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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 28.02.2005
Aktenzeichen: (5) 1 HEs 11/05 (3/05)
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121
StPO § 121 Abs. 1
StPO § 122
StPO § 122 Abs. 1
StPO § 122 Abs. 3
StPO § 122 Abs. 4
StPO § 126
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
(5) 1 HEs 11/05 (3/05)

In der Ermittlungssache

wegen Betruges u.a.

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 28. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Untersuchungshaft des Beschuldigten dauert fort.

Bis zum Urteil, längstens bis zum 27. Mai 2005, wird die Haftprüfung dem nach § 126 StPO zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

Gegen den am 6. Juni 2004 vorläufig festgenommenen Beschuldigten wird seit dem 7. Juni 2004 die Untersuchungshaft vollzogen. Grundlage ist der auf Flucht- und Verdunkelungsgefahr gestützte Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin - 352 Gs 1969/04 - vom 25. Mai 2004. Er enthält die Tatvorwürfe des Betruges in Tateinheit mit Falschbeurkundung (Fall 1), des Betruges (Fall 2), des zweifachen versuchten Betruges jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Verabredung zum Meineid (Fälle 3 und 4) sowie zweifacher falscher Verdächtigung (Fälle 5 und 6), in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fall 5).

Am 7. September 2004 wurde der Haftbefehl durch den Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten - 352 Gs 3375/04 - um drei Vorwürfe des Betruges (Fälle 7-9) erweitert. Eine zweite Erweiterung um den Vorwurf der falschen uneidlichen Aussage in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug (Fall 10) folgte am 10. Dezember 2004 - 352 Gs 4693/04 -. Als Haftgründe sind in beiden Beschlüssen wiederum Flucht- und Verdunkelungsgefahr genannt. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf den Haftbefehl und die ihn ergänzenden Beschlüsse. Das Amtsgericht hält die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich; es hat die Akten dem Senat gemäß § 122 Abs. 1 StPO vorgelegt. Die Akten sind bei dem Kammergericht am 13. Januar 2005 eingegangen.

Die Untersuchungshaft ist aufrechtzuerhalten.

I.

1. Allerdings ist die Sache dem Senat verspätet vorgelegt worden. Denn der Beschuldigte hatte sich bereits am 6. Dezember 2004 sechs Monate lang wegen derselben Tat in Untersuchungshaft befunden. Durch die am 7. September und am 10. Dezember 2004 erlassenen Beschlüsse ist der Fristenlauf nicht erneut in Gang gesetzt worden. Die Vorwürfe aus den Erweiterungsbeschlüssen vom 7. September 2004 und 10. Dezember 2004 bezogen sich auf "dieselbe Tat".

a) Der Begriff derselben Tat ist weder im sachlich-rechtlichen (§ 52 StGB) noch im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 264 StPO) zu verstehen. Er ist vielmehr erweiternd auszulegen (vgl. KG JR 1967, 231; std. Rspr. des KG, vgl. z. B. Beschlüsse vom 17. August 1999 - (5) 1 HEs 165/99 (29/99) - und 18. Januar 1999 -(5) 1 HEs 332/98 (1/99) -), um das Nachschieben aufgesparter Tatvorwürfe zu verhindern und die Dauer der Untersuchungshaft auf ein Mindestmaß zu beschränken (vgl. OLG Köln NStZ-RR 1998, 181; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1998, 182). Aus diesen Grundsätzen hat die herrschende Meinung die Folgerung gezogen, daß der Tatbegriff des § 121 Abs. 1 StPO alle Taten eines Beschuldigten umfaßt, die bei Erlaß des Haftbefehls bekannt gewesen sind und daher in ihn hätten aufgenommen werden können (vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 2001, 152; OLG Frankfurt am Main NJW 1990, 2144 = NStE Nr. 20; OLG Düsseldorf StV 1989, 256 = NStE Nr. 13, beide zu § 121 StPO; Senat aaO; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl., § 121 Rdnrn. 11-15; Boujong in KK, StPO 5. Aufl., § 121 Rdn. 11, jeweils mit weit. Nachw.; kritisch OLG Köln NStZ-RR 1998, 181).

b) Nach diesen Grundsätzen betreffen der Haftbefehl vom 25. Mai 2004 und seine Ergänzungen dieselbe Tat. Zwar hat das Amtsgericht Tiergarten auf Anfrage der Staatsanwaltschaft die Ansicht vertreten, der Fristenlauf habe am 14. Juli 2004 erneut begonnen, weil erst das an diesem Tage abgelegte richterliche Geständnis des Mitbeschuldigten Sch--- den bereits bestehenden Tatverdacht in den Fällen 7-9 in der Gesamtschau zu einem dringenden Tatverdacht habe erstarken lassen und die Verstrickung des Beschuldigten B---- R---- auch in diese Fälle deutlicher hat hervortreten lassen. Der Senat läßt offen, ob diese Auffassung in tatsächlicher Hinsicht zutrifft. Denn auch auf ihrer Grundlage hat der Fristenlauf bereits am 6. Juni 2004 begonnen.

Der Zeitpunkt des Fristbeginns verschiebt sich nicht dadurch, daß sich im Laufe desselben Ermittlungsverfahrens der gegen den Beschuldigten bestehende Tatverdacht, weitere gleichartige oder ähnliche Taten desselben Tatkomplexes ("Serientaten") begangen zu haben, zu unterschiedlichen Zeiten zum dringenden Tatverdacht erhärtet hat (vgl. OLG Celle NdsRPfl 2004, 249; OLG Karlsruhe StV 2003, 517; KG, Beschlüsse vom 30. August 1999 - (4) 1 HEs 138/00 (82/00) -; 12. April 2000 - (4) 1 HEs 50/00 (31/00) - und 30. August 1999 - (4) 1 HEs 146/99 (92/99) -). Denn ein erneuter Fristbeginn widerspräche dem Normzweck des § 121 StPO, der die Untersuchungshaft zeitlich begrenzen und zugleich die Strafverfolgungsbehörden dazu anhalten soll, die Ermittlungen und das weitere Verfahren zu beschleunigen (vgl. Boujong aaO Rdn. 1). Zwar ist die Frage im Streit, ob und inwieweit die Verfahrensidentität den Schluß rechtfertigt, die Untersuchungshaft betreffe "dieselbe Tat" (vgl. Summa NStZ 2002, 69 mit Nachw.). Im vorliegenden Verfahren kann aber kein Zweifel bestehen, daß der von der Rechtsprechung für die Erweiterung des Tatbegriffs im Sinne der §§ 121, 122 StPO maßgebliche Gesichtspunkt, die "Reservehaltung" von Vorwürfen zu verhindern, die Bewertung aller gegen den Beschuldigten gerichteten Tatvorwürfe als zu "derselben Tat" gehörig gebietet. Ließe man bei Ermittlungen wegen bereits bekannter Tatvorwürfe aus demselben Ursprungsverfahren, bei denen lediglich der Grad des Tatverdachts bezüglich einzelner Beschuldigter noch nicht für den Erlaß eines Haftbefehls ausreicht, den erneuten Fristbeginn zu den Zeitpunkten zu, zu denen der Tatverdacht jeweils dringend wird, so hätten es die Strafverfolgungsbehörden in der Hand, aktiv auf den Fristbeginn einzuwirken. Denn sie bestimmen maßgeblich Art und Zeitpunkt der Ermittlungshandlungen. Das versetzt sie in einem Komplexverfahren wegen Serienstraftaten in die Lage, Vernehmungen von Zeugen und Mitbeschuldigten so zu terminieren, daß der dringende Tatverdacht bezüglich einer Einzeltat voraussehbar erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt erwächst. Eine solche Auslegung des Tatbegriffs in §§ 121, 122 StPO widerspräche indes dem Normzweck, gerade jede Art von Vorratshaltung zu verhindern.

c) Im konkreten Fall betreffen die Tatvorwürfe 1-6 dieselbe Tat wie die Fälle 7-9. Das Ermittlungsverfahren wird wegen aller dieser Fälle seit dem Jahre 2001 geführt. Es richtet sich gegen inzwischen mehr als 60 Beschuldigte. In seinem Zentrum steht eine einzelne bestimmende Person, die alles Geschehen maßgeblich, haargenau und in allen Einzelheiten geplant und in ihren Händen gehalten haben soll: der Beschuldigte M. Er ist es, dem vorgeworfen wird, auf dem Gelände des Bootshauses R. in B---- - S------ die bereits am 22. März 2001 anläßlich einer Durchsuchung entdeckte Fälscherwerkstatt betrieben zu haben, die als Kulminationspunkt fast aller weit über 100 verfahrensgegenständlichen Straftaten diente. Der Beschuldigte B. ist sein jüngerer Bruder.

Den Ermittlungsergebnissen zufolge gelang es M., eine Vielzahl von mit ihm geschäftlich und privat verbundenen Personen mittels einer Mischung aus absichtsvoller Großzügigkeit und finanzieller Verstrickung in seinen Bann zu ziehen und sie so zur Mitwirkung an von ihm ausgeheckten Vergehen zu gewinnen. Das Verfahren gliederte sich seither im wesentlichen in zwei Komplexe: die betrügerische Erlangung, Absicherung und Verwertung von Grundpfandrechten und die Fälschung von Prüfbescheinigungen für Kraftfahrzeuge. Ein dritter trat später hinzu: der (versuchte) Betrug bezüglich einer Vielzahl von erfundenen, gestellten oder absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfällen. Der Beschuldigte B. ist im ersten (Fälle 1-9) sowie im dritten (Fall 10) Komplex verstrickt.

aa) Die Grundpfandrechtsfälle lassen sich wie folgt grob zusammenfassen. Sie weisen - mit einer Vielzahl individueller Abweichungen - ein Grundmuster auf: Aufgrund der Planung des M., die juristisch von dem Rechtsanwalt K. abgesichert wurde, täuschte entweder M. persönlich mit Hilfe eingeweihter Mittäter oder nach dessen Planung der Beschuldigte B. zwischen 1997 und 2001 geschäftlich unerfahrenen Grundstücksbesitzern die Gewährung eines durch eine Grundschuld zu sichernden Darlehens vor. Diese erhielten nur einen Bruchteil oder gar nichts ausgezahlt; die Täter ließen gleichwohl die Grundschuld in der notariell beurkundeten Höhe eintragen und verfolgten in den nachfolgenden Rechtsstreiten ihre angeblichen Ansprüche in der ursprünglichen Höhe, wobei sie gefälschte Urkunden verwendeten und nach genauen, von M. verfaßten Drehbüchern vor Gericht als Zeugen falsch aussagten oder die Falschaussagen, durch gefälschte Urkunden vorbereitet, planten. In einigen Fällen gelang diese Art der Täuschung auch gegenüber verkaufswilligen Eigentümern, in anderen fälschte M. die Grundschuldbestellungen komplett. In aller Regel gehörte es zum Tatplan, daß derjenige, der als Grundschuldgläubiger auftrat, das Pfandrecht noch mindestens einmal an einen vermeintlich Gutgläubigen abtrat, um die Rechtsverfolgung des Geschädigten zu vereiteln. In den Fällen der Totalfälschung ließ M. mehrfach diejenigen Teile der Grundakten entwenden, aus denen sich bei Nachforschungen die Unrichtigkeit des Grundbuchs ergeben hätte.

bb) Im Fall 10 wird dem Beschuldigten vorgeworfen, in einem wegen eines absichtlich zum Zwecke des Versicherungsbetruges verursachten Verkehrsunfalls geführten Zivilrechtsstreit vor dem Amtsgericht Mitte als Zeuge falsch ausgesagt zu haben, um die berechtigten Ansprüche der geschädigten Klägerin gegen den im Grundstückskomplex als Mittäter beschuldigten F. abzuwehren. Auch insoweit handelt es sich um einen bereits vor der Inhaftierung in ausreichendem Maße bekannten Tatvorwurf, da die maßgeblichen Vernehmungen im März 2004 geführt worden sind Bd. 143 S. 44 ff.).

2. Die um fünfeinhalb Wochen verspätete Vorlage der Akten gebietet indes nicht die Aufhebung des Haftbefehls ohne sachliche Prüfung (vgl. BGH MDR 1988, 357 bei Schmidt; OLG Hamm NStZ-RR 2003, 143; OLG Karlsruhe StV 2000, 513; KG, Beschlüsse vom 19. März 2001 - (5) 1 HEs 24/01 (5/01) -; 19. Juli 2000 - (4) 1 HEs 131/00 (78/00) - und 4. November 1999 - (4) 1 HEs 220/99 (136-138/99) -). Den Vorlagefristen kommt nur die Bedeutung von Ordnungsvorschriften zu. Als Folge der verspäteten Aktenvorlage müssen jedoch nunmehr an die Prüfung der inhaltlichen Voraussetzungen des § 121 StPO erhöhte Anforderungen gestellt werden (vgl. OLG Hamm aaO, OLG Karlsruhe aaO), die wegen der inzwischen verstrichenen Zeit denen der Prüfung nach § 122 Abs. 4 StPO gleichkommen. Auch eine an diesem Maßstab orientierte Prüfung führt indes vorliegend zur Fortdauer der Untersuchungshaft.

II.

1. Der Beschuldigte B. ist aufgrund der in dem Haftbefehl und den ergänzenden Beschlüssen benannten Beweismittel jedenfalls der in den Fällen 1-4, 7, 9 und 10 geschilderten Taten dringend verdächtig. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Haftfortdauer nach §§ 121, 122 StPO zwar nicht nur auf die Überprüfung beschränkt ist, ob speziell die Haftfortdauer über sechs Monate hinaus gerechtfertigt ist (vgl. OLG Celle NJW 1969, 245; Meyer-Goßner, § 122 StPO Rdn. 13 mit weit. Nachw.); sondern er hat auch alle anderen Voraussetzungen des Haftbefehls zu überprüfen ("Sockelprüfung", vgl. Schnarr MDR 1990, 89, 90 f.). Den Schwerpunkt hat er aber auf die Prüfung des wichtigen Grundes zur Überschreitung der 6-Monats-Frist zu legen; bei umfangreichen Sachen kann er nur eine grobe Überprüfung des dringenden Tatverdachts vornehmen (vgl. KG, Beschluß vom 21 August 1997 - (4) 1 HEs 95/97 (138-140/97) -). Eine umfassende Beweiswürdigung unter Beachtung aller Beweismittel und Indizien, die den zahlreichen Bedenken und Hinweisen der Verteidigung nachgehen müßte, muß das Oberlandesgericht in dieser Verfahrensart nicht vornehmen. Insbesondere ist ihm die Bewertung der persönlichen Glaubwürdigkeit der Beteiligten versagt(vgl. KG aaO).

a) Der Beschuldigte hatte seine Schuld bislang nur in den Fällen 1 und 2 anläßlich seiner richterlichen Vernehmung vom 7. Juni 2004 mit kurzen Andeutungen bestritten und ansonsten geschwiegen. Hingegen hat die Staatsanwaltschaft die im Haftbefehl und den erweiternden Beschlüssen benannten umfangreichen Beweismittel zusammengetragen. Insbesondere wird der Beschuldigte durch die Geständnisse mehrerer Mitbeschuldigter belastet.

Inzwischen hat sich der Beschuldigte am 24. Februar 2005 schriftsätzlich durch seinen Verteidiger erstmals umfangreich eingelassen. Den dringenden Tatverdacht in den Fällen 2 und 10 hat er durch seine geständigen Angaben erstmals bestätigt, im Fall 2 sogar entgegen seinem ursprünglichen Bestreiten. Der Senat weist darauf hin, daß der Haftbefehl insoweit unvollständig ist, als der Tatvorwurf der tateinheitlichen falschen uneidlichen Aussage (§§ 153, 52 StGB) zwar in tatsächlicher Hinsicht geschildert wird, in rechtlicher Hinsicht aber fehlt.

b) aa) In den Fällen 1 und 7 bestreitet der Beschuldigte die Tatvorwürfe. Der Zeuge Bu. soll die beurkundeten 200.000 DM tatsächlich erhalten haben (Fall 1). Am Betrug an dem Zeugen Ph. (Fall 7) will sich der Beschuldigte nicht durch die ihm vorgeworfene vertretungsweise Führung der Geschäfte seines Bruders während dessen Abwesenheit beteiligt haben. Beiden Einlassungen stehen die Angaben des Mitbeschuldigten Sch. entgegen, die nicht widerlegt sind, weil ihnen nur schlichtes Bestreiten und Vermutungen entgegengesetzt worden sind.

bb) In den Fällen 3 und 4 hat der Beschuldigte eine teilweise Beteiligung an dem Komplott gegen seinen Onkel zugegeben, will aber die betrügerischen Hintergründe und das Ausmaß der für ihn in der Planung seines Bruders vorgesehenen Rolle des vor den Gerichten vorzutragenden Drehbuchs nicht gekannt haben. Ebenso bestreitet er die unter seinem Namen verfaßte ausführliche Schilderung des gesamten Komplotts und der angeblichen Umstände, unter denen die Übergabe der 515.000 DM von H. L. an H. R. stattgefunden haben soll. Die vorgebliche Unkenntnis aller wesentlichen Merkmale des Plans überzeugt schon deshalb nicht, weil B. schon bei der Teilungsversteigerung, der Keimzelle des Plans, H. R. zu ruinieren, auf dessen Gegenseite stand und den Zuschlag mit einem Angebot erhielt, das zu erfüllen er selbst von vornherein nicht annähernd in der Lage gewesen wäre. Schon die Äußerung des M., er "werde sich da noch was überlegen", machte den Beschuldigten angesichts der Gesamtumstände bösgläubig.

cc) Keinen dringenden Tatverdacht nimmt der Senat hingegen in den Fällen 5 und 6 an, die mit dem Komplott gegen H. R. (Fälle 3 und 4) in Verbindung stehen. Möglicherweise hat H. R. zusammen mit den Zeugen Ko. die betrügerischen Machenschaften der auf seine wirtschaftliche Vernichtung zielenden Widersacher seinerseits mit einem nicht der Wahrheit entsprechenden "Alibibeweis" (Anwesenheit beim Rosenfest in E----- anstatt bei der angeblichen Geldübergabe in B - S ) abgewehrt, um im gesamten Rechtsstreit der sachlich-rechtlichen Wahrheit (keine Geldübergabe), die er anders nicht zu beweisen in der Lage war, zum Siege zu verhelfen. Dafür sprechen u.a. das Wettergutachten und die nach dem ersten Rechtszug des Zivilrechtsstreits geäußerte unverhohlene Freude des M., er werde aufgrund dieses Gutachtens leicht in der Lage sein, das "Alibi" zu entkräften (vgl. zu der Konstellation der selbstlosen Falschaussage: Bender/ Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 2. Aufl. 1995, Rdn. 175).

dd) Der Senat bejaht hingegen den dringenden Tatverdacht im Fall 9. Die jetzige Einlassung des Beschuldigten deckt schon nicht die im Rahmen des Betrugsplans verwendete Legende ab, er habe gegen seinen Bruder einen die Abtretung der Grundschuld rechtfertigenden Anspruch auf 100.000 DM aus Darlehen (vgl. zu einem ähnlichen von M. erfundenen "Rechtsverhältnis" zwischen den Beschuldigten Kl. und Ma.: Senat, Beschluß vom 17. Dezember 2004 - 5 Ws 578/04 -). Denn nunmehr beruft er sich für seinen angeblichen Anspruch neben einigen - nicht weiter bezeichneten - Beträgen, mit denen er "ausgeholfen" haben will, im wesentlichen auf den Wert von Arbeitsleistungen an Booten, denen eine Rechnungslegung indes nicht zugrundeliegt.

ee) Den dringenden Tatverdacht im Fall 8 schließlich hat der Senat nicht überprüft; denn das Ausmaß derjenigen Fälle, in denen der dringende Tatverdacht bejaht werden muß, genügt, um die Haftfortdauer zu tragen.

2. a) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 StPO), die durch mildere Maßnahmen als den Vollzug der Untersuchungshaft (§ 116 StPO) nicht ausgeräumt werden kann. Der Beschuldigte hat aufgrund der Anzahl der Vergehen sowie der Verabredung zu einem Verbrechen mit einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Die Handlungsweise, die der Planung im Komplex "Grundstücksgeschäfte" zugrundeliegt, ist von einer - unter den Beschuldigten freilich in unterschiedlichem Maße ausgeprägt zum Ausdruck gekommenen - menschlichen Niedertracht geprägt, die in Betrugsfällen eher ungewöhnlich ist. Die kriminelle Energie und Bedenkenlosigkeit, mit denen jeder Einzelne der Tätergruppierung den unglücklichen Opfern entgegengetreten ist und sie durch seine Machenschaften vor Gericht in eine nahezu ausweglose Beweislage manövrierte, bereitete den Geschädigten neben dem finanziellen Schaden Monate, ja Jahre quälender Ungewißheit und gab in vielen der von den Beschuldigten manipulierten Zivilprozessen auch Anlaß, am Rechtsstaat zu verzweifeln. Symptomatisch ist die empörte Reaktion der in dem Fall 10 vergleichsweise in glimpflichem Umfang durch einen absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfall und eine nachfolgende Falschaussage des Beschuldigten B. geschädigten Zeugin En. (Bd. 143 S. 49).

An diesen maßgeblich von seinem Bruder M. gesteuerten Straftaten hat sich der Beschuldigte, wenn der dringende Tatverdacht zur richterlichen Überzeugung erstarken sollte, intensiver beteiligt, als er es sich zur Zeit noch eingesteht. Für die Bemessung der voraussichtlich mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe wird es sich auch ungünstig für den Beschuldigten auswirken müssen, daß ihm die Beteiligung an den am schwersten wiegenden Taten dieses Verfahrens vorgeworfen wird (Fälle 3 und 4). Über Jahre hinweg versuchten die in diesem Fall verstrickten Beschuldigten, mittels gefälschter Unterlagen und eines geplanten Meineides zu Unrecht 515.000 DM gegen H. R., den Onkel der Beschuldigten M. und B., im Wege der Zwangsvollstreckung zu erlangen, nicht nur - wie beim Betrug notwendig - um sich ungerechtfertigt an diesem hohen Betrag - dem höchsten des Verfahrens - zu bereichern, sondern um den ihnen mißliebigen H. R. auf ausgeklügelte und hinterhältigste Art und Weise wirtschaftlich und persönlich zu ruinieren. Auch die Vorgeschichte, wonach H. R. nicht ganz ohne eigenes Zutun einen wirtschaftlichen Angriff der anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft nach M. sen. hervorgerufen haben soll, läßt diese Taten nicht in einem milderen Licht erscheinen. Daß dieser Coup - anders als andere Betrügereien - nicht gelungen ist, beruht nur auf der Aufmerksamkeit der in diesem Fall angerufenen Gerichte und der kämpferischen Abwehr durch den Geschädigten; den Beschuldigten ist dieser Umstand nicht zu verdanken.

b) Es besteht auch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (vgl. zu den Voraussetzungen den diesen Verfahrenskomplex betreffenden Beschluß des Senats vom 17. Dezember 2004 - 5 Ws 578/04 -). Alle Taten waren auf die Verschleierung der Wahrheit und die Täuschung von Gerichtspersonen angelegt und gezielt. Der Beschuldigte Be. ist aufgrund seiner Verwandtschaft mit dem Hauptbeschuldigten M., der sich ebenfalls noch nicht zur Sache eingelassen hat, enger vertraut. Noch im Herbst 2004 ist aus der Untersuchungshaft heraus versucht worden, das Verhalten untereinander abzustimmen (Bd. 142 Bl. 227).

3. Wichtige Gründe haben ein Urteil bislang nicht zugelassen. Die Ermittlungen sind seit der Inhaftierung des Beschuldigten kontinuierlich mit der in Haftsachen erforderlichen Beschleunigung geführt und vorangetrieben worden. Der Verfahrensstoff ist in ganz ungewöhnlichem Maße umfangreich und komplex. Er umfaßt mittlerweile allein über 150 Bände Hauptakten sowie unzählige Fallakten, Sonderbände und Beiakten. Wegen der detailreichen Manipulationen weist jeder Einzelfall eine Fülle individueller Tatsachen auf, die von den Strafverfolgungsbehörden in mühevollster Kleinarbeit durch die Vernehmung von mehr als einhundert Zeugen und Verdächtigen herausgearbeitet werden mußten. Wegen des spinnennetzartigen Zusammenhangs aller Straftaten war es auch nicht möglich, durch Heraustrennen einzelner Aspekte zu einer früheren Anklageerhebung und damit zu einem früheren Urteil zu gelangen. Insbesondere wäre es wegen der engen objektiven und subjektiven Verknüpfung jedweder Tatausführung mit M., dem planenden Kopf des Geschehens, sachwidrig gewesen, das Verfahren gegen einzelne Beschuldigte herauszutrennen und sie vorab anzuklagen (vgl. näher: Senat, Beschluß vom 16. Januar 2003 - (5) 1 HEs 202/02 (77-80/02) -).

Die Kompliziertheit und der Umfang der Sache haben sich auch im Verfahren vor dem Senat gezeigt. Es hat ebenfalls länger als üblich gedauert, weil dem Verteidiger mehrfach für dessen Stellungnahme Fristverlängerungen gewährt werden mußten.

4. Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht zu der Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Strafe nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Die Übertragung der Haftprüfung auf das nach § 126 StPO zuständige Gericht folgt aus § 122 Abs. 3 StPO.

Ende der Entscheidung

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