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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 18.09.2003
Aktenzeichen: 9 TaBV 174/02
Rechtsgebiete: BetrVG, WO 2001


Vorschriften:

BetrVG § 19
WO 2001 § 7 Abs. 2 Satz 2
Der Wahlvorstand verletzt seine Prüfungspflicht in zur Wahlanfechtung berechtigender Art und Weise, wenn er bei am 11. März 2002 ablaufender Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen seine nächste Sitzung am 4. Febr. 2002 auf den 12. März 2002 anberaumt und so einen am 7. März 2002 eingereichten Wahlvorschlag nicht mehr unverzüglich prüfen und den Listenvertreter nicht mehr informieren kann. Ein Wahlvorstand muss Vorkehrungen für eine beschlussfähige Sitzung rechtzeitig vor Ablauf der Einreichungsfrist treffen, weil in dieser Zeit vermehrt mit der Einreichung von - auch ungültigen - Wahlvorschlägen zu rechnen ist.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Beschluss

Aktenzeichen: 9 TaBV 174/02

Verkündet laut Protokoll am 18. September 2003

In dem Beschlussverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 9 in Frankfurt am Main auf die mündliche Anhörung vom 18. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am LAG Bram als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Minte und Hinkelbein als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 15) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2002 - 13 BV 216/02 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Rechtswirksamkeit einer vom 8. bis 12. April 2002 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die Beteiligten zu 1) bis 11) sind wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin. Insgesamt sind dort etwa 13.500 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Wahlvorstand wurde am 18. Okt. 2001 bestellt. In der fünften Sitzung am 5. Febr. 2002 erfolgt die Beschlussfassung über das Wahlausschreiben (Bl. 34 ff. d. A.), das am 25. Febr. 2002 ausgehängt worden ist. Es nannte als Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen Montag, den 11. März 2002, 16 Uhr, im Wahlbüro. In der Sitzung vom 4. Febr. 2002 beraumte der Wahlvorstand seine nächste Sitzung auf den 12. März 2002 an. Die Bekanntmachung der Wahlorte in der Fassung vom 27. März 2002 (Bl. 37 ff. d. A.) enthielt gegenüber der Fassung vom 18. März 2002 einen früheren Zeitpunkt für den Schluss der Stimmabgabe. Vom 8. bis 12. April 2002 fanden im Betrieb des Arbeitgebers Betriebsratswahlen statt. Das Wahlergebnis wurde am 26. April 2002 bekannt gemacht (Bl. 61 ff. d. A.). Der gewählte Betriebsrat hat 39 Mitglieder.

Der Beteiligte zu 13) war Listenführer der Vorschlagsliste "Transparenz". Er hat diese mit 188 Stützunterschriften am Donnerstag, den 7. März 2002, gegen 13.30 Uhr beim Wahlvorstand eingereicht. Auf die Bestätigung des Wahlvorstands wird Bezug genommen (Bl. 58 d. A.). Die Blätter mit den Stützunterschriften waren mit dem Wahlvorschlag durch Büroklammern zusammengeheftet und wurden in einer Klarsichthülle auf einem Klemmbrett eingereicht. Der Name der Beteiligten zu 14) war auf der Vorschlagsliste handschriftlich eingetragen. Mit Schreiben vom 12. März 2002 (Bl. 59 d. A.), welches auf dem Poststempel das Datum 14. März 2002 trägt und dem Listenführer am 15. März 2002 zuging, wies der Wahlvorstand den Wahlvorschlag zurück, weil er keine einheitliche Dokumentation der Kandidaten und Stützungsunterschriften darstelle und die Bewerberin Nr. 7 handschriftlich eingetragen sei. Somit bestünden Zweifel, ob bei Unterschriftensammlung den Unterstützern die gesamte Vorschlagsliste bekannt gewesen sei. Dem widersprach der Beteiligte zu 14) mit Schreiben vom 17. März 2002 (Bl. 60 d. A.). Die Wahl wurde ohne den Wahlvorschlag "Transparenz" durchgeführt. Das Büro des Wahlvorstandes befindet sich einige Räume neben der Abteilung des Beteiligten zu 12).

Am 22. April 2002 fanden sich in einem Container in den Räumen des Betriebsrats mit zur Vernichtung bestimmten Schriftstücken 33 Wahlumschläge mit angekreuzten Stimmzetteln, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte.

Die Beteiligten zu 1) bis 11) haben die Betriebsratswahl mit ihrem am 26. April 2002 per Telefax eingereichten Antrag für unwirksam gehalten, weil die Wahlbekanntmachung in der Fassung vom 27. März 2002 (Bl. 37, 38 d. A.) hinsichtlich des früheren Zeitpunkts für den Schluss der Stimmabgabe nicht alle Arbeitnehmer erreicht hätte, insbesondere nicht die Briefwähler. Einige Arbeitnehmer seien noch nach 13 Uhr in den Wahllokalen erschienen und hätten wählen wollen, seien jedoch zur Stimmabgabe nicht zugelassen worden. Sie haben ferner beanstandet, dass zwei Listen in der Bekanntmachung der Wahlvorschläge nicht richtig bezeichnet worden seien, weil der "V"-Zusatz gefehlt hätte, und dass eine mehrfache Stimmabgabe möglich gewesen sei, weil die Stimmabgabe nicht ausreichend kontrolliert worden sei, dass die Wahllokale nicht immer der Wahlordnung entsprechend besetzt gewesen seien, dass ein Wahllokal und die Wahlurnen über Nacht nicht hinreichend gesichert und die Schlüssel hierzu nicht ordnungsgemäß verwahrt worden seien, dass am 12. April 2002 im Auditorium mit der Auszählung begonnen worden sei, bevor die Öffentlichkeit zugelassen worden sei, und dass eine Wahlurne in einem mobilen Wahllokal in Abwesenheit eines Mitglieds des Wahlvorstands umgeschüttet worden sei. Die Beteiligten zu 1) bis 11) sind der Auffassung gewesen, der Wahlvorstand habe offensichtlich keine Vorkehrungen getroffen, um kurzfristig vor Ablauf der Einreichungsfrist eingereichte Vorschlagslisten prüfen zu können.

Die Beteiligten zu 12) bis 14), ebenfalls wahlberechtigte Arbeitnehmer, haben die Wahl mit am 8. Mai 2003 eingereichtem Antrag angefochten. Sie waren Bewerber für die Betriebsratswahl auf der Vorschlagsliste "Transparenz". Sie tragen vor, die Stützunterschriften seien auf dem Klemmbrett geleistet worden.

Der Name der Beteiligten zu 14) sei nachträglich, aber vor der Unterschriftsleistung sämtlicher Unterstützer auf die Vorschlagliste gesetzt worden, da diese sich nachträglich beworben hätte. Der Listenvertreter habe den Namen lediglich nicht mühsam mit Schreibmaschine einfügen wollen (Beweis: Zeugnis R u.a.). Erst nach dem handschriftlichen Eintrag habe er in seiner Abteilung im Spät-, Nacht- und Frühdienst Unterschriften gesammelt.

Der Wahlvorstand hätte den Wahlvorschlag nicht unverzüglich geprüft und den Listenvertreter nicht unverzüglich unterrichtet. Bei rechtzeitiger Prüfung durch den Wahlvorstand wäre es dem Listenvertreter noch möglich gewesen, die Liste innerhalb der Einreichungsfrist mängelfrei einzureichen. In einem Unternehmen wie der Beteiligten zu 16) werde an jedem Tag der Woche gearbeitet, so dass jeder Tag als Arbeitstag im Sinne der Wahlordnung anzusehen sei.

Die Beteiligten zu 1) bis 11) und 12) bis 14) haben beantragt,

die Betriebsratswahl vom 8. bis 12. April 2002 für unwirksam zu erklären. Die Beteiligten zu 12) bis 14) haben vorsorglich erklärt, sich dem Antrag der Beteiligten zu 1) bis 11) anzuschließen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. den Antrag der Beteiligten zu 1) bis 11) zurückzuweisen,

2. den Antrag der Beteiligten zu 12) bis 14) als unzulässig abzuweisen,

3. den vorsorglichen Antrag der Beteiligten zu 12) bis 14) als unzulässig abzuweisen.

Die Beteiligte zu 16) hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat ist der Ansicht gewesen, die Betriebsratswahl sei nicht zu beanstanden. Die unterschiedliche Angabe der Schließung der Wahllokale hätte insbesondere für die Briefwähler keine Relevanz gehabt. Weitere "V"-Listen habe es nicht gegeben. Die Wahlausweise seien in die Potsfächer aller Mitarbeiter verteilt worden. Eine zwei- oder mehrfache Stimmabgabe sei nicht möglich gewesen. Sämtliche Stimmabgaben einschließlich der Briefwähler seien in der Zentrale des Wahlvorstands registriert worden. Es sei ein Abgleich vorgenommen worden. Die mobilen Wahllokale seien immer ordnungsgemäß besetzt gewesen. Die Wahlurnen seien durch Schlösser gesichert und die Schlüssel sicher aufbewahrt worden. Die Wahlurnen seien auch ordnungsgemäß versiegelt worden. Eine Wahlurne in einem mobilen Wahllokal sei im Beisein des beschlussfähigen Wahlvorstandes umgeschüttet worden, weil sie voll gewesen sei. Welche Bewandtnis es mit den aufgefundenen 33 Stimmzettel habe, sei nicht nachvollziehbar. Die Liste "Transparenz" habe nicht den Anforderungen einer festen Verbindung zwischen Liste und Stützunterschriften entsprochen. Der Wahlvorstand habe den Wahlvorschlag rechtzeitig, nämlich binnen drei Arbeitstagen geprüft. Es sei für den aus neun Mitgliedern bestehenden Wahlvorstand nicht möglich gewesen, vor Dienstag, dem 12. März, zusammenzutreten. Nur ein Teil der Mitarbeite arbeitete im Schichtdienst und an den Wochenenden. Auf diesen Tag hätte der Wahlvorstand seinen ersten und einzigen Termin zur Überprüfung der eingereichten Wahlvorschläge festgesetzt. Vorher habe kein Termin stattgefunden und sei auch kein Termin angesetzt worden. Der Vorsitzende des Wahlvorstandes arbeite nur von montags bis freitags.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem Antrag durch Beschluss vom 26. Sept. 2002 - 13 BV 216/02 - stattgegeben. Es hat angenommen, die Wahlanfechtung sei begründet, weil der Wahlvorstand seine Pflicht zur unverzüglichen Prüfung nach § 7 Abs. 2 WO verletzt hätte, da er die Prüfung des am 7. März gegen 13.30 Uhr eingereichten Wahlvorschlags "Liste Transparenz" erst am 12. März vorgenommen hätte. Er hätte keine ausreichenden Vorkehrungen zur fristgerechten Prüfung getroffen. Außerdem sei die Wahl ungültig, weil eine Urne geöffnet und umgefüllt worden sei, ohne dass die Öffentlichkeit hergestellt worden sei.

Gegen diesen ihm am 19. Nov. 2002 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 11. Dez. 2002 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 28. Febr. 2003 per Telefax am 27. Febr. 2003 begründet.

Der Betriebsrat rügt, aus dem arbeitsgerichtlichen Beschluss sei nicht erkennbar, aufgrund welchen Antrags welcher der Beteiligten die Wahl für ungültig erklärt worden sei. Er ist der Auffassung, der Wahlvorstand habe seine Prüfungspflicht nicht schuldhaft verletzt. Als Arbeitstage im Sinne des § 7 Abs. 2 WO seien nur die Tage von Montag bis Freitag anzusehen, so dass die Frist mit dem 11. März abgelaufen sei. Aber auch bei einer früheren Rückgabe, sei es dem Beteiligten zu 12) faktisch nicht mehr möglich gewesen, einen erneuten Wahlvorschlag mit der notwendigen Anzahl von Stützunterschriften einzureichen. Der Betriebsrat behauptet weiterhin, eine frühere Sitzung des Wahlvorstandes sei nicht möglich gewesen (Beweis: Zeugnis W und S). Die Mitglieder des Wahlvorstandes seien in völlig unterschiedlichen Schichten und Schichtsystemen tätig. Der Versuch, eine frühere Sitzung zu koordinieren, sei gescheitert, weil aufgrund der Abwesenheit von Wahlvorstandsmitgliedern eine beschlussfähige Sitzung nicht habe einberufen werden können. Der Wahlvorstand sei hinsichtlich der Frage der Urkundenqualität des Wahlvorschlags "Liste Transparenz" allein nicht in der Lage gewesen, eine richtige Antwort zu geben.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Sept. 2002 - 13 BV 216/02 - die Anträge abzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) bis 11) und 12) bis 14) und 16) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) bis 11) meinen, ein Wahlvorstand, der wie hier bereits auf einer Sitzung vor Aushängung des Wahlausschreibens, nämlich am 4. Febr. 2002, beschließe, die Sitzung zur Prüfung der Wahlvorschläge erst am Tag nach Ablauf der Einreichungsfrist stattfinden zu lassen, verstoße gegen seine Pflichten aus § 7 Abs. 2 Satz 2 WO. Es werde dadurch von Vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen, ungültige Wahlvorschläge noch so rechtzeitig zurückzureichen, dass Mängel abgestellt oder neue Vorschläge eingereicht werden könnten. Gegebenenfalls müssten von Vornherein Sitzungen in den letzten Tagen vor Ablauf der Einreichungsfrist anberaumt werden. Der Mangel der Liste sei zudem ohne weiteres erkennbar gewesen.

Die Beteiligten zu 12) bis 14) verteidigen den angefochtenen Beschluss. Sie tragen ergänzend vor, der Beteiligte zu 13) habe am 7. März 2002 den Wahlvorstandsvorsitzenden Herr W sprechen wollen. Der Wahlhelfer Herr B und die Sekretärin Frau K hätten ihm mitgeteilt, Herr W sei am Donnerstag und Freitag noch in Urlaub und erst am Montag wieder zu sprechen. Indem der Wahlvorstand keine Prüfungstermine festgesetzt und insoweit auch keine Planung vorgenommen habe, habe er sich eine unverzügliche Prüfung von Vornherein unmöglich gemacht. Selbst wenn der Beteiligte zu 13) erst am 11. März 2002 gegen 13 Uhr über den ungültigen Wahlvorschlag informiert worden wäre, hätte er bis zum Fristablauf um 16 Uhr noch einen gültigen neuen Wahlvorschlag einreichen können. In der Zeitspanne von 13. 50 Uhr bis 14.15 Uhr sei Schichtwechsel. 115 Mitarbeiter beendeten ihre Schicht und 70 Mitarbeiter begönnen sie. Außerdem wechselten 25 Schichtleiter ihre Schichten. Die notwendigen 50 Stützunterschriften hätte er bis 16 Uhr zusammen bekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 18. Sept. 2003 verwiesen.

Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl zu Recht für unwirksam gehalten. Beschwerdegegner sind die Beteiligten zu 1) bis 11) und 12) bis 14), auch wenn in den Beschlussgründen nicht ausdrücklich ausgeführt wird, wessen Antrag stattgegeben worden ist. Dies ist bei einfachen Streitgenossen (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 59, 61 ZPO) erforderlich, weil diese dem Anfechtungsgegner als einzelne gegenüberstehen und die Entscheidungen gegenüber jedem Streitgenossen unterschiedlich ausfallen können. So kann es einem Antrag an den formalen Anfechtungserfordernissen ermangeln, während ein anderer zulässig und begründet ist, oder ein Antrag sich auf tragende Anfechtungsgründe stützen können, während dies bei einem anderen nicht der Fall ist. Die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe sind aber dahingehend auslegungsfähig, dass das Arbeitsgericht die Wahl aufgrund beider Anfechtungsanträge für ungültig angesehen hat. Dies ergibt sich unter II. einleitend daraus, dass die Anträge beider Anfechtungsgruppen für zulässig angesehen werden und daraus, dass die Entscheidung zum Einen auf den Anfechtungsgrund "verspätete Rückgabe der Liste Transparenz" gestützt wird, den zunächst nur die Beteiligten zu 12) bis 14) vertreten und den sich die Beteiligten zu 1) bis 11) erst später zu eigen gemacht haben, und zum anderen auf den Anfechtungsgrund "Umfüllen der Wahlurne ohne Herstellung der Öffentlichkeit", den nur die Beteiligten zu 1) bis 11) vorgetragen haben. Die Zurückweisung der Beschwerde bezieht sich auf die Stattgabe beider Anfechtungsanträge.

Das Arbeitsgericht hat die Wahl zu Recht für ungültig angesehen. Der Wahlvorschlag "Liste? Transparenz" war ungültig. Bewerberliste und Stützunterschriften müssen zu einer einheitlichen Urkunde verbunden und gegen Trennung gesichert sein. Sie müssen mindestens durch Heftklammern zusammengeheftet werden. Büroklammern und Klemmbrett und Klarsichthülle reichen nicht aus (ebenso Hess. LAG Beschl. vom 21. Aug. 2003 - 9 Ta BV 191/02 -; Hess. LAG Beschluss vom 28. Jan. 2002 - 9 Ta BV Ga 7/02 -; Hess. LAG Beschluss 16. März 1987 - 12 Ta BV Ga 29/87 - NZA 1987, 572; LAG Bremen Beschl. vom 26. März 1998 - 1 Ta BV 9/98 - NZA-RR 1998, 401; LAG Hamm Beschluss vom 24. Mai 2002 - 10 Ta BV 63/02 - Juris; LAG Nürnberg Beschluss vom 13. März 2002 - 2 Ta BV 13/02 - AuR 2002, 238; LAG Saarland Beschl. vom 30. Okt. 1995 - 2 Ta BV 2/95 - NZA-RR 1996, 172).

Ein wesentlicher Verfahrensfehler liegt darin, dass der. Wahlvorstand die Vorschlagsliste "Transparenz" nicht unverzüglich im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 WO 2001 geprüft und den Listenvertreter nicht rechtzeitig unterrichtet hat. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 WO 2001 hat der Wahlvorstand die eingereichte Vorschlagsliste unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Auch wenn die Wahlordnung bestimmt, dass die Vorschlagsliste möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang zu prüfen ist, so ist damit nicht jede innerhalb der zwei Tage vorgenommene Prüfung unverzüglich. Die Fristbestimmung dient dazu, dass Einreicher ungültiger Vorschlagslisten dies noch so rechtzeitig erfahren, dass sie innerhalb der Einreichungsfrist unter Umständen eine gültige Vorschlagsliste nachreichen können. Soweit die Vorschlagsliste unverzüglich zu prüfen ist, kann von der gesetzlichen Definition des § 121 Satz 1 BGB für die Anfechtung einer Willenserklärung ausgegangen werden, wonach "unverzüglich" mit "ohne schuldhaftes Zögern" gleichzusetzen ist. Es ist die Pflicht des Wahlvorstandes, im Rahmen der ihm aufgetragenen unverzüglichen Prüfung, diese so vorzunehmen, dass eine Heilung des Mangels in Form der Einreichung einer neuen Liste vor Ablauf der Frist nach Möglichkeit noch gegeben ist. Die Pflicht zur unverzüglichen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO erfordert Vorkehrungen des Wahlvorstandes für seine Handlungsfähigkeit, insbesondere in der Endphase der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen (GK-BetrVG/Kreutz/Oetker, 7. Aufl., § 7 WO Rz. 8).

Geht die Vorschlagsliste kurz vor Ablauf der Frist ein, so tragen die Einreicher aufgrund der eigenen späten Einreichung das Risiko, dass die Frist im Falle einer fehlerhaften Liste nicht mehr gewahrt werden kann. Rechtmäßig wäre die Zurückweisung eines Wahlvorschlages etwa dann, wenn dieser am letzten Tag der Einreichungsfrist gegen Arbeitsschluss (17.42 Uhr) eingereicht wird (LAG Düsseldorf Beschl. vom 13. Sept. 1998 - 16(17) Ta BV 42/88 - Juris). Der Wahlvorstand bestand in diesem Fall aus sieben Mitgliedern. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlages hatte die Verwaltung des Arbeitgebers bereits Dienstschluss. Selbst nach einer unverzüglichen Beratung und Benachrichtigung wäre es kaum gelungen wäre, die nötige Anzahl der Stützunterschriften für eine neue Vorschlagsliste beizubringen, weil inzwischen die Arbeitszeit beendet war, so dass die Stützunterschriften an den Privatadressen hätten eingeholt werden müssen. Wenn der Wahlvorstand bei dem so prognostizierten Zeitablauf es für richtig gehalten hat, erst am nächsten Tag zusammenzutreten, so kann ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe die Zurückweisung der Liste schuldhaft verzögert.

Hier ist die Liste jedoch mehrere Tage vor Ablauf der Frist eingereicht worden, nämlich am 7. März 2002 gegen 13.30 Uhr, während die Frist am 11. März 2002 um 16.00 Uhr ablief. Der Wahlvorstand hatte über vier Kalendertage Zeit, den Wahlvorschlag, der unter einem offenkundigen Mangel litt, zu prüfen und den Listenvertreter zu benachrichtigen. Im Gegensatz zu dem vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 13. Sept. 1998 (a.a.O.) entschiedenen Fall wäre es hier bei einer unverzüglichen Unterrichtung des Listenvertreters auch nicht auszuschließen gewesen, dass dieser eine neue Liste noch rechtzeitig hätte einreichen können (vgl. LAG Düsseldorf Beschluss vom 25. März 2003 - 8 Ta BV 70/02 - Juris). In seiner Entscheidung vom 25. März 2003 (a.a.O.) hat das LAG Düsseldorf eine Pflichtverletzung des Wahlvorstandes bereits darin gesehen, dass dieser bei Fristablauf am 4. April 2002, 16 Uhr, einen am 3. April 2004 gegen Mittag eingereichten Wahlvorschlag erst am 5. April 2002 überprüft hat. In diesem Sinne hat auch das LAG Nürnberg (Beschl. vom 13. März 2002 - 2 Ta BV 13/02 - AuR 2000, 238; Juris) entschieden, dass die Prüfung der Wahlvorschläge jedenfalls dann unverzüglich im Sinne des § 7 Abs. 2 WO sei, wenn die Prüfung noch am Tag der Einreichung der Wahlvorschläge erfolge. Das LAG Hamm (Beschluss vom 24. Mai 2002 - 10 Ta BV 63/02 - Juris) hat es nicht als einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 WO angesehen, dass der Wahlvorstand eine am letzten Tag der Frist eingereichte Liste erst am nächsten Tag geprüft hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 10. Dez. 1992 (- 18 P 92.2709 - PersR 1993, 336; Juris) entschieden, der Personalrat müsse sich am letzten Tag der Einreichung von Wahlvorschlägen bis zum Ende der üblichen Dienstzeit beschlussfähig halten. Sei er das nicht, liege ein Verstoß gegen die Wahlordnung vor.

Auch im vorliegenden Fall hätte der Wahlvorstand Vorsorge für eine Sitzung in den Tagen vor Ende der Einreichungsfrist treffen müssen. Indem er bereits am 4. Febr. 2002 die nächste Sitzung auf den 12. März 2002 anberaumt hat, hat er sich gezielt außer Stande gesetzt, Wahlvorschläge unverzüglich zu prüfen und die Listenführer zu informieren. Dass eine beschlussfähige Sitzung eines Wahlvorstandes mit 9 Mitgliedern nicht mehr zusammen zu bekommen ist, wenn mit den Einladungen kurz vor Ende der Einreichungsfrist begonnen wird, liegt auf der Hand. Der Wahlvorstand muss damit rechnen, dass vermehrt Wahlvorschläge in den letzten Tagen vor Ablauf der Einreichungsfrist eingereicht werden und diese auch ungültig sein können. Dazu müssen in dieser Zeit vorsorglich Sitzungen anberaumt werden. Abgesetzt für den Fall, dass sie nicht erforderlich sind, sind sie leicht.

Da nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, dass ein gültiger Wahlvorschlag nachgereicht werden konnte, so ist dies ein Wahlanfechtungsgrund im Sinne von § 19 BetrVG. Es kann nicht festgestellt werden, dass dieser Verstoß gegen das Wahlverfahren ohne Auswirkungen auf das Wahlergebnis geblieben ist. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn ein solcher Verstoß das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne Verstoß gegen wesentliche Vorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG Beschluss vom 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 39; BAG Beschluss vom 14. September 1988 - 7 ABR 93/87 - BAGE 59, 328 = AP BetrVG 1972 § 16 Nr. 1). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung entsprechender Vorschriften zum Wahlverfahren kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl. Eine solche Feststellung ist hier nicht möglich. Wäre der Listenvertreter über den Mangel des Wahlvorschlags am Freitag, den 8. März 2002, informiert worden, hätte er 50 Stützunterschriften mit einiger Sicherheit bis Monat, den 11. März 2002 noch zusammen bekommen. Selbst wenn er am Montagmittag informiert worden wäre, kann dies nicht ausgeschlossen werden.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 12 Abs. 5 ArbGG nicht.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG. Über die Auslegung des Begriffs "unverzüglich" im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz WO 2001 herrscht wie dargestellt in der Instanzrechtsprechung kein Streit.

Ende der Entscheidung

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