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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: (4) 1 Ss 490/04 (202/04)
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 22
StGB § 23
StGB § 352
Allein der Abschluss einer unzulässigen Honorarvereinbarung stellt in aller Regel noch keine versuchte Gebührenüberhebung dar.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: (4) 1 Ss 490/04 (202/04)

In der Strafsache gegen

wegen versuchter Gebührenüberhebung

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin in der Sitzung vom 15. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Kammergericht als Vorsitzende, Richter am Kammergericht, Richterin am Kammergericht als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Berlin,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. August 2004 wird verworfen.

Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Rechtmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der versuchten Gebührenüberhebung freigesprochen. Das Landgericht hat die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen. Ihre Revision, mit der sie das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte, ein Rechtsanwalt, am 29. Mai 2001 durch einen vom Amtsgericht Cloppenburg eingesetzten Nachlaßpfleger beauftragt wurde, die Erben des verstorbenen E. zu ermitteln, wofür ihm ein Erfolghonorar von 20 % des Nachlaßwertes zugesagt wurde, auf das etwaige Zahlungen der Erben angerechnet werden sollten. Nachdem der Angeklagte die Erbin M. ermittelt hatte, schloß er mit ihr am 12./15. August 2001 eine schriftliche "Honorarvereinbarung", wonach er mit der "rechtsgeschäftlichen Vertretung" (auch gegenüber Versicherungen) und "zur Regelung des Nachlasses" beauftragt wurde und zur Durchführung dieser Tätigkeit ein Entgelt "unter Ausschluß der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung" in Höhe von 30 % des sich aus dem Vermögensverzeichnis des Nachlaßgerichts ergebenden "aktiven Nachlaßvermögens" erhalten sollte. Tätigkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung entfaltete der Angeklagte in der Folgezeit nicht. Nachdem ihm die Erbin Mitte Oktober 2001 mitgeteilt hatte, daß sie einen anderen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt habe, sah der Angeklagte das Mandatsverhältnis als beendet an und nahm für sein Honorar als Erbenermittler den Nachlaß aus dem Vertrag mit dem Nachlaßpfleger vom 29. Mai 2001 in Anspruch. Aus der Honorarvereinbarung vom 12./15. August 2001 erhob er keine Forderungen.

Das Landgericht ist auf der Grundlage dieser Feststellungen zu der Annahme gelangt, daß es sich bei dem Vertrag vom 12./15. August 2001 nicht um eine unzulässige Honorarvereinbarung gehandelt habe, darin jedenfalls noch nicht der Versuch einer Gebührenüberhebung zu sehen und selbst dann der Angeklagte davon freiwillig zurückgetreten sei.

Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis erfolglos.

1. Die erhobene Aufklärungsrüge, mit der die Revision beanstandet, daß die Erbin nicht vernommen worden ist, entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Staatsanwaltschaft teilt zwar mit, welches Ergebnis ihrer Auffassung nach von einer Vernehmung der Zeugin M. zu erwarten gewesen wäre. Denn es wird auf ihre polizeiliche Befragung im Ermittlungsverfahren Bezug genommen, aus der sich ergeben soll, daß die Zeugin das vereinbarte Honorar ausschließlich für die schriftlich fixierten (anwaltlichen) Leistungen des Angeklagten und nicht für dessen Erbenermittlung erbringen wollte. Dem Revisionsvorbringen läßt sich jedoch nicht entnehmen, ob und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis die Zeugin durch das Amtsgericht vernommen worden ist und ob die Staatsanwaltschaft ihre Vernehmung in der Berufungshauptverhandlung beantragt hat. Diese Mitteilungen wären aber erforderlich gewesen, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob das Landgericht sich zu einer (erneuten) Vernehmung der Zeugin M. gedrängt sehen mußte.

2. Auch die Sachrüge, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird, deckt im Ergebnis keine Rechtsfehler auf.

Der Senat kann offen lassen, ob dem Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen in der Annahme zu folgen ist, der Angeklagte habe entgegen dem Wortlaut der von ihm selbst formulierten Vereinbarung für die Zeugin M. nicht als Rechtsanwalt tätig werden und sich mit 20 % des Honorars die Erbenermittlung bezahlen lassen wollen.

Denn die Feststellungen ergeben nicht, daß der Angeklagte mit der Tatausführung schon begonnen hatte.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Das ist ohne weiteres dann anzunehmen, wenn der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht hat. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß aufgrund der getroffenen Feststellungen, die insoweit auch die Revision nicht beanstandet, der Angeklagte - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Honorarvereinbarung vom 12./15. August 2001 - aus ihr keine Vergütung erhoben hat. Denn mit dem Begriff "erheben" in § 352 StGB sind solche Handlungen des Täters gemeint, die ein Zahlungsverlangen enthalten oder sonst der Durchsetzung einer beanspruchten Forderung dienen.

Das Versuchsstadium kann allerdings auch schon zu einem Zeitpunkt erreicht sein, bevor der Täter einzelne Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat. Das ist dann der Fall, wenn er subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschritten und objektiv zum tatbestandsmäßigen Angriff auf das durch die Norm geschützte Rechtsgut angesetzt hat, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung übergeht (vgl. BGHSt 37, 294). Daran fehlt es hier.

Denn Voraussetzung für das Entstehen eines Zahlungsanspruchs waren nach der Vereinbarung zunächst weitere (anwaltliche) Tätigkeiten des Angeklagten, die er aber nicht erbracht hatte, und eine konkrete Bezifferung der Vergütung, die er ebenfalls nicht vorgenommen hatte. Aus diesem Grund war das Vermögen seiner Auftraggeberin durch die Honorarvereinbarung noch nicht konkret und unmittelbar gefährdet.

Eine Strafbarkeit des Angeklagten nach den §§ 263, 22, 23 StGB scheidet ebenfalls aus. Betrug kann neben der Spezialvorschrift der Gebührenüberhebung nur vorliegen, wenn zu der Täuschung über das Entstehen und die Höhe der Zahlungspflicht, die begriffsnotwendig zum Tatbestand des § 352 gehört, eine weitergehende Täuschung hinzutritt (vgl. BGHSt 2, 35; OLG Köln NStZ 1991, 239; OLG Düsseldorf NJW 1989, 2901), die den Mandanten zum Abschluß einer Honorarvereinbarung bewegen soll. Derartige Täuschungshandlungen des Angeklagten sind hier nicht ersichtlich.

Auch eine Bestrafung nach § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB kommt entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht in Betracht. Für die Annahme, die Erbin habe sich bei Abschluß der Honorarvereinbarung mit dem Angeklagten in einer Schwächesituation der in § 291 Abs. 1 Satz 1 StGB bezeichneten Art befunden, die der Angeklagte ausgenutzt habe, bieten die Feststellungen des Landgerichts keine Anhaltspunkte.

3. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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