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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.05.2003
Aktenzeichen: 1 AR 33/02
Rechtsgebiete: GKG, KostVfg


Vorschriften:

GKG § 49 S. 1
GKG § 58 Abs. 2 S. 1
KostVfg § 8
Haften mehrere Veranlassungsschuldner als Gesamtschuldner für Gerichtskosten, so ist es - anders als bei der Inanspruchnahme mehrerer Streitgenossen als Erstschuldner (Senat, KGR 2002, 247 = MDR 2002, 1276) - auch ohne besondere Umstände nicht regelmäßig ermessensfehlerhaft, wenn der Kostenbeamte von einzelnen Zweitschuldnern gemäß §§ 58 Abs.2 S.1, 49 S.1 GKG den ganz auf sie entfallenden Mithaftbetrag anfordert, obwohl weitere Zweitschuldner vorhanden sind, die zunächst gar nicht oder in geringerem Umfang in Anspruch genommen werden. Eine solche Art der Inanspruchnahme kann gemäß § 8 Abs.3 S.2 KostVfg durch die Sicherheit der Staatskasse geboten sein, wenn die Kostenforderung und Vollstreckung nach dem bereits eingetretenen Ausfall des Erstschuldners durch die weitere Aufteilung unter sämtliche Kostenschuldner erschwert würde.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 AR 33/02

In Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1. gegen den Kostenansatz des Kammergerichts vom 19. Juni 2002 über 6.229,03 Euro (Sollstellung der Justizkasse Berlin vom 5. Juli 2002 zu KSB-Nr. 1021500096037 in der Sitzung vom 13. Mai 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 5 Abs.1 GKG zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Mit dem angefochtenen Kostenansatz ist der Beteiligte zu 1) zu Recht als Zweitschuldner gemäß §§ 58 Abs.2, 49 S.1 GKG für einen Teil der Kosten in Anspruch genommen worden, für die der Drittwiderbeklagte zu 5) als Entscheidungsschuldner i.H.v. 12.254,72 Euro (= 23.968,15 DM) gemäß § 54 Nr.1 GKG vorrangig haftet. Hinsichtlich des Restbetrages sind mit weiteren Kostenrechnungen des Kammergerichts vom 19. Juni 2002 (Sollstellungen der Justizkasse vom 5. Juli 2002) von dem Kläger tu 1) 3.314,19 Euro und von dem Kläger zu 3) 2.711,50 Euro angefordert worden; der Kläger zu 3) ist wegen eines verbleibenden Mithaftanteils von 3.310,54 Euro, die ebenfalls als Veranlassungsschuldner gemäß § 49 S.1 GKG haftenden Drittwiderbeklagten zu 6) und 7) sind zunächst gar nicht als Zweitschuldner in Anspruch genommen worden.

Der Kostenbeamte hat den Umfang der zweitschuldnerischen Mithaft des Beteiligten zu 1) zutreffend ermittelt. Der Beteiligte zu 1) haftet gemäß § 49 S.1 GKG als Veranlassungsschuldner für die in den Berufungsverfahren entstandenen Gerichtskosten i.H.v. 22.125 DM nach Abzug der bereits zum Soll gestellten Beträge noch i.H.v. 6.229,03 Euro (= 22.125 DM - 9.942,08 DM). Für die Kosten der Berufungsinstanz ist Antragsteller i.S.v. § 49 S.1 GKG der Berufungskläger (Oestreich/Winkler/Hellstab, GKG, Stand Febr. 2003, § 49 Rn. 7). Bei einer Mehrheit von Rechtsmittelführern richtet sich der Umfang der Antragstellerhaftung unabhängig von den erstinstanzlichen Parteistellungen für den Einzelnen nach den Gebühren, die entstanden wären, wenn seine Anträge der einzige Gegenstand des Verfahrens gewesen wären, und nicht etwa nur nach dem Teil der gesamten Gerichtskosten, der nach dem Verhältnis der einzelnen Streitgegenstände zueinander auf diese entfällt (vgl. OLG Köln, Rpfleger 1967, 70; Oestreich/Winkler/Hellstab, a.a.O., § 49 Rn. 16, § 59 Rn. 5; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 49 GKG Rn. 9; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 49 Rn. 5 f.). Durch die Berufungen des Beteiligten zu 1) sind nach Maßgabe seiner Anträge bei isolierter Betrachtung Gerichtskosten i.H.v. 22,125 DM entstanden. Das stellt der Beteiligte zu 1) auch nicht in Abrede; vielmehr vollzieht er eine entsprechende Berechnung in seiner Erinnerungsbegründung vom 18. Juli 2002 (S. 4) nach.

Entgegen seiner Ansicht haftet der Beteiligte zu 1) bis zur Höhe des genannten Betrages unter den Voraussetzungen des § 58 Abs.2 S.1 GKG für die von dem Drittwiderbeklagten zu 5) gemäß § 54 Nr.1 GKG zu tragenden Kosten auch insoweit, als dieser an der Berufung gegen das Teilurteil vom 11. Juni 1998 (23 U 5721/98) nicht beteiligt war. Der Beteiligte zu 1) und der Drittwiderbeklagte zu 5) sind gemäß § 58 Abs.1 GKG auch hinsichtlich der in dem Berufungsverfahren 23 U 5721/98 entstandenen Kosten Gesamtschuldner, weil der Drittwiderbeklagte zu 5) als Entscheidungsschuldner für die in diesem Verfahren entstandenen Kosten ebenfalls haftet. Das ergibt sich aus der Kostenentscheidung im Urteil des Kammergerichts vom 28. Februar 2001, die dem Drittwiderbeklagten zu 5) 38/100 der Gerichtskosten der Berufungsinstanz auferlegt, ohne zwischen den Kosten der Berufung gegen das Teilurteil und denen der Berufung gegen das Schlussurteil vom 29. Juni 1999 (23 U 6223/99) zu unterscheiden. Aus den von dem Beteiligten zu 1) angeführten Entscheidungen (OLG Schleswig" Rpfleger 1956, 325; OLG Hamm, JurBüro 1970, 422) folgt nichts Anderes. Zum einen sind diese nicht einschlägig, weil sie das Verhältnis von Kläger und Widerkläger betreffen, während der Beteiligte zu 1) und der Drittwiderbeklagte zu 5) Streitgenossen sind. Zum anderen wird in den Entscheidungen die gedankliche Trennung von Klage und Widerklage allein zur Ermittlung der Haftungshöhe vorgenommen, eine Zweitschuldnerhaftung also auch im Verhältnis von Kläger und Widerkläger nicht ausgeschlossen.

Die Haftung des Beteiligten zu 1) verringert sich auch nicht deshalb, weil - wie er meint - die Summe aller Mithaftbeträge nicht höher sein dürfe als die Gerichtsgebühren nach dem zusammengerechneten Streitwert. Die addierten Haftungsbeträge der einzelnen Kostenschuldner können die tatsächlich entstandenen Gerichtskosten sehr wohl übersteigen, denn die Kostenschuldner sind auch hinsichtlich der Zweithaftung gemäß § 58 Abs.1 GKG bis zur Höhe ihrer Mithaft untereinander Gesamtschuldner (vgl. Hartmann, a.a.O., § 59 GKG Rn. 5). Es gehört zum Wesen der Gesamtschuld (§ 421 BGB), dass die Summe der Einzelhaftung höher ist als der Betrag, den der Gläubiger fordern kann.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Kostenbeamte den Beteiligten zu 1) gemäß § 421 S.1 BGB, § 58 Abs.1 GKG mit seinem vollen Mithaftbetrag und nicht sämtliche Zweitschuldner gemäß § 8 Abs.3 S.2 Nr.3 Kostenverfügung (KostVfg) gleichmäßig nach Kopfteile in Anspruch genommen hat. Im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nach § 5 GKG ist eine Nachprüfung des Kostenansatzes auch daraufhin zulässig, ob die Vorschrift des § 8 KostVfG beachtet worden ist, die die Inanspruchnahme gesamtschuldnerisch haftender Kostenschuldner näher regelt (Senat, KGR 2002, 247 = MDR 2002, 1276; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O., § 58 Rn. 4; Hartmann, a.a.O., § 8 KostVfG Rn. 1 jew. m.w.N.). Ein als Ermessensfehler beachtlicher Verstoß gegen § 8 KostVfG liegt hier aber nicht vor. Es ist - anders als bei der Inanspruchnahme mehrerer Streitgenossen als Erstschuldner (vgl. Senat, a.a.O.) - auch ohne besondere Umstände nicht regelmäßig ermessensfehlerhaft, wenn der Kostenbeamte von einzelnen Zweitschuldnern den ganz auf sie entfallenden Mithaftbetrag anfordert, obwohl weitere Zweitschuldner vorhanden sind, die zunächst gar nicht oder in geringerem Umfang in Anspruch genommen werden. Eine solche Art der Inanspruchnahme kann nämlich gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KostVfg durch die Sicherheit der Staatskasse geboten sein, wenn die Kostenanforderung und Vollstreckung nach dem bereits eingetretenen Ausfall des Erstschuldners bei einer weiteren Aufteilung unter sämtliche Kostenschuldner erschwert wird. Das ist hier der Fall, da bei insgesamt fünf mithaftenden Zweitschuldnern nicht auszuschließen ist, dass auch ihre Inanspruchnahme teilweise erfolglos bleibt und sich dies erst zu unterschiedlichen Zeitpunkten herausstellt. Dann müssten die verbleibenden Zweitschuldner hinsichtlich der Restbeträge jeweils erneut nach Kopfteilen in Anspruch genommen werden (§ 8 Abs.3 S.3 KostVfg), eine effektive Kostenbeitreibung wäre nicht mehr gewährleistet.

Der Gleichheitsgrundsatz des Art.3 Abs.1 GG ist nicht verletzt, wenn vorliegend die Zweitschuldner in der Reihenfolge der Kostenentscheidung jeweils in voller Höhe ihre Mithaftbetrages in Anspruch genommen wurden, mit der Folge, dass die Mithaft weiterer Zweitschuldner zunächst nicht geltend gemacht wird. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet nicht die gleichmäßige Inanspruchnahme der - in unterschiedlicher Höhe - gesamtschuldnerisch haftenden Zweitschuldner, sondern ein willkürfreies Vorgehen nach Maßgabe der in §§ 7 Abs.2, 8 KostVfG getroffenen Richtlinien (Senat, a.a.O., ähnlich bereits Rpfleger 1979, 355; OLG München, NJW-RR 2000, 1744; Hartmann, a.a.O.; siehe auch v.Münch/Gubelt, GG, 5. Aufl., § 3 Rn. 11, 36, 41 m.w.N.). Willkür liegt danach aber nicht vor, wenn sich der Kostenbeamte bei einer Vielzahl in unterschiedlicher Höhe haftender Zweitschuldner, deren Innenverhältnis ihm nicht bekannt ist, von dem Interesse der Gerichtskasse an einer übersichtlichen und zügigen Realisierung der Gebührenforderuag leiten lässt. Dieser sachgerechte Gesichtspunkt findet auch in § 8 Abs.3 S.3 KostVfg Ausdruck, wonach der Kostenbeamte von der ineffektiven Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners auf Teilbeträge zunächst absehen soll.

Die Voraussetzungen des § 58 Abs.2 S.1 GKG sind für den Drittwiderbeklagten zu 5) erfüllt, denn die Zwangsvollstreckung in sein bewegliches Vermögen erscheint aussichtslos. Die Aussichtslosigkeit der Zwangsvollstreckung ist zu bejahen, wenn der Erstschuldner erst kürzlich die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgegeben hat (Senat, JurBüro 1979, 735, 738; Hartmann, a.a.O., § 58 GKG Rn. 13; Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O., § 58 Rn. 9). Das ist hier der Fall, ausweislich der Mitteilung der Justizkasse vom 18. Juni 2002 hat der Drittwiderbeklagte zu 5) am 30. April 2002 die eidesstattliche Versicherung geleistet.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs.6 GKG).

Ende der Entscheidung

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