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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: (3) 1 Ss 102/09 (37/09)
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 55 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: (3) 1 Ss 102/09 (37/09)

In der Strafsache

wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 1. April 2009 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 2008 im Gesamtstrafenausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO mit den Geldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. Januar 2008 - (265 Cs) 3022 PLs 15119/07 (1/08) - zu treffen ist.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 21. Mai 2008 wegen Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Hiergegen legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berlin auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufungen ein. Unter Verwerfung der Berufung des Angeklagten verurteilte ihn das Landgericht auf die Berufung der Staatsanwaltschaft Berlin zu Einzelfreiheitsstrafen von 4 Monaten für die Körperverletzung und 10 Monaten für die Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, bezog drei Einzelgeldstrafen von 20, 30 und 40 Tagessätzen wegen Erschleichens von Leistungen aus dem seit dem 2. Februar 2008 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. Januar 2008 - (265 Cs) 3022 PLs 15119/07 (1/08) - , dessen Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20,- EURO es auflöste, ein und bildete aus allen Strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 1 Monat.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat nur teilweise, und zwar lediglich hinsichtlich der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe, Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es die Festsetzung der erkannten Einzelfreiheitsstrafen von vier und zehn Monaten betrifft.

2. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben, weil die Feststellungen hinsichtlich der sachlichen Grundlagen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung lückenhaft sind.

In den Urteilsgründen ist ausdrücklich festzustellen, dass die in einer früheren Verurteilung erkannte, nach § 55 Abs. 1 StGB gesamtstrafenfähige Strafe vor der neuerlichen Verurteilung nicht vollstreckt, verjährt oder erlassen worden ist (vgl. KG, Urteil vom 22. März 2007 - (4) 1 Ss 41/06 (30/06) m.w.N.). Das angefochtene Urteil enthält zum Vorliegen dieser Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB keine zureichenden Angaben. Es teilt lediglich mit (UA S. 4), dass das Amtsgericht Tiergarten durch den Strafbefehl vom 10. Januar 2008 den Angeklagten wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen unter Festsetzung von Einzelgeldstrafen von 20, 30 und 40 Tagessätzen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20,- EURO verurteilt hat. Es gibt jedoch keine Auskunft über den Stand der Vollstreckung dieser Gesamtgeldstrafe. Damit vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob die Voraussetzung für die Einbeziehung der Einzelgeldstrafen in die Gesamtfreiheitsstrafe erfüllt waren.

Dieser Fehler beschwert den Angeklagten auch. Denn die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 1 Monat bewegt sich, wenn die Einbeziehung der Einzelgeldstrafen hinweggedacht wird, an der Obergrenze des eröffneten Rahmens für die Bemessung der aus den Einzelfreiheitsstrafen von 4 und 10 Monaten zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe, die unter dieser Prämisse 14 Monate nicht erreichen dürfte (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB). Daher ist zu besorgen, dass die Einbeziehung der Einzelgeldstrafen hier zu einer den Angeklagten belastenden Erhöhung der Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat (vgl. BGH BGHR StGB § 55 Abs. 1 S. 1 Geldstrafe 4).

3. Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehen bleiben. Zur Entscheidung über die Frage einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung bedarf es jedoch keiner Zurückverweisung. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO Gebrauch, die nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Bildung einer Gesamtstrafe dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO zu überlassen [vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2005 - 2 StR 2/05 - bei Juris Rdn. 5].

3. Die Kosten- und Auslagenentscheidung - in vollem Umfang zu Lasten des Angeklagten auf der Grundlage von § 473 Abs. 1 und 4 StPO - kann der Senat hier selbst treffen und muss sie nicht dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorbehalten, denn das Rechtsmittel des Angeklagten, der den Strafausspruch insgesamt, also auch hinsichtlich der Einzelfreiheitsstrafen, angegriffen hat, kann nur einen geringfügigen Teilerfolg haben.

Ende der Entscheidung

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