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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: (4) 1 Ss 442/08 (243/08)
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 304 Abs. 1
StGB § 304 Abs. 2
Ebenso wie bei der Beschädigung einer Sache nach § 304 Abs. 1 StGB ist auch bei der Tatbestandsverwirklichung der Veränderung des Erscheinungsbildes nach § 304 Abs. 2 StGB eine Beeinträchtigung der öffentlichen Funktion des Tatobjekts erforderlich.
KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer: (4) 1 Ss 442/08 (243/08)

In der Strafsache gegen

wegen Sachbeschädigung

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 15. Dezember 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 13. Mai 2008 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionen - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Angeklagten der gemeinschädlichen Sachbeschädigung für schuldig befunden und sie jeweils zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Sprungrevision, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, hat Erfolg. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen einer in mittäterschaftlicher Begehungsweise verübten gemeinschädlichen Sachbeschädigung nach §§ 304 Abs. 2, 25 Abs. 2 StGB nicht.

Nach den Urteilsfeststellungen sollen die Angeklagten am 25. Dezember 2006 gegen 6.50 Uhr ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend im arbeitsteiligen Zusammenwirken den im U-Bahn-Tunnel zwischen den Stationen Rosa-Luxemburg-Platz und Senefelder Platz abgestellten U-Bahn-Waggon Nr. 680 mit nicht löslicher Farbe aus mitgeführten Spraydosen besprüht haben und auf einer Fläche von ca. 14 qm die Schriftzeichen "... Kouch" und "ITYD" sowie ":Cool:ewj" aufgetragen haben, wodurch ein nicht näher bekannter Schaden von wenigstens 400,00 Euro entstanden sein soll (UA S. 2). Die Feststellungen zur Größe des Graffiti hat das Amtsgericht aus der verlesenen Schadensmeldung der BVG (Bl. 38 d. A.) hergeleitet und festgestellt, dass insoweit auch die Lichtbilder (Bl. 39 d. A.) in Augenschein genommen worden seien (UA S. 4).

Zur rechtlichen Würdigung hat es festgestellt, dass sich die Angeklagten jeweils der gemeinschaftlichen gemeinschädlichen Sachbeschädigung gemäß den §§ 304 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht hätten, indem sie ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend das Erscheinungsbild des U-Bahn-Waggons, der öffentlichem Nutzen dient, durch das Besprühen nicht unerheblich und nicht nur vorübergehend verunstaltet hätten (UA S. 5). Dass die Verunstaltung des Erscheinungsbildes nicht zugleich die besondere öffentliche Funktion des U-Bahn-Waggons beeinträchtigt habe, sei unschädlich. Aufgrund der durch das 39. Strafrechtsänderungsgesetz vom 1. September 2005 eingeführten Vorschrift des § 304 Abs. 2 StGB sei nämlich eine mit der Vorschrift des § 303 Abs. 2 StGB vergleichbare Regelung nachträglich geschaffen worden. Nach dem gesetzgeberischen Willen sei daher eine für die Strafbarkeit nach § 304 Abs. 1 StGB und gleichsam für die Abgrenzbarkeit zur Strafbarkeit nach § 303 Abs. 1 StGB erforderliche Beeinträchtigung der besonderen öffentlichen Funktion für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 304 Abs. 2 StGB nicht Voraussetzung.

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Entgegen der Rechtsansicht des Amtsgerichts muss, wie die Generalstaatsanwaltschaft, die sich dem Oberlandesgericht Jena (OLG Jena NJW 2008, 776) angeschlossen hat, zutreffend ausführt, zu der Veränderung des Erscheinungsbildes gemäß § 304 Abs. 2 StGB - ebenso wie bei dem Beschädigen nach § 304 Abs. 1 StGB - eine Beeinträchtigung der öffentlichen Funktion des Tatobjekts hinzukommen. Diese Frage ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt und auch im Gesetzgebungsverfahren anlässlich des 39. StÄG vom 1. September 2005 unerörtert geblieben (vgl. BT-Drucks. 15/5313). Eine von § 304 Abs. 1 StGB abweichende Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Veränderung des Erscheinungsbildes wäre allerdings systemwidrig. Denn gerade die Beeinträchtigung des öffentlichen Nutzungsinteresses hat den in § 304 StGB über die einfache Sachbeschädigung des § 303 StGB hinausgehenden Unrechtsgehalt und damit auch den höheren Strafrahmen zur Folge. Eine allein am Wortlaut haftende weite Auslegung von § 304 Abs. 2 StGB würde zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass für die eingriffsintensivere Beschädigung nach § 304 Abs. 1 StGB das einschränkende Merkmal der Beeinträchtigung der öffentlichen Nutzungsfunktion verlangt würde, für die vergleichsweise geringfügigere Einwirkung auf das Tatobjekt durch die Veränderung des Erscheinungsbildes nach § 304 Abs. 2 StPO jedoch nicht (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl., § 304 Rdn. 13; Wolff Leipziger Kommentar StGB, 12. Aufl., § 304 Rdn. 17; Lackner/Jühl, StGB 26. Aufl., § 304 Rdn. 4; BayOLG StV 99, 543 f; KG NStZ 2007, 223; Kundlich GA 2006, 38, 41).

Ob die Besprühungen geeignet waren, die öffentliche Nutzungsfunktion zu beeinträchtigen, war nicht erkennbar.

Das Amtsgericht hat keine Ausführungen dazu gemacht, ob der U-Bahn-Waggon, bei dem es sich um einen dem öffentlichen Nutzen dienenden Gegenstand handelt, infolge des Besprühens tatsächlich zumindest vorübergehend nicht weiterhin zur Personenbeförderung eingesetzt werden konnte, denn das Urteil enthält keine näheren Angaben zu den besprühten Flächen. Es kann daher nicht festgestellt werden, ob neben den Wandflächen auch Fenster und Türen oder die Fahrerkabine derart übersprüht worden sind, dass der U-Bahn-Wagen zum Publikumstransport nicht mehr geeignet war. Die bloße Mitteilung im Urteil, zur Größe der Graffiti seien auch die Lichtbilder aus der Akte in Augenschein genommen worden, enthält keine zulässige Bezugnahme i. S. v. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, da sie lediglich den Beweiserhebungsvorgang beschreibt und nicht den Willen zum Ausdruck bringt, die Lichtbilder zum Bestandteil der Urteilsgründe zu machen (vgl. KG VRS 113, 300; OLG Hamm VRS 113, 432 ff). Der Senat konnte demzufolge nicht auf die Lichtbilder zurückgreifen. Darüber hinaus fehlen im Urteil jegliche Ausführungen dazu, wie umfangreich die anschließenden Reinigungsarbeiten durch die BVG waren und wie lange der Waggon deshalb der öffentlichen Nutzung entzogen werden musste. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen

Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin zurück.

Ende der Entscheidung

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