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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 9 SaGa 2098/06
Rechtsgebiete: GG, ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 9 Abs. 3
ArbGG § 97
BGB § 823
ZPO § 940
Angekündigte Arbeitskampfmaßnahmen können im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass die Gewerkschaft für das Unternehmen nicht tarifzuständig ist und infolge eines Streiks erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen drohen.

Der Bereich der Vorfeldkontrolle eines Flughafens (Vorfeldlotsen, Aproncontroller) ist keine Flugsicherung.


Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2006 - 16 Ga 243/06 - abgeändert.

Dem Verfügungsbeklagten wird es untersagt, Streiks oder Warnstreiks im Betrieb der Verfügungsklägerin durchzuführen und/oder dazu aufzurufen mit denen die Forderung zu Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages des Verfügungsbeklagten durchgesetzt werden soll unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR (in Worten: Zweihundertfünfzigtausend und 00/100 Euro), ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken am Vorstandsvorsitzenden.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungsbeklagte.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin ist Eigentümerin und Betreiberin des Flughafens A. Sie hat 12.800 Arbeitnehmer und ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Hessen und kraft Mitgliedschaft an den TVöD gebunden. Die im Juli 2003 gegründete und am 15. Sept. 2003 in das Vereinsregister eingetragene Gewerkschaft B (Verfügungsbeklagter) hat den Kommunalen Arbeitgeberverband aufgefordert, mit ihm Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die Arbeitnehmer aufzunehmen, die in der Vorfeldkontrolle tätig sind, und hat zur Erzwingung von Tarifverhandlungen und zur Durchsetzung ihrer Tarifforderungen Arbeitsniederlegungen angekündigt. In der Vorfeldkontrolle einschließlich der Verkehrszentrale sind etwa 80 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Satzung des Verfügungsbeklagten in der Neufassung vom 8. Okt. 2005 lautet:

"§ 4 Organisationsbereich

(1) Der Organisationsbereich umfasst alle Betriebe und Unternehmen, in welchen Flugsicherungsleistungen erbracht werden. Organisiert werden alle Mitarbeiter in Flugsicherungsunternehmen und -betrieben, alle mit Flugsicherungsaufgaben befassten Mitarbeiter in Unternehmen und Betrieben, in denen auch Flugsicherungsleistungen erbracht werden sowie alle Mitglieder, die zum Zeitpunkt der Eintragung B Mitglied des VDF oder des FTI waren.

..."

Die Verfügungsklägerin will dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung Arbeitskampfmaßnahmen untersagen lassen, weil sie ihm die Tarifzuständigkeit für ihren Unternehmensbereich aberkennt. Die Überwachung und Lenkung des Verkehrs auf dem Vorfeld und den Abstellflächen sei keine Flugsicherung. Mit dieser sei die C GmbH beauftragt.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, ihrer Anträge, des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Urteil vom 28. Nov. 2006 - 16 Ga 243/06 - zurückgewiesen, weil es den beabsichtigten Streik nicht als rechtswidrig angesehen hat. Es hat die Tariffähigkeit des Verfügungsbeklagten bejaht. Wegen der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen dieses ihr am 29. Nov. 2006 zugestellte Urteil hat die Verfügungsklägerin am 6. Dez. 2006 Berufung eingelegt und gleichzeitig begründet.

Die Verfügungsklägerin ist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung, der angedrohte Streik sei rechtswidrig, da der Verfügungsbeklagte nach seiner Satzung für den Bereich der Vorfeldkontrolle nicht tarifzuständig sei.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Nov. 2006 - 16 Ga 243/06 - es dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, Streiks oder Warnstreiks im Betrieb der Verfügungsklägerin durchzuführen und / oder dazu aufzurufen, mit denen die Forderung zu Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages des Verfügungsbeklagten durchgesetzt werden soll unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken an deren Vorstand,

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Nov. 2006 - 16 Ga 243/06 - es dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, Streiks oder Warnstreiks im Betrieb der Verfügungsklägerin durchzuführen und / oder dazu aufzurufen, mit denen die Forderung zur Verhandlung über den Abschluss eines Tarifvertrages des Verfügungsbeklagten durchgesetzt werden soll - soweit sich die Durchführung und / oder der Aufruf nicht ausschließlich auf Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin beschränkt bzw. an solche Arbeitnehmer richtet, die Mitglieder im Verband Deutscher Flugleiter waren - unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken an deren Vorstand.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die erstinstanzliche Entscheidung. Er meint, das Arbeitsgericht sei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die materiellen Arbeitsbedingungen der Vorfeldlotsen mit denjenigen der Fluglotsen vergleichbar seien. Die Definition des Begriffs Flugsicherung könne nicht aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften abgeleitet werden. §§ 21 a Abs.1 und 2 LuftVO, 27 c LuftVG regelten nicht abschließend, was zu den Aufgaben der Flugsicherung gehöre. § 21 a LuftVO grenze lediglich den Verkehr auf dem Rollfeld von demjenigen auf dem Vorfeld ab. Beide Bereiche ergäben die sog. Bewegungsfläche. Diese Abgrenzung diene jedoch nur der Regelung der Zuständigkeiten von Luftaufsicht und Flughafenbetreiber. Nach ihrem Memo vom 24. Febr. 2004 sei die Verfügungsklägerin offenbar selbst dieser Auffassung. Die Flugverkehrskontrolle sei als Überwachung und Lenkung der Bewegungen im kontrollierten Luftraum und auf den Rollfeldern von Flugplätzen mit Flugplatzkontrolle zur Sicherung der geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs nichts anderes als Flugsicherung. Es gäbe eine große Zahl von Flughäfen, bei denen der gesamte Verkehr auf den Bewegungsflächen von den Towerlotsen übernommen werde. Hätten Flughafenbetreiber und Flugsicherungsunternehmen es in der Hand, durch die Grenzziehung zwischen Vorfeld und Rollfeld den Organisationsbereich der Gewerkschaft festzulegen, wäre dies ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit. Dementsprechend sei zur Festlegung des Organisationsbereiches kein öffentlich-rechtlicher, sondern ein arbeitsrechtlicher Begriff anzuwenden, welcher durch die materiellen Arbeitsbedingungen sowie den sich hieraus ergebenden Regelungsbedarf bestimmt werden müsse. Wie eine Belastungsuntersuchung des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin zeige, sei die physische und psychische Beanspruchung in der Vorfeldkontrolle signifikant hoch. Die Definition des Organisationsbereichs müsse nach Berufsgruppen erfolgen. Sowohl in der Vorfeldkontrolle als auch in der Kontrolle des Rollfeldes würden die Bewegungen von Luftfahrzeugen durch Sichtkontakt, Radar, Video und per Funk überwacht und gelenkt. Für den Kontakt der Vorfeldlotsen mit den Flugzeugführern stelle die C bezeichnenderweise Frequenzen im Flugsicherungsverband zur Verfügung. Die Ausbildung von Vorfeld- und Towerlotsen unterscheide sich nicht maßgeblich. Fluglotsen seien ebenfalls nicht flugplatzunabhängig lizenziert und einsetzbar. Seine Tarifzuständigkeit ergebe sich auch aus Entstehungsgeschichte und Satzung der Gewerkschaft, da nach § 4 der Satzung auch die Mitglieder von VDF und FTI erfasst würden. Der VDF hätte vier in der Vorfeldkontrolle beschäftigte Mitglieder gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 11. Jan. 2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO, und begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken, § 64 Abs.2 ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs.1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO, und damit insgesamt zulässig. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Wegen eines möglichen Verfahrens nach § 97 ArbGG verbietet sich mit Rücksicht auf den Eilcharakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens eine Aussetzung (Hess. LAG Urteil vom 22. Juli 2004 - 9 SaGa 593/04 - AP Nr. 168 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NZA-RR 2005, 262; LAG Hamm Urteil vom 31. Jan. 1991 - 16 Sa 119/91 - Juris; LAG Hamm Beschluss vom 12. Juni 1975 - 8 TaBV 37/75 - LAGE § 46 BetrVG 1972 Nr. 1; LAG München Beschluss vom 28. März 1983 - 3 Ta 58/83 - Juris). Vor einer Entscheidung im Verfahren nach § 97 ArbGG kann incidenter die Tarifzuständigkeit einer Koalition im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 935, 940 ZPO nur bejaht werden, wenn hinreichende Erfolgsaussichten im Verfahren nach § 97 ArbGG prognostiziert werden können. Bestehen Zweifel, ist im Hinblick auf bevorstehende Arbeitskampfmaßnahmen im Rahmen der nach §§ 935, 940 ZPO vorzunehmenden Abwägung die Eingriffsintensivität und Drittbetroffenheit ganz besonders zu berücksichtigen.

Streikmaßnahmen im Betrieb der Verfügungsklägerin sind dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, weil sie rechtswidrig sind und dies glaubhaft gemacht ist (Hess. LAG Urteil vom 22. Juli 2004 - 9 SaGa 593/04 - AP Nr. 168 zu Art 9 GG Arbeitskampf = NZA-RR 2005, 262; Hess. LAG Urteil vom 2. Mai 2003 - 9 SaGa 638/03 - BB 2003,1229 = NZA 2003,679; LAG Hamm Urteil vom 31. Mai 2000 - 18 Sa 858/00 - AP Nr. 158 zu Art 9 GG Arbeitskampf; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 25. November 1999 - 4 Sa 584/99 - LAGE Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 68 a). Die beantragte Untersagungsverfügung ist zum Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich. Da ein Verfügungsanspruch besteht, hat zur Prüfung, ob eine auf Unterlassung eines Arbeitskampfes gerichtete einstweilige Verfügung im Sinne des § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, eine Interessenabwägung stattzufinden, in die sämtliche in Betracht kommenden materiell-rechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien einzubeziehen sind (LAG Köln, Urteil vom 14. Juni 1996 - 4 Sa 177/96 - LAGE Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 63). Hier überwiegen die Interessen der Verfügungsklägerin.

Dem Verfügungsbeklagten sind Streikmaßnahmen im Hinblick auf den Abschluss eines Tarifvertrages für die Lotsen der Vorfeldkontrolle zu untersagen, weil ein derartiger Tarifvertrag mit hinreichender Sicherheit unwirksam ist. Der Verfügungsbeklagte ist für diesen Bereich nicht tarifzuständig. Die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft ist die Fähigkeit eines an sich tariffähigen Verbandes, Tarifverträge mit einem bestimmten Geltungsbereich abzuschließen. Sie richtet sich grundsätzlich nach dem in der Satzung des Verbandes festgelegten Organisationsbereich (BAG in st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 27. September 2005 - 1 ABR 41/04 - EzA § 2 TVG Tarifzuständigkeit Nr. 9). Die Ausgestaltung seines Organisationsbereichs steht grundsätzlich jedem Verband frei. Eine Gewerkschaft kann daher für sich entscheiden, für welche Arbeitnehmer und in welchen Wirtschaftsbereichen sie tätig werden will. Sie kann ihren Organisationsbereich betriebsbezogen, unternehmensbezogen oder nach sonstigen Kriterien abgrenzen (BAG a.a.O.). Für die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft ist ihre Satzung entscheidend. Bei deren Auslegung ist auf den objektivierten Willen des Satzungsgebers abzustellen. Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut, der Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte. Die tatsächliche Handhabung und die Anschauungen der beteiligten Berufskreise können bei der Auslegung ebenfalls von Bedeutung sein (BAG a.a.O.).

Der in § 4 der Satzung des Verfügungsbeklagten festgelegte Geltungsbereich der Flugsicherung erfasst nicht die Vorfeldlotsen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, Sinn und Zweck der Satzung sowie aus der Entstehungsgeschichte und praktischen Handhabung. Zur Definition des Begriffs "Flugsicherung" steht nur die öffentlich-rechtliche Ableitung zur Verfügung. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich daneben eine arbeits- oder koalitionsrechtliche Ableitung herausgebildet hätte. Der Begriff "Flugsicherung", den der Verfügungsbeklagte auch in seinen Namen aufgenommen hat, ist öffentlich-rechtlich eindeutig definiert. Flugsicherung dient nach § 27 c Abs. 1 LuftVG der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs. Sie umfasst nach § 27 c Abs. 2 Nr. 1 a) LuftVG insbesondere die Aufgaben der Flugverkehrskontrolle zur Überwachung und Lenkung der Bewegungen im Luftraum und auf den Rollflächen von Flugplätzen. Nach § 21 a Abs. 2 LuftverkehrsVO ist der Flugplatzverkehr der Verkehr von Luftfahrzeugen, die sich in der Platzrunde befinden, in diese einfliegen oder sie verlassen, sowie der gesamte Verkehr auf dem Rollfeld. Rollfeld sind die Start- und Landebahnen sowie die weiteren für Start und Landung bestimmten Teile eines Flugplatzes und die Rollbahnen sowie die zum Rollen bestimmten Teiles eines Flugplatzes außerhalb des Vorfeldes. § 21 a Abs. 2 LuftverkehrsVO bestimmt ausdrücklich, dass das Vorfeld nicht Bestandteil des Rollfeldes ist. Die auf Grund des § 32 Abs. 4 Nr. 3 LuftVG ergangene Verordnung über Betriebsdienste in der Flugsicherung vom 17. Dez. 1992 (BGBl I, 2068) definiert in § 4 die Flugverkehrskontrolle als Überwachung und Lenkung der Bewegungen im Luftraum und auf den Rollfeldern von Flugplätzen mit Flugplatzkontrolle zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs.

Die Aproncontroller sind auch nicht traditionsgemäß Mitglieder in Berufsvereinigungen der Fluglotsen. Die Aproncontroller des Flughafens A entschlossen sich erst 2005/2006 mehrheitlich, von der Gewerkschaft Ver.di zum Verfügungsbeklagten zu wechseln. Die Erstreckung des persönlichen Geltungsbereichs in § 4 Abs. 1 der Satzung des Verfügungsbeklagten auf Mitglieder, die zum Zeitpunkt seiner Eintragung Mitglied des VDF (Verband Deutscher Flugleiter) oder des FTI (Verband deutscher Flugsicherungstechniker und -ingenieure) waren, vermag den Organisationsbereich nicht auf deren Beschäftigungsbetriebe oder -unternehmen zu erstrecken, wenn in diesen keine Flugsicherungsleistungen erbracht werden. Dass vier Mitarbeiter der Vorfeldkontrolle Mitglied des VDF waren, hat keine Aussagekraft. Nach welchen Kriterien und satzungsmäßigen Voraussetzungen der VDF Mitglieder aufgenommen hat, kann nicht festgestellt werden. Die Begriffe "Flugleiter" und "Flugsicherung" decken sich jedenfalls nicht. Dass die Belastung und Beanspruchung der Aproncontroller und der Fluglotsen nach vom Verfügungsbeklagten in Auftrag gegebenen Untersuchung ähnlich ist, reicht nicht aus, den Begriff Flugsicherung mit einem anderen als dem üblicherweise verwendeten Sinngehalt zu versehen.

Dass es keinen neben der öffentlich-rechtlichen Ableitung stehenden arbeitsrechtlichen Begriff der Flugsicherung gibt, belegen auch die unterschiedlichen Ausbildungen. Für Fluglotsen gilt die Flugsicherungsausbildungsverordnung (Verordnung über das erlaubnispflichtige Personal der Flugsicherung und seine Ausbildung ) vom 7. Juli 1999. Nach dessen § 1 ist die Ausbildung des nach § 4 Abs. 5 LuftVG erlaubnispflichtigen Flugsicherungspersonals nach Maßgabe dieser Verordnung durchzuführen. In der Aufzählung des erlaubnispflichtigen Personals in § 2 der Verordnung sind die Vorfeldlotsen nicht genannt. Die Prüfung wird nach § 14 vor einem Prüfungsausschuss abgelegt, dessen Mitglieder vom Luftfahrtbundesamt berufen werden. Dagegen werden die Aproncontroller bei der Verfügungsklägerin intern geschult. Die Fluglotsen müssen außerdem andere medizinische Voraussetzungen mit sich bringen, die für die Aproncontroller nicht gelten (Requirements for European Class 3 Medical Certification of Air Traffic Controllers, Bl. 356 ff. d. A.).

Dem Verfügungsbeklagten ist darin Recht zu geben, dass der Organisationsbereich der Gewerkschaft nicht durch eine Betriebsabsprache zwischen der Verfügungsklägerin und der C bestimmt werden kann. Die Regelungen über die örtliche Abgrenzung von Vorfeld und Rollfeld und der Abgrenzung von Zuständigkeiten zwischen der Verfügungsklägerin und der C greifen hier jedoch nicht in die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Koalitionsfreiheit ein. Sie ändern nichts daran, dass die Vorfeldlotsen für das Vorfeld und die C-Lotsen für das Rollfeld zuständig sind.

Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch die Historie des Verfügungsbeklagten. Er gründete sich im Juli 2003 und hatte anfangs etwa 1.700 Mitglieder, die als Fluglotsen bei der C beschäftigt waren. Insgesamt beschäftigte die C 1.800 Fluglotsen, rund 330 Fluglotsen waren außerhalb der C beim LBA oder bei regionalen Flughäfen beschäftigt. In der Schilderung ihrer Historie erwähnte sie hinsichtlich ihrer Mitglieder den Bereich der Vorfeldlotsen nicht, sondern nur die Fluglotsen.

Der Erlass der einstweiligen Verfügung ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin nach §§ 935, 940 ZPO geboten. Der Streik einer Schicht der Vorfeldlotsen würde den Flughafen je nach Streikdauer teilweise oder komplett stilllegen. Die zwangsweise ausgefallenen Flüge können nicht nachgeholt werden. Die damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Belastungen und Eingriffe in den Flugverkehr mit Auswirkungen, die über Deutschland hinausgehen, muss die Verfügungsklägerin angesichts der Rechtswidrigkeit eines Arbeitskampfes des Verfügungsbeklagten im Bereich der Vorfeldkontrolle auch nicht vorübergehend hinnehmen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der unterlegene Verfügungsbeklagte nach § 91 Abs. 1 ZPO.

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben, § 72 Abs. 4 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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