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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.05.2002
Aktenzeichen: 1 AR 13/02
Rechtsgebiete: GKG, KostVfg


Vorschriften:

GKG § 59
KostVfg § 8
Haften mehrere Gerichtskostenschuldner gemäß § 59 GKG als Gesamtschuldner, so ist der Kostenbeamte gemäß § 8 Abs.3 Satz 2 Nr.3 der Kostenverfügung regelmäßig verpflichtet, sämtliche Kostenschuldner nach Kopfteilen in Anspruch zu nehmen, wenn ihre Haftung im Innenverhältnis zueinander nicht bekannt ist und die Sicherheit der Staatskasse keine abweichende Inanspruchnahme geboten erscheinen lässt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 AR 13/02

In Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Erinnerung der Beteiligten zu 1. gegen die Kostenrechnung des Kammergerichts vom 6.März 2001 über 21.262,50 DM (Sollstellung der Justizkasse Berlin vom 22.Mai 2001 zu KSB-Nr. 1011206360003) in der Sitzung vom 21. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Kostenansatz wird in Höhe des 10.631,25 DM übersteigenden Betrages aufgehoben.

Gründe:

Die mit dem Ziel einer nur hälftigen Inanspruchnahme für die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens gemäß § 8 Abs.3 Nr.3 der Kostenverfügung (KostVfg) eingelegte Erinnerung ist gemäß § 5 Abs.1 Satz 1 GKG zulässig. Im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nach § 5 GKG ist eine Nachprüfung des Kostenansatzes auch daraufhin zulässig, ob die Vorschrift des § 8 KostVfg beachtet worden ist, die die Inanspruchnahme gesamtschuldnerisch haftender Kostenschuldner näher regelt. Zwar handelt es sich bei der Kostenverfügung lediglich um eine Verwaltungsanordnung. Ihre Aufstellung und regelmäßige Anwendung bewirken jedoch eine Selbstbindung der Verwaltung, die ihr Ermessen einschränkt und sie nach dem Gleichheitsgrundsatz (Art.3 Abs.1 GG) verpflichtet, im Einzelfall diese Vorschriften zu befolgen und bei der geübten Praxis zu bleiben. Ein Abweichen hiervon kann daher einen Ermessensfehler darstellen und zur Rechtswidrigkeit des Ansatzes führen (vgl. zu Vorstehendem Senat Rpfleger 1969, 262 und JurBüro 1979, 735/737; OLG Koblenz Rpfleger 1988, 384; OLG Karlsruhe JurBüro 1981, 414/416 und NJW-RR 2001, 1365/1366; OLG München NJW-RR 2000, 1744; Oestreich/Winkler/Hellstab, GKG, § 5 Rdn.27; § 58 Rdn.4, jew.m.w.N.).

Die Erinnerung ist auch begründet, da der angefochtene Kostenansatz nicht unter Beachtung von § 8 Abs.3 Satz 2 Nr.3 KostVfg ergangen ist.

Die Beteiligte zu 1. und Klägerin zu 1. sowie der Kläger zu 2. waren als solche im Ausgangsprozess Streitgenossen. Zwischen ihnen bestand mit Rücksicht auf die Regelung des § 248 Abs.1 AktG sogar notwendige Streitgenossenschaft (vgl. BGHZ 122, 240 = NJW 1993, 1976/1983). Da ihnen durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 die Kosten der Rechtsmittelverfahren auferlegt worden sind, haften sie für die Kosten des Berufungsverfahrens als Entscheidungsschuldner (§ 54 Nr.1 GKG), und zwar nach der gesetzlichen Regelung des § 59 Abs.1 Satz 1 GKG als Gesamtschuldner, weil es an einer anderen Verteilung dieser Kosten durch gerichtliche Entscheidung gemäß § 59 Abs.1 Satz 2 GKG fehlt.

Die Inanspruchnahme gesamtschuldnerisch haftender Kostenschuldner ist in § 8 KostVfg näher geregelt. Gemäß § 8 Abs.3 Satz 1 KostVfg bestimmt der Kostenbeamte in allen sonstigen Fällen der gesamtschuldnerischen Haftung, in denen - wie hier - die Voraussetzungen der § 8 Abs.1 und 2 KostVfg nicht gegeben sind, nach pflichtgemäßem Ermessen, ob der geschuldete Betrag von einem Kostenschuldner ganz oder von mehreren nach Kopfteilen angefordert werden soll. Soweit die Sicherheit der Staatskasse keine andere Art der Inanspruchnahme geboten erscheinen lässt, sollen die Kosten regelmäßig in der in § 8 Abs.3 Satz 2 Nrn. 1-3 Kostvfg bestimmten Reihenfolge angefordert werden. Vorliegend sind weder die Voraussetzungen der Nr.1 (Auferlegung durch gerichtliche Entscheidung auf bzw. Übernahme durch einen der Gesamtschuldner) gegeben, noch sind aus den Akten die Voraussetzungen der Nr.2 (endgültige Kostentragungspflicht durch einen der Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander) ersichtlich. Maßgebend ist daher die Regelung des § 8 Abs.3 Satz 2 Nr.3 Kostvfg, wonach die Kosten regelmäßig von sämtlichen Kostenschuldnern nach Kopfteilen angefordert werden sollen, wenn ihr Innenverhältnis dem Kostenbeamten nicht bekannt ist oder wenn sie auch im Verhältnis zueinander gleichmäßig haften. Dies ist hier der Fall, da die Akten zur endgültigen Kostentragungspflicht der beiden Kläger im Innenverhältnis keine Angaben enthalten und Umstände, die aus Gründen der Sicherheit der Staatskasse eine andere Art der Inanspruchnahme geboten erscheinen ließen, nicht ersichtlich sind.

Die sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ergebende Ermessensbindung der Verwaltung gilt auch hinsichtlich der Beachtung des § 8 Abs.3 Satz 2 Nr.3 Kostvfg. Sofern dessen Voraussetzungen vorliegen, ist der Kostenbeamte daher nach wohl herrschender Auffassung regelmäßig verpflichtet, die Kosten zunächst von allen Gesamtschuldnern nach Kopfteilen anzufordern (vgl. OLG Koblenz Rpfleger 1988, 384; OLG München a.a.O.; FinG Berlin EFG 1990, 597; FinG Nürnberg EFG 1991, 754; Hartmann, KostG, 31. Aufl., VII. Grundzüge Rdn.1; § 8 KostVfg Rdn.1; Oestreich/Winkler/Hellstab a.a.O.). Nach der Gegenansicht, die allein auf die gesetzliche Regelung (§ 59 Abs.1 Satz 1 GKG, § 426 BGB) abstellt, kann sich die Staatskasse nach ihrem Belieben an einen der Gesamtschuldner halten, während der Ausgleich im Innenverhältnis zu erfolgen hat (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2000, 71, OVG Münster AGS 2000, 55, m.abl.Anm. Hellstab; Markl/Mayer, GKG, 4.Aufl., § 58 Rdn.13 und § 59 Rdn.3). Der erstgenannten Auffassung ist zu folgen, da sie dem Gebot der Gleichbehandlung mehrerer Kostenschuldner gerecht wird, während die beliebige Inanspruchnahme eines von mehreren Gesamtschuldnern durch die Staatskasse eher willkürlich erscheint. Es kommt hinzu, dass die Staatskasse die Erhebung der Gerichtskosten im Verwaltungswege vornehmen und notfalls vollstrecken kann, während der in Anspruch genommene einzelne Gesamtschuldner unter Umständen gehalten ist, gegen eine Vielzahl von Mitschuldnern im Klagewege vorzugehen und zu vollstrecken. Ob in Sonderfällen, etwa wenn sich aus der Zahl der Gesamtschuldner und der Höhe der Kosten solche geringen Teilbeträge ergeben, dass die Kostenanforderung oder die Vollstreckung nicht mehr durchzuführen wären, im Hinblick auf die Sicherheit der Staatskasse eine andere Art der Inanspruchnahme nach pflichtgemäßem Ermessen geboten ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da ein solcher Fall nicht gegeben ist. Soweit der Senat früher eine abweichende Auffassung vertreten hat, wird daran nicht festgehalten.

Nach alledem erweist sich der entgegen § 8 Abs.3 Satz 2 Nr.3 Kostvfg erfolgte Ansatz der gesamten Gerichtskosten des Berufungsverfahrens allein gegen die Beteiligte zu 1. und nicht auch zur Hälfte gegen den Kläger zu 2. als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Er ist daher aufzuheben, soweit mehr als die Hälfte der Gesamtkosten von 21.262,50 DM, d.h. mehr als 10.631,25 DM angesetzt worden sind.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs.6 GKG).

Ende der Entscheidung

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