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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.05.2007
Aktenzeichen: 1 VA 6/07
Rechtsgebiete: EGGVG, HZÜ


Vorschriften:

EGGVG § 23 Abs. 1
HZÜ Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a
Die förmliche Zustellung gerichtlicher Schriftstücke nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ) ist nur zulässig, wenn das zuzustellende Schriftstück in deutscher Sprache abgefasst oder in diese Sprache übersetzt ist. Eine Beglaubigung der Übersetzung, welche die Übereinstimmung zwischen dem Original und der Übersetzung bestätigt, ist für die Ausführung der Zustellung nicht erforderlich.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 VA 6/07

In der Justizverwaltungssache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Entscheidung der Senatsverwaltung für Justiz vom 12. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, den Richter am Kammergericht Müller und die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch am 15. Mai 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Wert des Verfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Auf Ersuchen vom 29. Januar 2007 übersandte die Antragsgegnerin am 12. Februar 2007 dem AG Charlottenburg den Zustellungsantrag des Nagoya High Court, Japan vom 11. Januar 2007 nebst Anlagen zum Zweck der Zustellung an den Antragsteller. Der Zustellungsantrag ("request for service abroad of judicial or extrajudicial documents") und die Angaben über den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks ("summary of the document to be served") waren auf den nach dem Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965 vorgesehenen Vordrucken in Englisch und Japanisch verfasst. Die weiter zuzustellenden Schriftstücke, nämlich 1. Ladung zum Termin ("summons"), 2. Berufungsschrift ("petition of Koso-appeal") und 3. Beweismittel ("evidence") waren jeweils in japanischer und deutscher Fassung beigefügt, wobei die japanische Berufungsklägerin, Frau Tnnn Fnnn, unter jedes der in deutsch verfassten Schriftstücke den Vermerk gesetzt hatte "die Richtigkeit der Übersetzung wird hiermit bestätigt, Nagoya ... Tnnn Fnnn ".

Der Antragsteller verweigerte am 23. Februar 2007 die Annahme der Dokumente mit der Begründung, die ihm zuzustellenden Schriftstücke seien nicht von einer gerichtlich zugelassenen oder vereidigten Übersetzerin übersetzt worden. Die Antragsgegnerin wies den Einwand mit Schreiben vom 9. März 2007 zurück. Das Schreiben enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen die Bewilligung der Rechtshilfe vom 12. Februar 2007 ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG beim Kammergericht innerhalb eines Monats gestellt werden könne.

Mit dem bei Gericht am 10. April 2007 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz beantragt der Antragsteller, die Entscheidung der Snnnnnnnn für Jnnn vom 12. Februar 2007 über die Bewilligung der Rechtshilfe (Gesch-Z. nnnnnnnnnnnn ), dem Antragsteller mit dem am 12.3.2007 zugegangenen Schreiben vom 9. März 2007 bekannt gegeben, aufzuheben. Er meint, die ihm zuzustellenden Schriftstücke seien nicht übersetzt.

II.

1. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist nach §§ 23 ff. EGGVG zulässig, insbesondere gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG fristgerecht gestellt worden.

Nach § 26 Abs. 1 EGGVG muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Justizverwaltungsaktes innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheids schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts oder eines Amtsgerichts gestellt werden. Gegenstand des Antrags nach § 23 Abs. 1 EGGVG ist hier die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2007, dem Rechtshilfeersuchen des Nagoya High Court, Japan, stattzugeben und dem Antragsteller die aus Japan übersandten Schriftstücke zuzustellen. Diese Entscheidung ist dem Antragsteller frühestens mit dem Schreiben vom 9. März 2007 schriftlich bekannt gemacht worden. Am 12. Februar 2007 hat die Antragsgegnerin ihre Entscheidung zunächst nur in einem internen Aktenvermerk festgehalten, was den Lauf der Frist nicht in Gang setzen konnte. Ebenfalls unerheblich für den Beginn der Monatsfrist nach § 26 EGGVG ist der Umstand, dass das AG Charlottenburg den Antragsteller mit Schreiben vom 21. Februar 2007 von einem vergeblichen Zustellversuch informiert und ihn aufgefordert hat, die ihm zuzustellenden Schriftstücke zur Vermeidung von Rechtsnachteilen innerhalb einer Woche abzuholen. Denn hier handelt es sich um Vorgänge bei der tatsächlichen Umsetzung der Zustellung, die eine schriftliche Bekanntgabe des Justizverwaltungsaktes durch die Antragsgegnerin nicht ersetzen. Obwohl auch der Realakt auf eine ihm zu Grunde liegende Entscheidung der zuständigen Behörde schließen lässt, setzt er die Frist nach § 26 EGGVG nicht in Lauf ( OLG Hamm, MDR 1984, 165; Baumbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 26 EGGVG, Rn. 2; Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 26 EGGVG, Rn. 3). Demnach hat die Monatsfrist des § 26 EGGVG frühestens mit Empfang des Schreibens vom 9. März 2007 am 12. März 2007 begonnen und wurde durch den bei Gericht am 10. April 2007 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewahrt.

2. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die Antragsgegnerin zu Recht dem Rechtshilfeersuchen nachkommen will und der Antragssteller durch die Zustellung der hier streitgegenständlichen Schriftstücke nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG).

Die Art und Weise der Zustellung richtet sich vorliegend nach dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965 (BGBl. II 1452 ff.), im folgenden HZÜ, das für die Bundesrepublik Deutschland am 26.6.1979 (BGBl. II, S. 779) und für Japan am 27. Juli 1970 (BGBl. II S. 907) in Kraft getreten ist, und zwar nach Maßgabe des Ausführungsgesetzes zum Haager Zustellungsübereinkommen vom 22.12.1977 (BGBl. I, S. 3105), im folgenden AGHZÜ.

Das Rechtshilfeersuchen ist hier ausdrücklich auf eine förmliche Zustellung der Schriftstücke nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a HZÜ gerichtet, bei der es auf die Bereitschaft des Empfängers zur Annahme der Schriftstücke nicht ankommt. Nach § 3 AGHZÜ ist eine solche Zustellung nach Art. 5 Abs. 1 HZÜ nur zulässig, wenn das zuzustellende Schriftstück in deutscher Sprache abgefasst oder in diese Sprache übersetzt ist.

Durch § 3 AGHZÜ wird Art. 5 Abs. 3 HZÜ ausgefüllt, soweit es sich um die förmliche Zustellung nach Art. 5 Abs. 1 HZÜ handelt. Art. 5 Abs. 3 HZÜ sieht für die förmliche Zustellung eine Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke nicht originär vor. Das Übereinkommen überlässt es vielmehr der Zentralen Behörde eines jeden Vertragsstaates zu fordern, dass die Schriftstücke "in der Amtssprache des ersuchten Staates abgefasst oder in diese übersetzt" sind. Zur Vermeidung einer unterschiedlichen Handhabung von Fall zu Fall ist in § 3 AGHZÜ generell bestimmt, dass stets eine Übersetzung erforderlich ist, wenn das zuzustellende Schriftsstück nicht von vornherein in deutscher Sprache abgefasst ist.

Eine Beglaubigung der Übersetzung ist nach diesen Vorschriften nicht vorgesehen. Auf diese Anforderung wird im Haager Zustellungsübereinkommen bewusst verzichtet. Das Haager Zustellungsübereinkommen ist nach seinem Art. 22 zwischen den Staaten, die es ratifiziert haben, an die Stelle des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess von 1954 getreten, sofern diese Staaten Vertragsparteien jenes Übereinkommens waren - was sowohl für die Bundesrepublik Deutschland als auch für Japan zutrifft (Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, Band I A I 2 a und A I 1 b). Im Haager Übereinkommen über den Zivilprozess von 1954 war in Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich vorgesehen, dass die für die Zustellung erforderliche Übersetzung der Schriftstücke von dem diplomatischen oder konsularischen Vertreter des ersuchenden Staates oder von einem beeidigten Übersetzer des ersuchten Staates zu beglaubigen sei. Dieses Erfordernis ist nicht übernommen worden. Eine Beglaubigung der Übersetzung, welche die Übereinstimmung zwischen dem Original und der Übersetzung bestätigt, ist für die Ausführung der Zustellung nicht gefordert (vgl. Geimer/Schütze, a. a. O., Band I A I 2e, Fn. 5 zu § 3 AGHZÜ).

Das zeigt auch die Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO), welche als eine vom Bund und den Ländern erlassene Verwaltungsvorschrift für die Abwicklung des Rechtshilfeverkehrs bindend ist (BGH, NJW 1983, 2769). Für eingehende Rechtshilfeersuchen bestimmt § 71 Abs. 1 Satz 2 ZRHO, dass im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens vom 15. November 1965 eine Beglaubigung der Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke nicht verlangt werden kann. Das gleiche gilt nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ZHRO für ausgehende Rechtshilfeersuchen.

Dementsprechend geht die Rüge des Antragstellers in seinem Schreiben vom 27. Februar 2007 fehl, die ihm zuzustellenden Schriftstücke seien nicht von einem vereidigten Übersetzer aus dem Japanischen in die deutsche Sprache übersetzt worden. Denn die durch die Beglaubigung erteilte Bestätigung eines vereidigten Übersetzers, dass das Original und die Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks übereinstimmen, zählt nicht zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der im Bereich des Haager Zustellungsübereinkommens zu bewirkenden Zustellung.

Nicht nachvollziehbar ist die in der Antragsschrift vom 10. April 2007 aufgestellte weitere Behauptung des Antragsstellers, die im Wege der Zustellung zu übergebenden Schriftstücke seien nicht übersetzt, vielmehr handele es sich um einen Stapel von Unterlagen mit japanischen Schriftzeichen sowie um einen weiteren Stapel von Briefen einer Japanerin, Frau Tnnn Fnnn, deren schriftliche deutschsprachige Äußerungen jedoch nur teilweise verständlich seien. Demgegenüber liegen dem Senat ein Stapel der Schriftstücke vor, die dem Antragsteller zuzustellen sind, sowie ein zweiter Stapel, in dem sich die zur Rücksendung an das Berufungsgericht in Nagoya, Japan, bestimmten Doppel dieser Schriftstücke befinden. In beiden Stapeln befinden sich nacheinander die im amtlichen Vordruck "summary of the document to be served" aufgelisteten Schriftstücke, nämlich Ladung zur mündlichen Verhandlung, Berufung (Antrag und Berufungsbegründungsschriftsatz) sowie als Beweismittel weitere Schriftstücke, entsprechend einer mit laufenden Kennziffern versehenen Auflistung. Diese sind z. T. auch in Deutsch verfasst und sollen vom Vater des Antragstellers herrühren. Hinter jedem auf japanisch verfassten Schriftstück befindet sich die von Frau Fnnn stammende deutsche Übersetzung desselben. Dies hat der Antragsteller ersichtlich auch erkannt, da er in seinem Schreiben vom 27. Februar 2007 die "vorliegende Übersetzung" der zuzustellenden Schriftstücke nicht akzeptieren wollte, weil sie unzulässiger Weise von der Klägerin gefertigt sei. Entgegen der Behauptung des Antragstellers ist die deutsche Fassung sämtlicher Texte im übrigen sprachlich einwandfrei.

Die Rechte des Antragstellers werden auch nicht dadurch verletzt, dass die Klägerin selbst und nicht eine dritte Person die Ladung des Gerichts, die Berufungsschrift und die Beweismittel ins Deutsche übersetzt hat. Dieser Umstand allein macht die vorliegende Übersetzung nicht zu einer "Nicht- oder Scheinübersetzung". Was die Ladung des Gerichts zum Termin angeht, können die Daten ohne weiteres anhand des Vordrucks zu den Angaben über den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks ("summary of the document to be served") überprüft werden, den die für den Zustellungsverkehr zuständige Zentralbehörde Japans ausgefüllt hat. Danach ist Zeit und Ort für den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht angesetzt auf den 25. Juni 2007, 10 Uhr morgens im Raum Nr. 1003 des Nagoya High Court. Das entspricht dem von der Klägerin übersetzten "Aufruf zu Gerichtsterminen". Und was die Berufungsschrift (Antrag und Berufungsbegründung) betrifft, stimmen die Angaben aus der Inhaltsangabe (The claim for rent, The Amount in Dispute: 13.830.000 Yen) mit den Angaben in der übersetzten Berufungs- und der Berufungsbegründungsschrift ebenfalls überein. Die Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke soll den Empfänger in die Lage versetzen, das Ziel des zugestellten Schriftstücks zu erkennen und sachgerecht zu reagieren (OLG Nürnberg, IPrax 2006, 38). Dieses Ziel wird auch durch eine von der Berufungsklägerin selbst verfasste Übersetzung ihrer eigenen Berufungsschrift erreicht. Das zeigt bereits die Tatsache, dass nach dem Haager Zustellungsübereinkommen auch ein von vornherein in deutscher Sprache verfasstes Schriftstück ohne Rücksicht auf den Verfasser und dessen Sprachkenntnisse förmlich zugestellt werden darf. Inhaltliche Mißverständnisse sind im Rechtsstreit zu klären und nicht Gegenstand der auf die Zulässigkeit des Rechtshilfeersuchens beschränkten Prüfung.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG in Verbindung mit § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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