Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 18.11.2009
Aktenzeichen: 9 TaBV 39/09
Rechtsgebiete: BetrVG, VV RVG, RVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 40
BetrVG § 111 S. 2
BetrVG § 80 Abs. 3
VV RVG Nr. 2300
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
BGB § 398
Die Hinzuziehung eines Beraters (Rechtsanwalts) im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung nach § 111 Satz 2 BetrVG bedarf keiner Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nach § 80 Abs. 3 BetrVG.

Der Arbeitgeber muss die Kosten für die Hinzuziehung eines Beraters nur dann tragen, wenn dies erforderlich war, woran bei der Hinzuziehung des Beraters zu Interessenausgleichsverhandlungen kein Zweifel besteht.

Für eine beratende Tätigkeit im Sinne des § 111 Satz 2 BetrVG, in deren Rahmen der Anwalt an Interessenausgleichsverhandlungen teilnimmt, erhält er eine Geschäftsgebühr nach VV RVG 2300, keine Beratungsgebühr nach § 34 RVG (hier: 1,6).


Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2008 - 16 BV 655/08 - teilweise abgeändert:

Die Beteiligte zu 2) wird verurteilt, an den Beteiligten zu 1) € 2.161,99 (in Worten: Zweitausendeinhunderteinundsechzig und 99/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Die darüber hinausgehende Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für keine/n der Beteiligten zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1), der Fachanwalt für Arbeitsrecht ist, macht gegenüber der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin aus abgetretenem Recht Vergütungsansprüche aus einer Tätigkeit für den Betriebsrat geltend.

Durch Beschluss vom 28. Jan. 2008 beauftragte der Betriebsrat die Kanzlei A & B, an Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit der Beteiligten zu 2) wegen der beabsichtigten Verlegung der Niederlassung vom Standort C nach D teilzunehmen. Es fanden drei Verhandlungsrunden am 20. Febr., 3. und 31. März 2008 statt, an denen Rechtsanwalt B als Sachverständiger für den Betriebsrat teilnahm. Hierüber schlossen der Betriebsrat und die Rechtsanwaltskanzlei eine Honorarvereinbarung über ein Stundenhonorar in Höhe von EUR 250,- zzgl. Mehrwertsteuer (Bl. 7,8 d. A.).

Der Beteiligte zu 1) wurde darüber hinaus vom Betriebsrat beauftragt, die Arbeitgeberin aufzufordern, den geplanten Umzug vom Standort C zum neuen Standort ...straße in D nicht durchzuführen, ohne dass mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über den Arbeits- und Gesundheitsschutz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG abgeschlossen worden ist. Mit Schreiben vom 15. April 2008 forderte der Beteiligte zu 1) die Arbeitgeberin auf, Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG aufzunehmen und drohte ihr gleichzeitig an, es werde ein einstweiliges Verfügungsverfahren eingeleitet werden, wenn der Umzug gleichwohl von Statten gehen würde. Nachdem die Arbeitgeberin nach dem Scheitern der Verhandlungen mitgeteilt hatte, sie halte nach wie vor an dem Umzug fest, leitete der Beteiligte zu 1) für den Betriebsrat am 14. Mai 2008 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein, das auf Unterlassung des Umzugs gerichtet war (15 BVGa 354/08) und mit einem Vergleich endete. Bezüglich der außergerichtlichen Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erstellte der Beteiligte zu 1) unter dem 16. Mai 2008 eine Vergütungsrechnung auf der Basis eines Gegenstandswertes von € 200.000 und einer 1 ,8-Geschäftsgebühr gemäß VV RVG 2300 in Höhe eines Gesamtbetrages von € 3.913,67. Die Arbeitgeberin lehnte den Ausgleich der Kostennote ab.

Nach Abschluss der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen erstellte die Kanzlei die Kostennote vom 29. Mai 2008 über EUR 3.718,75. In Rechnung gestellt wurden 10 Stunden für die drei Verhandlungen und Fahrtzeit im Umfang von 2 Stunden 24 Minuten. Der Betriebsrat beschloss in seiner Sitzung vom 9. Juni 2008, seinen Kostenfreistellungsanspruch gegenüber der Arbeitgeberin bezüglich der Sachverständigentätigkeit an die Kanzlei A und B abzutreten. Bis zum 31. Dez. 2008 war der Beteiligte zu 1) alleiniger Inhaber der Kanzlei A. Rechtsanwalt B war bis zum 31. Dez. 2008 bei ihm angestellt. Mit Wirkung vom 1. Jan. 2009 haben beide eine Sozietät gegründet. Im Sozietätsvertrag ist vereinbart, dass sämtliche vor dem 31. Dez. 2008 entstandenen Vergütungsforderungen dem Beteiligten zu 1) zufließen. Vorsorglich hat Rechtsanwalt B die Zahlungsansprüche am 24. Aug. 2009 an den Beteiligten zu 1) abgetreten (Bl. 153 d. A.).

Der Beteiligte zu 1) hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergebe sich aus §§ 111 Satz 2, 40 BetrVG. Für den streitgegenständlichen Sachverhalt sei der Gebührentatbestand des § 34 RVG einschlägig. Diese Vorschrift sehe ausdrücklich vor, dass der Rechtsanwalt auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken solle. Demgegenüber habe er kein Geschäft des Betriebsrats im Sinne der VV RVG 2300 besorgt. Nach § 34 RVG werde das marktübliche Honorar nach § 612 Abs. 2 BGB geschuldet. Dieses sei mit einem Stundensatz von € 250,- netto zugrunde zu legen. Dieser Stundensatz sei für einen Rechtsanwalt im Rhein-Main-Gebiet angemessen. Er liege im unteren Bereich dessen, was üblicherweise im Rhein- Main-Gebiet von Rechtsanwälten gefordert werde (Beweis: Auskunft der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main).

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, an ihn € 3.718,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2008 zu zahlen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) ist der Ansicht gewesen, der Beteiligte zu 1) habe mit dem Betriebsrat keine Honorarvereinbarung über eine Stundenvergütung in Höhe von EUR 250,- abschließen dürfen. Eine Honorarzusage, welche zu einer höheren als der gesetzlichen Vergütung führe, dürfe der Betriebsrat regelmäßig nicht für erforderlich halten. Der Beteiligte zu 1) sei gehalten, für seine Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach VV RVG 2300 abzurechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem Antrag durch Beschluss vom 16. Dez. 2008 nach Einholung einer Auskunft bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beteiligte zu 1) habe einen Vergütungsanspruch aus §§ 398 BGB, 111 Satz 2, 40 BetrVG und könne für die Beratung des Betriebsrats im Zusammenhang mit den Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen auf der Grundlage des § 34 RVG abrechnen. Die Beratungstätigkeit gemäß § 111 Satz 2 BetrVG sei eine Beratung im Sinne des § 34 RVG. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Gegen den ihr am 18. Febr. 2009 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 26. Febr. 2009 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 19. Mai 2009 am 4. Mai 2009 begründet.

Die Arbeitgeberin meint, der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt sei rechtsfehlerhaft. Es habe verkannt, dass es für die Beauftragung eines Sachverständigen auf eine nähere Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG ankomme. Es bedürfe für den Anspruch des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines Sachverständigen einer formlosen "näheren Vereinbarung" mit dem Arbeitgeber hinsichtlich der Modalitäten, etwa der Person des Sachverständigen, seines Honorars und des Gegenstandes der Sachverständigentätigkeit. § 111 Satz 2 BetrVG beinhalte im zweiten und dritten Absatz Hinweise auf eine entsprechende Geltung des § 80 Abs. 4 BetrVG sowie darauf, dass § 80 Abs. 3 BetrVG im Übrigen unberührt bleibe. Von einer konkludenten Vereinbarung könne insbesondere nicht ausgegangen werden, wenn die Kosten nicht geklärt seien. Der Arbeitgeber sei zudem nur dann zur Tragung der durch die Heranziehung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten verpflichtet, wenn der Betriebsrat diese bei pflichtgemäßer Würdigung aller Umstände für erforderlich habe erachten können. Eine Honorarzusage, die zu einer höheren als der gesetzlichen Vergütung führe, insbesondere auch die Vereinbarung eines Zeithonorars, dürfe der Betriebsrat regelmäßig nicht für erforderlich halten. Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass § 34 RVG vorliegend keine Anwendung finde. Die Teilnahme an den Verhandlungsrunden mit der Beteiligten zu 2) sei nicht mehr nur die Erteilung eines Rates gegenüber dem Betriebsrat gewesen, sondern nach außen gerichtete Tätigkeiten, die mit einer Geschäftsgebühr nach VV RVG 2300 abzugelten sei. Einen Teil seiner Beratungstätigkeit habe der Beteiligte zu 1) zudem bereits im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Abschluss der Betriebsvereinbarung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG abgerechnet. Auch in dem dortigen Verfahren sei es um den beabsichtigten Umzug des Betriebes von C nach D gegangen. Die Auffassung, der Beteiligte zu 1) habe nicht in derselben Angelegenheit eine sonstige Gebühr verdient, sei unzutreffend.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dez. 2008 - 16 BV 655/08 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass er seinen Zahlungsanspruch auf § 34 RVG stützen könne und dass der in Ansatz gebrachte Stundensatz in Höhe von 250,- € netto angemessen sei. Im Rahmen des § 111 Satz 2 BetrVG bedürfe es keiner vorherigen Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG. Soweit die Arbeitgeberin die Auffassung vertrete, der Betriebsrat hätte sich durch einen Rechtsanwalt aus C vertreten lassen können, sei anzumerken, dass der Betriebsrat seit mehr als 10 Jahren mit dem Büro des Beteiligten zu 1) zusammenarbeite. Der Betriebsrat habe keinen Grund, diese Zusammenarbeit zu beenden, nur um einen in C ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Der Beteiligte zu 1) kenne sich zudem im Konzern der E AG und insbesondere bei der Arbeitgeberin sehr gut aus. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 34 RVG dem Rechtsanwalt die Verpflichtung auferlegt, eine Honorarvereinbarung zu treffen, ohne dass ein entsprechender Gegenstandswert zugrunde gelegt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 27. Aug. 2009 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, und hat auch teilweise in der Sache Erfolg.

Die Beschwerde ist begründet, soweit das Arbeitsgericht dem Beteiligten zu 1) einen höheren Betrag als EUR 2.161,99 zugesprochen hat. Wegen des übersteigenden Betrages ist der Antrag zurückzuweisen. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 111 Satz 2, 40 Abs. 1 BetrVG. Nach § 111 Satz 2 kann der Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen. Die Voraussetzungen des § 111 Satz 2 BetrVG liegen vor. Im Unternehmen der Arbeitgeberin sind weit über 300 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Umzug der Niederlassung von C nach D stellt als Betriebsverlegung eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG dar. Eine Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG ist in § 111 Satz 2 BetrVG nicht vorgesehen. Durch die Neufassung des § 111 Satz 2 BetrVG sollte der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, die Auswirkungen einer geplanten Betriebsänderung rasch zu erfassen und in kurzer Zeit mit Hilfe externen Sachverstands fundierte Alternativvorschläge vor allem für eine Beschäftigungssicherung so rechtzeitig zu erarbeiten, dass er auf die Entscheidung des Arbeitgebers noch Einfluss nehmen kann (BT-Drucks. 14/5741 S. 51 f.; ebenso Kammerbeschluss vom 19. Febr. 2004 - 9 TaBV 95/03 - LAGE § 40 BetrVG 2001 Nr. 5 = Juris; LAG München Beschluss vom 10. Mai 2007 - 2 TaBV 36/06 - ZIP 2008, 1004 = Juris; LAG Hamm Beschluss vom 26. Aug. 2005 - 10 TaBV 152/04 - ZIP 2005, 2269 = Juris; ErfK-Kania 9. Aufl. § 111 BetrVG Rz. 22 a; Fitting BetrVG 24. Aufl. § 111 Rz. 118; GK-BetrVG/Oetker, 8. Aufl., § 111 Rz. 162; HSWGN-Hess BetrVG 7. Aufl. § 111 Rz. 74; Richardi-Annuß BetrVG 11. Aufl., § 111 Rz. 52; Schaub/Koch ArbRHdB. 13. Aufl. § 244 10 b), S. 2376; ). Dass nach § 111 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG § 80 Abs. 3 BetrVG im Übrigen unberührt bleibt, bezieht sich auf Betriebe oder Unternehmen mit nicht mehr als 300 Arbeitnehmern, auf Fälle, bei denen keine Betriebsänderung gegeben ist oder auf eine Beratung im Zusammenhang mit Sozialplanverhandlungen.

Es kann dahinstehen, ob das Gesetz die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Beraters unterstellt (so ErfK-Kania, 9. Aufl., § 111 BetrVG Rz. 22 a; Fitting BetrVG 24. Aufl., § 111 Rz. 123; DKK/Däubler, 11. Aufl., § 111 Rz. 135 g; Löwisch BB 2001, 1790, 1798) oder ob die Kostentragungspflicht für die Beratung nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit § 40 Abs. 1 BetrVG betrachtet werden kann, wonach die Hinzuziehung externen Sachverstands dem Betriebsrat nur möglich ist, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist (vgl. Kammerbeschluss vom 19. Febr. 2004 - 9 TaBV 95/03 - LAGE § 40 BetrVG 2001 Nr. 5 = Juris). Hier kann nämlich die Erforderlichkeit der Beauftragung des Beteiligten zu 1) durch den Betriebsrat bei den Interessenausgleichsverhandlungen nicht in Frage gestellt werden. Die Entscheidung des Betriebsrats, bei den Interessenausgleichsverhandlungen einen Rechtsanwalt als Berater hinzuzuziehen, entsprach pflichtgemäßem Ermessen. Die Feststellung einer Betriebsänderung und deren Interessenausgleichspflichtigkeit und Sozialplanpflichtigkeit sowie das diesbezügliche Verfahren sind keine Standard- oder Routineangelegenheiten, sondern setzen betriebsverfassungsrechtlichen Sachverstand voraus. Dass der Betriebsrat selbst über ausreichenden Sachverstand verfügte, hat die Arbeitgeberin nicht vorgetragen, so dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte nicht ohne fremden Sachverstand wirksam ausüben konnte. Auf die Hinzuziehung bestimmter vom Arbeitgeber benannter Personen braucht sich der Betriebrat in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht verweisen zu lassen (Annuß, NZA 2001, 367, 369; Richardi/Annuß, a.a.O., § 111 Rz. 53; GK-BetrVG/Oetker, 8. Aufl. § 111 Rz. 153; Fitting, a.a.O., § 111 Rz. 120 m.w.N.).

Auf die Honorarvereinbarung mit dem Betriebsrat kann der Beteiligte zu 1) seinen Anspruch nicht stützen. Eine Honorarzusage, die zu einer höheren Vergütung führt, insbesondere auch die Vereinbarung eines Zeithonorars, darf der Betriebsrat regelmäßig nicht für erforderlich halten, es sei denn, der Betriebsrat hätte sonst keinen qualifizierten Rechtsanwalt gefunden (BAG Beschluss vom 20. Okt. 1999 - 7 ABR 25/98 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 89). Hierfür ergeben sich indessen keine Anhaltspunkte.

Es besteht kein Anspruch des Beteiligten zu 1) auf Zahlung von Anwaltsvergütung aus § 34 RVG. Die Tätigkeit des Beteiligten zu 1) ging über eine Beratung hinaus. Die Abgrenzung zwischen § 34 RVG und VV RVG 2300 ist schwierig (so zu Recht Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., § 34 Rz. 15). Die nach VV 2300 zu vergütende Tätigkeit erfordert ein Mehr gegenüber der Ratserteilung (Gerold/Schmidt-Madert a.a.O.). Beispielsweise wird das Entwerfen von Geschäftsbedingungen als Tätigkeit nach VV RVG 2300 angesehen, ohne dass der Rechtsanwalt nach außen auftritt. Für Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen kann nichts anderes gelten. Tritt der Anwalt wie hier auch noch nach außen hervor, so ist das ein sicheres Zeichen für eine Tätigkeit nach VV RVG 2300 (so Gerold/Schmidt-Madert, a.a.O.). Nach VV RVG 2300 Vorbemerkung 2.3, Abs. 3 entsteht die Geschäftsgebühr u.a. für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages. Dies muss gleichermaßen für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Interessenausgleichs und Sozialplans gelten. Rechtsanwalt B hat an den Verhandlungen teilgenommen. Er war - wie der Beteiligte zu 1) in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht erklärte - zwar nicht Verhandlungsführer, hat aber für den Betriebsrat Diskussionsbeiträge geleistet. Das geht über eine Beratung im Sinne des § 34 RVG hinaus.

Der Beteiligte zu 1) hat jedoch gegen die Beteiligte zu 2) einen Anspruch auf Zahlung von Anwaltsvergütung aus §§ 398 BGB, 111 Satz 2, 40 Abs. 1 BetrVG, VV RVG 2300 in Höhe von 2.161,99 nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2008. Der Beteiligte zu 1) ist als Berater im Sinne des § 111 Satz 2 BetrVG für den Betriebsrat tätig geworden. Beratertätigkeit gemäß § 111 Satz 2 BetrVG ist nicht nur die Abfassung von schriftlichen Gutachten, Entwürfen oder Stellungnahmen. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber damit einverstanden ist, dass der Berater auch an Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit dem Arbeitgeber teilnimmt und sich auf die Verhandlungen einlässt, berührt dies seine Kostentragungspflicht grundsätzlich nicht (BAG Beschluss vom 25. April 1978 - 6 ABR 9/75 - AP § 80 BetrVG 1972 Nr. 11; Hess. LAG Beschluss vom 10. Jan. 2008 - 9 TaBV 180/06 - n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 23. März 2006 - 9 TaBV 125/05 - n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 19. Febr. 2004 - 9 TaBV 95/03 - LAGE § 40 BetrVG 2001 Nr. 5 = Juris).

Die Honorarhöhe richtet sich nach den gesetzlichen Gebührenregelungen. Die Geschäftsgebühr nach VV RVG beträgt 1,6. Die Hinzuziehungsbefugnis bezieht sich nur auf die Beratung der Betriebsänderung nach § 111 Satz 1 BetrVG. Sie erstreckt sich nicht auf die Sozialplanverhandlungen. Aufgrund des Ziels der Beratung - Erfassung der Betriebsänderung und Entwicklung beschäftigungssichernder Alternativen - ist das Recht auf Hinzuziehung eines Beraters auf den Interessenausgleich im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beschränkt (Fitting BetrVG 24. Aufl. § 111 Rz. 119; GK-BetrVG/Oetker, 8. Aufl., § 111 Rz. 162; Richardi-Annuß BetrVG 11. Aufl., § 111 Rz. 52; a.A. DKK/Däubler, 11. Aufl., § 111 Rz. 135 g). Der Beteiligte zu 1) kann nach VV RVG 2300 eine Gebühr von mehr als 1,3 fordern, weil die Tätigkeit umfangreich und schwierig war. Die Höhe der Gebühr bestimmt sich gemäß § 14 RVG u.a. nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit. Eine Tätigkeit ist in der Regel als umfangreich und schwierig anzusehen, wenn sie über kurze Mitteilungen und die bloße Informationsbeschaffung hinausgeht und insbesondere bei Besprechungen mit der Gegenseite, bei denen es zum Austausch widerstreitender Interessen kommt (Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., 2300, 2301 VV Rz. 28). Hier hat der Beteiligte zu 1) rund 10 Stunden beratend an zwei Verhandlungen mit Vorbesprechungen teilgenommen und den Schriftverkehr geführt. Verhandlungen mit der Gegenseite über fünf und über acht Stunden gehen deutlich über die Voraussetzungen der Kappungsgrenze von 1,3 hinaus.

Die Gebühr ist nicht durch weitere vergütete Tätigkeiten des Beteiligten zu 1) für den Betriebsrat ganz oder teilweise abgegolten. Die Beratungstätigkeit im Zusammenhang mit dem Interessenausgleich und Sozialplan wegen des Umzuges nach D gemäß §§ 111, 112 BetrVG haben einen anderen Gegenstand als die Verhandlungen um den Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Arbeits- und Gesundheitsschutz gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, nämlich das Ob und Wie der Betriebsänderung und den Ausgleich oder die Milderung durch den Umzug entstehender Nachteile. Dass der Beteiligte zu 1) beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 15 BVGa 354/08 ein einstweiliges Verfügungsverfahren im Beschlussverfahren einleitete, das auf Unterlassung des Umzugs gerichtet war und mit einem Vergleich endete, und wofür er seine Vergütung abrechnete, berührt den Gebührenanspruch im Streitfall ebenfalls nicht. Er hat dies zwar mit Schreiben vom 15. April 2008 (Bl. 9, 10 d. A.) angedroht, das Verfahren befasst sich jedoch nicht inhaltlich mit den Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung und deren Abschluss, sondern hat nur das Beteiligungsrecht sichernden Charakter.

Die Geschäftsgebühr berechnet sich aus einem Gegenstandswert von EUR 52.000. Für die Auseinandersetzung um die Beteiligungsrechte ist je zwanzig betroffene Arbeitnehmer einmal der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG festzusetzen (an die betroffene Arbeitnehmerzahl anknüpfend ebenso Hess. LAG, Beschlüsse vom 11. Febr. 2004 - 5 Ta 510/03 -, vom 20. Nov. 2003 - 5 Ta 399/03 - und vom 20. Nov. 2000 - 5 Ta 392/00 -). Bei dem Streit um die Beteiligungsrechte der §§ 111, 112 BetrVG handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit gemäß § 23 RVG, da der Betriebsrat insoweit keinen prozessualen Anspruch verfolgt, der auf Geld oder geldwerte Gegenstände gerichtet ist. Für solche Gegenstände ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Wert auf EUR 4.000, nach Lage des Falles auch niedriger oder höher festzusetzen. Dies wird durch die Bedeutung, den Umfang und den Schwierigkeitsgrad der Sache bestimmt. Bei dem Streit um die Beteiligungsrechte nach § 87 BetrVG kennzeichnen die mittelbaren wirtschaftlichen Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Bedeutung der streitigen Angelegenheit. Die Zahl der von der Regelung betroffenen Arbeitnehmer beläuft sich auf etwa 250. Diese waren durch den verhandelten Interessenausgleich nicht im Sinne von Einzelfallregelungen individuell betroffen. Der Interessenausgleich galt für alle Arbeitnehmer völlig gleichförmig. Die Feststellung der Betriebsänderung ist hinsichtlich der einzelnen betroffenen Arbeitnehmer nicht so intensiv, dass je Arbeitnehmer einmal der Wert von EUR 4.000 festzusetzen ist, eine Festsetzung auf 1/20 dieses Wertes für jeden durch die Betriebsvereinbarung betroffenen Arbeitnehmer erscheint der Bedeutung der Angelegenheit jedoch gerecht zu werden.

Eine 1,6 Gebühr aus einem Wert von EUR 52.000,- beträgt EUR 1.796,80. Hinzu kommen die Auslagenpauschale gemäß VV RVG 7200 in Höhe von EUR 20,- und 19 % Mehrwertsteuer in Höhe von EUR 345,19, insgesamt mithin EUR 2161,99.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG nicht.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG. Dass die Hinzuziehung eines Beraters gemäß § 111 Satz 2 BetrVG keiner vorherigen Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG bedarf, ist einhellige Meinung. Die übrigen Fragen betreffen einzelfallbezogene Rechtsanwendung.

Ende der Entscheidung

Zurück