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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 9 TaBV 126/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 40 Abs. 1
BetrVG § 80 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. März 2008 - 6 BV 41/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beteiligten zu 2 (Arbeitgeberin), den Betriebsrat von der Zahlung von Anwaltskosten freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat mit einer Pensionskasse einen Vertrag über die betriebliche Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer abgeschlossen. Der im Betrieb gebildete Wirtschaftsausschuss befürchtete dadurch finanzielle Nachteile für die Beschäftigten. Er bat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 5. Juli 2007 um weitere Informationen. Die von der Arbeitgeberin erteilten Auskünfte hielt der Betriebsrat nicht für ausreichend, weshalb er am 5. Aug. 2007 beschloss, Rechtsanwalt A mit der Durchsetzung der Interessen der Mitarbeiter bezüglich der betrieblichen Entgeltumwandlung zu beauftragen und einen Kostenbeschluss nach § 40 BetrVG herbeizuführen. Die Arbeitgeberin lehnte eine Kostenübernahme ab. Rechtsanwalt A berechnete für eine Erstberatung EUR 249,90. Die Arbeitgeberin beglich die an sie weitergeleitete Rechnung nicht.

Der Betriebsrat hat die Beauftragung von Rechtsanwalt A für erforderlich gehalten, weil es seine gesetzliche Aufgabe sei, die Problematik rechtlich klären zu lassen. Im Hinblick auf die vertragsrechtliche und wirtschaftliche Situation im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung seien auch weitere anwaltliche Tätigkeiten erforderlich. Die Arbeitgeberin habe bei der Auswahl der Versicherung Sorgfaltspflichten verletzt, woraus sich Ansprüche der Arbeitnehmer ergeben könnten, was wiederum zur Belastung des Troncs führen könnte, aus dem die betriebliche Altersversorgung finanziert würde. Es handele sich um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihn von den Kosten des Rechtsanwalts A gemäß Rechnung vom 28. Aug. 2007 in Höhe von EUR 249,90 freizustellen;

2. ihn von den durch die weitere, über die Erstberatung hinausgehenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts A freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung gewesen, ein Freistellungsanspruch bestünde schon deshalb nicht, weil die Wahl eines Versicherungsunternehmens für die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nicht zum Themenkatalog des § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG gehöre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Anträge durch Beschluss vom 19. März 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag zu 2) sei mangels Bestimmtheit unzulässig, der Antrag zu 1) unbegründet, da eine Erstberatung durch Rechtsanwalt A nicht erforderlich gewesen sei.

Gegen den ihm am 17. April 2008 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 19. Mai 2008 Beschwerde eingelegt und diese am 13. Juni 2008 begründet.

Der Betriebsrat meint, ein Freistellungstatbestand nach § 40 Abs. 1 BetrVG sei gegeben. An die Frage der Erforderlichkeit dürften keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, da der Betriebsrat nicht in der Lage sei, versicherungsrechtliche Probleme zu lösen. Es hätte für die Arbeitgeberin die Möglichkeit bestanden, auf die Anfrage des Betriebsrats sinnvoll zu reagieren, etwa indem die Angelegenheit bis zur anstehenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. einerseits LAG München Urteil vom 15. März 2007 - 4 Sa 1152/06 - NZA 2007, 813, Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 3 AZR 376/07; andererseits LAG Köln Urteil vom 13. Aug. 2008 - 7 Sa 454/08 - Juris, Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 3 AZR 17/09) ausgesetzt oder seitens der Arbeitgeberin mit der Versicherung eine Absprache getroffen wird, dass für den Fall der rechtskräftigen Klärung der maßgeblichen Rechtsfrage eine Anpassung der Vereinbarung erfolge, so dass die Arbeitnehmer keine Nachteile erlitten. Man könne den Betriebsrat bei Vereinbarungen mit einer Versicherung über eine arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung nicht einfach außen vor lassen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. März 2008 - 6 BV 41/07 - abzuändern und

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihn von den Kosten des Rechtsanwalts A gemäß Rechnung vom 28. Aug. 2007 in Höhe von EUR 249,90 freizustellen;

2. ihn von Kosten, die durch die weiteren, über die Erstberatung hinausgehenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts A entstehen, in Höhe von EUR 6.033,06 freizustellen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin meint, schon die Forderung sei nicht nachvollziehbar. Der von Rechtsanwalt A zugrunde gelegte Gegenstandswert von EUR 817.415,- sei überhöht. Ein Freistellungsanspruch bestünde aber vor allem nicht, weil der Betriebsrat nicht der Prozessstandschafter der Arbeitnehmer sei. Es sei Sache der einzelnen Arbeitnehmer, ihre Rechte zu wahren. Es finde sich in der Korrespondenz des Betriebsrats kein Hinweis, was er damit meine, es müssten rechtliche Schritte unternommen werden, "um fristwahrend die Positionen offen zu halten."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 20. Nov. 2008 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Anträge des Betriebsrats sind nicht begründet. Ein Anspruch des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG auf Freistellung von der Vergütungsforderung des Rechtsanwalts A vom 28. Aug. 2007 in Höhe von EUR 249,90 (Bl. 11 ff. d. A.) und von weiteren Kosten für darüber hinausgehende Tätigkeiten besteht nicht. Soweit der Betriebsratsbeschluss vom 5. Aug. 2007 seinem Wortlaut nach dahingehend zu interpretieren ist, dass Rechtsanwalt A "mit der zivil- und strafrechtlichen Durchsetzung der Interessen der Mitarbeiter bezüglich der betrieblichen Entgeltumwandlung / Wertgleichheit" beauftragt werden sollte, ist von erforderlichen Betriebsratskosten im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG nicht auszugehen. Der Betriebsrat hat kein Mandat zur Geltendmachung von individualrechtlichen Ansprüchen. Diese kann der Betriebsrat nicht im eigenen Namen geltend machen. Das Betriebsverfassungsgesetz hat ihm nicht die Rolle eines gesetzlichen Prozessstandschafters zugewiesen. Dementsprechend darf der Individualrechtsschutz nicht auf das Verhältnis Arbeitgeber/Betriebsrat verlagert werden. Die Arbeitnehmer können nicht die Kosten für die Geltendmachung ihrer Individualrechte durch Einschaltung des Betriebsrats auf den Arbeitgeber abwälzen (BAG Beschluss vom 18. Mai 2005 - 3 ABR 21/04 - EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 11; BAG Beschluss vom 17. Juni 2003 - 3 ABR 43/02 - EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 40; BAG Beschluss 18. April 1989 - 1 ABR 3/88 - EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 35; Kammerbeschluss vom 18. Mai 2006 - 9 TaBV 185/05 - n.v.).

Soweit der Betriebsratsbeschluss dahingehend zu interpretieren ist, dass der Betriebsrat Rechtsanwalt A zur Wahrnehmung eigener Interessen bzw. des Wirtschaftsausschusses (§ 108 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) beauftragt hat, besteht ebenfalls kein Anspruch auf Freistellung von der Anwaltsvergütung, weil es an einer Vereinbarung mit der Beteiligten zu 2) nach § 80 Abs. 3 BetrVG fehlt. Die Rechnung von Rechtsanwalt Dr. A vom 28. Aug. 2007 bezieht sich auf eine Erstberatung. Bei der Vergütung für eine Beratung handelt es sich um Sachverständigenkosten im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG, über die der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber zuvor eine Einigung herbeizuführen hat. Ein Rechtsanwalt, der vom Betriebsrat zur Beratung hinzugezogen wird, handelt als Sachverständiger im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG. Die dabei entstehenden Kosten sind nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG erstattungsfähig. Entspricht die Heranziehung einer sachkundigen Person nicht den besonderen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, kann die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für den in dieser Vorschrift geregelten Sachverhalt nicht auf § 40 Abs. 1 BetrVG gestützt werden. Ob ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Interessen des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG oder als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG beauftragt wird, hängt von der Art seiner Tätigkeit ab. Entscheidend ist, ob der Anwalt vom Betriebsrat zumindest auch zur Vorbereitung eines Rechtsstreits, zur Wahrung und Verteidigung von Rechten des Betriebsrats oder allein deshalb beauftragt wird, um ihm notwendige Rechtskenntnisse zu vermitteln, die er - unabhängig von einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber - für seine Betriebsratsarbeit benötigt oder die für ihn zur Bewältigung seiner Aufgaben erforderlich sind (BAG in st.Rspr., etwa Beschlüsse vom 15. Nov. 2000 - 7 ABR 24/00 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 92, und vom 12. Aug. 1982 - 6 ABR 95/79 - Juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschlüsse vom 20. Juli 1999 - 3 TaBV 16/99 - LAGE § 40 BetrVG 1972 Nr. 63 a, und vom 31. März 1998 - 3 TaBV 58/97 a). Hier ist nicht ersichtlich, dass Rechtsanwalt Dr. A zur Einleitung eines betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahrens tätig werden sollte. Dies ergibt sich aus dem Betriebsratsbeschluss vom 5. Aug. 2007 nicht. Zur Abgrenzung einer gutachterlichen Rechtsberatung im Sinne von § 80 Abs. 3 BetrVG ist jedoch ein Betriebsratsbeschluss mit dem Inhalt erforderlich, der Anwalt solle beauftragt werden, ein betriebsverfassungsrechtliches Beschlussverfahren einzuleiten, wenn dieses Erfolg verspricht. Das muss vor der Beauftragung feststehen, denn wenn sich erst aus einer vom Betriebsrat beschlossenen gutachterlichen Beratung eine konkrete Maßnahme ergibt, muss der Betriebsrat einen erneuten Beschluss über die Durchführung der empfohlenen Maßnahme herbeiführen. Nur ein Beschluss über die Beauftragung des Rechtsanwaltes zur Durchführung eines betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahrens kann dann auch die Grundlage für die Schaffung der Voraussetzungen für dieses Verfahren sein. Dass es dem Betriebsrat um eine Beratung ging, führt er selbst in der Beschwerdebegründung auf Seite 3 aus (Beantwortung versicherungsrechtlicher Problemfragen). Dass er ein Mandat zur Einleitung eines Verfahrens noch nicht erhalten hatte, bestätigt letztendlich auch Rechtsanwalt A auf Seite 3 unten seiner Rechnung. Reicht die bisherige Beschlussfassung nach Prüfung durch den Rechtsanwalt nicht aus, muss er den Betriebsrat veranlassen, eine entsprechende klare Beschlussfassung herbeizuführen, denn diese ist Grundlage für seinen Anspruch aus § 40 Abs. 1 BetrVG auf Zahlung seiner Gebühren.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG nicht.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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