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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 1 U 96/05
Rechtsgebiete: WEG, BGB, StrReinG Berlin, Krw/Abf Berlin


Vorschriften:

WEG § 1 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 427
StrReinG Berlin § 7 Abs. 2 S. 2
Krw/Abf Berlin § 8 Abs 1 S 1

Entscheidung wurde am 16.05.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein Leitsatz wurde hinzugefügt
Schuldner der Abfall- und Straßenreinigungsgebühren sind nach Berliner Landesrecht die Wohnungseigentümer als Miteigentümer und nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft. Deren Teilrechtsfähigkeit nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 2005 (BGHZ 163, 154) hat für die Haftung, die an die Eigentümerstellung anknüpft, keine Bedeutung. Mangels einer § 134 Abs. 1 S. 4 BBauGB vergleichbaren gesetzlichen Regelung haften die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner, nicht anteilig. Diese Haftungsregelung verstößt nicht gegen Bundesrecht.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 1 U 96/05

verkündet am : 06. April 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 06.04.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, den Richter am Amtsgericht Müller und den Richter am Kammergericht Dr. Müther

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zu 2) bis 4) zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2) bis 4) hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann von den Beklagten die Zahlung der verlangten 8.358,96 EUR für die Straßenreinigung und Abfallentsorgung in der Zeit von April 2001 bis Juni 2004 aufgrund eines zwischen den Parteien in diesem Zeitraum bestehenden Vertragsverhältnisses verlangen.

1. Zwischen den Parteien bestanden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, entsprechende Vertragsverhältnisse über die Erbringung von Straßenreinigungsleistungen und die Abfallentsorgung in der Zeit von April 2001 bis Juni 2004. Nach § 4 Abs. 1 StrReinG obliegt die ordnungsgemäße Reinigung der Straßen dem Land Berlin als öffentliche Aufgabe für die Anlieger und Hinterlieger der betroffenen Straße. Die Übernahme dieser Aufgabe durch das Land Berlin führt zu einem Anschluss- und Benutzungszwang der Anlieger, die für die Erbringung der Straßenreinigung nach § 7 Abs. 2 S. 1 StrReinG ein Entgelt zu entrichten haben. Diese Entgeltpflicht hat dabei ihre Grundlage zulässiger Weise im privaten Recht (vgl. BGH MDR 1984, 558 = GE 1984, 381). Dasselbe gilt für die Abfallbesitzer im Land Berlin, die nach § 5 Abs. 2 des Krw/AbfallG einem Anschluss- und Benutzungszwang mit privatrechtlicher Entgeltregelung (§ 8 Abs. 1 S. 1 Krw/AbfallG) hinsichtlich des anfallenden Abfalls unterliegen. Kostenschuldner sind in der Regel die benutzungspflichtigen Grundstückseigentümer, so § 8 Abs. 1 S. 2 Krw/AbfallG in der Neufassung vom 16.9.2004, ebenso nach § 8 Abs. 1 S. 1 a.F..

Die Entgeltpflicht ergibt sich dabei aus vertraglichen Rechtsbeziehungen, die allerdings - anders als nach den Vorschriften des BGB - auch ohne individuellen Begründungsakt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des Anschluss- und Benutzungszwangs im Wege der tatsächlichen Inanspruchnahme bei der Abfallentsorgung und der tatsächlichen Leistungsgewährung wie bei der Straßenreinigung zustande kommen (vgl. dazu Wolf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 11. Aufl., § 23 Rn. 34). Auf einen ausdrücklichen Vertragsschluss durch die WEG-Gemeinschaft oder deren hierzu ermächtigten Verwalter der kommt es insoweit nicht an. Ein solcher ist zur Begründung des Vertragsverhältnisses nicht vorgesehen und findet auch nicht statt.

Derartige vertragliche Beziehungen bestanden auch hier zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2) bis 4), weil diese in dem Zeitraum, für den die Entgelte verlangt werden, Miteigentümer des Grundstücks nnnnnnn in nnnnnnnn waren.

Die Verpflichtung zur Zahlung betrifft dabei jeden einzelnen der Beklagten zu 2) bis 4) in voller Höhe, als Gesamtschuldner. Dies folgt aus § 427 BGB, nach dem mehrere gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung Verpflichtete im Zweifel als Gesamtschuldner haften. Tatsachen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Insoweit ist in § 7 Abs. 2 S. 2 StrReinG ausdrücklich geregelt, dass mehrere entgeltpflichtige Personen als Gesamtschuldner haften. Eine entsprechende Regelung fehlt zwar im Krw/AbfallG, es findet sich aber auch keine dem § 134 Abs. 1 S. 4 BauGB entsprechende Vorschrift, wonach die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil entgeltpflichtig wären, so dass es bei der Regel des § 427 BGB verbleibt. Die Beklagten haben auch nicht dargetan, dass entgegen der Regel kein gemeinsamer Abfallbesitz der Miteigentümer besteht. Aus dem Wohnungseigentum folgt dies entgegen ihrem Einwand nicht.

Dass die jeweiligen Rechnungen an die WEG nnnnnnn gerichtet sind, ändert an der Person der Vertragspartner nichts, weil sich hieraus kein Wille der Klägerin ablesen lässt, abweichend von der Gesetzeslage mit der WEG-Gemeinschaft selbst vertragliche Beziehungen begründen zu wollen, zumal auch ein entsprechender Wille der WEG-Gemeinschaft aus der Entgegennahme von Rechnungen nicht hervorgeht.

2. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagten in Bezug auf das Grundstück Wohnungseigentum im Sinne des § 1 Absatz 2 WEG innehatten. Denn die genannten vertraglichen Beziehungen kommen entsprechend den gesetzlichen Grundlagen des Anschluss- und Benutzungszwanges mit den jeweiligen Grundstückseigentümern zustande. Nach § 1 Absatz 2 und 5 WEG sind die Wohnungseigentümer aber Miteigentümer des Grundstücks.

Dieser rechtlichen Beurteilung stehen die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dem Beschluss vom 2. Juni 2005 nicht entgegen (BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061). Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die Annahme der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht dazu, dass ihre Mitglieder nicht mehr als Miteigentümer des Grundstücks anzusehen wären, worauf die Regelungen des StrReinG und des Krw/AbfallG Berlin abstellen. Der Bundesgerichtshof führt ausdrücklich aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit nicht zu einer Gesellschaft wird. Sonder- und Gemeinschaftseigentum verblieben vielmehr als echtes Eigentum ausschließlich in den Händen der Miteigentümer und seien nicht Teil des Vermögens des rechtsfähigen Verbandes, sie stünden daher auch nicht als Haftungsmasse für dessen Verbindlichkeiten zur Verfügung (vgl. BGHZ 163, 154, 177 = NJW 2005, 2061). Damit verbietet sich aber zugleich die Annahme, Verträge die das in Wohnungseigentum aufgeteilte Grundstück betreffen, seien notwendig mit der Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigem Verband geschlossen. Der Bundesgerichtshof hat zwar ausgeführt, ein mit den Wohnungseigentümern abgeschlossener Vertrag werde in der Regel mit dem rechtsfähigen Verband abgeschlossen, auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht ausdrücklich als Vertragspartner bezeichnet sei, etwas anderes könne sich nur dann ergeben, wenn der Vertrag aufgrund besonderer Umstände gerade mit jedem einzelnen Wohnungseigentümer abgeschlossen werde (BGH, aaO, S. 178). Derartige besondere Umstände liegen hier aber vor. Dabei kann offen bleiben, ob neben den Straßenreinigungsgebühren auch die verbrauchsabhängigen Kosten der Abfallentsorgung als Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums anzusehen sind und als solche der gemeinschaftlichen Verwaltung nach §§ 21 Absatz 5 Nr. 5, 28 Absatz 1 Nr. 2 WEG unterliegen oder ob diese dem jeweiligen Sondereigentum zuzurechnen sind und die Finanzierung nur aus praktischen Gründen über die gemeinschaftliche Verwaltung abgewickelt wird (vgl. dazu etwa Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 16 WEG Rn 13a). Entscheidend ist, dass der Landesgesetzgeber mit der Anknüpfung der Haftung an das gemeinschaftliche Grundeigentum bzw. den gemeinschaftlichen Abfallbesitz der Grundeigentümer auch den Zugriff auf deren Vermögen als Haftungsmasse eröffnet hat. Die Annahme einer - alleinigen - Haftung der WEG-Gemeinschaft würde den Zugriff auf das Verwaltungsvermögen in seinem tatsächlichen Bestand beschränken, gerade der Zugriff auf das Privatvermögen der Wohnungseigentümer einschließlich ihres Wohnungseigentums wäre dem Straßenreinigungsbetrieb bzw. dem Abfallentsorger verwehrt. Dieser kann sich den Vertragspartner, der nach dem StrReinG und dem Krw/AbfG dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, aber nicht aussuchen und die ihm gesetzlich obliegenden Leistungen auch nicht - wie ein privater Auftragnehmer der WEG-Gemeinschaft - von der Stellung von Sicherheiten abhängig machen. Die gesamtschuldnerische Haftung der Miteigentümer - und daher auch der Wohnungseigentümer - mit ihrem Privatvermögen ist daher die notwendige Folge des vom StrReinG begründeten Haftungssystems, sie wird durch die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der WEG-Gemeinschaft - wie vom BGH im Einzelnen dargestellt - nicht aufgehoben und durch ein andersartiges Haftungssystem ersetzt. Auch wenn danach nunmehr eine Haftung der WEG-Gemeinschaft beschränkt auf das Verwaltungsvermögen begründet und die gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer etwa durch eine bürgenähnliche Ausfallhaftung ersetzt werden könnte, fehlt es hierfür bislang an der gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage. Daher geht auch der Einwand fehl, die gesamtschuldnerische Haftung der Miteigentümer entspreche nicht der Billigkeit (§ 315 BGB).

3. Das Landgericht hat auch zu Recht die gegen die Höhe der geltend gemachten Gebühren erhobenen Einwendungen unberücksichtigt gelassen.

Soweit die Beklagten zu 2) bis 4) gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Straßenreinigungsgebühren einwenden, die Durchführung der Reinigung werde mit Nichtwissen bestritten, ist dies unzulässig und damit unbeachtlich. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Bereits nach ihrem eigenen Vorbringen haben sie Kenntnis von dem Zustand der Straßen genommen. Eigene Handlungen oder Wahrnehmungen liegen im Übrigen auch dann vor, wenn es sich um Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich handelt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 138 Rn. 16). Ob die Beklagten in der fraglichen Zeit ihre Eigentumswohnungen selbst genutzt haben, ist unerheblich. Das pauschale Bestreiten der Beklagten ist unzureichend. Es wäre konkreter Vortrag erforderlich gewesen, zu welchen Zeiten es an einer Straßenreinigung gemangelt hat, um der Klägerin einen entsprechenden Gegenvortrag zu ermöglichen.

Auch die von den Beklagten zu 2) bis 4) erhobenen Einwendungen gegen die Abfallgebühren greifen nicht durch. Entgegen ihrer Auffassung hatte die Klägerin nicht nach § 315 BGB den Umfang der Müllentsorgung und der Abfuhrhäufigkeiten nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der Umfang der von der Klägerin zu erbringenden Leistung ist vielmehr von den Wohnungseigentümern abgerufen worden, da diese die tatsächliche Handhabung gekannt und gebilligt haben. Dies haben die Beklagten sich zurechnen zu lassen. Wie sie selbst ausführen, hätte die Verwalterin den erforderlichen Einfluss auf die Größe der aufzustellenden Müllbehälter und die Abholungshäufigkeit nehmen können. Dann aber oblag es den Beklagten zu 2) bis 4) auf ihre Verwalterin einzuwirken, um für eine Reduzierung der Leistungen der Klägerin zu sorgen. Auf die Kenntnis von den Rechnungen der Klägerin kommt es nicht an, da sich der Umfang der Leistungen aus deren tatsächlicher Erbringung ergab.

4. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

III. Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht. Die Haftung der einzelnen Mitglieder der WEG persönlich als Gesamtschuldner wird von der Entscheidung des BGH nicht berührt. Sie beruht auf den Vorschriften des StrReinG und des Krw/AbfG Berlin, deren Auslegung nach § 545 ZPO einer revisionsrechtlichen Beurteilung nicht zugänglich ist (vgl. auch BVerwG NJW 2006, 791, 792).

Ende der Entscheidung

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