicht nicht verletzt waren. Die negative Koalitionsfreiheit war nicht verletzt, weil die erstrebte tarifliche Regelung nicht zum Ziel hatte, die E AG aus dem Arbeitgeberverband "herauszubrechen" (vgl. BAG Urteil vom 10. Dez. 2002 - 1 AZR 96/02 - EzA Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 134). Die Tarifforderung erfasste Sozialplanregelungen für eine konkrete Betriebsänderung eines einzelnen Unternehmens unter Anerkennung des Manteltarifvertrages im Übrigen.

Die relative Friedenspflicht, deren Verletzung die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks zur Folge hätte, war hier nicht verletzt. Die Friedenspflicht reicht nur soweit, wie geltende Tarifverträge ausdrücklich Regelungen über den Gegenstand der Tarifforderungen enthalten (BAG Urteil vom 27. Juni 1989 - 1 AZR 404/88 - EzA Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 94; Meyer, ZTR 2005, 394,403). Sie bezieht sich nur auf die tarifvertraglich geregelten Gegenstände (BAG Urteil vom 18. Febr. 2003 - 1 AZR 142/02 - EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 135). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder rechtswidrigen Forderung um eine Hauptforderung handelt, führt dies zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (BAG 4. Mai 1955 - 1 AZR 493/54 - aaO). Es kann indessen dahinstehen, ob der Verbands(flächen)tarifvertrag eine abschließende Regelung enthielt und die angestrebten Tarifnormen über Kündigungsfristen im unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag auf eine Abschaffung dieser Regelung hinausliefen. Die Forderung um die Einführung längerer Kündigungsfristen bei Betriebsänderungen war Hauptforderung der Tarifauseinandersetzungen. Die Kündigungsfristen waren im Manteltarifvertrag, dessen § 14 die Beklagte gekündigt hat, geregelt. Teilweise wird angenommen, über längere Kündigungsfristen könne kein zulässiger Arbeitskampf geführt werden, wenn im Verbands(flächen)tarifvertrag Kündigungsfristen geregelt sind (so Löwisch, DB 2005, 554, 557; Meyer, ZTR 2005, 394,403; ders. NZA 2004, 366, 367).

Die verbandsrechtliche Friedenspflicht besteht jedoch nicht für lediglich nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkende Tarifnormen. § 14 MTV war von der Beklagten mit Schreiben vom 18. Dez. 2002 zum 31. Jan. 2003 gekündigt. Wie bereits das ArbG im Urteil vom 14. März 2003 - 5 Ga 10 b/03 - (ArbuR 2003, 192 = Juris) festgestellt hat, war eine derartige Teilkündigung nach § 17 Ziffer 3.4. des Manteltarifvertrages mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende zulässig. Die in der Schieds- und Schlichtungsvereinbarung unter § 3 Ziffer 1 vereinbarte Friedenspflicht für die Dauer von vier Wochen nach Ablauf des Tarifvertrages war mit dem 28. Febr. 2003 beendet. Eine Friedenspflicht im Hinblick auf Kündigungsfristen aus dem Flächentarifvertrag bestand nicht mehr. Die in § 14 befindlichen Regelungen wirkten nach § 4 Abs. 5 TVG lediglich nach. Im Zeitraum der Nachwirkung besteht jedoch keine Friedenspflicht. Die Gewerkschaft darf nur, solange der Manteltarifvertrag nicht gekündigt ist, keinen Streik um einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag führen (BAG Urteil vom 18. Febr. 2003 - 1 AZR 142/02 - EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 135; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 27. März 2003 - 5 Sa 137/03 - NZA-RR 2003, 592). Die lediglich gemäß § 4 Abs. 5 TVG nachwirkenden Tarifnormen können durch Regelungen in einem unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag ersetzt werden (Jacobs, ZTR 2001, 249; 254 mit weiteren Nachw.; Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 1 Rz. 692), der durch einen Arbeitskampf erzwungen werden kann. Nach Ablauf des Tarifvertrages bzw. Beendigung der wirksam gekündigten Tarifbestimmung endet insoweit auch die Friedenspflicht als obligatorischem Teil des Tarifvertrages (ebenso Kissel, Arbeitskampfrecht, § 26 Rz, 46).

Dass der Verband insoweit hinsichtlich einer Regelung für den Flächentarifvertrag verhandlungsbereit ist, führt entgegen teilweise vertretener Auffassung (Meyer, ZTR 2005, 394,403; ders. NZA 2004, 366, 367) nicht zur Friedenspflicht hinsichtlich eines verbandsbezogenen Unternehmenstarifvertrages. Bloße Tarifverhandlungen begründen - von eingreifenden Schlichtungsregelungen abgesehen - keine Friedenspflicht.

Die Kündigung von § 14 MTV war nicht rechtsmissbräuchlich. Es kann der Beklagten nicht widerlegt werden, dass sie die gekündigte Regelung der Kündigungsfristen durch den Verweis auf § 622 BGB und eine Öffnungsklausel für betriebliche Ergänzungstarifverträge ersetzen wollte.

Teilweise wird vertreten (Meyer, ZTR 2005, 394,403; ders. NZA 2004, 366, 367), das Bestehen von Verhandlungsbereitschaft für einen Flächentarifvertrag verletze bei einem Streik um einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Damit wird jedoch zum Einen verkannt, dass das ultima-ratio-Prinzip keine offizielle Erklärung des Scheiterns von Tarifverhandlungen erfordert. Vielmehr liegt in der Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen die freie, nicht nachprüfbare und daher allein maßgebende Erklärung der Tarifvertragspartei, dass sie die Verständigungsmöglichkeiten als ausgeschöpft ansieht (BAG Urteil vom 18. Febr. 2004 - 1 AZR 142/02 - EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 135). Diese Grundsätze müssen auch im Verhältnis Flächentarifvertrag und unternehmensbezogener Verbandstarifvertrag gelten. Zum anderen ließ sich hier auch durch die erstrebte Regelung im Flächentarifvertrag, d.h. Kündigungsfristen nach § 622 BGB und eine Öffnungsklausel für betriebliche Ergänzungstarifverträge, der Sozialplantarifvertrag aus Anlass einer konkreten, nur dieses eine Unternehmen betreffende Betriebsänderung nicht ersetzen.

Die Kosten seiner erfolglosen Berufung trägt der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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