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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 9 TaBV 93/07
Rechtsgebiete: BetrVG, TVG


Vorschriften:

BetrVG § 3
TVG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. März 2007 - 17 BV 216/06 - werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 5) zugelassen, für die Beteiligten zu 1), 14) und 15) nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Tarifvertrages über betriebsverfassungsrechtliche Fragen (ZuordnungsTV), den die Beteiligten zu 2), 3) und 6) bis 13) mit der Gewerkschaft A, der Beteiligten zu 4), abgeschlossen haben.

Die Beteiligte zu 2) ist die Muttergesellschaft der Beteiligten zu 3) und 6) bis 13).

Ursprünglich war Antragsteller in dem beim ArbG Düsseldorf eingeleiteten Verfahren der Betriebsrat der Beteiligten zu 3) am Standort B, dessen Wahl vom 3. Juni 2005 durch Beschluss des ArbG Düsseldorf vom 16. Sept. 2005 (- 12 BV 72/05 - Bl. 191 ff. d. A., bestätigt vom LAG Düsseldorf durch Beschluss vom 26. Mai 2006 - 9 TaBV 68/05 -, Bl. 237 ff. d. A.), für ungültig erklärt wurde. Der Beteiligte zu 1), der Regionalbetriebsrat C, ist infolge Neuwahlen vom 29. Mai 2006 Nachfolger des ursprünglichen Antragstellers. Seine Wahl ist vom Arbeitsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 16. Jan. 2007 (- 5 BV 110/06 -) ebenfalls für ungültig angesehen worden.

Das vorliegende Verfahren wurde durch Beschluss des ArbG Düsseldorf vom 27. März 2006 an das ArbG Frankfurt am Main verwiesen.

Die Beteiligten zu 5), 14) und 15), die ebenfalls die Feststellung der Unwirksamkeit des ZuordnungsTV begehren, sind die Gewerkschaft X (Beteiligte zu 5)) sowie die örtlichen Betriebsräte der Beteiligten zu 2) in D und E II (Beteiligte zu 14) und 15)).

Das von Mitgliedern des Beteiligten zu 15) eingeleitete Wahlanfechtungsverfahren hatte weder vor dem Arbeitsgericht Darmstadt noch in der Beschwerdeinstanz bei der erkennenden Kammer Erfolg (Hess. LAG Beschluss vom 9. Aug. 2007 - 9 TaBV 23/07 - Juris, Rechtsbeschwerde anhängig unter dem Az. 7 ABR 70/07).

Zum Inhalt des unter dem 29. Nov. 2005 auf der Grundlage von § 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrages "über die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der F sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrats F (GBR)" wird auf Bl. 13 bis 66 d. A. verwiesen. Die Beteiligte zu 5) war am Abschluss dieses Tarifvertrages nicht beteiligt. Zwischen ihr und der Beteiligten zu 4) besteht in den Unternehmen der Beteiligten zu 2) Tarifkonkurrenz.

Auf Grund der Neuorganisation der Sparte "G" durch das Geschäftsmodell H zum 1. Jan. 2005 ist eine Anpassung der Betriebsratsstrukturen erforderlich gewesen. Die I (J GmbH, K GmbH, L GmbH) schloss wegen der Ausgestaltung und Umsetzung des Geschäftsmodells H mit dem Gesamtbetriebsrat den Sozialplan und Interessenausgleich vom 1. Okt. 2004 (Bl. 55 ff. d. A.). Die vier Industriebusiness Units (IBU) werden jeweils von einer IBU-Zentrale geleitet, die einen Betrieb im Sinne des BetrVG bildet. Darüber hinaus bestehen in jeder IBU ... Center, die jeweils branchenbezogen die arbeitstechnischen Zwecke realisieren und eigenständige Betriebe mit einheitlicher Leitung bilden. Die Umsetzung des Geschäftsmodells H hätte das Entstehen zahlreicher zusätzlicher kleiner Betriebsratsgremien - oft am gleichen Standort - zur Folge gehabt.

Am 16. Jan. 2007 fand ein Vermittlungsverfahren beim M-Bundesvorstand nach § 16 der M-Satzung wegen der Tarifzuständigkeit bei der N AG statt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll dieses Tages Bezug genommen (Bl. 638 ff. d. A.).

Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) haben erstinstanzlich die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Tarifvertrages vom 29. Nov. 2005 beantragt. Sie sind der Ansicht gewesen, die Rechtsunwirksamkeit des Tarifvertrages ergebe sich daraus, dass mehrere in einem Unternehmen oder Konzern vertretene Gewerkschaften einen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG nur gemeinsam abschließen könnten.

Der Beteiligte zu 1) ist zudem der Auffassung gewesen, der Schutzzweck des § 3 BetrVG sei durch den ZuordnungsTV nicht hinreichend berücksichtigt worden. Bei vielen Regionen sei die Grenzziehung nicht nachvollziehbar. Es seien keine regionalen Besonderheiten berücksichtigt, sondern lediglich Standorte mit einer bestimmten Mitarbeiterzahl zusammengefasst worden. Die räumlichen Gebiete der Abeitnehmervertretungen seien meist völlig überdimensioniert. Zu ersten Problemen sei es bereits bei der Aufstellung der Wählerlisten und der Durchführung der Betriebsratswahlen gekommen. Es fehle an räumlicher Nähe zwischen Belegschaft und Repräsentativorgan. Dadurch würde die Überwachung der Einhaltung von gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen erschwert. Die Standorte B und O seien willkürlich zur Region Mitte zusammengefasst worden. Die Durchführung von Betriebsratssitzungen, Sprechstunden und Betriebsversammlungen würde erheblich erschwert. Die in Ziff. 8 ZuordnungsTV vorgesehenen Bereichsvertretungen würden von § 3 BetrVG nicht gedeckt. Die Einbeziehung von Bereichsvertretungen als Ebene zwischen bzw. neben den regionalen Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten mit voller Abschlusskompetenz führe zur Entmachtung der gewählten regionalen Betriebsräte.

Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) haben beantragt,

festzustellen, dass der Tarifvertrag über die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der F sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrats F (GBR) vom 29. Nov. 2005 rechtsunwirksam ist.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) und 6) bis 13) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) und 6) bis 13) sind der Ansicht gewesen, der abgeschlossene Tarifvertrag sei wirksam. Auch wenn mehrere Gewerkschaften in einem Unternehmen oder Konzern vertreten seien, könne ein Tarifvertrag gemäß § 3 BetrVG mit einer Gewerkschaft abgeschlossen werden. Bis zur Durchführung eines Schiedsverfahrens nach § 16 der DGB-Satzung bleibe es bei der Tarifzuständigkeit derjenigen Gewerkschaft, die vor Entstehung der Konkurrenzsituation als zuständig angesehen worden sei. Dies sei die Beteiligte zu 4). Im Übrigen räume § 3 BetrVG den Tarifvertragsparteien einen erheblichen Gestaltungsspielraum ein. Ihnen komme darüber hinaus eine Einschätzungsprärogative zu. Der abgeschlossene Tarifvertrag erleichtere die Bildung von Betriebsräten, da durch ihn für Arbeitnehmer, die zuvor in nicht betriebsratsfähigen Kleinbetrieben tätig gewesen seien, nunmehr die Zuständigkeit eines Regionalbetriebsrats begründet worden sei. Zudem habe vor Inkrafttreten des Zuordnungstarifvertrages mancherorts eine zersplitterte Struktur von Kleinbetrieben mit jeweils eigenen Betriebsräten bestanden, die durch den Tarifvertrag gebündelt worden seien. Die Bereichsvertretungen stellten eine zusätzliche Arbeitnehmervertretung dar, die nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ohne weiteres zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 28. März 2007 - 17 BV 216/06 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle den Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) bereits an der Antragsbefugnis. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe Bezug genommen.

Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) haben, wie in der Sitzungsniederschrift vom 8. Nov. 2007 festgestellt, gegen den Beschluss jeweils fristgerecht Beschwerde eingelegt und begründet.

Die Beteiligte zu 5) ist der Auffassung, es handele sich um eine Überraschungsentscheidung. Entgegen den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses sei die Tarifzuständigkeit für die Beteiligte zu 2) zwischen den Beteiligten zu 4) und 5) weiterhin ungeklärt. Etwas anderes habe die Beteiligte zu 5) nicht erklärt. Den Schriftsatz der Beteiligten zu 4) vom 26. März 2006 habe ihr Prozessbevollmächtigter erst nach dem Anhörungstermin - ohne ein Protokoll der DGB-Schlichtungsstelle - erhalten. Aus dem Protokoll, das der Prozessbevollmächtigte in einem anderen Verfahren erhalten habe, gehe zudem hervor, dass sich die behauptete Äußerung nur auf das Unternehmen N bezogen haben könne. Ihre Antragsbefugnis ergäbe sich daraus, dass sie durch den Abschluss des ZuordnungsTV in ihrem Recht beeinträchtigt worden sei, selbst einen solchen Tarifvertrag abzuschließen.

Auch der Beteiligte zu 14) rügt, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, die in den Anhörungen nicht thematisiert worden sei, stünde ihm die Antragsbefugnis zur Seite, wobei er sich - wie auch der Beteiligte zu 1) - der Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 15) anschließt.

Der Beteiligte zu 15) ist der Auffassung, es reiche für seine Antragsbefugnis aus, wenn er behauptet, Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Auf den ZuordnungsTV gründende Betriebsratswahlen seien nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Außerdem würden die Entsenderechte nach § 47 ff. BetrVG als eigenständige Rechte der örtlichen Betriebsräte außer Kraft gesetzt. Er habe außerdem einen Leistungsantrag gestellt und insoweit einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber es unterlasse, ihn anders zu behandeln, als es das Betriebsverfassungsgesetz vorsehe.

Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) beantragen jeweils,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. März 2007 - 17 BV 216/06 - abzuändern und festzustellen, dass der Tarifvertrag über die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der F sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrats F (GBR) vom 29. Nov. 2005 rechtsunwirksam ist.

Der Beteiligte zu 1) beantragt außerdem,

"der Antragsgegnerin" zu untersagen, den angegriffenen Tarifvertrag vom 29. Nov. 2005 auf ihn anzuwenden.

Der Beteiligte zu 14) beantragt hilfsweise zu seinem Hauptantrag,

die Beteiligten zu 2) und 3) zu verpflichten, es zu unterlassen, den genannten Tarifvertrag auf ihn anzuwenden.

Der Beteiligte zu 15) beantragt zu seinem Hauptantrag,

die "Antragsgegnerin" zu verpflichten, es zu unterlassen, den genannten Tarifvertrag auf ihn anzuwenden.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) und 6) bis 13) beantragen,

die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 4) widerspricht der Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz und sieht bei keiner der Beschwerdeführer eine betriebsverfassungsrechtliche Betroffenheit, so dass das Arbeitsgericht deren Antragsbefugnis zu Recht verneint habe. Sie fehle dem Beteiligten zu 1), weil dieser seine Legitimation weder aus dem Betriebsverfassungsgesetz noch aus dem ZuordnungsTV ableiten könne. Die Beteiligte zu 5) sei ebenfalls nicht antragsbefugt, weil das von ihr angenommene Konsensualprinzip für Tarifverträge nach § 3 BetrVG nicht bestünde. Zumindest für den Bereich der Beteiligten zu 2) habe die Beteiligte zu 5) die Tarifzuständigkeit der Beteiligten zu 4) in dem am 16. Jan. 2007 beim DGB-Bundesvorstand durchgeführten Vermittlungsverfahren anerkannt. Auch die Beteiligten zu 14) und 15) seien nicht antragsbefugt, da ihr Bestand nicht berührt sei, sondern nur das Entsendungsrecht in den Gesamtbetriebsrat. Nach den Erfahrungsberichten der Betriebsräte werde durch den ZuordnungsTV eine sachgerechte Vertretung der Arbeitnehmerinteressen bei stabilen Betriebsratsstrukturen ermöglicht.

Die Beteiligten zu 2), 3) und 6) bis 13) vertreten zudem die Auffassung, die erweiterten Anträge der Beteiligten zu 1), 14) und 15) stellten lediglich eine Umformulierung der bisherigen Anträge dar. Der ZuordnungsTV habe erst die Voraussetzungen für den Bestand der Beteiligten zu 1), 14) und 15) geschaffen. Ihre Anträge seien nicht nachvollziehbar, denn die von ihnen angegriffenen Tarifnormen seien die Grundlage für ihre Existenz. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer sei der ZuordnungsTV keinesfalls nichtig, da für eine offensichtliche Unwirksamkeit jeglicher Ansatz fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 8. Nov. 2007 verwiesen.

II.

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) sind statthaft und zulässig. In der Sache haben die Beschwerden jedoch weder hinsichtlich der übereinstimmenden Feststellungsanträge noch hinsichtlich der Unterlassungsanträge der Beteiligten zu 1, 14) und 15) Erfolg.

Die Anträge der Beteiligten zu 1), 14) und 15) sind in der richtigen Verfahrensart gestellt. Streitigkeiten zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern über die Rechtswirksamkeit einer vom Betriebsverfassungsgesetz abweichenden Tarifvertragsregelung nach § 3 BetrVG entscheiden nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 in Verb. mit § 80 ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen, da es sich um eine Angelegenheit nach dem Betriebsverfassungsgesetz handelt.

Der Beteiligte zu 1) ist trotz erfolgreicher Wahlanfechtung und erfolgter Neuwahlen Funktionsnachfolger des ursprünglichen Antragstellers. Wird vor Ablauf der Amtszeit eines Betriebsrats, solange noch nicht rechtskräftig über eine erfolgte Wahlanfechtung entschieden ist, ein neuer Betriebsrat gewählt, so schließt sich dessen Amtszeit gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BetrVG unmittelbar an die Amtszeit des bisherigen Betriebsrats an. Nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge und dem Grundgedanken der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretung wird der neue Betriebsrat Funktionsnachfolger seines Vorgängers (BAG Beschluss vom 24. Okt. 2001 - 7 ABR 20/00 - EzA § 22 BetrVG 1972 Nr. 2). Auch nach erneuter erfolgreicher Anfechtung war die Amtszeit des Beteiligten zu 1) zum Zeitpunkt der Anhörung vor dem Beschwerdegericht nicht beendet.

Die Betriebsvertretungen, die durch die tarifvertragliche Regelung nach § 3 BetrVG betroffen sind, weil die Wahlbezirke der Betriebsräte neu geregelt worden sind, oder weil Bereichsbetriebsräte gebildet werden, wodurch die Kompetenzen der Betriebsräte geschmälert werden könnten, sind in einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Position betroffen und deshalb antragsbefugt (vgl. Richardi, BetrVG, 10. Aufl., § 3 Rz. 94).

Eine Beteiligung sämtlicher betroffener Betriebsräte, Bereichsbetriebsräte und Gesamtbetriebsräte findet nicht statt, weil eine § 9 TVG entsprechende Bindungswirkung nicht gegeben ist. Die (subjektive) Rechtskraft eines nach dem Amtsermittlungsgrundsatz durchgeführten Beschlussverfahrens soll zwar um der Einheitlichkeit der Beurteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtslage willen und aus Gründen der Prozessökonomie möglichst weit erstreckt werden. Eine unnötige, durch keinen erkennbaren sachlichen Grund geforderte Erweiterung der im Verfahren zu hörenden Stellen soll aber nicht herbeigeführt werden. Ansonsten besäße das Erfordernis des Beteiligtseins mit Blick auf die unterschiedlichen Vertretungsorgane nach dem Betriebsverfassungsgesetz keine Begrenzungsfunktion. Vielmehr wären an einem Verfahren über die Zuordnung einzelner Betriebe unabhängig davon, durch wen es eingeleitet wurde, stets sämtliche örtlichen Betriebsräte, der Gesamt- und gegebenenfalls der Konzernbetriebsrat zu beteiligen (vgl. BAG Beschluss vom 28.03.2006 - 1 ABR 59/04 - AP Nr. 128 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Die antragstellenden Betriebsräte sind keine Prozessstandschafter für alle Vertretungsorgane. Sie machen eine § 3 BetrVG widersprechende Zuordnung jeweils für ihre Betriebe geltend. Nicht jeder Betriebsrat ist von der Bildung eines gemeinsamen Gesamtbetriebsrats und von Bereichsvertretungen gleich betroffen. Eine Entscheidung schaffte dementsprechend keine gleichförmige Bindungswirkung für alle Betriebsräte der durch den ZuordnungsTV geregelten Zuordnungen.

Die Feststellungsanträge sind nicht begründet, weil diese als sog. Globalanträge unbegründet sind. Sie sind zwar hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie beziehen sich einschränkungslos auf den gesamten Tarifvertrag. Derartige Globalanträge, die auch in Form von Feststellungsanträgen gestellt werden können (BAG Beschluss vom 7. April 2004 - 7 ABR 35/03 - AP § 95 SGB IX Nr. 2; BAG Beschluss vom 28. Mai 2002 - 1 ABR 35/01 - BAGE 101, 232 = AP ZA-Nato-Truppenstatut Art. 56 Nr. 23, zu B II 1 der Gründe) genügen dem Bestimmtheitserfordernis, weil sie die gesamte Regelung erfassen und deshalb nichts unbestimmt lassen. Ob die Regelung insgesamt unwirksam ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages (BAG in st. Rspr., etwa Beschluss vom 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 40 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 67, zu B III 1 und 2 der Gründe). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sämtliche im ZuordnungsTV geregelten betrieblichen Zuordnungen gegen § 3 BetrVG verstoßen oder evtl. unwirksame Einzelregelungen entspr. § 139 BGB zur Gesamtunwirksamkeit des ZuordnungsTV führen. Überwiegend wird angenommen, dass bei Unwirksamkeit einzelner Tarifbestimmungen wegen Verstoßes gegen Gesetze oder die Verfassung nur diese Klauseln unwirksam sind. Die Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung führt in der Regel entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB nicht zur Unwirksamkeit der übrigen tariflichen Vorschriften. Es kommt lediglich darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dargestellt (BAG in stRspr., etwa Urteil vom 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - NZA 2007, 1439). Hier können die Regelungen über die Zuordnung der Betriebe durchaus für sich gesehen Bestand haben, auch wenn z. B. die Regelung über den gemeinsamen Gesamtbetriebsrat oder die Bereichsbetriebsräte unwirksam wäre.

Ein Verstoß der Regelungen des Tarifvertrages über die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der F sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrats F (GBR) vom 29. Nov. 2005 (Bl. 84 ff. d. A.) gegen § 3 Abs. 1 BetrVG kann indessen nicht festgestellt werden. Die Beteiligten zu 2), 3) und 6) bis 13) haben vorgetragen, durch das Geschäftsmodell H mit seiner branchen- und marktorientierten Organisation wäre es zu einer Vielzahl von zusätzlichen kleinen Betrieben im Sinne des § 1 BetrVG häufig auch an einem Standort gekommen, insbesondere die vier IBU-Zentralen und die ... Center. Eine solche Aufsplitterung der Arbeitnehmervertretungen sei einer effektiven Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten nicht dienlich. Durch den Zuordnungstarifvertrag sei die Bildung einheitlicher Betriebsratsgremien ermöglicht worden. Inwiefern dies nicht den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BetrVG entspricht, vermag das Beschwerdegericht nicht zu erkennen, weil die Zusammenlegung von Kleinbetrieben zwangsläufig zur Einschränkung von Nähe zwischen Belegschaft und Vertretungsorgan führt. "Nähe" ist jedoch kein zwingendes Kriterium des § 3 BetrVG. Sind aber die Regelungen zu den betrieblichen Zuordnungen, die für sich gesehen Bestand haben können, wirksam, sind die Globalanträge bereits deshalb unbegründet.

Kann nach alldem nicht festgestellt werden, dass der ZuordnungsTV unwirksam ist, sind auch die auf Untersagung seiner Anwendung gerichteten Anträge unbegründet.

III.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 5) ist ebenfalls unbegründet. Ihr Antrag ist statthaft und zulässig. Es handelt sich in der Sache um eine Verbandsklage nach § 9 TVG. Danach können Tarifvertragsparteien - hier die in den Betrieben der tarifvertragsschließenden Unternehmen vertretene Gewerkschaft X und diese Unternehmen - Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Tarifvertrages erheben (vgl. BAG Urteil vom 7. Nov. 1995 - 3 AZR 676/94 - EzA § 1 TVG Betriebsnorm Nr. 1). § 9 TVG ermöglicht den Tarifvertragsparteien eine abstrakte Feststellungsklage über den Inhalt einer Tarifnorm (BAG a.a.O.). Die Verbandsklage ist zwar gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG im Urteilsverfahren zu erheben. Es handelt sich nicht schon deshalb um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, weil es sich um einen Tarifvertrag über betriebsverfassungsrechtliche Fragen gemäß §§ 3 BetrVG, 1 TVG handelt. Dass die Verbandsklage im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren durchgeführt worden ist, hat das Beschwerdegericht jedoch nicht zu prüfen. Das Rechtsmittelgericht prüft nach § 65 ArbGG nicht, ob die Verfahrensart zulässig ist. § 65 ArbGG ist auch im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren anzuwenden (vgl. BAG Beschluss vom 5. Mai 1992 - 1 ABR 1/92 - NZA 1992, 1089). Eine Ausnahme von der beschränkten Prüfungskompetenz ist nicht gegeben, da keine/r der Beteiligten die unrichtige Verfahrensart gerügt hat. Eine Missachtung der in §§ 48 ArbGG, 17 a GVG geregelten Verfahrensgrundsätze kann nicht festgestellt werden.

Eine Beteiligung sämtlicher Normunterworfenen findet angesichts des Charakters des Verfahrens als abstraktes Normenkontrollverfahren nicht statt (ebenso Hess. LAG Beschluss vom 21. April 2005 - 9/5 TaBV 115/04 - Juris; Löwisch / Rieble TVG § 9 Rz. 35).

Eine Verbandsklage, also eine Klage zwischen Tarifvertragsparteien um die Wirksamkeit eines Tarifvertrages, wird als Feststellungsklage für zulässig gehalten (vgl. BAG Urteil vom 30. Mai 2001 - 4 AZR 387/00 - EzA § 256 ZPO Nr. 56; BAG Urteil vom 3. Febr. 1998 - 4 AZR 513/87 - EzA § 4 TVG Druckindustrie Nr. 14; BAG Urteil vom 11. Sept. 1991 - 4 AZR 71/91 - EzA § 1 TVG Durchführungspflicht Nr. 1; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 2 Rz. 12; Wiedemann, TVG. 6. Aufl., § 1 Rz. 719).

Der ZuordnungsTV ist wirksam. Seine Unwirksamkeit ergibt sich nicht aus einem Verstoß gegen die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Koalitionsfreiheit der Beteiligten zu 5). Der bezeichnete Tarifvertrag ist insbesondere nicht deshalb unwirksam, worauf die Beteiligte zu 5) abstellt, weil er nicht unter Einbeziehung der Beteiligten zu 5) und damit nicht mit allen für das Unternehmen tarifzuständigen Gewerkschaften abgeschlossen worden ist.

Die Rechtsfrage, wie die Tarifkollision zu lösen ist, ist in der Diskussion. Teilweise wird angenommen, dass es im Bereich von Betriebsnormen und gemeinsamen Einrichtungen keine Tarifkonkurrenz geben könne und das Prinzip des Vorrangs stärkerer mitgliedschaftlicher Legitimation gelte (vgl. DKK-Trümmner, BetrVG, 10. Aufl., § 3 Rz. 157; Löwisch/Rieble TVG, 2. Aufl., § 4 Rz. 151; Wiedemann-Wank, TVG, 7. Aufl., § 4 Rz. 299 e; umfassend Friese ZfA 2003, 237, 272 ff.), teilweise wird angenommen, dass sämtliche einander widersprechende Regelungen unwirksam seien (Annuß, NZA 2002, 290, 293). Andere meinen, dass bei mehreren für den Betrieb oder das Unternehmen tarifzuständigen Gewerkschaften der Tarifvertrag nur mit den Gewerkschaften einheitlich abgeschlossen werden könne (Däubler, TVG, § 3 Rz. 76; Fitting, BetrVG. 23. Aufl., § 3 Rz. 16; GK-Kraft/Franzen, BetrVG, 8. Aufl., Rz. 34; Teusch NZA 2007, 129). Nur so ließen sich die mit der Funktion des § 4 Abs. 2 TVG befriedigend nicht lösbaren Tarifkonkurrenzprobleme vermeiden. Machten mehrere Gewerkschaften ihre Tarifzuständigkeit geltend, könne der Tarifvertrag nur unter Einbeziehung aller tarifzuständigen Gewerkschaften abgeschlossen werden (vgl. Fittung a.a.O.). Ein späterer mit einer anderen Gewerkschaft abgeschlossener Tarifvertrag sei nach dem insoweit geltenden Prioritätsprinzip unwirksam.

Das Gesetz verlangt indessen nicht, den Tarifvertrag mit allen für das Unternehmen tarifzuständigen Gewerkschaften einheitlich abzuschließen, wobei generell der Gefahr begegnet werden sollte, dass die jeweiligen tarifpolitischen Ordnungsvorstellungen zum Rechtsprinzip erhoben werden. Eine "Zwangstarifgemeinschaft" (DKK-Trümmner, a.a.O. Rz. 157 a) lässt sich mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbaren, da die Tarifvertragsfreiheit auch die Willensfreiheit der Gewerkschaften einschließt, sich in einer Tarifgemeinschaft zusammenzuschließen (ebenso Hess. LAG Beschluss vom 9. Aug. 2007 - 9 TaBV 23/07 - Juris, Rechtsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 7 ABR 70/07; Plander, Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein 2006, S. 969, 977). Es bestehen zudem keine durchschlagenden Bedenken dagegen, dass es Tarifverträge mit unterschiedlichen Regelungsinhalten geben kann, deren Geltungswirkung sich aus den Regelungen über Tarifkonkurrenzen ergibt (ebenso Hess. LAG Urteil vom 13. Sept. 2007 - 9/5 Sa 411/07 - n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 9. Aug. 2007 - 9 TaBV 23/07 - Juris, Rechtsbeschwerde eingelegt unter dem Az. 7 ABR 70/07; DKK-Trümmner, a.a.O. Rz. 157; dazu auch Teusch NZA 2007, 129). Da es insoweit keine Tarifpluralität geben kann, weil wegen § 4 Abs. 2 TVG stets alle Arbeitnehmer im Betrieb erfasst werden (Teusch NZA 2007, 129; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, S. 248, 306), muss die Tarifkonkurrenz auf der Grundlage des Spezialitätsgrundsatzes aufgelöst werden.

Die Meinung, dass nach Abschluss eines Tarifvertrages mit einer verhandlungsbereiten Gewerkschaft ein Prioritätsprinzip gelte (etwa Fitting a.a.O.), ist abzulehnen. Woraus sich das zitierte Prioritätsprinzip ableiten soll, ist nicht ersichtlich. Es lässt sich dem Tarifvertragsgesetz nicht entnehmen. Einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG stellt es auch dar, dass die mitgliederstärkste Gewerkschaft das Abschlussprivileg erhalten soll. Für den Ausschluss einer Gewerkschaft mit einer geringeren Mitgliederzahl gibt es keine tragfähige Grundlage. Die Auffassung ist mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht in Einklang zu bringen, abgesehen von dem Problem der Feststellung der jeweiligen Mitgliederzahl.

Letztendlich sah es auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 25. Mai 2005 (- 7 ABR 10/04 - EzA § 47 BetrVG 2001 Nr. 3) hinsichtlich der Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen für unproblematisch an, dass der dort zu beurteilende Tarifvertrag nicht von allen, sondern nur von der im Unternehmen mehrheitlich vertretenen Gewerkschaft abgeschlossen worden ist. Nach § 3 Abs. 2 TVG komme es nur auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an, während die der Arbeitnehmer ohne Bedeutung sei. Nichts anderes gilt für den Bereich des § 4 Abs. 2 TVG.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 12 V ArbGG nicht.

Die Rechtsbeschwerde ist für die Beteiligte zu 5) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, da die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, wie eine Tarifkonkurrenz im Rahmen des § 3 Abs. 1 BetrVG zu lösen ist, von allgemeinem Interesse und klärungsbedürftig ist. Hinsichtlich der übrigen Beteiligten besteht für die Zulassung der Rechtsbeschwerde keine gesetzlich begründete Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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