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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.07.2003
Aktenzeichen: 1 AR 2/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 65 a
Auch ein ohne hinreichenden Grund eingeleitetes Betreuungsverfahren kann an das Vormundschaftsgericht am Hauptwohnsitz des Betroffenen abgegeben werden, um dem Betroffenen die bessere Wahrnehmung seiner verfahrensmäßigen Rechte zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren nach Ansicht des annehmenden Gerichts ohne weiteres einzustellen ist.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 AR 2/03

in der Betreuungssache betreffend

hier: Abgabestreit zwischen dem Amtsgericht Knnnn und dem Amtsgericht Tnnnn /Knnnn .

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Vorlage des Amtsgerichts Kulmbach in der Sitzung vom 22. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Tnnnn -Knnnn ist verpflichtet, das Betreuungsverfahren vom Amtsgericht Knnnn zu übernehmen.

Gründe:

Das Kammergericht ist gemäß §§ 65a Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 1 letzte Alt. FGG zur Entscheidung des zwischen den Amtsgerichten Knnnn und Tnnnn /Knnnn geführten Übernahmestreits berufen, weil gemeinschaftliches oberes Gericht der beteiligten Amtsgerichte der Bundesgerichtshof ist und das Amtsgericht Tnnnn /Knnnn , an das das Verfahren abgegeben werden soll, zum Bezirk des Kammergerichts gehört.

Hier handelt es sich auch um einen Abgabestreit nach § 46 Abs. 2 FGG und nicht um einen Zuständigkeitsstreit nach § 5 FGG, zu dessen Entscheidung das Oberlandesgericht berufen wäre, in dessen Bezirk das erstbefasste Amtsgericht Knnnn gehört (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FGG). Denn das Amtsgericht Knnnn hat im August 2002 seine örtliche Zuständigkeit nach § 65 Abs. 1 FGG für die Einleitung eines Betreuungsverfahrens bejaht, weil der Betroffene das Haus Snnnnnn Nr. 5 in 9nnn Gnnnnnn bewohnte, dort mit Nebenwohnsitz gemeldet war und nach Aktenlage dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Nach §§ 65 a, 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FGG kann das Vormundschaftsgericht eine Betreuungssache aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgeben. Dabei liegt ein wichtiger Grund für die Abgabe in der Regel vor, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind (§ 65 a Abs. 1 Satz 2 FGG). Insgesamt muss durch die Abgabe im Hinblick auf das Wohl des Betroffenen ein Zustand geschaffen werden, der eine zweckmäßigere, leichtere Führung der Angelegenheit ermöglicht (Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 65 Rn. 3; BayObLG FamRZ 1993, 449).

Dass ein wichtiger Grund zur Abgabe des Verfahrens vorliegt, erscheint zunächst deswegen zweifelhaft, weil es - worauf das Amtsgericht Tnnnn -Knnnn in seinem Aktenvermerk vom 21. November 2002 zutreffend hinweist - keine hinreichenden Gründe gibt, die Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen nach § 1896 BGB zu überprüfen. Vielmehr ist das Betreuungsverfahren ohne weiteres einzustellen. Nach dem Inhalt der Akten gibt es keinerlei Anhalt für die Annahme, dass der Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet und der Betreuung bedarf. Der Betroffene hat zwar im Rahmen von Grenzstreitigkeiten seinen Nachbarn gegenüber dem Staatlichen Gesundheitsamt Knnnn offenbar grundlos einer Psychose bezichtigt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, er selbst leide an einer psychischen Erkrankung, geschweige denn, er sei infolgedessen ganz oder teilweise nicht in der Lage, seine Angelegenheiten zu besorgen (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die in der Akte enthaltenen schriftlichen Eingaben des Betroffenen sind angemessen und unauffällig, sie lassen keine Beeinträchtigung der Realitätswahrnehmung und keine Störungen des Denkens oder der Gefühlswelt erkennen. Dass der Betroffene bei einem Telefonat mit dem zuständigen Vormundschaftsrichter am 21. August 2002 über die ohne Angabe von Gründen erfolgte Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung "sehr aufgebracht" war, ist als Reaktion jedenfalls nachvollziehbar und lässt keinen Schluss auf eine psychische Erkrankung oder ein Betreuungsbedürfnis zu. Einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen hat sich das einleitende Amtsgericht nicht verschafft, obwohl dies bei der Einleitung eines Verfahrens lediglich aus Anlass von Nachbarstreitigkeiten vor der Anordnung einer medizinischen Begutachtung des Betroffenen angebracht gewesen wäre. Unter diesen Umständen stellte die Anordnung, den Betroffenen auf seinen Geisteszustand zu untersuchen, einen nicht gerechtfertigten und auch anfechtbaren Eingriff in seine Rechte dar (vgl. hierzu Senat, FamRZ 2001, 311 und FamRZ 2002, 970).

Ein wichtiger Grund für die Abgabe des Verfahrens ist bei dieser Sachlage jedoch darin zu sehen, dass der in Berlin lebende Betroffene hier seine verfahrensmäßigen Rechte - so es denn noch erforderlich sein sollte - leichter wahrnehmen kann als in Knnnn , wo er nach den Feststellungen des Amtsgerichts Knnnn seit dem 9. November 2002 nicht mehr mit Nebenwohnsitz gemeldet ist und sein Haus in Gnnnnnn leer stehen lässt. Der Betroffene hat bei seiner nach § 65 a Abs. 2 Satz 1 FGG gebotenen Anhörung einer Abgabe des Verfahrens auch nur widersprochen, weil er die Einleitung des Verfahrens als solches für unbegründet hält. Indes ist das Amtsgericht T.nnnnnnnnnnn bei seiner weiteren Bearbeitung an die bisherigen Verfügungen des abgebenden Amtsgerichts Knnnn nicht gebunden (§ 18 FGG). Es kann die vom ihm angeregte Prüfung, "ob die Akte aufgrund des Akteninhalts nicht weggelegt werden kann", nach Übernahme des Verfahrens selbst vornehmen und so das ohne hinreichenden Grund eingeleitete Verfahren zum Abschluss bringen.

Ende der Entscheidung

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