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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 1 VAs 14/08
Rechtsgebiete: StGB, EGGVG, BZRG, KostO


Vorschriften:

StGB § 63
EGGVG § 23 Abs. 1
EGGVG § 23 Abs. 2
EGGVG § 28 Abs. 3
EGGVG § 30 Abs. 1
EGGVG § 30 Abs. 3
BZRG § 4 Nr. 2
BZRG § 37 Abs. 2
BZRG § 47 Abs. 3
BZRG § 47 Abs. 2
BZRG § 49
BZRG § 49 Abs. 1
BZRG § 49 Abs. 1 Satz 2
BZRG § 49 Abs. 1 Satz 3
KostO § 30
KostO § 130
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 1 VAs 14/08

In der Justizverwaltungssache

wegen vorzeitiger Tilgung von Eintragungen im Bundeszentralregister hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 3. April 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Bundesministeriums der Justiz vom 30. Januar 2008 wird verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Das Bundeszentralregister enthält über den Betroffenen neben fünf Eintragungen im Erziehungsregister elf Eintragungen von strafgerichtlichen Verurteilungen in den Jahren 1972 bis 2006. Darunter befindet sich die Eintragung des Urteils vom 20. April 1976, durch das das Landgericht Zweibrücken gegen ihn wegen Vergewaltigung in vier Fällen, davon einmal in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und dreimal in Tateinheit mit vollendeter räuberischer Erpressung, einmal in Tateinheit mit Entführung wider Willen und in einem Falle gemeinschaftlich handelnd, sowie versuchter Vergewaltigung eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verhängt und gemäß § 63 StGB seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Der Strafrest wurde mit Wirkung vom 21. November 1986 erlassen. Die Unterbringung, die zuvor zur Bewährung ausgesetzt worden war, war am 29. Februar 1988 erledigt, ebenso die Führungsaufsicht. Als nächster Eintrag folgt das Urteil des Amtsgerichts Zweibrücken vom 22. Oktober 1990, durch das der Betroffene wegen Nötigung, vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in zwei Fällen und Körperverletzung (letzte Tat: 9. Februar 1988) zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt worden ist. Die weiteren sechs Eintragungen betreffen Verurteilungen zu Geldstrafen wegen Vermögens- und Verkehrsdelikten, aber auch in einem Fall wegen exhibitionistischer Handlungen. Zuletzt ist eine Verurteilung vom 24. Januar 2006 wegen fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort notiert.

Der Betroffene begehrt die Tilgung der Eintragungen, wobei es ihm vor allem um die Beseitigung des Eintrags seiner Verurteilung aus dem Urteil vom 20. April 1976 geht. Er bringt vor, dass es sich um eine Jugendverfehlung gehandelt habe, das Landgericht nach dem Jugendstrafrecht eine Unterbringung in der Psychiatrie nicht habe anordnen dürfen und im Übrigen seine Nachreifung im Strafvollzug dazu geführt habe, dass die Unterbringung entbehrlich geworden sei; die Eintragung stehe seiner Resozialisierung entgegen.

Das Bundesamt für Justiz hat den Antrag des Betroffenen auf Tilgung der Eintragungen (§ 49 Abs. 1 BZRG) abgelehnt, das Bundesministerium der Justiz hat seine Beschwerde mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Januar 2008 zurückgewiesen. Der zulässige Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 und Abs. 2 EGGVG hat keinen Erfolg.

1. Die vorzeitige Tilgung einer Eintragung im Zentralregister ist der schwerstwiegende und in der Regel endgültige Eingriff in den Registerbestand und muss daher außergewöhnlichen Härtefällen vorbehalten bleiben (ständige Rechtsprechung des Kammergerichts, vgl. etwa Beschluss vom 5. Dezember 2005 - 4 VAs 84/05 -). § 49 Abs. 1 BZRG räumt dem Bundesamt für Justiz als Registerbehörde für die Entscheidung über die vorzeitige Tilgung einer Eintragung im Bundeszentralregister ein Ermessen ein, das nach § 28 Abs. 3 EGGVG nur dahin überprüfbar ist, ob der Betroffene in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung verletzt ist, ob also Willkür oder Missbrauch des Ermessens vorliegt (vgl. etwa Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., § 28 EGGVG Rdn. 8 m.w.N.). Der Senat ist daher nur zu der Überprüfung befugt, ob bei der von dem Betroffenen angegriffenen Entscheidung Umstände zu seinem Nachteil berücksichtigt worden sind, die nach Sinn und Zweck des Gesetzes keine Rolle spielen dürften, oder ob maßgebliche Gesichtspunkte, die bei der Ermessensentscheidung von Belang sein können, falsch bewertet oder außer Acht gelassen worden sind. Er hat ferner zu prüfen, ob die Behörden von einem vollständig und richtig ermittelten Sachverhalt, soweit er für die Entscheidung von Bedeutung ist, ausgegangen sind.

Im Ergebnis enthalten weder der angefochtene Bescheid noch der durch ihn bestätigte Bescheid des Bundesamts für Justiz vom 27. September 2007 solche Fehler.

a) Mit Recht hat das Bundesministerium der Justiz darauf verwiesen, dass der Einwand des Betroffen, seine persönliche Entwicklung und der Reifeprozess seien zum Zeitpunkt der im Jahr 1976 abgeurteilten Straftaten noch nicht abgeschlossen gewesen, es hätte somit eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht erfolgen müssen, die in seinem Falle keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorgesehen hätte, unbeachtlich ist. Denn es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Tilgungsverfahrens, die materielle Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung nachzuprüfen (vgl. OLG Hamm NStZ 1988, 136; ständige Rechtsprechung des Kammergerichts, vgl. etwa Beschlüsse vom 7. März 2008 - 1 VAs 13/08 - und 6. März 2006 - 4 VAs 58/05 - m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Betroffenen war im Übrigen gemäß § 7 des im Verurteilungszeitpunkt geltenden Jugendgerichtsgesetzes (BGBl. 1974 I, 3427 ff) die vom Gericht angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung zulässig.

b) Die gesetzlichen Regelvoraussetzungen für die Tilgung liegen nicht vor.

Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Betroffene alsbald nach dem Erlass des Strafrestes und noch vor der Erledigung der Unterbringung erneut straffällig geworden ist und deshalb am 22. Oktober 1990 durch das Amtsgericht Zweibrücken zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt werden musste. Dieses Urteil und die weiteren Verurteilungen des Betroffenen bewirken gemäß § 47 Abs. 3, Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 BZRG, dass sämtliche Eintragungen nicht tilgungsreif sind, und zwar auch ohne dass es auf die Regelung in § 4 Nr. 2 BZRG ankäme.

Dieses Ergebnis folgt aber auch aus § 4 Nr. 2 BZRG, wonach die Eintragung einer gerichtlichen Entscheidung, mit der die Unterbringung eines Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet worden ist, so lange im Register bleibt, bis der Betroffene das 90. Lebensjahr vollendet hat oder der Registerbehörde der Tod amtlich mitgeteilt worden ist (§ 45 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 24 BZRG).

c) Die Ermessensentscheidung, die nach § 49 BZRG ausnahmsweise mögliche Tilgung der Eintragungen nicht anzuordnen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Allerdings hat die Registerbehörde entgegen der Sollvorschrift des § 49 Abs. 1 Satz 2 BZRG nicht die erkennenden Gerichte und die Staatsanwaltschaften angehört; sie hat es auch unterlassen, soweit es die Verurteilung vom 20. April 1976 angeht, einen in der Psychiatrie erfahrenen medizinischen Sachverständigen zu hören (§ 49 Abs. 1 Satz 3 BZRG). Die genannten Vorschriften sollen sicherstellen, dass möglichst alle in Betracht kommenden Einzelumstände in diese für die Resozialisierung des Betroffenen wichtige Entscheidung einfließen (vgl. Rebmann/Uhlig, BZRG, § 49 Rdn. 19).

Auf die Anhörung eines psychiatrischen Sachverständigen ist offenbar aus der Erwägung heraus verzichtet worden, dass, wie es in dem angefochtenen Bescheid heißt, von dem Betroffenen "keine Gefährdung mehr ausgeht, insbesondere was Sexualdelikte angeht". Ob diese Wertung zutrifft, ist nicht zweifelsfrei, da der Betroffene immerhin wegen im Jahr 1998 begangener exhibitionistischer Handlungen verurteilt werden musste. Letztlich kann dies für das vorliegende Verfahren jedoch dahinstehen, weil sich die Unterstellung einer fehlenden Gefährlichkeit in Bezug auf Sexualdelikte nicht zum Nachteil des Betroffenen ausgewirkt hat.

Auch der Umstand, dass die Registerbehörde die erkennenden Gerichte und die Staatsanwaltschaften nicht angehört hat, führt nicht dazu, dass die Entscheidung als ermessensfehlerhaft aufzuheben ist. Es ist anerkannt, dass das Unterlassen der in § 49 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BZRG vorgesehenen Ermittlungen nicht zu beanstanden ist, wenn der Antrag offensichtlich unbegründet ist (vgl. KG, Beschluss vom 13. Mai 2005 - 4 VAs 27/05 -; Götz/Tolzmann, BZRG 4. Aufl., § 49 Rdn. 12; Hase, BZRG, § 49 Rdn. 9). Das ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund der Schwere und Anzahl der Straftaten eine vorzeitige Tilgung von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. Hase ebenda). Dementsprechend sieht § 25 Abs. 2 der Ersten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundeszentralregistergesetzes vom 24. Mai 1985 (abgedruckt bei Hase aaO, S. 143 ff) vor, dass von weiteren Erhebungen abzusehen ist, wenn beispielsweise der Verurteilte erst vor kurzer Zeit wegen einer erheblichen Straftat oder bereits in zahlreichen Fällen verurteilt worden ist. Letzteres ist hier der Fall. Der Betroffene hat es auch nach seiner Verurteilung im Jahre 1976 nicht vermocht, über einen längeren Zeitraum straffrei zu bleiben und musste deshalb immer wieder, zuletzt im Jahre 2006, zur Rechenschaft gezogen werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 30 Abs. 1 EGGVG, 130 KostO, die Festsetzung des Geschäftswertes auf den §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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